20.2.2.4 Entstrickung
20.2.2.4.1 Allgemeines
6147
Der Entstrickungstatbestand hat Vorrang gegenüber dem Tatbestand der Depotentnahme.
Als Veräußerung im Sinne des § 27 Abs. 3 und 4 EStG 1988 gelten auch Umstände, die zur Einschränkung des Besteuerungsrechtes der Republik Österreich im Verhältnis zu anderen Staaten hinsichtlich eines Wirtschaftsgutes im Sinne des Abs. 3 oder eines Derivates im Sinne des Abs. 4 führen (§ 27 Abs. 6 Z 1 EStG 1988). Anders als bei der Vorgängerbestimmung des § 31 EStG 1988 idF vor dem BBG 2011 sind nicht nur wesentliche Beteiligungen (mindestens 1%) an Körperschaften erfasst, sondern sämtliche Wirtschaftsgüter und Rechtspositionen, die zur Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen iSd § 27 EStG 1988 geeignet sind. Dem Grunde nach gehören dazu insbesondere Aktien, GmbH-Anteile, Anteile an Kapitalanlagefonds, § 40 oder § 42 des Immobilien-Investmentfondsgesetzes unterliegende Gebilde, Optionen, Termingeschäfte, stille Beteiligungen, Darlehen und Schuldverschreibungen.
6148
Die Veräußerungsfiktion greift daher immer dann, wenn durch Umstände, welcher Art auch immer, irgendeine Besteuerungsmöglichkeit hinsichtlich eines Wirtschaftsgutes oder Derivates iSd § 27 Abs. 3 oder 4 EStG 1988 eingeschränkt wird. Maßgeblich sind somit nicht nur die Veräußerung selbst, sondern jegliche von den Grundtatbeständen erfassten Realisierungsvorgänge, wie etwa die Liquidation, der Differenzausgleich oder die sonstige Abschichtung. Geht somit hinsichtlich eines der steuerpflichtigen Realisierungsvorgänge das Besteuerungsrecht der Republik Österreich verloren, gelten die Umstände, die zur Einschränkung geführt haben, als Veräußerung und lösen somit die Steuerpflicht aus. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn hinsichtlich eines einzelnen Wirtschaftsgutes oder Derivates iSd § 27 Abs. 3 oder 4 EStG 1988 für bestimmte Realisierungsvorgänge das Besteuerungsrecht nicht eingeschränkt wird, für andere Realisierungsvorgänge hingegen schon.
Eine Einschränkung des Besteuerungsrechtes tritt auch dann ein, wenn das Besteuerungsrecht zwar dem Grunde nach aufrecht vorhanden ist, allerdings der Höhe nach eingeschränkt wird.
Umstände, die zur Einschränkung des Besteuerungsrechtes führen können, sind ua. die Wohnsitzverlegung in das Ausland, die unentgeltliche Übertragung von Wirtschaftsgütern und Derivaten an einen Steuerausländer oder die Übertragung auf eine ausländische Stiftung, wenn in allen diesen Fällen das Besteuerungsrecht Österreichs auf Grund des EStG 1988 oder durch ein DBA an zukünftigen Realisierungsüberschüssen eingeschränkt wird.
6148a
Im Folgenden wird der Ausdruck „Entstrickung“ stellvertretend für alle möglichen Umstände, in denen das Besteuerungsrecht der Republik Österreich eingeschränkt wird, verwendet. Eine aktive Handlung des Steuerpflichtigen ist nicht erforderlich. Auch der Tod des Steuerpflichtigen oder der Abschluss bzw. die Änderung eines DBA kann einen Umstand iSd § 27 Abs. 6 Z 1 EStG 1988 darstellen (siehe dazu auch Rz 2518).
Die Steuerpflicht tritt auch dann ein, wenn zwar der inländische Wohnsitz und demzufolge auch die unbeschränkte Steuerpflicht beibehalten wird, aber wegen der Verlegung des Mittelpunktes der Lebensinteressen in einen anderen Staat der ausschließliche Besteuerungsanspruch an späteren Wertsteigerungen durch das Abkommen dem anderen Staat übertragen wird.
Bei Wegzug einer natürlichen Person in einen Staat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes ist vorgesehen, dass die anlässlich des Wegzugs entstandene Steuerschuld auf Antrag nicht festzusetzen ist. Dies gilt ebenso bei der unentgeltlichen Übertragung eines Wirtschaftsgutes oder Derivates an eine andere natürliche Person, die in einem Staat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes ansässig ist.
6148b
Art. 13 Abs. 4 des DBA-Schweiz (Revisionsprotokoll) sieht hinsichtlich in- und ausländischer Gesellschaftsbeteiligungen im Fall des tatsächlichen Wegzugs (Wohnsitzverlegung) in den anderen Vertragsstaat zeitlich unbeschränkt die Beibehaltung des Besteuerungsrechtes des bisherigen Ansässigkeitsstaates im Fall der Veräußerung vor, wobei sichergestellt wird, dass die bis zum Wegzug angewachsenen stillen Reserven im Wegzugsstaat steuerhängig bleiben. Art. 13 Abs. 4 des revidierten Abkommens enthält das abkommensrechtliche Verbot einer Besteuerung lediglich aus Anlass des Wegzuges; dieses Verbot steht einer bloßen Ermittlung der Steuerschuld aus Anlass des Wegzugs nicht entgegen. Das bedeutet für die Anwendbarkeit von § 27 Abs. 6 Z 1 EStG 1988:
Bei einer Beteiligung von mindestens 1% an einer österreichischen Körperschaft kommt § 27 Abs. 6 Z 1 EStG 1988 nicht zur Anwendung, weil gemäß § 98 Abs. 1 Z 5 lit. e EStG 1988 nach dem Wegzug beschränkte Steuerpflicht besteht und diese durch das DBA-Schweiz nicht eingeschränkt wird.
