16.1 Allgemeines (§ 7 Abs. 2 KStG 1988 in Verbindung mit § 3 EStG 1988)
1151
Im Gegensatz zu den persönlichen Befreiungen (siehe Rz 166 bis 291) ist bei den sachlichen Steuerbefreiungen nicht das Steuersubjekt, sondern ein bestimmter Teil des erzielten Einkommens aus der Steuerpflicht ausgenommen.
Durch den Verweis im § 7 Abs. 2 KStG 1988 ist für die Einkommensermittlung insofern das EStG 1988 heranzuziehen, als es begrifflich für Körperschaften anwendbar ist (siehe Rz 348 bis 418). Zu den auf Körperschaften anwendbaren sachlichen Steuerbefreiungen siehe Rz 360.
1152
Unter die sachlichen Steuerbefreiungen fällt neben den Steuerbefreiungen des § 3 EStG 1988 die Beteiligungsertragsbefreiung für Beteiligungserträge iSd § 10 Abs. 1 KStG 1988.
16.2 Befreiung für Beteiligungserträge und internationale Schachtelbeteiligungen (§ 10 KStG 1988)
1153
§ 10 KStG 1988 regelt zwei Arten der Befreiung:
- Beteiligungsertragsbefreiung (§ 10 Abs. 1 Z 1 bis 6 KStG 1988), siehe Rz 1157 bis 1199:
Diese bezieht sich auf Gewinnanteile aus Körperschaften. Die historische Einschränkung auf inländische Körperschaften wurde aus unionsrechtlichen Gründen aufgegeben, die Befreiung umfasst nunmehr Erträge aus Beteiligungen an:- inländischen Körperschaften (§ 10 Abs. 1 Z 1 bis 4 KStG 1988) sowie
- „EU-Körperschaften“ (§ 10 Abs. 1 Z 5 KStG 1988) und ausländischen Körperschaften, mit deren Ansässigkeitsstaat eine umfassende Amtshilfe besteht (§ 10 Abs. 1 Z 6 KStG 1988), soweit nicht die Befreiung für internationale Schachtelbeteiligungen anzuwenden ist.
- Befreiung für internationale Schachtelbeteiligungen, siehe Rz 1200 bis 1227: Diese Befreiung betrifft qualifizierte Beteiligungen an ausländischen Körperschaften (§ 10 Abs. 2 KStG 1988: Beteiligungsausmaß mindestens 10%, Behaltedauer mindestens ein Jahr) und umfasst
- Gewinnanteile aus der Beteiligung (§ 10 Abs. 1 Z 7 KStG 1988) und
- Substanzgewinne und Substanzverluste (§ 10 Abs. 3 KStG 1988) wie zB Veräußerungsgewinne, -verluste, Teilwertabschreibungen, Zuschreibungen und sonstige Wertänderungen. Auf die Befreiung für Substanzgewinne und Substanzverluste kann durch Ausübung der Option zur Steuerwirksamkeit (dazu Rz 1216) verzichtet werden.
Das Ziel der Beteiligungsertragsbefreiung besteht darin, dass die von Körperschaften erwirtschafteten Gewinne auf der Ebene von Körperschaften nur einmal besteuert werden. Die Befreiung korrespondiert mit der Einkommensverwendung gemäß § 8 Abs. 2 und 3 KStG 1988.
§ 10 KStG 1988 ist immer im Zusammenhang mit der Einkommensbesteuerung von natürlichen Personen zu sehen, dies gilt unabhängig davon, ob die Beteiligung im Privat- oder Betriebsvermögen gehalten wird oder zum Vermögen einer Mitunternehmerschaft gehört. Letztlich soll der Gewinn einmal auf Ebene der Körperschaft (erste Besteuerungshälfte) und einmal bei Ausschüttung des Gewinnes auf Ebene der natürlichen Person (zweite Besteuerungshälfte) belastet sein. Die Durchleitung der Gewinne durch zwischengeschaltete Körperschaften soll hingegen zu keiner zusätzlichen Besteuerung führen. Siehe auch Rz 1514. Die Beteiligungsertragsbefreiung (Dividendenbefreiung) ist unabhängig von der Beteiligungshöhe.
1154
Die Beteiligungsertragsbefreiung ist unabhängig von einem Antrag zwingend von Amts wegen wahrzunehmen. Ein gänzlicher Verzicht oder eine Einschränkung der Höhe nach ist nicht möglich.
1155
Verluste, die durch die Anwendung der Beteiligungsertragsbefreiung entstehen oder sich erhöhen, sind entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen ausgleichs- bzw. vortragsfähig.
1156
Gewinnabhängige Betriebsausgaben sind ohne die steuerbefreiten Beteiligungserträge zu ermitteln (derzeit die Spendenbegünstigungen gemäß §§ 4a, 4b und 4c EStG 1988).
16.2.1 Beteiligungsertragsbefreiung gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 bis 6 KStG 1988
16.2.1.1 Voraussetzungen
16.2.1.1.1 Allgemeine Voraussetzungen
1157
Für die Beteiligungsertragsbefreiung ist kein prozentuelles oder betragliches Mindestausmaß der Beteiligung erforderlich (daher löst auch eine einzelne Aktie die Befreiung aus). Ebenso wenig setzt die Befreiung eine bestimmte Beteiligungsdauer voraus. Die Beteiligung kann sowohl als Anlagevermögen als auch als Umlaufvermögen gehalten werden. Es müssen Beteiligungserträge im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 1 bis 6 KStG 1988 vorliegen (siehe Rz 1162 bis Rz 1166). Nur eine gesellschaftsrechtliche oder eine ihr gemäß § 8 Abs. 3 Z 1 KStG 1988 gleichgestellte Beteiligung kann die Befreiungswirkung auslösen, eine Beteiligung in Form von Darlehen oder eine stille Beteiligung genügt nicht.
Sind gleichzeitig die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 7 iVm Abs. 2 KStG 1988 (internationale Schachtelbeteiligung) erfüllt, geht die Anwendung des § 10 Abs. 1 Z 7 KStG 1988 der Befreiung gemäß Z 5 und 6 vor.
