1.2 Mittel zur Erreichung begünstigter Zwecke
1.2.1 Wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb (§ 31 BAO)
1.2.1.1 Begriff
Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb iSd § 31 BAO ist eine
- selbständige,
- nachhaltige,
- ohne Gewinnabsicht unternommene Betätigung,
- sofern durch sie Einnahmen oder andere wirtschaftliche Vorteile erzielt werden und
- diese über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht.
- Unter Vermögensverwaltung fällt vor allem die verzinsliche Anlage von Kapitalvermögen sowie die Vermietung und Verpachtung unbeweglichen Vermögens (Näheres siehe Rz 215 bis 233).
1.2.1.2 Die Tatbestandsmerkmale im Einzelnen
1.2.1.2.1 Selbständigkeit
- Darunter ist ein wirtschaftliches Herausgehobensein der Tätigkeit des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes aus der allgemeinen Tätigkeit der Körperschaft sowie eine sachliche Geschlossenheit der betreffenden Tätigkeit gegenüber anderen sachlich geschlossenen Tätigkeiten zu verstehen.
- Jede sachlich selbständige, dh. abgegrenzte nachhaltige wirtschaftliche Betätigung begründet daher grundsätzlich einen eigenen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Die Behandlung verschiedener Betätigungen als einheitlicher wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ist nach den allgemeinen steuerrechtlichen Grundsätzen dann geboten, wenn sie in wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht nach dem Gesamtbild der Verhältnisse eine Einheit bilden (siehe dazu auch EStR 2000 Rz 411 ff). Indizien hierfür sind:
- zentraler Wareneinkauf,
- (weitgehende) Identität hinsichtlich der handelnden Personen (zB Personal)
- einheitliche Preisgestaltung,
- in den Grundsätzen zentral geleitete Betriebsführung oder Aufsicht bzw.
- einheitliche Buchführung.
Auch Neben-, Hilfs- oder Ergänzungsbetätigungen zu einer als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb zu behandelnden Hauptbetätigung sind der Hauptbetätigung zuzurechnen.
Ein weiterer selbständiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb kann jedenfalls erst dann angenommen werden, wenn die Tätigkeit die Voraussetzungen – abgesehen von der Gewinnerzielungsabsicht – für das Vorliegen eines Betriebes oder Teilbetriebes erfüllt (siehe dazu auch EStR 2000 Rz 5579 ff).
Liegt auf Grund eines unmittelbaren untrennbaren wirtschaftlichen und organisatorischen Zusammenhanges der Betätigungen ein unteilbarer wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb vor, kann dieser nicht in verschiedene jeweils getrennt zu erfassende Geschäftsbetriebe zerlegt werden.
Beispiel:
In einem Studentenheim werden vom Verein in den Sommermonaten Zimmer an andere Personen als Studenten vermietet. Ist eine sachliche und organisatorische Trennung zwischen Heimbetrieb und Vermietung nicht gegeben, muss ein einheitlicher Betrieb angenommen werden (siehe aber die Beispiele in Rz 167).
1.2.1.2.2 Nachhaltigkeit
Dieses Tatbestandsmerkmal liegt dann vor,
- wenn mehrere aufeinanderfolgende gleichartige Handlungen unter Ausnutzung derselben Gelegenheit und derselben dauernden Verhältnisse ausgeführt werden (VwGH 14.9.1988, 87/13/0248) oder
- die tatsächlichen Umstände auf Beginn oder Fortsetzung der Tätigkeit hinweisen (VwGH 10.3.1993, 91/13/0189).
- Einmalige Betätigungen begründen somit keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Eine derartige Betätigung liegt grundsätzlich dann vor, wenn
- sie ohne Wiederholungsabsicht unternommen wird und
- die Dauer von 24 Stunden nicht übersteigt.
- Der Tatbestand der Wiederholung setzt dabei begrifflich die Vergleichbarkeit der Folgehandlung mit der Vorhandlung voraus. Wird eine zunächst ohne Wiederholungsabsicht vorgenommene Handlung auf Grund eines nachweislich später gefassten Entschlusses doch wiederholt, genügt dieser Umstand nicht, um rückwirkend auch die erste Handlung zu einer einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zugehörigen zu machen.