Bei einer Beteiligung an einer ausländischen Körperschaft kommt § 27 Abs. 6 Z 1 EStG 1988 zur Anwendung, weil bereits nach innerstaatlichem Recht nach dem Wegzug keine Steuerpflicht mehr besteht. Das im DBA-Schweiz enthaltene Verbot einer Besteuerung lediglich aus Anlass des Wegzugs hindert Österreich aber daran, die Steuerschuld im Jahr des Wegzugs festzusetzen; es kommt damit faktisch zu einem Besteuerungsaufschub, der § 27 Abs. 6 Z 1 lit. a EStG 1988 entspricht. Es bestehen daher keine Bedenken, die in Abschnitt 20.2.2.4.9 vorgesehenen Regelungen auf diesen Fall entsprechend anzuwenden.
Art. 13 Abs. 4 DBA-Schweiz kommt allerdings nur in Fällen des unmittelbaren Ansässigkeitswechsels zur Anwendung, sodass im Falle von zwei Ansässigkeitswechseln (zB Wegzug von Österreich nach Großbritannien und dann weiterer Wegzug in die Schweiz) davon auszugehen ist, dass die Bestimmung keine Anwendung findet (vgl. EAS 3378).
Auf sonstige Wirtschaftsgüter und Derivate iSd § 27 Abs. 3 und 4 EStG 1988 (zB Investmentfondsanteile) und auf andere Umstände (andere als der Ansässigkeitswechsel), die zur Einschränkung des Besteuerungsrechtes der Republik Österreich im Verhältnis zur Schweiz führen können (zB eine unentgeltliche Übertragung an eine in der Schweiz ansässige Person), kommen die speziellen abkommensrechtlichen Bestimmungen hingegen nicht zur Anwendung.
Der Besteuerungsaufschub nach Art. 13 Abs. 4 des DBA-Schweiz nach dem Wegzug des Steuerpflichtigen in die Schweiz endet sowohl im Fall des Todes des Steuerpflichtigen als auch bei einer Schenkung der Aktien. In beiden Fällen liegt eine schädliche „Maßnahme des Steuerpflichtigen“ vor, die zur Festsetzung der auf Grund des vorherigen Wegzugs des Steuerpflichtigen verursachten Wegzugsteuer in Österreich Anlass gibt (vgl. EAS 3188). Dies gilt sowohl beim dadurch ausgelösten Zurechnungswechsel an eine in einem Drittstaat ansässige Person (vgl. EAS 3188) als auch bei einem solchen an eine in der Schweiz ansässige Person. Lediglich im Erb- oder Schenkungsfall an eine im Zeitpunkt des Ablebens/der Schenkung in Österreich steuerlich ansässige Person löst erst eine spätere Veräußerung der Beteiligung die Festsetzung der Wegzugsteuer aus.
20.2.2.4.2 Inländische und ausländische Beteiligungen
6149
Im Falle des Wegzugs werden Beteiligungen an inländischen Kapitalgesellschaften erfasst, wenn das Besteuerungsrecht Österreichs (§ 98 Abs. 1 Z 5 lit. e bzw. § 98 Abs. 1 Z 3 EStG 1988) eingeschränkt wird.
Beteiligungen an ausländischen Kapitalgesellschaften werden hingegen stets erfasst. In den letztgenannten Fällen kommt es immer zum Entstehen einer Steuerschuld nach § 27 Abs. 6 EStG 1988, denn in diesen Fällen geht mit dem Eintritt der beschränkten Steuerpflicht bereits nach inländischem Recht das Besteuerungsrecht an den Wertsteigerungen verloren, weil solche Beteiligungen nicht von § 98 Abs. 1 Z 5 lit. e EStG 1988 erfasst sind.
Zum Antrag auf Nichtfestsetzung der Steuerschuld bei Wegzug einer natürlichen Person in einen Staat der Europäischen Union oder in einen Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes sowie bei unentgeltlichen Übertragungen an eine andere natürliche Person in einen solchen Staat siehe Abschnitt 20.2.2.4.9.
20.2.2.4.3 Sonstige Wirtschaftsgüter und Derivate
6150
Ebenso wie bei Beteiligungen an ausländischen Kapitalgesellschaften, führt ein Wegzug in Bezug auf sonstige Wirtschaftsgüter und Derivate im Sinne des § 27 Abs. 3 und 4 EStG 1988 stets zum Entstehen der Steuerpflicht gemäß § 27 Abs. 6 Z 1 EStG 1988. Mit Eintritt der beschränkten Steuerpflicht geht nämlich auch bezüglich sonstiger Wirtschaftsgüter und Derivate nach inländischem Recht das Besteuerungsrecht an den Wertsteigerungen verloren, weil § 98 Abs. 1 EStG 1988 abgesehen von Beteiligungen an inländischen Kapitalgesellschaften keine sonstigen Wirtschaftsgüter und Derivate erfasst. Als sonstige Wirtschaftsgüter und Derivate kommen insbesondere Anteilscheine an Investmentfonds, Anleihen, stille Beteiligungen, Index- und sonstige Zertifikate sowie Optionen in Betracht.
20.2.2.4.4 Stückzinsen
6151
Durch die Neuordnung der Besteuerung von Kapitalvermögen werden anteilige Einkünfte aus der Überlassung von Kapital („Stückzinsen“) nicht mehr als Einkünfte aus der Überlassung von Kapital, sondern als Teil des Kapitalstamms behandelt: Gemäß § 27a Abs. 3 Z 2 lit. a EStG 1988 sind sie beim Veräußerer Teil des Veräußerungserlöses, beim Erwerber Teil der Anschaffungskosten. Entsprechendes gilt, wenn die Veräußerung lediglich fingiert wird, wie es auch bei der Entstrickung im Sinne des § 27 Abs. 6 Z 1 EStG 1988 der Fall ist. Hier sind die Stückzinsen ein Bestandteil des gemeinen Werts im Sinne des § 27a Abs. 3 Z 2 lit. b EStG 1988 (siehe dazu Abschnitt 20.1.1.2). Dies gilt auch im Falle des Zuzugs sowie bei einer steuerpflichtigen Depotentnahme bzw. -übertragung.
