2.1. Begriff des Unternehmers
2.1.1. Allgemeines
181
Unternehmer kann jede natürliche Person und jedes Wirtschaftsgebilde sein, das nachhaltig, selbstständig gegen Entgelt Leistungen erbringt und nach außen hin in Erscheinung tritt (Maßgeblichkeit des Außenverhältnisses). Nicht erforderlich ist Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr oder Handlungsfähigkeit: Auch Personen, die nur durch einen Vertreter tätig werden, können Unternehmer sein (VwGH 27.5.1998, 93/13/0052), zum Gemeinschuldner im Konkurs; OGH 12.4.1989, 3 Ob 10/89, zur Zwangsverwaltung). Unternehmereigenschaft kann auch durch Tätigwerden im Ausland erworben werden (VwGH 7.10.1955, 3206/53). Personenvereinigungen jeder Art können Unternehmer sein, wenn sie nach außen hin selbstständig auftreten. Zivilrechtliche Rechts- oder Geschäftsfähigkeit ist nicht erforderlich. Anderseits gibt es keine Unternehmereigenschaft kraft Rechtsform: Auch Personengesellschaften und juristische Personen sind nur Unternehmer, wenn sie mit Leistungen an Dritte im Wirtschaftsleben in Erscheinung treten (VwGH 17.3.1976, 0999/75; VwGH 13.12.1977, 1550/77). Unternehmereigenschaft wird auch begründet, wenn eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird (§ 2 Abs. 1 letzter Satz UStG 1994). Nicht unternehmerisch tätig sind aber Vereine, wenn sie nur in Erfüllung ihrer satzungsgemäßen Gemeinschaftsaufgaben tätig werden, ohne Einzelleistungen an die Mitglieder (oder Dritte) zu erbringen (VwGH 3.11.1986, 86/15/0003).
2.1.2. Kostengemeinschaften
182
Personenvereinigungen, die im eigenen Namen Waren und Dienstleistungen beziehen und diese ihren Mitgliedern weiterreichen (Kostengemeinschaften), sind Unternehmer. Gewinnerzielungsabsicht ist dabei nicht erforderlich, § 2 Abs. 5 Z 2 UStG 1994 ist nicht anwendbar (§ 6 Liebhabereiverordnung, BGBl. Nr. 33/1993).
Keine Unternehmereigenschaft haben hingegen Kostengemeinschaften, die nicht nach außen hin auftreten sondern bloß Vorleistungen und deren Kosten intern aufteilen (VwGH 3.5.1968, 0724/67).
Kostengemeinschaften im Bereich freier Berufe (Regie-, Kanzlei-, Büro-, Ordinationsgemeinschaften), die lediglich dem rationellen Bezug von Vorleistungen dienen, ändern nichts daran, dass die Umsätze aus den freiberuflichen Leistungen dem jeweils nach außen auftretenden Mitglied der Gemeinschaft zuzurechnen sind.
2.1.3. Miteigentumsgemeinschaften (Hausgemeinschaften)
183
Hausgemeinschaften werden unternehmerisch tätig, wenn sie als solche durch Vermietungstätigkeit nach außen hin in Erscheinung treten, wobei auch die Vermietung an einzelne Miteigentümer erfolgen kann (VwGH 20.9.1977, 0764/76). Im Falle der Befriedigung des eigenen Wohnbedürfnisses durch die Miteigentümer ist im Regelfall kein Mietvertrag, sondern eine bloße Vereinbarung über eine Gebrauchsüberlassung anzunehmen (VwGH 27.5.1998, 98/13/0084; VwGH 17.11.2022, Ra 2022/15/0023).
Bezüglich Errichtung von Gebäuden im Miteigentum siehe Rz 781 bis Rz 784.
2.1.4. Gesellschafter
184
Die Gesellschafterstellung allein vermittelt keine Unternehmereigenschaft. Die Umsätze der Gesellschaft werden dieser und nicht den Gesellschaftern zugerechnet (EuGH 20. 6. 1996, Rs C-155/94 „Wellcome Trust“).
Der Gesellschafter-Geschäftsführer einer Personengesellschaft ist nicht Unternehmer; seine Leistungen werden in Ausübung einer gesellschaftsrechtlichen Funktion erbracht und bewirken keinen Leistungsaustausch, sondern eine Leistungsvereinigung. Die Rechtsform des Gesellschafter-Geschäftsführers ist hiebei nicht maßgebend (zB VwGH 13.12.1977, 1550/77, betreffend die Geschäftsführung durch eine Komplementär-GmbH einer GmbH & Co KG).
Der Vorsteuerabzug für Leistungen an eine geschäftsführende Komplementär-GmbH einer GmbH & Co KG ist bei der KG auch dann anzuerkennen, wenn die Rechnung auf die GmbH ausgestellt wurde und die übrigen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug bei der GmbH & Co KG vorliegen.
Auch der Obmann des Vorstandes einer Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft, der Mitglied der Genossenschaft ist, ist in Ausübung seiner körperschaftsrechtlichen Funktion nicht Unternehmer (VwGH 5.4.1984, 83/15/0013).
Der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GesmbH ist als selbständig und somit als Unternehmer anzusehen, wenn aufgrund der Höhe seines Geschäftsanteiles (50% oder mehr) oder aufgrund gesellschaftsrechtlicher Sonderbestimmungen (Sperrminorität) Gesellschafterbeschlüsse gegen seinen Willen nicht zustande kommen können (siehe zB VwGH 9.12.1980, 1666/79, 2223/79, 2224/79 und VwGH 18.9.1996, 96/15/0121). Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung kann jedoch auch ein Gesellschafter- Geschäftsführer einer GmbH hinsichtlich dieser Tätigkeit wie ein Gesellschafter-Geschäftsführer einer Personengesellschaft, somit als Nichtunternehmer, behandelt werden (vgl. EuGH 18.10.2007, Rs C-355/06 „van der Steen“).
2.1.5. Weitere Fälle
185
Anwaltsgemeinschaft: kann Unternehmer sein (VwGH 17.2.1992, 90/15/0100; GesBR).
Aufsichtsräte einer Stiftung: Ein Mitglied des Aufsichtsrats einer Stiftung, das hinsichtlich der Ausübung seiner Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied zwar weder dem Vorstand noch dem Aufsichtsrat hierarchisch untergeordnet ist, aber nicht in eigenem Namen, für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung, sondern für Rechnung und unter Verantwortung des Aufsichtsrats handelt und auch nicht das wirtschaftliche Risiko seiner Tätigkeit trägt, da es eine feste Vergütung erhält, die weder von der Teilnahme an Sitzungen noch von seinen tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden abhängt, ist nicht selbständig (nicht unternehmerisch) tätig (vgl. EuGH 13.6.2019, Rs C-420/18, IO).
Ehegatten sind dann als Unternehmer anzusehen, wenn sie gemeinschaftlich (zB als GesBR) nach außen auftreten (VwGH 22.3.1972, 1459/71; VwGH 1.12.1986, 86/15/0009; VwGH 15.6.1988, 86/13/0082); die gemeinsame Bewirtschaftung einer Landwirtschaft durch die Ehegatten ist denkmöglich (VfGH 9.6.1984, B 652/80). Eine Ehegattengemeinschaft, die weder eine eigene Rechtspersönlichkeit noch eine eigenständige Handlungsbefugnis besitzt, und die neben dem gemeinsamen Erwerb eines Grundstückes und der gemeinschaftlichen Errichtung eines Gebäudes tatsächlich keine weiteren Tätigkeiten ausübt, ist kein Unternehmer. Bei Leistungsbezügen sind die Eheleute, die diese Gemeinschaft bilden, unmittelbar als Leistungsempfänger anzusehen (EuGH 21.4.2005, Rs C-25/03, „HE“).
Erbengemeinschaften können Unternehmer sein, auch wenn sie nicht auf Dauer angelegt sind.