- Beispiele für Tätigkeiten ohne Wiederholungsabsicht:
- einmaliger sechsstündiger Flohmarkt,
- einmalig durchgeführtes von 20 Uhr bis 4 Uhr des Folgetages dauerndes Fest
- Vorbereitungs- und Abschlussarbeiten für eine einmalige Betätigung sind in den 24-Stunden-Zeitraum nicht einzubeziehen.
- Beispiele für Vorbereitungs- und Abschlussarbeiten:
- Auf- und Abbau des Festzeltes bei einer Festveranstaltung,
- Werbung für eine Glücksspielveranstaltung oder eine Festveranstaltung,
- Proben für eine Konzert- oder Brauchtumsveranstaltung,
- Herstellung von Programmen
Nachhaltigkeit ist daher gegeben, wenn die Betätigung
- länger als 24 Stunden dauert,
- ohne Rücksicht auf die Dauer in Wiederholungsabsicht unternommen wird oder
- tatsächlich innerhalb eines Kalenderjahres wiederholt oder in jedem Kalenderjahr bzw. über mehrere Jahre hin wenigstens einmal unternommen wird.
Beispiele für Tätigkeiten mit Wiederholungsabsicht:
- alljährlich durchgeführter Adventmarkt
- mehrtägiges Vereinsfest (siehe hiezu auch Rz 306 bis 308 „Vereinsfest“)
- Herausgabe eines Jahrbuches
1.2.1.2.3 Mangelnde Gewinnabsicht
Gewinnabsicht liegt dann nicht vor, wenn durch die Betätigung kein Überschuss, sondern höchstens Kostendeckung oder das Erzielen von Einnahmen von völlig unbedeutender Größenordnung angestrebt wird. Tatsächlich auftretende, jedoch nicht erstrebte Gewinne (Zufallsgewinne) ändern nichts am Vorliegen eines Geschäftsbetriebes, nachhaltig anfallende Gewinne führen jedoch zur Annahme eines – prinzipiell zum Verlust abgabenrechtlicher Begünstigungen führenden – Gewinnbetriebes (siehe Rz 181 bis Rz 183 sowie Rz 184 bis Rz 214).
1.2.1.3 Einkunftsart
Die Einkünfte aus einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb sind je nach dem Inhalt der Betätigung entweder als solche aus Land- und Forstwirtschaft oder aus Gewerbebetrieb, im Falle des Zusammentreffens beider Merkmale in einem Geschäftsbetrieb als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln.
Bei einer Körperschaft, die wissenschaftliche Ziele, Forschungszwecke oder künstlerische Ziele verfolgt, ist auch die Erzielung von Einkünften aus selbständiger Arbeit denkbar.
1.2.1.4 Betriebsverpachtung
1.2.1.4.1 Allgemeines
Die Verpachtung eines Betriebes stellt idR für sich allein keine Betriebsaufgabe, sondern eine Art des Ruhens des Betriebes dar. Die Pachteinnahmen sind der entsprechenden betrieblichen Einkunftsart zuzuordnen, weil mangels Betriebsbeendigung die betriebliche Tätigkeit – wenn auch in geänderter Form – weiter andauert.
Eine Betriebsaufgabe in Verbindung mit der Verpachtung eines Betriebes ist dann zu unterstellen, wenn die konkreten Umstände des Einzelfalles objektiv darauf schließen lassen,
- dass die verpachtende Körperschaft nach einer allfälligen Beendigung des Pachtverhältnisses mit dem vorhandenen Betriebsvermögen nicht mehr in der Lage ist, seinen Betrieb fortzuführen,
- oder sonst das Gesamtbild der Verhältnisse mit hoher Wahrscheinlichkeit für die Absicht der verpachtenden Körperschaft spricht, den Betrieb nach Auflösung des Pachtvertrages nicht mehr auf eigene Rechnung und Gefahr weiterzuführen.