20.2.2.4.5 Privatvermögen
6152
Unter die in § 27 Abs. 6 Z 1 EStG 1988 normierte Entstrickungsbesteuerung fallen nur im Privatvermögen gehaltene Wirtschaftsgüter und Derivate.
20.2.2.4.6 Wertzuwachs als Bemessungsgrundlage
6153
Der Steuerpflicht unterliegt der Wertzuwachs der Wirtschaftsgüter und Derivate während der Dauer der inländischen Ansässigkeit (inklusive allfälliger Stückzinsen). Es ist dies der Unterschiedsbetrag zwischen dem gemeinen Wert zum Zeitpunkt der Einschränkung des Besteuerungsrechts (inklusive allfälliger Stückzinsen) und den Anschaffungskosten (§ 27a Abs. 3 Z 2 lit. b EStG 1988).
Im Fall eines vorhergehenden Zuzuges nach Österreich oder eines sonstigen vorhergehenden Eintrittes in die unbeschränkte Steuerpflicht hinsichtlich eines Wirtschaftsgutes oder Derivates im Sinne des § 27 Abs. 3 und 4 EStG 1988 (zB Erwerb einer Beteiligung an einer ausländischen Gesellschaft im Erbweg) soll der vor der Verstrickung angefallene Wertzuwachs nicht in die Steuerpflicht einbezogen werden. Dies wird gemäß § 27 Abs. 6 Z 1 lit. e EStG 1988 durch Ansatz des gemeinen Wertes anlässlich des Zuzuges als Anschaffungskosten erreicht (siehe aber Abschnitt 20.2.2.4.9 bei vorhergehendem Wegzug mit Unterbleiben der Steuerfestsetzung).
Findet vor dem Eintritt in die inländische unbeschränkte Steuerpflicht im Ausland eine Entstrickungsbesteuerung statt, besteht – sofern sich nicht aus einem Doppelbesteuerungsabkommen anderes ergibt – keine Bindung an den im Ausland als fiktiven Entstrickungsgewinn angesetzten Wert.
20.2.2.4.7 Verlustausgleich
6154
Die Bestimmungen über den Verlustausgleich bei Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 27 Abs. 8 EStG 1988) kommen grundsätzlich auch im Rahmen der Entstrickungsbesteuerung zur Anwendung.
Wird anlässlich einer Entstrickung die Besteuerung sofort vorgenommen oder in Raten entrichtet (es findet keine Nichtfestsetzung der Steuerschuld statt), können die entstrickungsbedingten Verluste oder Gewinne im Rahmen des Verlustausgleichs entsprechend behandelt werden. Das bedeutet, wenn anlässlich einer Entstrickung eines Wirtschaftsguts iSd § 27 Abs. 3 EStG 1988 oder Derivats iSd § 27 Abs. 4 EStG 1988 das Ratenzahlungskonzept zur Anwendung kommt, werden – wie bei einer Sofortbesteuerung der Entstrickungsbeträge – die entstrickungsbedingten Verluste oder Gewinne im Rahmen des Verlustausgleichs entsprechend § 27 Abs. 8 EStG 1988 behandelt.
Beispiel 1:
Der in Österreich unbeschränkt steuerpflichtige A schenkt ein Aktienpaket seinem in China ansässigen Neffen. Im Jahr der Schenkung ist der Wert des Aktienpakets um 100 höher als bei der Anschaffung, zusätzlich hat A Verluste von 30 aus dem Verkauf einer Anleihe. Die Übertragung des Aktienpakets unterliegt der Entstrickungsbesteuerung; A kann den Entstrickungsgewinn von 100 um die erlittenen Verluste von 30 reduzieren, womit insgesamt 70 steuerpflichtig sind (keine Ratenzahlung).
Beispiel 2:
Der in Österreich unbeschränkt steuerpflichtige B legt seine im Privatvermögen gehaltenen Anteilscheine an einem Kapitalanlagefonds in eine in Deutschland gelegene Betriebsstätte seines Betriebes ein. Im Jahr der Einlage ist der Wert der Anteilscheine um 50 niedriger als bei der Anschaffung, zusätzlich hat B Gewinne von 120 aus dem Verkauf eines Aktienpakets. Die Einlage der Anteilscheine unterliegt der Entstrickungsbesteuerung; B kann den Entstrickungsverlust von 50 mit dem Veräußerungsgewinn von 120 ausgleichen, womit insgesamt 70 steuerpflichtig sind (keine Ratenzahlung).
Beispiel 3:
Der in Österreich unbeschränkt steuerpflichtige C überträgt seine im Privatvermögen gehaltenen Aktien an eine intransparente liechtensteinische Privatstiftung. Im Jahr der Übertragung ist der Wert der Aktien um 140 höher als bei der Anschaffung, zusätzlich hat C Verluste in Höhe von 12,73 aus dem Verkauf von Investmentfondsanteilen. Die Übertragung der Aktien unterliegt der Entstrickungsbesteuerung, wobei C in der Steuererklärung einen Antrag auf Ratenzahlung stellen kann, wonach die Abgabenschuld gleichmäßig über einen Zeitraum von fünf Jahren zu entrichten ist. Da die Abgabenschuld jedoch bereits im Jahr der Übertragung entsteht, kann C den Verlust aus der Veräußerung der Investmentfondsanteile von 12,73 mit dem Veräußerungsgewinn von 140 ausgleichen, womit insgesamt 127,27 steuerpflichtig sind. Die darauf entfallende Steuerschuld (35 = 127,27 * 27,5%) kann daher auf Antrag auf fünf Jahre gleichmäßig verteilt (7) entrichtet werden. Eine spätere vorzeitige Fälligstellung der Raten hat keine Auswirkungen auf die Verlustverwertung.