Gesellschaft bürgerlichen Rechts: Unternehmer, wenn sie nach außen hin auftritt (VwGH 22.2.1977, 1187/76).
Holdinggesellschaft (Beteiligungsholding): Reine Holdinggesellschaften (beschränken sich auf den Erwerb und das Halten von Gesellschaftsanteilen) sind nicht Unternehmer. Greift jedoch eine Holdinggesellschaft in die Verwaltung von Unternehmen, an denen sie Beteiligungen erworben hat, ein, ist die Holdinggesellschaft Unternehmer.
Der Begriff „Eingriff einer Holding in die Verwaltung ihrer Tochtergesellschaft“ erfasst alle Umsätze, die eine wirtschaftliche Tätigkeit iSd MwSt-RL 2006/112/EG darstellen (dh. die Leistung muss nachhaltig und entgeltlich erbracht werden und es muss ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung bestehen) und von der Holding für ihre Tochtergesellschaft erbracht werden. Dazu gehört ua. die Erbringung von administrativen, buchhalterischen, finanziellen, kaufmännischen, der Informatik zuzuordnenden und technischen Dienstleistungen, aber etwa auch die Vermietung eines Gebäudes an die Tochtergesellschaft. Dies gilt auch für die Besorgung solcher Leistungen (vgl. EuGH 27.9.2001, Rs C-16/00, Cibo Participations; EuGH 5.7.2018, Rs C-320/17, Marle Participations, und VwGH 21.11.2018, Ro 2017/13/0022).
Lichtbaugemeinschaften (Personenvereinigungen, die zur leichteren Geschäftsabwicklung zwischen einem Elektrizitätsversorgungsunternehmen und den Anschlussinteressenten gegründet werden): Unternehmer, wenn sie nach außen hin in Erscheinung treten.
Metagesellschaften (mehrere Personen verbinden sich zu dem Zweck, ein oder mehrere Geschäfte auf gemeinsame Rechnung durchzuführen, wobei aber jeder Metist im eigenen Namen auftritt): Sind nicht Unternehmer (BFH 21.12.1955, BStBl III 1956, 58).
Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften im Sinne des § 6b KStG 1988 (vgl. KStR 2013 Rz 291 ff) besitzen Unternehmereigenschaft.
Stille Gesellschaften: Innengesellschaften und nicht Unternehmer (VwGH 14.12.1987, 86/15/0026).
Stiftungsvorstände: sind Unternehmer. Nur wenn die Weisungsfreiheit des Vorstandsmitglieds stark eingeschränkt und der Vorstand bei Ausübung seiner Tätigkeit organisatorisch in die Stiftung eingegliedert ist (zB wenn die volle oder überwiegende Arbeitskraft für die Tätigkeit in der Stiftung eingesetzt wird), liegt keine unternehmerische Tätigkeit vor (vgl. LStR 2002 Rz 983).
Syndikate und Kartelle: Unternehmer, wenn sie nach außen durch Leistungen in Erscheinung treten.
Vermietungsgemeinschaft („Mietenpool“): Überlassen Wohnungseigentümer ihre Eigentumswohnung einer Vermietungsgemeinschaft zwecks Vermietung durch die Vermietungsgemeinschaft im eigenen Namen an Dritte, so liegen zunächst Leistungsbeziehungen zwischen dem Bauträger (hinsichtlich der Veräußerung der Eigentumswohnung) bzw. der Wohnungseigentumsgemeinschaft (hinsichtlich der laufenden Betriebskosten) einerseits und den Wohnungseigentümern andererseits vor. Unternehmereigenschaft des Wohnungseigentümers ist gegeben, wenn die Nutzungsüberlassung der Eigentumswohnung durch den Wohnungseigentümer an die Vermietungsgemeinschaft entgeltlich erfolgt und nicht Liebhaberei im Sinne des § 1 Abs. 2 Z 3 der Liebhaberei-Verordnung vorliegt. Zur Wahrung des Neutralitätsprinzips der Umsatzsteuer ist von einer entgeltlichen Nutzungsüberlassung auch dann auszugehen, wenn der Wohnungseigentümer einen Anteil am Überschuss der Vermietungsgemeinschaft erhält. Dieser Anteil stellt das Entgelt für die Leistung (Nutzungsüberlassung) des Wohnungseigentümers dar.
Verpachtungsgemeinschaften: Unternehmer (VwGH 13.10.1983, 82/15/0066, betreffend zwei Personen, die gemeinsam ein Geschäft verpachten).
Wohnungseigentumsgemeinschaften: Unternehmer, auch wenn sie nur die anteiligen Kosten einheben (siehe auch LRL 2012 Rz 171).
2.1.6. Gewerbliche oder berufliche Tätigkeit
2.1.6.1. Allgemeines
186
Der Begriff der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit im Sinne des UStG 1994 geht über den Begriff des Gewerbebetriebes nach dem EStG 1988 hinaus. Eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit setzt voraus, dass Leistungen im wirtschaftlichen Sinne ausgeführt werden. Betätigungen, die sich nur als Leistungen im Rechtssinne, nicht aber zugleich als Leistungen im wirtschaftlichen Sinne darstellen, werden von der Umsatzsteuer nicht erfasst (BFH 31.7.1969, V – 94/65, BStBl II 1969, 637). Die bloße Kapitalhingabe durch Private ist daher keine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit. Insbesondere vermitteln Geldeinlagen auf Bankkonten oder Sparbüchern dem Inhaber nicht die Unternehmereigenschaft (VwGH 11.9.1989, 88/15/0015; BFH 1.2.1973, V R 2/70, BStBl II 1973, 172). Dies gilt auch für den Erwerb und das Halten von Beteiligungen, den Erwerb von Wertpapieren, und für die Hingabe von Darlehen oder Krediten. Auch der EuGH verneint die Unternehmereigenschaft des bloßen Kapitalanlegers, wenn er zum Ausdruck bringt, dass die bloße Ausübung des Eigentums, wie sie in der Verwaltung des eigenen Vermögens zum Ausdruck kommt, nicht als wirtschaftliche (= unternehmerische) Tätigkeit anzusehen ist (EuGH 20.6.1996, Rs C-155/94 Wellcome Trust und EuGH 6.2.1997, Rs C-80/95 Harnas & Helm). Eine unternehmerische Betätigung kann aber dann vorliegen, wenn jemand durch geschäftsmäßigen An- und Verkauf von Kapital- oder Gesellschaftsbeteiligungen wie ein Händler auftritt und damit eine nachhaltige, auf Einnahmenerzielung gerichtete Tätigkeit entfaltet (BFH 15.1.1987, V R 3/77, BStBl II 1987, 512).
Bei der Überlassung der Nutzung eines Wohnhauses bzw. einer Wohnung durch eine Gesellschaft an den Gesellschafter muss zunächst geprüft werden, ob überhaupt eine unternehmerische Tätigkeit vorliegt. Für diese Beurteilung ist ein Vergleich der Umstände vorzunehmen, unter denen die Immobilie tatsächlich genutzt wird, sowie jener Umstände, unter denen die entsprechende wirtschaftliche Tätigkeit gewöhnlich ausgeübt wird (vgl. VwGH 7.7.2011, 2007/15/0255; EuGH 26.9.1996, Rs C-230/94, Enkler). Ausschlaggebend ist die Berücksichtigung aller Gegebenheiten, die für einen Einzelfall charakteristisch sind (vgl. VwGH 10.2.2016, 2013/15/0284). Zu prüfen ist die Fremdüblichkeit des Mietentgeltes, wobei ein moderates Abweichen vom fremdüblichen Entgelt die Unternehmereigenschaft nicht ausschließt (vgl. VwGH 20.10.2021, Ra 2019/13/0041, VwGH 10.2.2016, 2013/15/0284). Zusätzlich sind sämtliche Aspekte der Vertragsbeziehung in diese Prüfung miteinzubeziehen (zB Kündigungsmodalitäten, Vorhandensein bzw. Nichtanwendung von Indexklauseln, fremdunübliche Ausgestaltung des Mietvertrages, usw.). Eine nichtunternehmerische Vermietung liegt jedenfalls dann vor, wenn eine Immobilie an den Anteilsinhaber nicht zum Erzielen von Einnahmen überlassen wird, sondern um diesem einen Vorteil zuzuwenden (vgl. VwGH 16.5.2007, 2005/14/0083). Davon ist bei Zugehörigkeit einer Luxusimmobilie zur außerbetrieblichen Sphäre einer Körperschaft auszugehen. Erfolgt die Überlassung der Immobilien durch eine Privatstiftung an den Stifter oder an andere Begünstigte im Rahmen der Erfüllung ihrer satzungsmäßigen Zwecke, liegt im Lichte der Rechtsprechung keine unternehmerische Tätigkeit vor (vgl. VwGH 7.7.2011, 2007/15/0255).