1158
Voraussetzungen auf Seiten des Anteilsinhabers (Obergesellschaft) ist, dass es sich um eine
- unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaft oder
- beschränkt steuerpflichtige (inländische) Körperschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 Z 2 und 3 KStG 1988 (siehe Rz 1182) oder
- beschränkt steuerpflichtige ausländische Körperschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 Z 1 KStG 1988 handelt, die die in der Anlage 2 zum Einkommensteuergesetz 1988 vorgesehenen Voraussetzungen des Art. 2 der Richtlinie 2011/96/EU über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten, ABl. Nr. L 345 vom 29.12.2011 S. 8, erfüllt (siehe auch Rz 1204, in Folge kurz „EU-Körperschaft(en)“), wenn die Einkünfte aus der Beteiligung einer inländischen Betriebsstätte zuzurechnen sind.
Die Beteiligung kann unmittelbar oder mittelbar (zB auch über Personengesellschaft) bestehen.
1159
Voraussetzung auf Seiten der Beteiligungskörperschaft (Untergesellschaft) ist, dass es sich um eine
- inländische Kapitalgesellschaft oder Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft,
- körperschaftlich organisierte Personengemeinschaft (Agrargemeinschaft),
- andere inländische Körperschaft, soweit sie Partizipationskapital oder Substanzgenussrechte (§ 8 Abs. 3 Z 1 KStG 1988) ausgibt,
- beschränkt steuerpflichtige inländische Körperschaft gemäß § 1 Abs. 3 Z 3 KStG 1988 (steuerbefreite Körperschaft),
- „EU-Körperschaft“ oder
- den inländischen unter § 7 Abs. 3 KStG 1988 fallenden Körperschaften vergleichbare ausländische Körperschaft, mit deren Ansässigkeitsstaat eine umfassende Amtshilfe besteht (in Folge kurz „vergleichbare ausländische Körperschaft(en)“),
handelt.
Für die Frage, ab wann eine umfassende Amtshilfe vorliegt, ist auf den Beginn der Wirksamkeit des DBA abzustellen. Entscheidend ist daher, ab wann die Anwendung des DBA erfolgt. Dieser Zeitpunkt ist aufgrund der Regelungen im einzelnen DBA zu ermitteln.
16.2.1.1.2 Voraussetzungen für die Befreiung von ausländischen Beteiligungserträgen
1160
Bei Beteiligungserträgen aus ausländischen Beteiligungen ist zu differenzieren:
Liegen die Voraussetzungen für eine internationale Schachtelbeteiligung vor (Beteiligungsausmaß mindestens 10%, Behaltedauer mindestens ein Jahr), ist die Befreiung für internationale Schachtelbeteiligungen anzuwenden (siehe Rz 1200 ff). Eine darüber hinausgehende Differenzierung nach Staaten entfällt.
Liegen die Voraussetzungen für eine internationale Schachtelbeteiligung nicht vor (Portfoliobeteiligungen), fallen Beteiligungserträge aus folgenden Körperschaften unter die Befreiung (siehe auch Rz 1159):
- „EU-Körperschaften“
- „Vergleichbare ausländische Körperschaften“
Gewinnanteile aus anderen Beteiligungen unterliegen der österreichischen Besteuerung. Eine Anrechnung ausländischer Ertragsteuern ist nicht möglich, allenfalls können Quellensteuern abhängig vom entsprechenden DBA angerechnet werden.
1161
§ 10 Abs. 1 Z 5 und 6 KStG 1988 führt zu einer Gleichstellung von Beteiligungserträgen aus Portfoliobeteiligungen an ausländischen Körperschaften (EU bzw. Staaten mit umfassender Amtshilfe) mit inländischen Beteiligungserträgen.
Bei ausländischen Portfoliobeteiligungen sind jedoch
- für Ausschüttungen vor dem 1.1.2019 unabhängig von der Beteiligungshöhe der Besteuerungsvorbehalt gemäß § 10 Abs. 5 KStG 1988 in der Fassung vor BGBl. I Nr. 62/2018 (siehe Rz 1240 ff) und
- für Ausschüttungen ab dem 1.1.2019 bei einer Beteiligungshöhe von mindestens 5% (qualifizierte Portfoliobeteiligungen) der Methodenwechsel gemäß § 10a Abs. 7 KStG 1988 (siehe Rz 1248fm ff)
zu beachten.
Zur Portfolio-Befreiung eines Investmentfonds siehe Rz 1178.
1162
Für die Befreiung sind weder bei der Obergesellschaft noch bei der Untergesellschaft die Einkunftsart oder die Einkunftsermittlung ausschlaggebend (zB bei einem nicht gemeinnützigen Verein, der sein Einkommen nach § 7 Abs. 2 KStG 1988 ermittelt). Erfolgt eine Gewinnermittlung, ist die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung nicht Voraussetzung
16.2.1.2 Erscheinungsformen von Beteiligungserträgen
1163
Die Befreiung umfasst Gewinnanteile jeder Art, die aus Aktien, GmbH-Anteilen, Anteilen an Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, Substanzgenussrechten und sonstigen Finanzierungsinstrumenten (dh. aus anteilsähnlichen, nicht aus obligationenähnlichen) und Partizipationskapital im Sinne des § 23 Abs. 4 BWG idF vor BGBl. I Nr. 184/2013 und § 73c VAG idF vor BGBl. I Nr. 34/2015 resultieren.
Darunter fallen
- offene Ausschüttungen auf Grund unternehmensrechtlicher Gewinnverteilungsbeschlüsse (Gewinnverteilung gemäß § 126 AktG, § 35 GmbHG, § 24 GenG) bzw. Satzung oder Gesellschaftsvertrag und
- verdeckte Ausschüttungen (zu Begriff und Erscheinungsformen siehe Rz 565 bis 990).
16.2.1.2.1 Ausschüttungsfiktion gemäß § 9 Abs. 6 UmgrStG
1164
Bei errichtenden und verschmelzenden Umwandlungen von Kapitalgesellschaften nach dem Umwandlungsgesetz und Art. II UmgrStG in Personengesellschaften oder auf den Hauptgesellschafter gilt das Gewinnkapital der übertragenden Körperschaft als ausgeschüttet. Gewinnkapital ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Umwandlungskapital im Sinne des § 8 Abs. 5 UmgrStG und den vorhandenen Einlagen im Sinne des § 4 Abs. 12 des Einkommensteuergesetzes 1988 zum Umwandlungsstichtag. Der Ausschüttungszeitpunkt ist der Tag der Anmeldung der Umwandlung beim Firmenbuch. Ist eine in § 10 Abs. 1 KStG 1988 genannte Körperschaft Gesellschafter oder Hauptgesellschafter, bewirkt die Ausschüttungsfiktion keine steuerliche Belastung, weil die Beteiligungsertragsbefreiung wirksam ist.