Wird auf Antrag des Steuerpflichtigen die Steuerschuld nicht festgesetzt, ist hingegen ein sofortiger Ausgleich des Entstrickungsgewinns mit sonstigen realisierten Verlusten nicht möglich. Dies gilt auch für einen Ausgleich von im Zuge des Wegzugs entstandenen Entstrickungsverlusten mit Entstrickungsgewinnen.
Beispiel 4:
Der in Österreich unbeschränkt steuerpflichtige A zieht nach Deutschland. Im Jahr des Wegzugs ist der Wert seines Aktienpakets um 100 höher als bei der Anschaffung, zusätzlich hat A Verluste von 30 aus dem Verkauf einer Anleihe. Die Wohnsitzverlegung unterliegt der Entstrickungsbesteuerung. A kann dabei entweder:
1.die Nichtfestsetzung der durch den Wegzug entstandenen Steuerschuld beantragen; diesfalls wird die ESt iHv 27,5 (27,5% von 100; bis 31.12.2015 25: 25% von 100) nicht festgesetzt, wohingegen die Verluste von 30 mangels Ausgleichsmöglichkeit (zunächst) nicht verwertet werden können;
2.oder auf die Beantragung der Nichtfestsetzung der durch den Wegzug entstandenen Steuerschuld verzichten; diesfalls wird der Entstrickungsgewinn von 100 um die erlittenen Verluste von 30 reduziert, womit die ESt 19,25 (27,5% von 70; bis 31.12.2015 17,5: 25% von 70) beträgt.
Beispiel 5:
Der in Österreich unbeschränkt steuerpflichtige C zieht nach Deutschland, wodurch an seinen im Privatvermögen gehaltenen Aktien A ein Entstrickungsgewinn iHv 100 entsteht und an seinen im Privatvermögen gehaltenen Aktien B ein Entstrickungsverlust iHv 50. Die Wohnsitzverlegung unterliegt der Entstrickungsbesteuerung.
C kann dabei entweder:
1.die Nichtfestsetzung der durch den Wegzug entstandenen Steuerschuld beantragen; diesfalls wird die ESt iHv 27,5 (27,5% von 100; bis 31.12.2015 25: 25% von 100) nicht festgesetzt, wohingegen die Verluste von 50 mangels Ausgleichsmöglichkeit (zunächst) nicht verwertet werden können;
2.oder auf die Beantragung der Nichtfestsetzung der durch den Wegzug entstandenen Steuerschuld verzichten; diesfalls wird der Entstrickungsgewinn von 100 um die erlittenen Verluste von 50 reduziert, womit die ESt 13,75 (27,5% von 50; bis 31.12.2015 12,5: 25% von 50) beträgt.
Kommt es aufgrund eines dem Wegzug zeitlich nachgelagerten Realisierungsvorgangs (zB Veräußerung oder Weiterzug in einen Drittstaat) zu einer Festsetzung der Steuer, sind im Rahmen der Abänderung des Bescheides des Wegzugsjahres die zunächst nicht verwertbaren Verluste nachträglich zu berücksichtigen (siehe Beispiel 5). Ein Ausgleich mit späteren (zB im Jahr des Realisierungsvorganges eingetretenen) Verlusten ist dagegen nicht möglich.
20.2.2.4.8 KESt-Abzug oder Sondersteuersatz in der Veranlagung
6155
Die Besteuerung anlässlich der Entstrickung findet – sofern § 27a Abs. 1 EStG 1988 zur Anwendung kommt – bei auf einem inländischen Depot verwahrten Wirtschaftsgütern und Derivaten grundsätzlich durch Kapitalertragsteuerabzug statt (siehe dazu Abschnitt 29.3), wobei das Ratenzahlungskonzept ausschließlich im Rahmen der Veranlagung in Anspruch genommen werden kann (siehe dazu Rz 2518d).
Sonstige Wirtschaftsgüter und Derivate werden im Rahmen der Veranlagung erfasst, wobei grundsätzlich der reguläre 27,5-prozentige Sondersteuersatz des § 27a Abs. 1 Z 2 EStG 1988 zur Anwendung kommt (bis 31.12.2015 sowie bei Geldeinlagen und nicht verbrieften sonstigen Geldforderungen bei Kreditinstituten gemäß § 27a Abs. 1 Z 1 EStG 1988: 25%). Handelt es sich bei den Wirtschaftsgütern und Derivaten hingegen um solche im Sinne des § 27a Abs. 2 EStG 1988, ist der Tarifsteuersatz anzuwenden (zB bei Anteilscheinen an einem § 40 oder § 42 des Immobilien-Investmentfondsgesetzes unterliegenden Gebilde, die bei ihrer Begebung entweder in rechtlicher oder in tatsächlicher Hinsicht nicht einem unbestimmten Personenkreis angeboten worden sind). Auch das Optieren auf die Regelbesteuerung gemäß § 27a Abs. 5 EStG 1988 ist möglich, wobei hier auch im Fall der nachträglichen Festsetzung nach § 295a BAO stets der Steuertarif des Wegzugsjahres zur Anwendung kommt. Der Antrag auf Anwendung des allgemeinen Steuertarifs kann nur im Wegzugsjahr gestellt werden.
20.2.2.4.9 Nichtfestsetzung der entstandenen Steuerschuld
6156
Bei Wegzug einer natürlichen Person in einen Staat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes ist auf Grund eines in der Steuererklärung gestellten Antrages über die durch den Wegzug entstandene Steuerschuld im Abgabenbescheid nur abzusprechen, die Steuerschuld jedoch bis zur tatsächlichen Veräußerung der Beteiligung nicht festzusetzen (§ 27 Abs. 6 Z 1 lit. a EStG 1988). Das Antragsrecht steht dabei für jedes im Zeitpunkt des Wegzugs vorhandene Wirtschaftsgut oder Derivat gesondert zu.