Bei Vermietung und Verpachtung in der „Unternehmerkette“ ist die Fremdüblichkeit – auch bei Nahebeziehungen zwischen den Parteien – für die Frage des Vorliegens einer wirtschaftlichen Tätigkeit unerheblich, sofern kein offensichtlicher Bezug zur Sphäre der privaten Lebensführung eines der Beteiligten vorliegt (vgl. VwGH 28.5.2019, Ra 2017/15/0062 mVa VwGH 29.6.2016, 2013/15/0308; zur Anwendung des Normalwerts siehe Rz 682).
Ist von einer unternehmerischen Vermietung einer Immobilie durch die Körperschaft auszugehen, muss in einem zweiten Schritt beurteilt werden, ob dieser Vorgang nach ertragsteuerlichen Grundsätzen eine verdeckte Gewinnausschüttung darstellt und daher ein Vorsteuerausschluss gemäß § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 zum Tragen kommen kann (siehe dazu Rz 1929 mVa VwGH 27.6.2018, Ra 2017/15/0019).
Zur Unternehmereigenschaft des Betreibers einer Photovoltaikanlage siehe den Erlass des BMF vom 24.2.2014, BMF-010219/0488-VI/4/2013, BMF-AV Nr. 8/2014.
187
Nicht maßgebend ist, ob die Tätigkeit gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, strafbar ist oder den guten Sitten widerspricht (§ 23 Abs. 2 BAO). Auch der der 6. MWSt-RL zugrunde liegende Gedanke der Wettbewerbsneutralität der Mehrwertsteuer verbietet eine allgemeine Differenzierung zwischen erlaubten und nicht erlaubten Geschäften (EuGH 2.8.1993, Rs C-111/92 „Lange“; EuGH 25.6.1997, Rs C-45/95, Kommission gegen Italien; EuGH 11.6.1998, Rs C-283/95, „Fischer“), ausgenommen Fälle, in denen auf Grund besonderer Vorschriften jeder Wettbewerb zwischen einem legalen und einem illegalen Wirtschaftssektor ausgeschlossen ist (EuGH 5.7.1988, Rs 289/86, „Happy Family“ betreffend Importe von Drogen; EuGH 6.12.1990, Rs C-343/89, „Witzemann“ betreffend Falschgeldimporte).
2.1.6.2. Nachhaltigkeit
2.1.6.2.1. Allgemeines
188
Nachhaltigkeit liegt vor,
- bei wiederholter Tätigkeit unter Ausnützung derselben Gelegenheit oder desselben dauernden Verhältnisses (VwGH 12.12.1988, 87/15/0107; VwGH 25.1.1995, 93/13/0084);
- bei einmaliger Tätigkeit, wenn aus den objektiven Umständen des Falles auf Wiederholungsabsicht geschlossen werden kann (VwGH 10.9.1979, 0225/79 mit Hinweisen auf Vorjudikatur; VwGH 25.1.1995, 93/13/0084);
- wenn durch einmaligen Vertragsabschluss ein Dauerzustand zwecks Einnahmenerzielung geschaffen wird (VwGH 25.11.1970, 1538/69 betreffend Vermietung; VwGH 3.5.1968, 1081/66 betreffend Lizenzvergabe);
- wenn eine einmalige Leistung erbracht wird, die längere Zeit in Anspruch nimmt (VwGH 30.5.1958, 1423/57 betreffend Werklieferung einer Arbeitsgemeinschaft).
189
Verkäufe von Privatvermögen erfüllen das Kriterium der Nachhaltigkeit nicht, wenn sie nur gelegentlich erfolgen und es an einem inneren Zusammenhang fehlt (VwGH 31.3.1992, 90/15/0124). Keine Nachhaltigkeit ist daher gegeben, wenn aus Veranlagungsgründen angesammelte Sachwerte nach Maßgabe eines auftretenden Geldbedarfes verkauft werden (VwGH 28.1.1980, 3431/78). Von Bedeutung ist auch, ob die Verkäufe aus eigener Initiative erfolgen oder nur auf Drängen eines Interessenten (VwGH 22.3.1993, 91/13/0190).
Es reicht für die Annahme einer unternehmerischen Tätigkeit nicht aus, mit dem bloßen Hinweis auf den Umstand wiederholter Verkäufe eine nachhaltige Tätigkeit zu bejahen. Vielmehr ist auf das Gesamtbild des Marktauftritts der verkaufenden Person abzustellen, wobei etwa Dauer und Intensität des Tätigwerdens, die Höhe der Erlöse, die Beteiligung am Markt durch Werbung, die Zahl der ausgeführten Umsätze, das planmäßige Tätigwerden oder das Unterhalten eines Geschäftslokals zu würdigen sind (VwGH 30.6.2021, Ro 2019/15/0180 mVa BFH 27.1.2011, V R 21/09).
2.1.6.2.2. Einzelfälle (ABC)
190
Archäologische Fundgegenstände: Keine Unternehmereigenschaft bei einem Volksschullehrer, der zirka zehn Jahre lang mit einem Metalldetektor nach archäologischen Gegenständen gesucht hat und diese dann – auf Drängen der Museumsdirektoren – in drei Etappen an ein Museum veräußert hat (VwGH 22.03.1993, 91/13/0190 – Grenzfall!).
Ausgleichsfinanzierung in einem einzigen Fall: bei Tätigkeit über mehrere Jahre und einer Fülle von Einzelleistungen ist Nachhaltigkeit gegeben (VwGH 14. 10. 1981, 81/13/0050).
Bauauftrag: Keine Nachhaltigkeit bei Vermittlung eines einzigen Bauauftrages ohne Wiederholungsabsicht (VwGH 10.09.1979, 0225/79).
Berufskartenspieler: Nachhaltige Tätigkeit eines Berufskartenspielers, der sich täglich bis zu 14 Stunden in einem Spielsalon aufhält (BFH 26.08.1993, VR 20/91).
Briefmarkensammlung: Nachhaltigkeit bei zahlreichen Einzelverkäufen während eines Zeitraumes von fünf Jahren (VwGH 20.03.1980, 2598/77).
Erben: Nachhaltigkeit, wenn die Erbengemeinschaft nach einem Maler einem Galerieunternehmer 130 Bilder aus dem Nachlass zum Verkauf überlässt (VwGH 25.01.1995, 93/13/0084), oder wenn geerbte Zahngoldvorräte durch einen Zahntechniker über mehrere Jahre Gewinn bringend verwertet werden (VwGH 19.02.1985, 84/14/0112).
Gewerberechtlicher Geschäftsführer: Nachhaltig ist die Tätigkeit eines gewerberechtlichen Geschäftsführers für eine einzige GmbH (VwGH 13. 10. 1993, 91/13/0058).
Goldmünzen: Nachhaltigkeit, wenn en bloc gekaufte Goldmünzen in mehreren Einzelverkäufen wieder veräußert werden; keine Nachhaltigkeit, wenn die Münzen „angespart“ wurden (VwGH 12. 12. 1988, 87/15/0107).
Jahreswagen: Keine Nachhaltigkeit bei Verkauf von „Jahreswagen“ durch Angehörige von Automobilfabriken (BFH 18.07.1991, VR 86/87).