Die hohe Wahrscheinlichkeit ist an objektiven Kriterien zu messen. Den Bestimmungen des Pachtvertrages kommt dabei eine wesentliche Bedeutung zu. Eine Absichtserklärung der Körperschaft ist für sich allein unmaßgeblich. Es ist nicht nötig, dass die Wiederaufnahme der Tätigkeit wegen rechtlicher oder sachlicher Unmöglichkeit für immer ausgeschlossen ist (vgl. VwGH 22.5.1996, 92/14/0142; VwGH 19.2.1997, 94/13/0206; VwGH 19.12.1997, 94/13/0004; VwGH 26.1.1999, 97/14/0089; VwGH 16.12.1999, 97/15/0134).
Ist mit der Verpachtung eines Betriebes eine Betriebsaufgabe verbunden, zählen die Pachteinnahmen zur Vermögensverwaltung (VwGH 23.3.1988, 87/13/0065; VwGH 14.9.1988, 87/13/0100; VwGH 26.4.1989, 88/14/0096; in diesen Fällen wurden die Einnahmen der Einkunftsart „Vermietung und Verpachtung“ zugeordnet).
1.2.1.4.2 Indizien für und gegen eine Betriebsaufgabe durch Betriebsverpachtung
Die Indizien für bzw. gegen eine Betriebsaufgabe sind in ihrer Gesamtheit gegeneinander abzuwägen (Gesamtbildbetrachtung, VwGH 22.5.1996, 92/14/0142; VwGH 19.2.1997, 94/13/0206).
Indizien für eine Betriebsaufgabe aus Anlass der Betriebsverpachtung sind
- der Abschluss des Pachtvertrages auf lange oder unbestimmte Zeit bei beiderseitigem Ausschluss der Kündigung (VwGH 14.9.1988, 87/13/0100; VwGH 22.5.1996, 92/14/0142)
- das Zurücklegen der Gewerbeberechtigung bzw. das Löschen der Firma im Firmenbuch (VwGH 23.3.1988, 87/13/0065; VwGH 22.5.1996, 92/14/0142)
- die Veräußerung statt der Verpachtung der Geschäftseinrichtung, des Warenlagers bzw. der Kraftfahrzeuge an den Pächter (VwGH 18.5.1971, 1582/69; VwGH 23.3.1988, 87/13/0065; VwGH 22.5.1996, 92/14/0142)
- die vertragliche Absicherung der Möglichkeit der Beendigung des Pachtverhältnisses zwecks Veräußerung des Bestandobjektes
- das Einlagern abmontierter Maschinen (VwGH 12.3.1965, 0205/64, 0206/64 und 0207/64)
- das Einstellen der Produktion
- die Kündigung bzw. der Abbau der Arbeitnehmer (VwGH 12.3.1965, 0205/64, 0206/64 und 0207/64; VwGH 18.5.1971, 1582/69)
- die Übergabe des Kundenstocks und des Firmenzeichens (VwGH 18.5.1971, 1582/69)
- das Vermieten der Betriebsräume in leerem Zustand (VwGH 12.3.1965, 0205/64, 0206/64 und 0207/64)
- das Einräumen des wirtschaftlichen Eigentums an den Pächter durch den Verpächter
- das Einräumen eines Vorkaufsrechtes an den Pächter und eines Vorpachtrechtes an dessen Gattin im Falle seines Ablebens (VwGH 3.10.1984, 83/13/0004).