Ein Antrag auf Nichtfestsetzung kann außerdem bei unentgeltlicher Übertragung von Wirtschaftsgütern iSd § 27 Abs. 3 EStG 1988 und Derivaten iSd § 27 Abs. 4 EStG 1988 an eine andere natürliche Person gestellt werden, die in einem Staat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes ansässig ist (zB Schenkung oder Übergang der Wirtschaftsgüter oder Derivate von Todes wegen auf eine natürliche Person). Es steht der Anwendung des Nichtfestsetzungskonzepts in Bezug auf diese Wirtschaftsgüter oder Derivate nicht entgegen, wenn es für diese zu einer Einschränkung des Besteuerungsrechts aufgrund einer unentgeltlichen Übertragung von anderen Wirtschaftsgütern oder Derivaten zwischen natürlichen Personen kommt.
Beispiel:
Eine in Bulgarien ansässige natürliche Person hält 90% der Anteile an einer inländischen GmbH. Ihr ebenfalls in Bulgarien ansässiger Sohn hält die restlichen 10% der Anteile an dieser GmbH. Österreich hat aufgrund von § 98 Abs. 1 Z 5 lit. e EStG 1988 iVm Art. 13 Abs. 4 lit. a DBA Österreich-Bulgarien an den Anteilen des Sohnes ein Besteuerungsrecht. Eine unentgeltliche Übertragung der Anteile durch den Vater bewirkt, dass es hinsichtlich dieser vom Sohn bereits vor der Übertragung gehaltenen Anteile zu einer Einschränkung des Besteuerungsrechts der Republik Österreich im Verhältnis zu Bulgarien aufgrund von Art. 13 Abs. 4 lit. b DBA Österreich-Bulgarien kommt. Der Sohn kann einen Antrag auf Nichtfestsetzung hinsichtlich der stillen Reserven in den bereits bestehenden Anteilen stellen.
Die Nichtfestsetzung der Steuerschuld gilt im Verhältnis zu einem Staat
- der Europäischen Union oder
- des Europäischen Wirtschaftsraumes (Norwegen, Liechtenstein und Island). Zur Schweiz siehe oben Abschnitt 20.2.2.4.1.
Da mit dem Wegzug bzw. der unentgeltlichen Übertragung die Steuerschuld zwar entsteht, aber nicht festgesetzt wird, steht der späteren Erhebung der Steuer kein DBA entgegen.
6156a
Der Antrag auf Nichtfestsetzung der Steuerschuld kann nur in der das Wegzugsjahr bzw. das Jahr der unentgeltlichen Übertragung betreffenden Steuererklärung gestellt werden, die vor Ergehen des Einkommensteuerbescheides eingebracht wurde. Wurde in dieser Steuererklärung kein Antrag gestellt, kann ein solcher in einer nach Ergehen des Einkommensteuerbescheides (zB in einem Berufungsverfahren oder einem wieder aufgenommenen Verfahren) eingereichten Steuererklärung nicht nachgeholt werden. Dies gilt auch in Fällen, in denen der Einkommensteuerbescheid nicht auf Grundlage einer vom Steuerpflichtigen eingereichten Steuererklärung erging; denn wird im Zuge einer Berufung gegen einen derartigen Einkommensteuerbescheid erstmalig eine Steuererklärung mit Antrag auf Nichtfestsetzung der Steuerschuld eingebracht, wurde der Antrag im Berufungsverfahren und nicht in der Steuererklärung gestellt.
Der Antrag auf Nichtfestsetzung wirkt der Höhe nach immer für sämtliche im betroffenen Wirtschaftsgut entstrickten stillen Reserven, auch wenn der in der betreffenden Steuererklärung erklärte gemeine Wert sich nachträglich als objektiv zu niedrig herausstellt.
Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Nichtfestsetzung der Steuerschuld (Wegzug einer natürlichen Person in einen Staat der Europäischen Union oder des EWR oder unentgeltliche Übertragung von Wirtschaftsgütern und Derivaten an eine andere natürliche Person, die in einem Staat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes ansässig ist) ist durch eine Ansässigkeitsbescheinigung nachzuweisen.
6156b
Eine nach dem Wegzug erfolgte tatsächliche Realisierung im Sinne des § 27 Abs. 3 und 4 EStG 1988 oder der nachfolgende Wegzug bzw. die spätere Überführung des Wirtschaftsgutes oder Derivates in einen Drittstaat gilt als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO, das die Festsetzung der Steuer im Wege der Abänderung des Bescheides des Wegzugsjahres nach sich zieht. Der Eintritt des rückwirkenden Ereignisses ist dem zuständigen Finanzamt vom Steuerpflichtigen anzuzeigen, wenn das rückwirkende Ereignis in der Begründung des Bescheides angeführt ist (§ 120 Abs. 3 BAO).
Die Neufestsetzung der Steuer im Bescheid des Wegzugsjahres wird daher ausgelöst durch:
- Eine tatsächliche Veräußerung oder eines sonstigen Realisierungsvorgangs der Wirtschaftsgüter und Derivate durch den Steuerpflichtigen selbst oder seinen unentgeltlich erwerbenden Rechtsnachfolger.
Beispiel 6:
A schenkt 2013 seine Anteile an der XY-AG seinem Sohn B mit Wohnsitz in München. Dieser Vorgang unterliegt der Entstrickungsbesteuerung; A macht von der Möglichkeit Gebrauch, die Steuerschuld hinsichtlich der in der Beteiligung enthaltenen stillen Reserven nicht festsetzen zu lassen. 2014 verkauft B die Beteiligung. Der Verkauf durch B gilt als rückwirkendes Ereignis, das die Abänderung des an A gerichteten Bescheides des Entstrickungsjahres nach sich zieht.