16.2.1.2.2 Dividendengarantie
1165
Zur Dividendengarantie siehe Rz 563.
16.2.1.2.3 Rückzahlung auf Grund einer Kapitalherabsetzung (§ 32 Abs. 1 Z 3 EStG 1988)
1166
Bei Vorliegen eines Nachversteuerungstatbestandes gemäß § 32 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 (EStR 2000 Rz 6908 bis Rz 6911) sind jene Regeln anzuwenden, welche schon für den ursprünglichen Steuertatbestand gegolten hätten (Theorie der Doppelmaßnahme – daher Gewinnausschüttung). Der Nachversteuerungsbetrag stellt daher bei in § 10 Abs. 1 Z 1 bis 6 KStG 1988 genannten Körperschaften einen Beteiligungsertrag dar.
16.2.1.2.4 Keine Beteiligungserträge gemäß § 10 Abs. 1 KStG 1988
1167
Keine Beteiligungserträge gemäß § 10 Abs. 1 KStG 1988 sind
- Gewinne aus der Veräußerung von Beteiligungen und
- Gewinne aus der Liquidation (VwGH 24.2.1999, 96/13/0008) sowie Teilliquidation.
- Lediglich die Ausschüttungen von Erträgen aus Perioden vor dem Liquidationszeitraum stellen Beteiligungserträge gemäß § 10 Abs. 1 KStG 1988 dar, und zwar auch dann, wenn die Ausschüttung nach der Liquidationseröffnung erfolgt.
- Einlagenrückzahlungen im Sinne des § 4 Abs. 12 EStG 1988 (zur Abgrenzung von Ausschüttung und Einlagenrückzahlung siehe Erlass des BMF vom 27.9.2017, BMF-010203/0309-IV/6/2017), da diese Veräußerungen darstellen.
16.2.1.3 Zeitlicher Horizont
1168
Die Befreiung setzt keine bestimmte Beteiligungsdauer voraus. Sie wirkt sofort ab Erwerb der Beteiligung.
Erfolgt eine Beteiligungsveräußerung mit einem Dividendenvorbehalt dahingehend, dass dem Veräußerer Dividendenzahlungen nach der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums zukommen sollen, und liegt zum Veräußerungszeitpunkt über diese Dividendenzahlungen noch kein Gewinnverteilungsbeschluss vor, steht die vorbehaltene Dividende in offenkundigem Zusammenhang mit dem Verkauf und stellt daher in wirtschaftlicher Betrachtungsweise einen Teil des Kaufpreises dar (VwGH 14.12.2005, 2002/13/0053). Die Beteiligungsertragsbefreiung kommt daher auf die vorbehaltene Dividende nicht zur Anwendung.
Beispiel:
Die inländische X-AG bilanziert zum 31.12; die inländische A-AG hält 30 % der Anteile an der X-AG; der Buchwert der Beteiligung beträgt 500.000 Euro. Die A-AG verkauft ihre 30-prozentige Beteiligung an der X-AG um 1 Mio. Euro; im Kaufvertrag wird vereinbart, dass der A-AG noch die Dividende des Jahres 2012 zusteht. Der Verkauf erfolgt zum 15.4.2013. Zu diesem Zeitpunkt ist weder der Jahresabschluss festgestellt, noch wurde bereits eine Ausschüttung beschlossen. Nach Feststellung des Jahresabschlusses 2012 per 30.6.2013 wird an die A-AG die vorbehaltene Dividende in Höhe von 200.000 Euro ausbezahlt.
Auf die vorbehaltene Dividende kommt die Beteiligungsertragsbefreiung nach § 10 Abs. 1 KStG 1988 nicht zur Anwendung. Die vorbehaltene Dividende ist Teil des steuerpflichtigen Gewinnes aus der Beteiligungsveräußerung; der steuerpflichtige Gewinn aus der Beteiligungsveräußerung beträgt 700.000 Euro.
Variante zu Beispiel:
Die Veräußerung erfolgt zum 30.6.2013. Zu diesem Zeitpunkt wurde der Jahresabschluss bereits festgestellt und die Gewinnverteilung beschlossen, die Ausschüttung aber noch nicht vorgenommen.
Da im Zeitpunkt der Beteiligungsveräußerung der Beschluss auf Verteilung des Gewinns bereits gefasst wurde, ist der Dividendenanspruch der A-AG bereits zum Veräußerungszeitpunkt entstanden. Die spätere Vornahme der Gewinnausschüttung stellt daher keinen Kaufpreisanteil sondern einen befreiten Beteiligungsertrag dar. Die Gewinnausschüttung in Höhe von 200.000 ist gemäß § 10 Abs. 1 KStG 1988 steuerbefreit; der steuerpflichtige Gewinn aus der Beteiligungsveräußerung beträgt 500.000 Euro.
1169
Der Zeitpunkt der Erfassung des Beteiligungsertrages richtet sich nach dem Tag des Gewinnverteilungsbeschlusses; zu einer Aktivierungspflicht der Forderung bereits vor dem Zustandekommen des Gewinnverteilungsbeschlusses kann es nur dann kommen, wenn zum Bilanzstichtag die Ausschüttung eines bestimmten Gewinnanteiles bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung bereits festgestanden ist (VwGH 18.01.1994, 93/14/0169; VwGH 23.03.2000, 97/15/0112; siehe auch EStR 2000 Rz 2339). Eine solche „phasengleiche Bilanzierung“ kann aber nur ausnahmsweise erfolgen
- wenn an Hand objektiver, nachprüfbarer und nach außen in Erscheinung tretender Kriterien festgestellt werden kann, dass die Gesellschafter endgültig entschlossen sind, eine bestimmte Gewinnausschüttung künftig zu beschließen und
- insoweit, als der (mindestens) ausschüttungsfähige Bilanzgewinn am Bilanzstichtag bekannt ist.