2.1.7. Erzielung von Einnahmen
191
Unternehmerisch sind nur (nachhaltige) Tätigkeiten zur Erzielung von Einnahmen.
Das Kriterium der Einnahmenerzielung bedeutet, dass
- nachhaltige Tätigkeiten, die nicht auf Einnahmenerzielung gerichtet sind, keine Unternehmereigenschaft begründen und
- Unternehmereigenschaft auch vorliegt, wenn keine Gewinnerzielungsabsicht gegeben ist.
Keine Tätigkeit zur Einnahmenerzielung liegt vor, wenn nur im eigenen Bereich Ausgaben gespart werden oder Dritten ermöglicht werden soll, Ausgaben zu sparen; Tätigkeiten, die nur der Selbstversorgung dienen, begründen daher nicht die Unternehmereigenschaft.
192
Gewinnerzielungsabsicht ist nach § 2 Abs. 1 UStG 1994 nicht erforderlich. Dies entspricht der MwSt-RL 2006/112/EG, nach der es nicht darauf ankommt, zu welchem Zweck der Steuerpflichtige seine wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet. Selbst wenn das Entgelt für eine Leistung nur in der Weiterverrechnung von Kosten besteht, unterliegt es der Umsatzsteuer (VwGH 15.01.1991, 89/14/0105). Die Einnahmenerzielung muss nicht die primäre Motivation der Tätigkeit sein; auch ideelle, karitative und gemeinnützige Tätigkeiten können unternehmerisch sein (VwGH 12.12.1952, 2757/50). Hinsichtlich der Abgrenzung zur Liebhaberei siehe LRL 2012 Rz 159 ff.
2.1.8. Beginn der Unternehmereigenschaft
2.1.8.1. Vorbereitungshandlungen
193
Zur Begründung der Unternehmereigenschaft ist es nicht erforderlich, dass bereits tatsächlich Umsätze bewirkt werden, es genügt vielmehr ein Tätigwerden zum Zwecke des späteren Bewirkens von Umsätzen. Die ausgeübte Tätigkeit muss ernsthaft auf die Erbringung von entgeltlichen Leistungen angelegt sein und dies muss nach außen in Erscheinung treten (VwGH 3.5.1968, 1081/66).
194
Als Nachweis für die Ernsthaftigkeit sind Vorbereitungshandlungen anzusehen, wenn bezogene Gegenstände oder in Anspruch genommene Leistungen ihrer Art nach nur zur unternehmerischen Verwendung oder Nutzung bestimmt sein können oder in einem objektiven und zweifelsfrei erkennbaren Zusammenhang mit der beabsichtigten unternehmerischen Tätigkeit stehen (unternehmensbezogene Vorbereitungshandlungen). Solche Vorbereitungshandlungen können zB sein
- der Erwerb umfangreichen Inventars (Maschinen, Fuhrpark),
- Wareneinkauf,
- Anmieten von Büro- oder Lagerräumen,
- Erwerb eines Grundstückes,
- Auftrag zu einer Rentabilitätsstudie,
- Beauftragung eines Architekten,
- Durchführung einer größeren Anzeigenaktion.
195
Bei der Errichtung von Wohnraum muss, damit der Vorsteuerabzug vor Erzielung von Einnahmen gewährt werden kann, die Vermietungsabsicht in bindenden Vereinbarungen ihren Niederschlag finden oder aus sonstigen, über die Absichtserklärung hinausgehenden Umständen mit ziemlicher Sicherheit feststehen (VwGH 15.1.1981, 1817/79; VwGH 25.11.1986, 86/14/0045; VwGH 17.5.1988, 85/14/0106; VwGH 23.6.1992, 92/14/0037; VwGH 27.3.1996, 93/15/0210; VwGH 25.6.1997, 94/15/0227; VwGH 29.7.1997, 93/14/0132; VwGH 27.1.1998, 93/14/0234).
196
Bei Vorbereitungshandlungen, die ihrer Art nach sowohl zur unternehmerischen als auch zur privaten Verwendung bestimmt sein können (zB Anschaffung eines Computers oder KFZ), wird die Unternehmensbezogenheit und damit die Unternehmereigenschaft idR nicht sofort abschließend beurteilt werden können.
Sind Vorbereitungshandlungen ihrer Art nach typischerweise zur nichtunternehmerischen Nutzung bestimmt (zB Erwerb eines Wohnmobils, eines Segelbootes) und kann deren Unternehmensbezogenheit nicht nachgewiesen werden, ist in der Vorbereitungsphase nicht von der Unternehmereigenschaft auszugehen.
197
Wenn die unternehmerische Tätigkeit die aktive Phase nicht erreicht, sondern in der Phase der Vorbereitung stecken bleibt, kommt es entscheidend darauf an, ob in der Phase der Vorbereitung die erklärte Absicht bestand, in die aktive Phase einzutreten und damit steuerbare Umsätze zu erzielen. Die Unternehmereigenschaft kann auch durch Tätigkeiten begründet werden, die letztlich zu keiner Einnahmenerzielung führen (VwGH 30.9.1998, 96/13/0211, zu einer Trockenfuttergewinnungsanlage, die – vor Erzielung von Einnahmen – mangels Profitabilität eingestellt wurde), oder durch Tätigkeiten, die erst die Entscheidung ermöglichen sollen, ob eine Tätigkeit zur Einnahmenerzielung aufgenommen werden soll (EuGH 29.2.1996, Rs C-110/94 „INZO“ zu einer Rentabilitätsstudie betreffend eine Meerwasserentsalzungsanlage). Durch die Vorbereitungshandlungen wird die Unternehmereigenschaft endgültig erlangt, dh. das Vorsteuerabzugsrecht kann später nicht mehr rückgängig gemacht werden, es sei denn es liegt ein Fall von Betrug oder Missbrauch vor.
2.1.8.2. Vorgesellschaft
198
Eine GmbH wird bereits vor ihrer Eintragung in das Firmenbuch als Steuersubjekt angesehen (Vorgesellschaft), wenn der Gesellschaftsvertrag abgeschlossen ist und eine nach außen hin erkennbare Tätigkeit entfaltet wird. Die Gesellschaft muss als solche wirtschaftlich in Erscheinung treten, zB durch Eröffnung eines Bankkontos, das der künftigen Einzahlung des Stammkapitals und/oder anderen Geldtransaktionen der GmbH zu dienen bestimmt ist (VwGH 4.3.1987, 84/13/0239). Als Steuersubjekt ist in solchen Fällen nicht die Vorgesellschaft als von der in Gründung befindlichen GmbH verschiedener Rechtsträger, sondern die erst später existent werdende GmbH selbst anzusehen (VwGH 4.3.1987, 84/13/0239). Der Vorsteuerabzug steht auch zu, wenn Gesellschafter vor Eintragung der Gesellschaft im Namen der Gesellschaft Leistungen für die Gesellschaft in Anspruch nehmen (VwGH 31.3.1998, 95/13/0125). Auch Vorleistungen an die so genannte Vorgründungsgesellschaft (bis zum Abschluss des schriftlichen Gesellschaftsvertrages) können der künftigen GmbH zugerechnet werden, wenn sie innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes vor dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages erbracht wurden.
198a
Eine Personenhandelsgesellschaft (OG, KG) entsteht nach § 123 Abs. 1 UGB (bzw. § 161 Abs. 2 UGB) erst mit der Eintragung in das Firmenbuch. Vorerst besteht nach UGB eine GesbR, die als Unternehmer anzusehen ist, wenn sie nach außen hin auftritt und Vorleistungen zur Aufnahme der Geschäftstätigkeit der Personengesellschaft ausführt. Die von der GesbR bezogenen Leistungen werden für das Unternehmen der Personengesellschaft ausgeführt. Rz 198 gilt entsprechend.