Beispiel 7:
B mit Wohnsitz in Wien ist an der deutschen X-AG beteiligt. 2016 übersiedelt B nach Budapest unter Aufgabe seines Wohnsitzes in Wien. Die durch den Wegzug entstehende Steuerschuld wird bei der Veranlagung 2016 antragsgemäß nicht festgesetzt. 2018 veräußert B seine Beteiligung. Der Verkauf durch B gilt als rückwirkendes Ereignis, das die Abänderung des an B gerichteten Bescheides des Wegzugsjahres nach sich zieht.
- Einen späteren Wegzug in einen Staat, der nicht der Europäischen Union angehört oder einen Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes bzw. eine spätere Überführung des Wirtschaftsgutes oder Derivates in einen solchen Staat (fiktive Veräußerung).
- Um zu verhindern, dass durch einen Wegzug/Überführung in einen EU-Staat/EWR-Staat mit anschließendem Wegzug/Überführung in einen Drittstaat die Entstrickungsbesteuerung umgangen wird, gilt ein weiterer Wegzug in einen Drittstaat als Veräußerung, die die Festsetzung der Steuer im Wege der Abänderung des Bescheides des Wegzugsjahres nach sich zieht.
Beispiel 8:
A mit Wohnsitz in Wien ist an der deutschen X-AG beteiligt. 2012 übersiedelt A nach München unter Aufgabe seines Wohnsitzes in Wien. Die durch den Wegzug entstehende Steuerschuld wird bei der Veranlagung 2012 antragsgemäß nicht festgesetzt. 2014 übersiedelt A unter Aufgabe seines Wohnsitzes in München nach
a) Oslo,
b) Istanbul.
Im Fall a) gilt der Wegzug nicht als Veräußerung, da es sich bei Norwegen um einen EWR-Staat handelt.
Im Fall b) gilt der Wegzug als Veräußerung, da die Türkei ein Drittstaat iSd § 27 Abs. 6 Z 1 lit. b EStG 1988 ist.
6156c
Für rückwirkende Ereignisse iSd § 295a BAO richtet sich der Verjährungsbeginn nach § 208 Abs. 1 lit. e BAO. Nach § 208 Abs. 1 lit. e BAO beginnt die Verjährung in den Fällen des § 295a BAO mit Ablauf des Jahres, in dem das Ereignis eingetreten ist. Abänderungen gemäß § 295a BAO sind daher auch dann zulässig, wenn die vom Jahr des Entstehens des Abgabenanspruches abgeleitete (fünfjährige) Bemessungsverjährungsfrist (§ 208 Abs. 1 lit. a BAO) bereits abgelaufen ist. Die absolute Verjährungsfrist des § 209 Abs. 5 BAO für die nachträgliche Abgabenfestsetzung aufgrund eines Nichtfestsetzungsantrages beginnt mit Eintritt des rückwirkenden Ereignisses zu laufen. Das Recht auf Festsetzung verjährt daher erst 10 Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem das rückwirkende Ereignis (zB Veräußerung) eingetreten ist. Dies gilt für alle Nichtfestsetzungsfälle, für die die absolute Verjährungsfrist mit 1.1.2016 (= Inkrafttreten des § 209 Abs. 5 BAO idF AbgÄG 2015) noch nicht angelaufen ist. Es kann daher im Falle einer nach dem 31.12.2005 entstandenen, aber nichtfestgesetzten Steuerschuld künftig noch zu einer Festsetzung kommen, auch wenn das rückwirkende Ereignis erst nach Ablauf der bisherigen absoluten Verjährungsfrist (10 Jahre ausgehend vom damaligen Entstrickungszeitpunkt) eintritt. Siehe auch Rz 2517g.
6156d
Sollte es zwischen dem Wegzug/der Überführung und der tatsächlichen Veräußerung zu einer Wertminderung der Beteiligung gekommen sein, reduziert diese die Bemessungsgrundlage bis auf Null, soweit die Wertminderung nicht im Zuzugstaat berücksichtigt wird (§ 27a Abs. 3 Z 2 lit. b EStG 1988). Zwischen Wegzug und Veräußerung eingetretene Wertminderungen sind dabei höchstens im Umfang des bei Wegzug/Überführung nicht festgesetzten Veräußerungsgewinns zu berücksichtigen. Damit wird sichergestellt, dass nur tatsächlich realisierte Wertsteigerungen der Besteuerung unterliegen. Für den KESt-Abzug ist dagegen der Veräußerungserlös maßgeblich (siehe Abschnitt 29.3.2.3).
Beispiel 9:
Fall 1 | Fall 2 | Fall 3 | |
Anschaffungskosten im Jahr 2015 | 500 | 500 | 500 |
Gemeiner Wert bei Wegzug im Jahr 2016 | 800 | 800 | 800 |
Erlös aus Veräußerung nach Wegzug im Jahr 2017 | 700 | 900 | 400 |
Einkünfte (§ 27 Abs. 6 Z 1 EStG 1988) des Jahres 2016 (§ 295a BAO) bei Inanspruchnahme der Steuernichtfestsetzung im Jahr 2016 | 200 | 300 | 0 |
Einkünfte (§ 27 Abs. 6 Z 1 EStG 1988) des Jahres 2016 bei Versteuerung im Jahr 2016 (kein Antrag auf Steuernichtfestsetzung gestellt) | 300 | 300 | 300 |
Beispiel 10:
A besitzt Aktien der finnischen X-AG (Anschaffungskosten 10.000 Euro). Im Jahr 2016 verlegt A seinen Wohnsitz von Österreich nach Deutschland. Der gemeine Wert der X-Aktien beträgt zum Wegzugszeitpunkt 27.000 Euro. A erzielt im Jahr 2016 folgende Einkünfte:
Einkünfte aus Gewerbebetrieb | -1.000 Euro |
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung | 15.000 Euro |
Gesamtbetrag der Einkünfte | 14.000 Euro |
Einkünfte gemäß § 27 Abs. 6 Z 1 EStG 1988 | 17.000 Euro |
1.A beantragt die Nichtfestsetzung der auf die Einkünfte gemäß § 27 Abs. 6 Z 1 EStG 1988 entfallenden Einkommensteuer.