Haben Mutter- und Tochtergesellschaft denselben Bilanzstichtag, ist eine „phasengleiche Bilanzierung“ jedenfalls ausgeschlossen, weil eine solche gesicherte Position der Muttergesellschaft auf einen in seiner Höhe bestimmten Gewinn nicht vorliegt (vgl. VwGH 13.09.2006, 2002/13/0129).
1170
Bei Ausschüttungen in fremder Währung ist für die Umrechnung der Devisengeldkurs im Zeitpunkt der Ausschüttung maßgebend. Wird ein Beteiligungsertrag bei der Muttergesellschaft bereits in dem der Beschlussfassung vorangegangenen Geschäftsjahr als Forderung erfasst, ist diese Forderung mit dem Devisengeldkurs zum Bilanzstichtag zu bewerten. Im Zeitpunkt des Zuflusses ergibt sich bedingt durch den jeweiligen Devisengeldkurs eine entsprechend höhere oder niedrigere Bewertung. Ein abwertungsbedingter Aufwand ist im Jahr des Zuflusses außerbücherlich gemäß § 12 Abs. 2 KStG 1988 zuzurechnen, ein bewertungsbedingter nachträglicher Ertrag fällt unter die Befreiungsbestimmung des § 10 Abs. 1 KStG 1988.
Beispiel:
Die Muttergesellschaft A sowie die Tochtergesellschaft B haben als Bilanzstichtag jeweils den 31.12. Im Hinblick auf die internationale Verflochtenheit beider Gesellschaften sind Gewinnausschüttungen innerhalb des Konzernkreises in US-Dollar vorzunehmen. Die Ausschüttung der Tochter B für das Jahr 01 beträgt 100.000 US-Dollar und wird von der Mutter A in ihrem Jahresabschluss 01 als Forderung erfasst.
Devisengeldkurs zum Bilanzstichtag: Euro zu US-Dollar = 0,95
Devisengeldkurs im Zeitpunkt des Zuflusses 02 = Variante a) 1; Variante b) 0,9;
In der Bilanz zum 31.12.01 der Muttergesellschaft ist ein Beteiligungsertrag in Höhe von 105.263 Euro zu erfassen. Im Zeitpunkt des Zuflusses im März 02 ergibt sich bei der Muttergesellschaft a) ein abwertungsbedingter Aufwand in Höhe von 5.263 Euro, der gemäß § 12 Abs. 2 KStG 1988 außerbilanziell zuzurechnen ist; b) ein bewertungsbedingter Ertrag in Höhe von 5.848 Euro, der gemäß § 10 Abs. 1 KStG 1988 steuerfrei zu stellen ist.
16.2.1.4 Zurechnung
1171
Auch eine mittelbare Beteiligung kann die nationale Beteiligungsertragsbefreiung auslösen.
Folgende Formen sind denkbar:
- Zwischengeschaltete Personengesellschaft
- Zwischengeschaltete Körperschaft
- Treuhandschaft
- Fruchtgenuss
- Investmentfonds
- Wertpapierleihe; Pensionsgeschäft.
16.2.1.4.1 Zwischengeschaltete Personengesellschaft
1172
Bei einer zwischengeschalteten Personengesellschaft (OG und KG) ergibt sich die Zurechnung der Beteiligungserträge aus § 23 Z 2 EStG 1988, die Befreiung steht für den anteiligen Beteiligungsertrag zu.
Beispiel 1:
Die GmbH-A ist zu 60%, die GmbH-B ist zu 40% an einer OG beteiligt. Die OG hält ihrerseits 50% an der AG-XY. Die GmbH A ist daher zu 30%, die GmbH B zu 20% mittelbar an der AG-XY beteiligt. Schüttet die AG-XY 100.000 Euro aus, erhält die OG eine Dividende über 50.000 Euro. Im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung ist im Gewinnanteil der GmbH-A ein Beteiligungsertrag von 30.000 Euro und im Gewinnanteil der GmbH-B ein Beteiligungsertrag von 20.000 Euro enthalten, der jeweils gemäß § 10 Abs. 1 KStG 1988 steuerfrei zu stellen ist.
Variante:
Am Unternehmen der oben genannten GmbH-B ist eine natürliche Person atypisch still mit 50% beteiligt. Im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung der stillen Mitunternehmerschaft kommt der GmbH-B ein Dividendenanteil von 10.000 Euro zu, der gemäß § 10 Abs. 1 KStG 1988 steuerfrei zu stellen ist.
Beispiel 2:
Angabe wie Beispiel 1, OG weist aber einen Verlust (inklusive Beteiligungsertrag) in Höhe von 200.000 Euro aus. Über die Tangente werden der GmbH-A 120.000 Euro und der GmbH-B 80.000 Euro Verlust zugewiesen, die darin enthaltenen Beteiligungserträge sind trotz der Verlusttangenten steuerfrei zu stellen.
Die GmbH-A erzielt als solche nach Ausgleich mit dem Verlust aus dem laufenden Betrieb einen steuerpflichtigen Gewinn von 40.000 Euro, der nach Abzug des Beteiligungsertrages mit 10.000 Euro der Körperschaftsteuer unterliegt.
Die GmbH-B weist insgesamt einen Verlust von 25.000 Euro aus. Nach Abzug des Beteiligungsertrages ergibt sich ein vortragsfähiger Verlust von 45.000 Euro.
16.2.1.4.2 Zwischengeschaltete Körperschaft
1173
Eine weitere Form der mittelbaren Beteiligung ist auch denkbar bei zwischengeschalteten Körperschaften, insoweit eine Enkelgesellschaft eine (mittelbare) verdeckte Ausschüttung an eine Großmuttergesellschaft vornimmt. Auch hier steht der Zwischengesellschaft und der Großmuttergesellschaft die Befreiung des § 10 Abs. 1 Z 1 bis 6 KStG 1988 zu. Zur Zwischenschaltung einer Körperschaft in Zusammenhang mit der internationalen Schachtelbeteiligung siehe Rz 1207.
16.2.1.4.3 Treuhandschaft
1174
Wenn die formale Obergesellschaft lediglich Treuhänderin ist, liegt beim Treugeber ebenfalls eine steuerbegünstigte mittelbare Beteiligung vor. Dem Treunehmer steht die Befreiung nicht zu.