2.1.8.3. Ende der Unternehmereigenschaft
2.1.8.3.1. Allgemeines
199
Die Unternehmereigenschaft endet nicht bereits mit der Einstellung der Leistungstätigkeit oder der Abmeldung des Betriebes. Sie umfasst noch alle Vorgänge und Handlungen, die der Liquidierung der ausgeübten gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit dienen (VwGH 25.1.1995, 94/15/0023). Zur Unternehmertätigkeit gehören daher auch noch
- die Geschäftsveräußerung (entgeltlich oder unentgeltlich),
- die Einzelveräußerung von Gegenständen des Betriebsvermögens,
- die Überführung des Betriebsvermögens in das Privatvermögen,
- der Empfang oder die Ausstellung von Rechnungen nach Einstellung des Betriebes, oder
- die nachträgliche Vereinnahmung von Entgelten.
200
Eine Personengesellschaft verliert ihre Unternehmereigenschaft solange nicht, bis alle gemeinsamen Rechtsbeziehungen unter den Gesellschaftern – auch das Rechtsverhältnis zum Finanzamt – beseitigt sind (VwGH 3.11.1983, 82/15/0177, BFH 21.5.1971, VR 117/67, BStBl II 1971, 540). Werden im Zuge der Betriebsaufgabe Gegenstände des Unternehmensvermögens der Personengesellschaft in die Unternehmenssphäre eines Gesellschafters ohne Entgelt überführt, liegt Eigenverbrauch gemäß § 3 Abs. 2 UStG 1994 vor (VwGH 28.5.1998, 96/15/0009).
201
Die Unternehmereigenschaft einer Kapitalgesellschaft ist weder von ihrem Vermögensstand noch von ihrer Eintragung im Handelsregister abhängig; eine aufgelöste GmbH kann auch noch nach ihrer Löschung im Firmenbuch Umsätze im Rahmen ihres Unternehmens ausführen (BFH 9.12.1993, VR 108/91, BStBl II 1994, 483) oder durch ihre Liquidatoren Rechnungen ausstellen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen (VwGH 17.12.1993, 92/15/0121). Das Unternehmen der Gesellschaft endet erst mit Abschluss der Liquidation (Vollbeendigung), wenn somit kein Abwicklungsbedarf mehr vorhanden ist (VwGH 17.12.1993, 92/15/0121).
202
Die bloße Unterbrechung der aktiven unternehmerischen Tätigkeit führt nicht zur Beendigung der Unternehmereigenschaft (VwGH 25.1.1995, 94/15/0023; VwGH 28.5.1998, 96/15/0009).
Beispiel:
Ein selbstständig tätiger Ingenieur beginnt ein Hochschulstudium in derselben Fachrichtung. Während des Studiums hält er sein Ingenieurbüro offen, ohne durchgehend entgeltliche Leistungen zu erbringen, und führt es nach Ende des Studiums weiter. Die Unternehmereigenschaft besteht während des Studiums fort (BFH 15.3.1993, VR 18/89, BStBl II 1993, 561).
2.1.8.3.2. Tod des Unternehmers, Unternehmereigenschaft der Erben
203
Die Unternehmereigenschaft ist nicht vererblich, sie endet mit dem Tode des Unternehmers. Der Erbe kann nur durch eigene unternehmerische Tätigkeit Unternehmer werden (VwGH 18.9.1953, 0414/52). Besteht das Unternehmen weiter, so werden die Umsätze ab dem Todestag dem (den) Erben zugerechnet. Dies gilt auch, wenn der Erbe in ein Dauerschuldverhältnis eintritt. Der Erbe erzielt dann Umsätze aus eigener Unternehmertätigkeit und kann allfällige persönliche Begünstigungen des Erblassers nicht für sich geltend machen (VwGH 19.11.1962, 1595/60 und VwGH 15.9.1986, 84/15/0186 zu einem Verlagsvertrag).
204
Der Erbe tritt aber – auch ohne eigene unternehmerische Tätigkeit – als Gesamtrechtsnachfolger in die Rechtsstellung des Erblassers ein (§ 19 BAO), mit der Wirkung, dass die umsatzsteuerlichen Verhältnisse des Rechtsnachfolgers aus der Person des Rechtsvorgängers zu beurteilen sind, soweit es sich nicht um höchstpersönliche Rechte und Pflichten handelt. Nicht vererbbar sind daher zB Erleichterungsbewilligungen, die ein Vertrauen der Behörde gegenüber bestimmten Personen voraussetzen (VwGH 8.11.1973, 0666/73). Daher gilt, dass
- eine beim Erblasser entstandene, nicht entrichtete USt-Schuld auf die Erben übergeht;
- bei Ist-Versteuerung nachträglich eingehende Entgelte aus Leistungen des Erblassers vom Erben zu versteuern sind, auch wenn er nicht durch eigene Tätigkeit Unternehmer ist (BFH 19.11.1970, BStBl II 1971, 121), wobei Steuerbefreiungen und Steuersatz von den Verhältnissen des Erblassers abhängen;
- vom Erblasser vereinnahmte und versteuerte Anzahlungen beim Erben als versteuerte Leistungsentgelte zu behandeln sind;
- Änderungen der Bemessungsgrundlage beim Erben zu berücksichtigen sind;
- der Erbe den Vorsteuerabzug aus nachträglich eingehenden Rechnungen geltend machen kann;
- Fristen, die vom Erblasser in Gang gesetzt wurden, beim Erben weiter laufen (zB Berichtigungszeitraum nach § 12 Abs. 10 UStG 1994); dies gilt jedoch nicht für Fristen, die durch Ausübung von Wahlrechten in Gang gesetzt wurden (zB Regelbesteuerungsantrag);
- der Erbe Rechnungen über Leistungen des Erblassers ausstellen kann;
- Veräußerungen und Entnahmen von Gegenständen des Unternehmens des Erblassers durch den nichtunternehmerischen Erben im Rahmen der Abwicklung des ererbten Unternehmensvermögens Lieferungen gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 bzw. Eigenverbrauch gemäß § 3 Abs. 2 UStG 1994 darstellen, die vom Erben als Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers zu versteuern sind (vgl. BFH 13.01.2010, V R 24/07).
Kommt es zu keiner Einantwortung, weil zB keine Erben vorhanden sind oder die Erben die Erbschaft ausschlagen, wird der Nachlass als eigenes Steuersubjekt (Körperschaft) angesehen, bei dem die Nachlassumsätze zu erfassen sind.
2.1.9. Unternehmen
2.1.9.1. Unternehmenseinheit
205
Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers (§ 2 Abs. 1 UStG 1994), dh. ein Unternehmer kann stets nur ein Unternehmen haben, auch wenn die Tätigkeiten einkommensteuerrechtlich verschiedenen Betrieben oder verschiedenen Einkunftsarten zuzurechnen sind (Grundsatz der Unternehmenseinheit). Daraus folgt, dass Leistungen zwischen verschiedenen Betrieben eines Unternehmens nicht zu steuerbaren Umsätzen führen können und die Verwendung von Gegenständen eines Betriebes in einem anderen Betrieb keinen Eigenverbrauch bewirken kann.
2.1.9.2. Unternehmerische und nichtunternehmerische Sphäre
206
Eine nichtunternehmerische Sphäre gibt es nicht nur bei natürlichen sondern auch bei juristischen Personen. Bei Vereinen ist nichtunternehmerischer Bereich die Erfüllung der satzungsgemäßen Gemeinschaftsaufgaben (siehe auch Rz 1242 bis Rz 1243), bei Kapitalgesellschaften zB die Geschäftsführung für eine Personengesellschaft (vgl. Rz 184) oder das Halten von Beteiligungen (vgl. Rz 185, Stichwort „Holdinggesellschaft“).