Vereinfachte ESt Berechnung (Durchschnittssteuersatz bei 14.000 Euro = 5,36%):
14.000 Euro mit 5,36% | 750 Euro |
17.000 Euro mit 27,5% | 4.675 Euro |
ESt-Gesamt | 5.425 Euro |
Der Nichtfestsetzungsbetrag beträgt 27,5% von 17.000 Euro somit 4.675 Euro.
2.Im Jahr 2018 verkauft A seine Beteiligung um 26.000 Euro (Anschaffungskosten 10.000 Euro). Die Veräußerung löst die Neufestsetzung der Einkommensteuer 2013 aus:
Einkünfte aus Gewerbebetrieb | -1.000 Euro |
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung | 15.000 Euro |
Gesamtbetrag der Einkünfte | 14.000 Euro |
Einkünfte gemäß § 27 Abs. 6 Z 1 EStG 1988 | 16.000 Euro |
Vereinfachte ESt Berechnung (Durchschnittssteuersatz bei 14.000 Euro = 5,36%):
14.000 Euro mit 5,36% | 750 Euro |
16.000 Euro mit 27,5% | 4.400 Euro |
ESt-Gesamt | 5.150 Euro |
ESt vor § 295a BAO | 750 Euro |
ESt nach § 295a BAO | 5.150 Euro |
Nachforderung | 4.400 Euro |
Beispiel 11:
B besitzt eine Nullkuponanleihe (Anschaffungskosten 10.000 Euro). Im Jahr 2016 verlegt B seinen Wohnsitz von Österreich nach Deutschland. Der gemeine Wert der Anleihe beträgt zum Wegzugszeitpunkt 19.000 Euro. B erzielt im Jahr 2016 folgende Einkünfte:
Einkünfte aus selbständiger Arbeit | -3.000 Euro |
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung | 18.000 Euro |
Gesamtbetrag der Einkünfte | 15.000 Euro |
Einkünfte gemäß § 27 Abs. 6 Z 1 EStG 1988 | 9.000 Euro |
1.B beantragt unter Geltendmachung der Regelbesteuerungsoption (§ 27a Abs. 5 EStG 1988) die Nichtfestsetzung der auf die Einkünfte gemäß § 27 Abs. 6 Z 1 EStG 1988 entfallenden Einkommensteuer.
Vereinfachte ESt Berechnung:
Durchschnittssteuersatz bei 24.000 Euro = 16,04%
Durchschnittssteuersatz bei 15.000 Euro = 6,67%
24.000 Euro mit 16,04% | 3.850 Euro |
ESt-Gesamt | 3.850 Euro |
ESt ohne § 27 Abs. 6 Z 1 EStG 1988 (15.000 Euro mit 6,67%) | 1.000 Euro |
Nichtfestsetzungsbetrag | 2.850 Euro |
2.Im Jahr 2018 verkauft B seine Nullkuponanleihe um 17.000 Euro. Die Veräußerung löst die Neufestsetzung der Einkommensteuer 2016 aus:
Einkünfte aus selbständiger Arbeit | -3.000 Euro |
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung | 18.000 Euro |
Einkünfte gemäß § 27 Abs. 6 Z 1 EStG 1988 | 7.000 Euro |
Gesamtbetrag der Einkünfte | 22.000 Euro |
Vereinfachte ESt Berechnung (Durchschnittssteuersatz bei 22.000 Euro = 14,32%):
22.000 Euro mit 14,32% | 3.150 Euro |
ESt-Gesamt | 3.150 Euro |
ESt vor § 295a BAO | 1.000 Euro |
ESt nach § 295a BAO | 3.150 Euro |
Nachforderung | 2.150 Euro |
Eine Doppelberücksichtigung von Wertminderungen ist aber nicht zulässig. Wird die nach dem Wegzug eingetretene Wertminderung im Zuzugstaat berücksichtigt, kann diese Wertminderung in Österreich nicht berücksichtigt werden (§ 27a Abs. 3 Z 2 lit. b EStG 1988). Eine „Berücksichtigung“ im Zuzugsstaat liegt jedenfalls dann vor, wenn die Verluste tatsächlich – aktuell oder zu einem späteren Zeitpunkt – mit anderen Einkünften ausgeglichen werden können. Die Steuer ist daher in Höhe des seinerzeitigen Nichtfestsetzungsbetrages festzusetzen. Ist hingegen eine Verrechnung im Ausland nicht möglich, weil
- aufgrund von rechtlichen Beschränkungen kein Ausgleich möglich ist,
- keine positiven Einkünfte vorliegen und kein Verlustvortrag gewährt wird oder
- aufgrund von Bewertungsunterschieden kein Verlust entsteht,
kann die inländische Bemessungsgrundlage gemindert werden.
Auf die mit Wegzug entstandene, aber zunächst nicht festgesetzte Steuerschuld sind im Fall der nachträglichen Festsetzung keine Anspruchszinsen (§ 205 BAO) zu entrichten.
6156e
Erfolgt in den Fällen nicht festgesetzter Steuerschuld ein Wiedereintritt in das Besteuerungsrecht der Republik Österreich, sind die ursprünglichen Anschaffungskosten vor der Entstrickung maßgeblich, höchstens aber der gemeine Wert im Zeitpunkt des Wiedereintritts. Dadurch soll eine doppelte Berücksichtigung von im Ausland eingetretenen Wertminderungen vermieden werden. Es bestehen keine Bedenken, wenn für Zwecke des KESt-Abzuges vom gemeinen Wert zum Zuzugszeitpunkt unter Fortführung des Merkpostens (für den Unterschiedsbetrag zwischen dem gemeinen Wert im Zeitpunkt des Wegzugs und den Anschaffungskosten siehe Abschnitt 29.3.2.3) ausgegangen wird. Die spätere Veräußerung gilt nicht als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a der Bundesabgabenordnung. Weist der Steuerpflichtige nach, dass Wertsteigerungen im EU/EWR-Raum außerhalb der Republik Österreich eingetreten sind, sind diese vom Veräußerungserlös abzuziehen (§ 27 Abs. 6 Z 1 lit. e letzter Satz EStG 1988).