16.2.1.4.4 Fruchtgenuss
1175
§ 509 ABGB definiert die Fruchtnießung als dingliches Recht, das dem Fruchtnießer die volle Nutzung einer fremden Sache unter Schonung der Substanz ermöglicht (zum Fruchtgenuss allgemein EStR 2000 Rz 111 bis 120). Ein Fruchtgenuss an Kapitalgesellschaftsanteilen ist zivilrechtlich möglich, sofern er nicht gesellschaftsvertraglich ausgeschlossen ist.
1176
Der Erlös aus der Einräumung des Fruchtgenussrechts an Beteiligungen ist wirtschaftlich das Äquivalent für die übertragenen Ausschüttungen. Der aus der Fruchtgenusseinräumung erzielte Erlös antizipiert künftige Ausschüttungserträge, ist also vorweggenommener Ausschüttungsertrag (VwGH 25.1.2001, 2000/15/0172), welcher beim Fruchtgenussbesteller unter die Beteiligungsertragsbefreiung fällt.
1177
Der fruchtgenussberechtigten Körperschaft sind Ausschüttungen als originäre Einkünfte zuzurechnen, wenn
- der Zuwendungsfruchtgenuss für eine gewisse Dauer bei rechtlich abgesicherter Position bestellt wird und
- dem Fruchtgenussberechtigten die Disposition über die Einkünfteerzielung überlassen wird (vor allem Stimmrecht bei Hauptversammlungsbeschlüssen).
Bei Zurechnung der Ausschüttung an den Fruchtgenussberechtigten ist die Beteiligungsertragsbefreiung anzuwenden, jedoch darf das entgeltlich erworbene Fruchtgenussrecht auf Grund des § 12 Abs. 2 KStG 1988 nicht steuerwirksam abgeschrieben werden.
Beispiel:
Die AG-A ist an der GmbH-B zu 60% beteiligt. An dieser Beteiligung wird der GmbH-C ein entgeltliches Fruchtgenussrecht in Höhe von 1 Mio. Euro für 10 Jahre eingeräumt. Durch dieses Recht erhält die GmbH-C auch die maßgeblichen Stimmrechte. Im Jahr 01 erfolgt eine Ausschüttung in Höhe von 150.000 Euro.
Die für die Übertragung des Fruchtgenussrechtes erhaltenen 1 Mio. Euro fallen unter die Beteiligungsertragsbefreiung bei der AG-A. Die Ausschüttung ist dem Fruchtgenussberechtigten, der GmbH-C zuzurechnen, die Befreiung gemäß § 10 Abs. 1 KStG 1988 kommt zur Anwendung. Das Fruchtgenussrecht in Höhe von 1 Mio. Euro ist zu aktivieren, eine steuerwirksame Abschreibung ist aufgrund des § 12 Abs. 2 KStG 1988 nicht möglich.
16.2.1.4.5 Investmentfonds
1178
Bei tatsächlich ausgeschütteten Erträgen und als ausgeschüttet geltenden Erträgen (ausschüttungsgleichen Erträgen) aus einem
- § 186 oder § 188 des Investmentfondsgesetzes 2011 oder
- § 40 oder § 42 des Immobilien-Investmentfondsgesetzes
unterliegenden Gebilde kommt unter den Voraussetzungen der Rz 1241 die Beteiligungsertragsbefreiung insoweit zur Anwendung, als darin Beteiligungserträge im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 1 bis 6 KStG 1988 enthalten sind.
16.2.1.4.6 Wertpapierleihe; Pensionsgeschäft
1179
Im Fall einer Wertpapierleihe bzw. eines echten oder unechten Pensionsgeschäftes (EStR 2000 Rz 6140 ff) verlieren die bezogenen Ausschüttungen nicht ihren Charakter als Beteiligungserträge. Sowohl beim Entleiher bzw. Pensionsnehmer als auch nach Weiterleitung an den Verleiher bzw. Pensionsgeber stellen die Ausschüttungen Beteiligungserträge dar, die Befreiung gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 bis 6 KStG 1988 ist anzuwenden. Entsprechendes gilt auch bei einer internationalen Schachtelbeteiligung gemäß § 10 Abs. 2 KStG 1988.
16.2.1.5 Wirkungsweise
1180
Da Beteiligungserträge steuerfrei bleiben, lösen sie die Anwendung des § 12 Abs. 2 KStG 1988 (siehe Rz 1267 bis 1288) aus. Für Beteiligungen iSd § 10 KStG 1988 gilt auch § 12 Abs. 3 KStG 1988 (siehe Rz 1289 bis 1306).
Das in § 26c Z 16 lit. b KStG 1988 angeordnete rückwirkende Ausscheiden von ausländischen Dividendenerträgen aus der Steuerpflicht (siehe Rz 1160) erzeugt hinsichtlich der Anwendung der §§ 11 Abs. 1 Z 4 und 12 Abs. 2 und 3 KStG 1988 sowie aller anderer Bestimmungen, in denen auf § 10 KStG 1988 direkt oder indirekt Bezug genommen wird, keine Rückwirkung:
- Zinsen gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 KStG 1988 sind grundsätzlich abzugsfähig (zum konzerninternen Beteiligungserwerb siehe aber Rz 1266ad ff). Andere, ausländische Portfoliobeteiligungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 5 und 6 KStG 1988 betreffende Fremdfinanzierungskosten und Zinsen, die auf Zeiträume vor Inkrafttreten des § 11 Abs. 1 Z 4 KStG 1988 entfallen, verlieren nicht rückwirkend ihre steuerliche Abzugsfähigkeit.
- Teilwertabschreibungen auf ausländische Portfoliobeteiligungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 5 und 6 KStG 1988 sind auch dann nicht zu siebenteln, wenn das Jahr, in dem sie stattgefunden haben, noch nicht rechtskräftig veranlagt, und daher § 10 KStG 1988 rückwirkend anzuwenden ist. Dies gilt nur für Wirtschaftsjahre, die spätestens am 30. Juni 2009 enden.