207
Liegt eine unternehmerische Tätigkeit vor, so gehören zum Unternehmensbereich nicht nur die eigentliche Kerntätigkeit (Grundgeschäfte) sondern auch Hilfs-und Nebengeschäfte, auch wenn diese – isoliert betrachtet – mangels Nachhaltigkeit keine unternehmerische Tätigkeit darstellen würden. Dabei sind als Hilfsgeschäfte Geschäfte zu verstehen, die nicht zu den Grundgeschäften gehören, aber in deren Gefolge vorkommen und diese ermöglichen (zB Veräußerung von Anlagevermögen, von Abfällen), als Nebengeschäfte solche, die einem anderen Berufsbild oder Tätigkeitszweig angehören als die Grundgeschäfte, aber im Randbereich derselben vorkommen, ohne aber einen notwendigen Zusammenhang mit diesen aufzuweisen (zB gelegentliche Vermittlungstätigkeit eines Rechtsanwaltes). Hilfs- und Nebengeschäfte sind somit zwar steuerbar, wenn sie von einem Unternehmer gegen Entgelt ausgeführt werden, sie können aber nicht die Unternehmereigenschaft begründen.
2.1.9.3. Unternehmereinheit
208
Personengesellschaften, an denen ausschließlich dieselben Personen beteiligt sind, können umsatzsteuerlich nur dann als einheitlicher Unternehmer angesehen werden, wenn das Beteiligungsverhältnis bei allen Gesellschaften gleich ist und die Einheitlichkeit der Willensbildung bei allen Gesellschaften gewährleistet ist . Die Gleichheit der Beteiligung ist dann nicht mehr gegeben, wenn bei einer Gesellschaft für einzelne Gesellschafter Vorweggewinne vereinbart sind (VwGH 27.11.1978, 2017/75, 2916/78 bis 2919/78). Eine Unternehmereinheit kann nur zwischen Personengesellschaften bestehen, nicht aber wenn eine der beteiligten Gesellschaften eine juristische Person ist oder an einer Personengesellschaft eine juristische Person beteiligt ist (VwGH 26.2.1979, 1955/75). Eine Unternehmereinheit ist ausnahmsweise auch zwischen einer Personengesellschaft (GmbH & CO KG) und einem Einzelunternehmer denkbar, wenn der Einzelunternehmer als Folge der umsatzsteuerlichen Unselbstständigkeit der Komplementär-GmbH (deren Alleingesellschafter er ist) selbst als Komplementär anzusehen wäre (VwGH 1.10.1979, 1239/76).
209
Keine Unternehmereinheit liegt zwischen einer Kapitalgesellschaft – auch wenn es sich dabei um eine Einmanngesellschaft handelt – und dem Einzelunternehmen, bestehend aus dem Alleingesellschafter der Kapitalgesellschaft, vor (vgl. VwGH 21.11.2018, Ra 2018/13/0079).
Randzahlen 210 bis 230: derzeit frei.
2.2. Selbstständigkeit, Organschaft
2.2.1. Unselbstständigkeit natürlicher Personen
231
Ob natürliche Personen und nicht rechtsfähige Personenvereinigungen selbstständig oder unselbstständig sind, ist nach dem Innenverhältnis und nicht nach dem Auftreten nach außen zu entscheiden (Maßgeblichkeit des Innenverhältnisses). In § 2 Abs. 2 Z 1 UStG 1994 wird die Unselbstständigkeit definiert als Eingliederung in ein Unternehmen dergestalt, dass Weisungsgebundenheit gegeben ist. Die Weisungsgebundenheit äußert sich in einem persönlichen Weisungsrecht des Arbeitgebers, das auf die Art der Ausführung der Arbeit, die Zweckmäßigkeit des Einsatzes der Arbeitsmittel, die zeitliche Koordination der zu verrichtenden Arbeiten, die Vorgabe des Arbeitsortes uÄ Einfluss nimmt. Davon ist eine sachliche oder technische Weisungsgebundenheit zu unterscheiden, die sich lediglich auf den Erfolg einer bestimmten Arbeitsleistung bezieht und für sich allein kein Dienstverhältnis begründet (VwGH 14.6.1988, 88/14/0024). Neben der Weisungsgebundenheit wird das Fehlen eines Unternehmerrisikos als wesentlichstes Kriterium der Unselbstständigkeit angesehen (VwGH 6.11.1990, 90/14/0141; VwGH 22.9.1992, 92/14/0047; VwGH 18.10.1995, 94/13/0121). Von einem Unternehmerrisiko ist dann auszugehen, wenn der Leistungserbringer die Möglichkeit hat, im Rahmen seiner Tätigkeit sowohl die Einnahmen- als auch die Ausgabenseite maßgeblich zu beeinflussen und solcherart den finanziellen Erfolg seiner Tätigkeit weitgehend selbst zu gestalten (VwGH 11.8.1993, 92/13/0022). Als weitere Indizien für Unselbstständigkeit kommen in Betracht:
- Form der Entlohnung (feste Bezüge, keine Abrechnung nach Stunden – VwGH 6.4.1988, 87/13/0202),
- Tätigkeit für einen Auftraggeber durch längere Zeit,
- keine Möglichkeit eigener Arbeits- und Zeiteinteilung (VwGH 3.5.1983, 82/14/0281),
- Ausübung der Tätigkeit gleich bleibend an einem bestimmten Ort (VwGH 15.7.1986, 83/14/0203),
- Urlaubsanspruch,
- Anspruch auf sonstige Sozialleistungen,
- Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall,
- Überstundenvergütung,
- kein Kapitaleinsatz,
- keine Pflicht zur Beschaffung von Arbeitsmitteln,
- Notwendigkeit der engen ständigen Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern,
- Schulden der Arbeitskraft und nicht eines bestimmten Arbeitserfolges,
- Einsatz von Hilfskräften nicht zulässig (VwGH 3.5.1983, 82/14/0281),
- Ausführung von einfachen Tätigkeiten, bei denen Weisungsabhängigkeit die Regel ist,
- die sozialversicherungsrechtliche Behandlung als Arbeitnehmer (VwGH 11.6.1979, 0450/79).
232
Maßgebend ist immer das Gesamtbild der Verhältnisse (VwGH 18.10.1995, 94/13/0121). Daher kann nicht mit Rücksicht auf das Vorliegen nur eines der angeführten Merkmale die Selbstständigkeit eindeutig bejaht oder verneint werden. Auch kann es nicht darauf ankommen, wie die Tätigkeit oder die tätige Person im Einzelfall bezeichnet worden ist (BFH 14.6.1985, BStBl II 1985, 661).
2.2.2. Organschaft
2.2.2.1. Allgemeine Voraussetzungen
233
Organschaft nach § 2 Abs. 2 Z 2 UStG 1994 liegt vor, wenn eine im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG 1994 unternehmerisch tätige juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in ein Unternehmen eingegliedert ist. Es ist nicht erforderlich, dass alle drei Eingliederungsmerkmale gleichermaßen ausgeprägt sind; Organschaft kann auch gegeben sein, wenn die Eingliederung auf einem dieser drei Gebiete weniger, dafür aber auf den anderen Gebieten stärker ausgeprägt ist. Maßgeblich ist das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse (VwGH 9.9.1980, 2595/80). Organschaft liegt nicht vor, wenn auch nur eines der Eingliederungskriterien fehlt (VwGH 15.4.1983, 82/17/0026).
Organträger kann jeder Unternehmer sein (juristische oder nicht juristische Person).
Organ (Organgesellschaft) kann jede juristische Person sein, bei der die Eingliederung möglich ist. Ab 1.1.2017 ist auch eine Personengesellschaft, bei der neben dem Organträger nur solche Personen Gesellschafter sind, die finanziell in den Organträger eingegliedert sind (kapitalistische Personengesellschaften), Organgesellschaft, wenn die sonstigen Voraussetzungen für die Organschaft vorliegen (vgl. BFH 2.12.2015, V R 25/13 unter Hinweis auf EuGH 16.7.2015, verb. Rs C-108/14 und Rs C-109/14, Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt). Eine finanzielle Eingliederung sämtlicher anderer Gesellschafter der Personengesellschaft in den Organträger ist dann nicht erforderlich, wenn nachgewiesen werden kann, dass der Organträger seinen Willen in der Personengesellschaft durch andere verbindliche Maßnahmen (zB Gewährleistung von Mehrheitsbeschlüssen aufgrund der mit den Anteilen verbundenen Stimmrechte) durchsetzen kann (vgl. EuGH 15.4.2021, Rs C-868/19, M-GmbH, Rn 48). Körperschaften öffentlichen Rechts können als solche nicht Organ sein, auch wenn sie insgesamt Unternehmereigenschaft haben (einen Betrieb gewerblicher Art bilden), weil die Eingliederung nicht gegeben sein kann. Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften öffentlichen Rechts sind keine juristischen Personen und kommen daher nicht als Organe in Betracht.