Beispiel 12:
Nach (unter Einschränkung des Besteuerungsrechtes Österreichs) erfolgtem Wegzug einer natürlichen Person in einen Staat der Europäischen Union oder in einen Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes erfolgt:
a) Ein Zuzug nach Österreich oder
b) ein Weiterzug in einen Staat, mit dem Österreich ein DBA abgeschlossen hat, das die Besteuerung von Einkünften aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern und Derivaten iSd § 27 Abs. 3 und 4 EStG 1988 dem Ansässigkeitsstaat zuteilt, oder
c) ein Weiterzug in einen Staat, mit dem Österreich kein DBA abgeschlossen hat.
d) ein Weiterzug in einen Staat, mit dem Österreich ein DBA geschlossen hat, das Österreich die Besteuerung der stillen Reserven in den betreffenden Wirtschaftsgütern und Derivaten iSd § 27 Abs. 3 und 4 EStG 1988 erlaubt.
In Bezug auf Beteiligungen iSd § 98 Abs. 1 Z 5 lit. e EStG 1988 (Beteiligungen an Kapitalgesellschaften mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland, an denen der Steuerpflichtige bzw. sein Rechtsvorgänger innerhalb der letzten fünf Kalenderjahre zu mindestens 1% beteiligt war) erfolgt in den Fällen a, c und d ein Wiedereintritt in das Besteuerungsrecht der Republik Österreich. In diesen Fällen kommen die letzten drei Sätze des § 27 Abs. 6 Z 1 lit. e EStG 1988 zur Anwendung.
In Bezug auf sonstige Wirtschaftsgüter und Derivate iSd § 27 Abs. 3 und 4 EStG 1988 liegt nur im Fall a) ein Wiedereintritt in das Besteuerungsrecht der Republik Österreich vor, weil in diesen Fällen keine beschränkte Steuerpflicht gemäß § 98 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 besteht. In allen anderen Fällen zieht der Weiterzug die Nachfestsetzung der Steuer nach sich, wenn es sich um Drittstaaten iSd § 27 Abs. 6 Z 1 lit. b EStG 1988 handelt.
Beispiel 13:
E mit Wohnsitz in Wien legte 2013 privat gehaltene Anteile an einem Indexzertifikat in die in München gelegene Betriebsstätte seines Gewerbebetriebes ein. Dieser Vorgang unterlag der Wegzugsbesteuerung gemäß § 27 Abs. 6 Z 1 lit. b EStG 1988 idF vor AbgÄG 2015; E machte von der Möglichkeit Gebrauch, die Steuerschuld hinsichtlich der in den Zertifikatanteilen enthaltenen stillen Reserven nicht festsetzen zu lassen. 2016 entnimmt E die Zertifikatanteile wieder aus dem Betriebsvermögen der Betriebsstätte in München in sein Privatvermögen. Da durch diesen Vorgang der Besteuerungsanspruch Österreichs hinsichtlich der Zertifikatanteile wieder auflebt, hat eine Steuerfestsetzung zu unterbleiben und es ist der Wertansatz vor Wegzug maßgeblich, wobei im Realisierungsfall in Deutschland eingetretene nachgewiesene Wertsteigerungen abzugsfähig sind.
Beispiel 14:
F mit Wohnsitz in Graz legte 2013 privat gehaltene Anteilscheine an einem Kapitalanlagefonds in die in Berlin gelegene Betriebsstätte seines Gewerbebetriebes ein. Dieser Vorgang unterlag der Wegzugsbesteuerung gemäß § 27 Abs. 6 Z 1 lit. b EStG 1988 idF vor AbgÄG 2015; F machte von der Möglichkeit Gebrauch, die Steuerschuld hinsichtlich der in den Anteilscheinen enthaltenen stillen Reserven nicht festsetzen zu lassen. 2016 schenkt F die Anteilscheine seinem in Heidelberg wohnhaften Sohn. Der Schenkung ist gedanklich eine Entnahme ins Privatvermögen vorgelagert, durch die der Besteuerungsanspruch Österreichs hinsichtlich der Anteilscheine wieder auflebt, sodass die (wegzugsbedingte) Steuerfestsetzung zu unterbleiben hat. Die Schenkung an den in Deutschland wohnhaften Sohn stellt einen neuerlichen Wegzugsfall dar, für den gemäß § 27 Abs. 6 Z 1 lit. a EStG 1988 idF AbgÄG 2015 erneut die Möglichkeit eines Antrags auf Nichtfestsetzung besteht.
Beispiel 15:
G mit Wohnsitz in Linz legte 2013 privat gehaltene Aktien in die in Köln gelegene Betriebsstätte seines Gewerbebetriebes ein. Dieser Vorgang unterlag der Wegzugsbesteuerung gemäß § 27 Abs. 6 Z 1 lit. b EStG 1988 idF vor AbgÄG 2015; G machte von der Möglichkeit Gebrauch, die Steuerschuld hinsichtlich der in den Aktien enthaltenen stillen Reserven nicht festsetzen zu lassen. 2016 verlegt G seinen Wohnsitz nach München. 2017 entnimmt G die Aktien aus dem Betriebsvermögen. Die Entnahme aus dem Betriebsvermögen lässt die Steuer-Nichtfestsetzung unberührt. Erst wenn G (oder dessen Rechtsnachfolger, der die Beteiligung unentgeltlich erworben hat) die Aktien verkauft, seinen Wohnsitz in einen Drittstaat verlegt oder die Aktien ins Drittland überführt, hat die Steuerfestsetzung zu erfolgen.