1181
Die Beteiligungsertragsbefreiung ist nicht automatisch mit der Befreiung vom Kapitalertragsteuerabzug gemäß § 94 Z 2 EStG 1988 verbunden. Im Gegensatz zur Beteiligungsertragsbefreiung enthält der § 94 Z 2 EStG 1988 zusätzlich folgende Voraussetzungen:
- Mindestbeteiligung von 10%
- Gewinnanteile aus Aktien bzw. GmbH-Anteilen sowie Genossenschaftsanteilen
- Gläubiger der Kapitalerträge ist eine unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaft im Sinne des § 1 Abs. 2 KStG 1988 oder eine „EU-Körperschaft“ (siehe Rz 1158) wenn die Beteiligung während eines ununterbrochenen Zeitraumes von einem Jahr bestanden hat.
Wird vom Schuldner der Kapitalerträge die Kapitalertragsteuer einbehalten, bleibt es bei der Gläubiger-Körperschaft bei der Beteiligungsertragsbefreiung und die Kapitalertragsteuer ist im Rahmen der Veranlagung auf die Körperschaftsteuer anzurechnen. Zur Erstattung der Kapitalertragsteuer im Fall der Ausschüttung an eine ausländische Körperschaft siehe Rz 1486 ff.
Eine Anrechnung ausländischer Quellensteuern ist für alle Beteiligungserträge ausgeschlossen, die unter die Befreiung fallen.
1182
Nach § 21 Abs. 2 KStG 1988 werden Körperschaften des öffentlichen Rechts und gemäß § 5 KStG 1988 befreite Körperschaften hinsichtlich ihrer Beteiligungserträge gemäß § 10 Abs. 1 KStG 1988 von der beschränkten Steuerpflicht ausgenommen. Von der ausschüttenden Körperschaft ist gemäß § 94 Z 6 EStG 1988 in diesem Fall keine Kapitalertragsteuer einzubehalten (siehe Rz 1502). Sollte dennoch Kapitalertragsteuer einbehalten worden sein, steht der Körperschaft öffentlichen Rechts eine Erstattung im Wege des § 240 BAO zu.
16.2.1.6 Gewinnanteile auf Grund von Anteilen an Kapitalgesellschaften
1183
Zu den Gewinnanteilen aus Aktien und Stammeinlagen einer GmbH gehören nur jene Beträge, die mit einem Stammrecht (sozietäre Beteiligung) in einem ursächlichen Zusammenhang stehen.
Unternehmensrechtlich ausschüttungsfähig ist nur der Bilanzgewinn (= positiver Saldo aus Gewinn- bzw. Verlustvortrag und dem Jahresgewinn/Jahresverlust). Die nicht erfolgte Volleinzahlung des Kapitals ist für die Inanspruchnahme der sachlichen Steuerbefreiung unbeachtlich.
1184
Ob der Bilanzgewinn aus operativen Gewinnen der Gesellschaft, aus positiven Finanzerfolgen oder aus der Auflösung von Gewinnrücklagen entstanden ist, ist unerheblich. Zur unternehmensrechtlichen Auflösung von Kapitalrücklagen, der damit verbundenen unternehmensrechtlichen Ausschüttungsmöglichkeit und der unter Umständen abweichenden steuerlichen Beurteilung (Einlagenrückzahlung im Sinne des § 4 Abs. 12 EStG 1988) siehe Rz 513.
1185
Ein Verstoß gegen unternehmensrechtliche Ausschüttungsbeschränkungen (zB offene Ausschüttung des Jahresgewinnes, obwohl unter Berücksichtigung des Verlustvortrages insgesamt ein Bilanzverlust gegeben ist; Nichtberücksichtigung der Ausschüttungssperre gemäß § 235 UGB) muss nicht zwingend etwas an der steuerlichen Beteiligungsertragsbefreiung ändern, kann aber zu einer Umqualifizierung als Einlagenrückzahlung führen, wenn keine ausreichende Innenfinanzierung vorhanden ist.
Zur steuerlichen Behandlung von Einlagenrückzahlungen sowie zur Evidenzierung von Einlagen und Innenfinanzierung gemäß § 4 Abs. 12 EStG 1988 siehe den Erlass des BMF vom 27.9.2017, BMF-010203/0309-IV/6/2017.
1186
Die Beteiligungsertragsbefreiung kommt nicht zur Anwendung, wenn eine AG eigene Anteile besitzt (§ 65 AktG). Der darauf entfallende Bilanzgewinn gilt als nicht ausgeschüttet.
1187
Dividenden auf Aktien sind vom Aktientypus (Inhaberaktien, Namensaktien oder Vorzugsaktien, usw.) unabhängig und sind daher in jedem Fall der Beteiligungsertragsbefreiung zugänglich.
1188
Statutarische Änderungen des Bilanzstichtages, ohne dass ein Antrag auf steuerliche Anerkennung im Sinne des § 7 Abs. 5 KStG 1988 gestellt wird, sind steuerlich unbeachtlich. Es läuft das ursprüngliche steuerliche Wirtschaftsjahr ungeachtet der Bilanzierung auf einen abweichenden Stichtag weiter. Mit dem steuerlich unbeachtlichen Wechsel des Bilanzstichtages wird die nur Aktiengesellschaften und den Europäischen Gesellschaften eröffnete Möglichkeit einer Zwischenausschüttung (Abschlagszahlung auf den Bilanzgewinn gemäß § 54a AktG) auch für eine GmbH ermöglicht. Die Ausschüttung des Bilanzgewinnes auf diesen steuerlich nicht anzuerkennenden Bilanzstichtag löst dessen ungeachtet die Steuerwirkungen einer offenen Ausschüttung aus. Die gleichen Wirkungen ergeben sich auch bei einer unternehmensrechtlich unzulässigen Zwischenausschüttung.
1189
Gesellschaftsanteile (Stammeinlagen, Aktien) dürfen nicht verzinst werden (vgl. § 54 AktG idF EU-GesRÄG, BGBl. Nr. 304/1996 und § 82 Abs. 3 GmbHG). An Aktionäre dennoch zugesagte und ausbezahlte seit der Aufhebung des § 54 Abs. 2 AktG durch das EU-GesRÄG unzulässige Bauzinsen stellen eine verdeckte Ausschüttung dar, die der Beteiligungsertragsbefreiung unterliegt.
16.2.1.7 Gewinnanteile auf Grund von Anteilen an Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften
1190
Erträge aus Warenrückvergütungen und Geschäftsanteilsverzinsungen sind steuerbefreit. Dabei ist es gleichgültig, ob diese in offener Form oder verdeckt ausgeschüttet werden.