2.2.2.2. Auswirkungen
234
Die Auswirkungen der Organschaft sind, dass das Organ die Stellung eines Betriebes im Unternehmen des Organträgers hat (vgl. EuGH 1.12.2022, Rs C-141/20, Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie mbH, sowie EuGH 1.12.2022, Rs C-269/20, Finanzamt T, zur Zulässigkeit, den Organträger als einzigen Steuerpflichtigen zu bestimmen). Vorgänge zwischen Organträger und dem Organ (im Organkreis) sind nicht steuerbare Innenumsätze. Die Umsätze des Organs werden dem Organträger zugerechnet. Der Organträger kann Vorsteuern auch aus Rechnungen geltend machen, die auf das Organ lauten. „Rechnungen“, die innerhalb des Organkreises erteilt werden, sind umsatzsteuerrechtlich nur unternehmensinterne Belege. Da der Organträger mit seinen Organgesellschaften ein einheitliches Unternehmen bildet, ist für den Umfang des Vorsteuerabzugs maßgebend, mit welchen Ausgangsumsätzen gegenüber Dritten die Eingangsleistungen im Zusammenhang stehen. Soweit die Eingangsleistungen in unecht befreite Ausgangsumsätze des Organkreises eingehen, kommt ein Vorsteuerabzug dafür nicht in Betracht (vgl. VwGH 21.12.2016, 2013/13/0047).
Die formalen umsatzsteuerrechtlichen Pflichten sind vom Organträger zu erfüllen. Dies gilt insbesondere für die Erfüllung der Aufzeichnungspflichten (§ 18 UStG 1994), die Verpflichtung zur Abgabe von Steuererklärungen und für die Zahlungspflichten (siehe auch § 13 BAO).
235
Das Vorliegen einer Organschaft ist von Amts wegen wahrzunehmen (VwGH 22.02.1972, 1881/70). Für die Umsatzsteuer ist die Organschaft ab dem Zeitpunkt des Vorliegens sämtlicher Voraussetzungen zu beachten, somit auch ab einem Zeitpunkt innerhalb eines Veranlagungszeitraumes. Dies gilt auch für den Wegfall einer der Eingliederungsvoraussetzungen. Wird über das Vermögen der Organgesellschaft oder des Organträgers ein Insolvenzverfahren eröffnet, kommt es zum Wegfall zumindest der organisatorischen Eingliederung. Aus dem gleichen Grund kann während eines Insolvenzverfahrens auch kein neues Organschaftsverhältnis begründet werden (zB zum Zwecke der Abwicklung des insolventen Rechtsträgers).
2.2.2.3. Die Eingliederungsvoraussetzungen im Einzelnen
2.2.2.3.1. Finanzielle Eingliederung
236
Finanzielle Unterordnung bedeutet kapitalmäßige Beherrschung. Entscheidend sind aber nicht nur die Höhe der Beteiligung, sondern grundsätzlich auch die mit den Anteilen verbundenen Stimmrechte. Die Willensdurchsetzung des Organträgers im wirtschaftlichen und organisatorischen Geschäftsbetrieb muss sichergestellt sein. Unter der Annahme, dass die Gesellschaftsverträge keine höhere als die gesetzlich geregelte Stimmrechtsquote enthalten, liegt eine finanzielle Beherrschung bei einer Beteiligung von 75% jedenfalls vor. Bei einer stimmrechtlichen Beteiligung von mehr als 50% und weniger als 75% kann bei besonders stark ausgeprägter wirtschaftlicher und organisatorischer Unterordnung ebenfalls eine finanzielle Unterordnung vorliegen, wobei auch gesellschaftsvertragliche Stimmrechtsbindungen unter Umständen zur Bejahung einer finanziellen Unterordnung führen können. Beträgt die stimmrechtliche Beteiligung 50%, kann eine finanzielle Unterordnung auch dann vorliegen, wenn die Willensdurchsetzung des Organträgers gegenüber der Organgesellschaft dadurch gesichert ist, dass der Organträger eine Mehrheitsbeteiligung am Kapital der Organgesellschaft hält und er deren einzigen Geschäftsführer stellt (vgl. BFH 18.1.2023, XI R 29/22, Nachfolgeentscheidung zu EuGH 1.12.2022, Rs C-141/20, Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie mbH). Die finanzielle Eingliederung einer Enkel- in eine Großmuttergesellschaft kann – jedenfalls ab 1.1.2023 – auch über eine nicht-unternehmerisch tätige Tochtergesellschaft (zB eine Beteiligungsholding) erfolgen. Dabei ist die Tochtergesellschaft allerdings nicht in den Organkreis einzubeziehen (vgl. BFH 2.12.2015, V R 67/14).
Das Kriterium der finanziellen Eingliederung ist zwischen zwei Schwesterngesellschaften nicht erfüllt, da die eine Schwesterngesellschaft nicht als Organgesellschaft in die andere Schwesterngesellschaft als Organträger finanziell eingegliedert ist, sondern sich nur die Anteile an beiden Schwesterngesellschaften in der Hand desselben Gesellschafters befinden (so nun auch BFH 1.12.2010, XI R 43/08). Schwesterngesellschaften können jedoch Teil eines Organkreises sein, wenn sie finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch demselben Organträger eingegliedert sind. Finanzielle Beherrschung durch Darlehensgewährung ist keinesfalls ausreichend (VwGH 23.11.1959, 3069/55).
2.2.2.3.2. Wirtschaftliche Eingliederung
237
Um das Kriterium der wirtschaftlichen Eingliederung zu erfüllen, muss die Tochtergesellschaft im Rahmen des gesamten Unternehmens in engem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Muttergesellschaft stehen. Es bedarf keiner wirtschaftlichen „Unterordnung“ (VwGH 23.11.2016, Ro 2014/15/0031 unter Hinweis auf EuGH 16.7.2015, verb. Rs C-108/14 und Rs C-109/14, Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt). Die Rechtsprechung setzt eine vernünftige betriebswirtschaftliche Verflechtung zwischen Organträger und Organ voraus, die Tätigkeiten müssen aufeinander abgestellt sein und sich gegenseitig ergänzen (VwGH 16.11.2021, Ra 2020/15/0101, VwGH 15.5.2020, Ra 2018/15/0113 ua. mVa VwGH 13.12.2007, 2006/14/0043). Wechselseitige Lieferungs- (Leistungs-) Beziehungen zwischen Organträger und Organgesellschaft wie zB zwischen einer Vertriebs- und Produktionsgesellschaft stellen eine gegenseitige Verflechtung nicht bloß kapitalistischer, sondern auch wirtschaftlicher Art dar. Die wirtschaftliche Eingliederung einer Organgesellschaft in den Organträger kann sich auch aus einer vernünftigen betriebswirtschaftlichen Verflechtung mit einer anderen Organgesellschaft ergeben, wenn diese in den Organträger wirtschaftlich eingegliedert ist (vgl. BFH 1.2.2022, V R 23/21 sowie BFH 20.8.2009, V R 30/06). Eine wirtschaftliche Eingliederung einer Leasinggesellschaft (in eine „klassische“ Bankgesellschaft) könnte zB etwa dann vorliegen, wenn neben dem konzerninternen Verleasen von Bankräumlichkeiten durch die Leasinggesellschaft auch die Finanzierung der Bauvorhaben dritter Personen weitgehend durch die Bankgesellschaft erfolgt (VwGH 15.5.2020, Ra 2018/15/0113). Bei einer reinen Beteiligungsholding (vermögensverwaltende Holding) fehlt es sowohl an der wirtschaftlichen Eingliederung als auch an der Unternehmereigenschaft, weshalb sie weder Organträger noch Organgesellschaft sein kann.