Indizien gegen eine Betriebsaufgabe aus Anlass der Betriebsverpachtung sind
- ein kurzfristiger (bestimmte Zeit) oder kurz aufkündbarer Pachtvertrag (VwGH 26.11.1975, 1307/75; VwGH 23.3.1988, 87/13/0065; VwGH 26.4.1989, 88/14/0096)
- eine Vereinbarung über die Rückübertragung des Betriebes (VwGH 23.3.1988, 87/13/0065)
- eine vertraglich vereinbarte Modernisierung des Betriebes durch den Verpächter (VwGH 23.3.1988, 87/13/0065)
- die Nichtübernahme der Verbindlichkeiten aus der Zeit vor Beginn des Pachtverhältnisses durch den Pächter (VwGH 4.5.1982, 82/14/0041)
- eine Vereinbarung über vorzeitige Auflösungsgründe (VwGH 4.5.1982, 82/14/0041)
- die Verkürzung der Pachtdauer bei Tod des Pächters (VwGH 4.5.1982, 82/14/0041)
- das Zurückbehalten von Lagerbeständen durch den Verpächter (VwGH 22.10.1980, 2003/79)
- ein relativ hoher Pachtzins (12% Umsatzbeteiligung) und umfangreiche Kontrollrechte bzw. die Möglichkeit der Einflussnahme des Verpächters (VwGH 5.6.1974, 1964/73; VwGH 4.5.1982, 82/14/0041)
- die Beratertätigkeit des Verpächters gegenüber dem Pächter (VwGH 2.2.1968, 0732/67)
- die Tätigkeit des Verpächters als Geschäftsführer des Pächters (VwGH 19.2.1997, 94/13/0206; VwGH 19.2.1997, 94/13/0206)
- das Beibehalten der Konzession oder der Protokollierung im Firmenbuch (VwGH 22.5.1996, 92/14/0142)
- das Aufrechterhalten der Verbindung zu den bisherigen Auftraggebern durch den Verpächter (VwGH 22.10.1980, 2003/79, 2639/79; VwGH 26.4.1989, 88/14/0096)
- die Betriebspflicht durch den Pächter (VwGH 23.3.1988, 87/13/0065; VwGH 26.4.1989, 88/14/0096)
- das Weiterführen des Betriebes auf Grund des dem Verpächter zustehenden Gewerberechtes in dessen Geschäftsräumen und mit dessen Einrichtung (VwGH 18.1.1963, 2233/61)
- das – wenn auch in eingeschränktem Maße – Weiterführen des Betriebes mit zurückbehaltenen Maschinen durch den Verpächter (VwGH 15.4.1970, 1526/68)
- die Vermietung eines Geschäftslokales an einen branchengleichen Unternehmer, der die noch vorhandenen Waren des Vermieters für dessen Rechnung laufend veräußert (VwGH 22.12.1993, 92/13/0185)
- das Fortführen des Betriebs durch den Verpächter in vergleichbarem, wenn auch eingeschränktem Umfang trotz Verpachtung des Betriebsgebäudes (VwGH 15.4.1970, 1526/68)
- die Möglichkeit des Rückkaufes des Inventars bzw. der vorhandenen Waren (VwGH 4.5.1982, 82/14/0041; VwGH 26.4.1989, 88/14/0096)
- die Verpflichtung des Pächters zum Ersatz verloren gegangener oder beschädigter Einrichtungsgegenstände bzw. Übergabe einer gleichwertigen Geschäftseinrichtung bei Ablauf des Pachtvertrages (VwGH 4.5.1982, 82/14/0041; VwGH 26.4.1989, 88/14/0096)
- ein an den Pächter gerichtetes Verbot, Einrichtungsgegenstände zu entfernen (VwGH 23.3.1988, 87/13/0065)
- die Überschuldung des Betriebes, unmoderne Ausstattung sowie eine andere unternehmerische Tätigkeit des Verpächters während der Pachtdauer stehen einer Weiterführung des Betriebes nach Ablauf der Pachtdauer nicht entgegen (VwGH 23.3.1988, 87/13/0065; VwGH 22.5.1996, 92/14/0142).
Nach Betriebsaufgabe (§ 24 EStG 1988) oder im Falle der entgeltlichen Überlassung von Vermögensteilen, die keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb begründet haben (zB im Falle der Bestandgabe einer vom Verein nie selbst geführten Kantine), liegt Vermögensverwaltung vor. Ist ein begünstigter Rechtsträger überwiegend am Umsatz eines von ihm verpachteten Betriebes (Teilbetriebes, Betriebsteiles) beteiligt und stehen dem Verpächter erhebliche Möglichkeiten zur Einflussnahme auf den Betrieb zu, geht dies über den Umfang der Vermögensverwaltung hinaus, weil er dann den überwiegenden Teil des mit der Führung des Betriebes verbundenen Risikos trägt.