Siehe weiters die Rz 1404 bis 1414.
16.2.1.8 Gewinnanteile auf Grund von Substanzgenussrechten und sonstigen Finanzierungsinstrumenten
16.2.1.8.1 Allgemeines
1191
Zivilrechtlich versteht man unter Genussrechten bzw. Genussscheinen solche Rechte, die ihrem Inhalt nach typische Vermögensrechte eines Gesellschafters sein können. Sie entspringen aber nicht einem Gesellschaftsverhältnis, sondern sind Gläubigerrechte schuldrechtlicher Art (VwGH 16.12.1993, 92/16/0025).
Der Begriff Genussrecht steht für verbriefte und unverbriefte Genussrechte. Genussscheine sind verbriefte Rechte. Die Verbriefung ist als Inhaber-, Namens- oder Orderpapier zulässig.
1192
Die Emission von Genussrechten ist in § 174 AktG geregelt. Genussrechte können aber auch von einer GmbH ausgegeben werden (VwGH 21.5.1997, 95/14/0151). Die Ausgabe ist somit nicht an eine besondere Rechtsform gebunden.
1193
Ertragsteuerrechtlich wird zwischen aktienähnlichen Genussrechten (sozietäre Genussrechte, Substanzgenussrechte) und obligationenähnlichen Genussrechten (Fremdkapital) unterschieden. Substanzgenussrechte und sonstige Finanzierungsinstrumente nach § 8 Abs. 3 Z 1 zweiter Teilstrich KStG 1988 werden dem Grund- oder Stammkapital gleichgestellt. Die gesellschafterähnliche Stellung ist auf Grund des Gesamtbildes zu beurteilen.
Unter die Befreiungsvorschrift fallen nur Gewinnanteile aufgrund einer Beteiligung in Form von sozietären Genussrechten und sonstigen Finanzierungsinstrumenten gemäß § 8 Abs. 3 Z 1 zweiter Teilstrich KStG 1988 mit denen das Recht auf
- Beteiligung am Gewinn und
- am Liquidationsgewinn
der emittierenden Körperschaft verbunden ist. Beide Voraussetzungen (Erfolgs- und Substanzbeteiligung) müssen gemeinsam vorliegen.
16.2.1.8.2 Beteiligung am Gewinn
1194
Wird der vereinbarte Gewinnanspruch auf Grund einer Vertragsklausel nicht jährlich konkretisiert, sondern von einer definierten Bedingung oder von einem Gesellschafterbeschluss abhängig gemacht, kann dennoch von einem Substanzgenussrecht ausgegangen werden.
Die Höhe der Gewinnbeteiligung muss nicht konkret definiert sein. Eine gewinnabhängige Bedienung des Surrogatkapitals ist auch dann anzunehmen, wenn
- in zeitlicher und/oder
- umfänglicher Hinsicht
Bedingungen oder Begrenzungen vereinbart sind. Auch Mindestverzinsungen können festgelegt werden, wenn sie gewinnabhängig ausgestaltet sind, dh. mit dem unternehmensrechtlichen Bilanzgewinn begrenzt sind und daher bei Fehlen eines solchen nicht zur Auszahlung kommen; andernfalls ist die Vergleichbarkeit mit Kapitalanteilen nicht gegeben (vgl. § 54 AktG, § 82 Abs. 3 GmbHG).
Keine ausreichende Gewinnbeteiligung liegt im Fall der Anknüpfung an das Ergebnis eines Teil- oder Geschäftsbereiches der begebenden Körperschaft vor. Die Gewinnbeteiligung setzt eine Beteiligung am Gesamtergebnis voraus.
Sowohl die vorrangige als auch die nachrangige Bedienung des Genussrechtskapitals (gegenüber den Gesellschaftern einer GmbH oder den Aktionären) ist unbedenklich, wenn sie gesellschaftsvertraglich vereinbart wurde und wirtschaftlich begründet ist. In diesem Fall ist von einer alinearen Ausschüttung auszugehen.
Beispiel:
Die Aktionäre erhalten aus dem Bilanzgewinn 01 eine Dividende von 10%, die Genussrechtsinhaber hingegen nur 3%. Für das Geschäftsjahr 02 erhalten die Aktionäre eine Dividende von 4% und die Genussrechtsinhaber eine solche in Höhe von 11%.
16.2.1.8.3 Beteiligung am Liquidationsgewinn
1195
Substanzgenussrechte im Sinne des § 8 Abs. 3 Z 1 KStG 1988 liegen vor, wenn sie auf die Lebensdauer der emittierenden Gesellschaft abgestellt sind. Dieser Grundsatz schließt allerdings eine Abschichtung vor der Liquidation der Körperschaft nicht aus. Die Behandlung der Substanzgenussberechtigten muss in jedem Fall auch bei Beendigung des Vertragsverhältnisses vor der Liquidation jener im Liquidationsfall entsprechen und in diesem Sinne vereinbart sein und auch eingehalten werden. Es darf somit keine von vornherein begrenzte Emission vorliegen.
Der Abschichtungsanspruch muss sich als Recht auf eine anteilige Quote am Wert der emittierenden Gesellschaft zum Zeitpunkt der Abschichtung orientieren.
1196
Eine Liquidationsgewinnbeteiligung liegt nicht vor bei
- bloßer Wertsicherung des Genussrechtskapitals
- Beteiligung an den stillen Reserven nur einzelner Teil- oder Geschäftsbereiche oder einzelner Wirtschaftsgüter
- einer von vornherein vereinbarten pauschalen Abfindung.
In diesen Fällen liegt ein obligationenähnliches Genussrecht vor. Ein sozietäres Genussrecht ist aber nicht auszuschließen, wenn die begebende Körperschaft wenig Substanz enthält oder der Geschäftsbetrieb nur geringe Substanzsteigerungen erwarten lässt.
Eine Nachrangigkeit im Liquidationsfall gegenüber den Aktionären bzw. GmbH-Gesellschaftern spricht gegen das Vorliegen eines Substanzgenussrechtes.