238
Eine Organschaft zwischen einem Versicherungsunternehmen und einer Leasinggesellschaft wird regelmäßig nicht gegeben sein. In der Gebrauchsüberlassung an Mobilien oder Immobilien kann keine betriebswirtschaftliche Ergänzungsfunktion zur Tätigkeit eines Versicherungsunternehmens gesehen werden bzw. ist das Vermieten von Immobilien und Mobilien grundsätzlich keine Tätigkeit, die auf spezielle Aufgaben eines Versicherungsunternehmens abgestellt ist.
2.2.2.3.3. Organisatorische Eingliederung
239
Organisatorische Eingliederung ist gegeben, wenn die tatsächliche Durchsetzung des Willens des beherrschenden Unternehmers bei der beherrschten Gesellschaft durch organisatorische Maßnahmen gesichert ist (VwGH 16.11.2021, Ra 2020/15/0101). Die organisatorische Eingliederung kann in personellen Maßnahmen (zB eine natürliche Person ist in beiden Gesellschaften als Geschäftsführer, Vorstand oder Prokurist tätig) oder in organisatorischen Maßnahmen (zB Weisungsbefugnis des Organträgers gegenüber der Geschäftsführung der Organgesellschaft) zum Ausdruck kommen. Entscheidend ist, ob die durch die finanzielle Eingliederung latent mögliche Einheitlichkeit der Willensbildung durch organisatorische Vorkehrungen realisiert wird (vgl. zB VwGH 27.6.2013, 2010/15/0111). Maßnahmen wie etwa die Anstellung der Angestellten und Arbeiter bei dem beherrschenden Unternehmen, das Fehlen eigenen Büropersonals bei der Organgesellschaft und die daraus folgende Durchführung wesentlicher administrativer Aufgaben durch den beherrschenden Unternehmer können eine organisatorische Eingliederung bewirken, wenn sie dem Organträger ermöglichen, entscheidenden Einfluss auf die Organgesellschaft auszuüben und das Verhalten der Organgesellschaft mit den Vorgaben des Organträgers in Einklang zu bringen (VwGH 16.11.2021, Ra 2020/15/0101). Eine organisatorische Unterordnung kann auch vorliegen, wenn der Organträger wesentliche organisatorische Aufgaben zB in den Bereichen Beschaffung, Vertrieb oder Rechnungswesen für die Organgesellschaft besorgt.
Das der Obergesellschaft vorbehaltene Bestellungsrecht des Geschäftsführers der Untergesellschaft genügt für die organisatorische Eingliederung ebenso wenig wie die Möglichkeit, den Geschäftsführer der Untergesellschaft durch die von der Obergesellschaft beherrschte Generalversammlung wieder abzuberufen (VwGH 3.11.1966, 1884/65), oder durch die Aufsichtsratsbestellung Einfluss auf die Wahl des Vorstandes nehmen zu können (VwGH 15.4.1983, 82/17/0026). Die tatsächliche Willensdurchsetzung des Organträgers in der Organgesellschaft kann durch verbindliche Konzernrichtlinien, durch regelmäßige Berichterstattungspflichten, durch Protokolle über gemeinsame Organsitzungen usw. nachgewiesen werden.
2.2.2.4. Beschränkung der Wirkungen der Organschaft auf das Inland
240
Die Wirkungen der Organschaft sind auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt.
Im Inland gelegene Unternehmensteile sind
- der im Inland ansässige Organträger,
- im Inland ansässige Organgesellschaften eines inländischen oder ausländischen Organträgers,
- im Inland gelegene Betriebsstätten des Organträgers oder von Organgesellschaften, gleichgültig ob Organträger oder Organgesellschaften im Inland oder Ausland ansässig sind.
Diese Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln.
241
Der Begriff des Unternehmens im Sinne des § 2 Abs. 1 zweiter Satz UStG 1994 bleibt von der Beschränkung der Organschaft auf das Inland unberührt. Grenzüberschreitende Leistungen zwischen dem Organträger (oder der Organgesellschaft) und seinen Betriebsstätten sind (vom innergemeinschaftlichen Verbringen abgesehen) nicht steuerbare Innenumsätze, wenn diese mangels selbständiger Wirtschaftstätigkeit zum Unternehmen des Organträgers gehören (vgl. EuGH 11.3.2021, Rs C-812/19, Danske Bank, Rn 20 und 21).
Unabhängig davon sind grenzüberschreitende Leistungen ausländischer Organgesellschaften an den inländischen Organkreis steuerbar (vgl. EuGH 17.9.2014, Rs C-7/13, Skandia America).
2.2.2.4.1. Organträger im Inland
242
Zum Unternehmen gehören sämtliche zum Organkreis gehörende Unternehmensteile im Inland.
Zum Unternehmen des Organträgers gehören jedoch nur seine im Ausland gelegenen Betriebsstätten (nicht die der Organgesellschaft).
Beispiel 1:
Der Organträger O in Österreich hat eine Organgesellschaft T1 im Inland, eine
Organgesellschaft T2 in Italien.
Weiters hat der Organträger O eine Betriebsstätte BO in der Schweiz und die
Organgesellschaft T1 ebenfalls eine Betriebsstätte BT in der Schweiz. Lieferungen von O an T1 sind nicht steuerbare Innenumsätze, Lieferungen von
O an BO stellen ein nicht steuerbares Verbringen dar.
Lieferungen von O an T2 sind innergemeinschaftliche Lieferungen und an BT Ausfuhrlieferungen.
Erbringt T2 im Auftrag von T1 im Inland eine Werklieferung, so erbringt sie damit eine steuerbare Lieferung an O.
2.2.2.4.2. Organträger im Ausland
243
Zum Unternehmen gehören sämtliche zum Organkreis gehörende Unternehmensteile im Inland. Der Organträger und seine Organgesellschaften im Ausland bilden jeweils gesonderte Unternehmen.
Als Unternehmer im Inland gilt der wirtschaftlich bedeutendste Unternehmensteil im Inland. Soferne nicht andere Kriterien zutreffender sind, wird man diesen nach der Höhe des Umsatzes bestimmen.
244
Unterhalten die inländischen Organgesellschaften Betriebsstätten im Ausland, so sind diese nur der jeweiligen Organgesellschaft zuzurechnen, gehören aber nicht zur Gesamtheit der im Inland gelegenen Unternehmensteile.
Beispiel 2
Der Organträger O in Deutschland hat in Österreich die Organgesellschaften T1 und T2 sowie die Betriebsstätte BO. In Italien hat er eine weitere Organgesellschaft T3.
T1, T2 und BO bilden das Unternehmen in Österreich (der wirtschaftlich bedeutendste
Teil – zB T1 – gilt als Unternehmer).
T1 hat die Lieferungen von O und T3 an BO als innergemeinschaftlichen Erwerb zu versteuern.
Erbringt T3 an T2 eine Katalogleistung, ist diese im Inland steuerpflichtig und die
Steuerschuld geht auf T1 über.
Beispiel 3:
Der Organträger O in Japan hat die Organgesellschaft T1 in Deutschland und die
Organgesellschaft T2 in Italien. Im Inland hat er die Betriebsstätte B1 und B2. B1 ist der wirtschaftlich bedeutendere Unternehmensteil.
B1 und B2 bilden das Unternehmen.
Soweit B1 Waren an O versendet, liegen Innenumsätze vor. Lieferungen von B2 an
T1 und T2 sind innergemeinschaftliche Lieferungen, die der B1 zuzurechnen sind.
Randzahlen 245 bis 260: derzeit frei.