1197
Die Abschichtung der Substanzgenussberechtigten vor Liquidation der emittierenden Körperschaft zu dem über dem Nennwert liegenden beizulegenden Wert führt zu einem steuerneutralen Buchverlust. Ein steuerneutraler Buchverlust ergibt sich auch, wenn die emittierende Körperschaft die Genussrechte zum über dem Nennwert liegenden beizulegenden Wert rückkauft, um sie in der Folge einziehen zu können.
16.2.1.8.4 Allgemeine Steuerpflicht
1198
Keine Beteiligungsertragsbefreiung sondern Steuerpflicht gemäß § 7 Abs. 2 KStG 1988 ist gegeben für Erträge anlässlich
- der Kündigung des Genussrechtskapitals vor Liquidation des Emittenten, weil in diesem Falle ein einer Liquidation vergleichbarer gesellschaftsrechtlicher Akt (Teilliquidation) vorliegt und
- der Abschichtung im Zuge der Liquidation des Emittenten.
16.2.1.9 Gewinnanteile auf Grund von Partizipationskapitalanteilen
1199
Partizipationskapital konnte von Versicherungsunternehmungen vor dem 1.1.2016 und Kreditinstituten vor dem 1.1.2014 jeglicher Rechtsform aufgenommen werden. Mit der Novelle des BWG (BGBl. I Nr. 184/2013) und der Novelle des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG 2016, BGBl. I Nr. 34/2015) entfiel jedoch diese Möglichkeit.
Partizipationskapital im Sinne des § 23 Abs. 4 BWG idF vor BGBl. I Nr. 184/2013 bzw. § 73c VAG idF vor BGBl. I Nr. 34/2015 ist
- eingezahltes Kapital,
- das auf Unternehmensdauer unter Kündigungsverzicht zur Verfügung gestellt wird,
- nur unter analoger Einhaltung der aktienrechtlichen Kapitalherabsetzungsvorschriften zurückgezahlt werden kann,
- dessen Erträge gewinnabhängig sind,
- das, wie Aktienkapital, bis zur vollen Höhe am Verlust teilnimmt und
- mit dem Recht auf Beteiligung am Liquidationserlös (nach BWG zumindest im Ausmaß des Nominales) verbunden ist.
Liegt Partizipationskapital im Sinne des § 23 Abs. 4 BWG idF vor BGBl. I Nr. 184/2013 bzw. § 73c VAG idF vor BGBl. I Nr. 34/2015 vor, sind die Gewinnanteile aus Partizipationskapital weiterhin steuerfrei (§ 8 Abs. 3 Z 1 erster Teilstrich KStG 1988 iVm § 10 Abs. 1 Z 4 KStG 1988). Wird die begebende Gesellschaft liquidiert oder Partizipationskapital vor der Liquidation abgeschichtet (Teilliquidation), sind die daraus erzielten Gewinne steuerpflichtig (VwGH 24.2.1999, 96/13/0008).
16.2.2 Befreiung für internationale Schachtelbeteiligungen (§ 10 Abs. 1 Z 7, Abs. 2 und 3 KStG 1988)
16.2.2.1 Betroffener Personenkreis
1200
§ 10 Abs. 1 Z 7 und Abs. 3 Satz 1 iVm Abs. 2 KStG 1988 stellt eine sachliche Steuerbefreiung dar. Die Anwendung der Befreiung ist von Amts wegen vorzunehmen, zwingend und unverzichtbar (siehe Rz 1154).
Die Voraussetzungen für das Vorliegen einer internationalen Schachtelbeteiligung sind nachzuweisen.
Voraussetzung für die Anwendbarkeit der internationalen Schachtelbefreiung ist, dass es sich bei der Obergesellschaft um eine Körperschaft handelt, die ihr Einkommen gemäß § 7 Abs. 3 KStG 1988 zu ermitteln hat (siehe aber Rz 1202).
Soweit es sich nicht um Körperschaften handelt, die ihr Einkommen gemäß § 7 Abs. 3 KStG 1988 ermitteln, ist die Buchführungspflicht aus anderen Gründen (zB §§ 124 f BAO) – unabhängig davon, ob die Gewinnermittlung gemäß § 5 EStG 1988 erfolgt – nicht ausreichend, damit die Bestimmungen über die internationale Schachtelbefreiung zur Anwendung kommen können.
1201
Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 KStG 1988 erfüllen folgende Rechtsformen:
- Aktiengesellschaften
- Europäische Gesellschaft (SE)
- GmbH
- Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften
- (große) Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit
- Sparkassen
- Unbeschränkt steuerpflichtige ausländische Körperschaften, die einem inländischen unter § 7 Abs. 3 KStG 1988 fallenden Steuerpflichtigen vergleichbar sind
- Betrieblich veranlasste Privatstiftungen im Sinne des § 4 Abs. 11 Z 1 EStG 1988 gemäß § 13 Abs. 1 Z 1 KStG 1988
1202
Nicht erfüllt werden die Voraussetzungen ua. von
- Privatstiftungen, die im Sinne des § 5 Z 6 KStG 1988 als gemeinnützig gelten
- Vereinen im Sinne des Vereinsgesetzes 2002.
Privatstiftungen im Sinne des § 13 Abs. 1 KStG 1988, die nicht unter § 5 Z 6 KStG 1988 fallen, sind aber mit ihren gesamten ausländischen Beteiligungserträgen im Sinne des § 10 Abs. 1 KStG 1988 befreit, soweit kein Anwendungsfall des § 10 Abs. 4, 5 oder 7 KStG 1988 vorliegt (§ 13 Abs. 2 KStG 1988; siehe StiftR 2009 Rz 43 ff).
1203
Bei beschränkt steuerpflichtigen Körperschaften im Sinne des § 1 Abs. 3 Z 2 KStG 1988 (inländische Körperschaften des öffentlichen Rechts, siehe Rz 136 und 137) sowie im Sinne des § 1 Abs. 3 Z 3 KStG 1988 (von der Steuerpflicht befreite Körperschaften) unterliegen Beteiligungserträge nicht der beschränkten Steuerpflicht. Beteiligungsveräußerungen unterliegen als Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Anteilen an Körperschaften der Steuerpflicht (§ 21 Abs. 3 Z 3 KStG 1988). Die Anwendung der Befreiung für internationale Schachtelbeteiligungen ist möglich, wenn diese Körperschaften unter § 7 Abs. 3 KStG 1988 fallen (zB gemeinnützige GmbH).