20.2.2.5.3.3 Depots mit Sonderstatus
6170
Werden zu einem bestehenden, in Alleininhaberschaft stehenden Depot weitere Depotinhaber zugelassen, die dann entweder alleine (Oder-Depot) oder nur gemeinsam mit anderen Depotinhabern (Und-Depot) über die hinterlegten Wertpapiere zu verfügen berechtigt sind, liegt ein Übertragungsvorgang vor, der eine Entnahme im Sinne des § 27 Abs. 6 Z 2 EStG 1988 darstellt. Ob dieser Vorgang steuerpflichtig ist, ist davon abhängig, ob es sich um eine entgeltliche oder unentgeltliche Übertragung handelt.
Für Zwecke des KESt-Abzuges kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass eine Änderung der Depotinhaberschaft steuerlich unbeachtlich ist. Zur Vermeidung von Missbräuchen gilt dies nicht, wenn nach einem Hinzutritt eines weiteren Depotinhabers innerhalb von sechs Monaten
- bei Einzeldepots der ursprüngliche Depotinhaber ausscheidet;
- bei Gemeinschaftsdepots alle zum Zutrittszeitpunkt bereits vorhandenen Depotinhaber ausscheiden.
In einem solchen Fall ist, sofern der Steuerpflichtige eine unentgeltliche Übertragung nicht nachweist (§ 27 Abs. 6 Z 2 fünfter TS erster Sub-TS EStG 1988) oder die depotführende Stelle zur Datenweitergabe ermächtigt (§ 27 Abs. 6 Z 2 fünfter TS zweiter Sub-TS EStG 1988), von einer KESt-pflichtigen Depotübertragung auszugehen. Die steuerpflichtige Realisierung findet dabei zum Zeitpunkt des Ausscheidens des (letzten) ursprünglichen Depotinhabers im Ausmaß des gesamten Wertpapierbestandes statt. Dem neuen Depotinhaber sind somit die übertragenen Wertpapiere mit den entsprechend erhöhten Anschaffungskosten zuzurechnen.
6170a
Entsteht ein Oder-Depot im Ausland, kommt die Ausnahmebestimmung des § 27 Abs. 6 Z 2 vierter Teilstrich EStG 1988 nur dann zur Anwendung, wenn der ursprüngliche Alleininhaber den Übertragungsvorgang dem für die Erhebung seiner Einkommensteuer zuständigen Finanzamt (FAÖ oder FAG; bis 31.12.2020: seinem Wohnsitzfinanzamt) meldet. Zur Meldung siehe Abschnitt 20.2.2.5.3.2.2.
20.2.2.5.3.4 Übersichtstabelle
6171
AnVon | inländische depotführende Stelle | ausländische depotführende Stelle | |
inländischer depotführender Stelle | Bei selber Stelle | Keine Meldung erforderlich | |
Auf Depot desselben Steuerpflichtigen | Mitteilung der AK durch inl. Stelle | Meldung ans FA durch inl. Stelle | |
Unentgeltlich auf Depot eines anderen Steuerpflichtigen | 1.Nachweis der unentgeltl. Übertragung2.Meldung ans FA durch inl. Stelle | 1.Nachweis der unentgeltl. Übertragung2.Meldung ans FA durch inl. Stelle | |
Übertragung im Rahmen einer Umgründung | 1.Glaubhaftmachung der Übertragung im Rahmen einer Umgründung2.Meldung ans FA durch inl. Stelle | 1.Glaubhaftmachung der Übertragung im Rahmen einer Umgründung2.Meldung ans FA durch inl. Stelle | |
ausländischer depotführender Stelle | Bei selber Stelle | Keine Meldung erforderlich | |
Auf Depot desselben Steuerpflichtigen | Mitteilung der AK durch ausl. Stelle | Meldung ans FA | |
Unentgeltlich auf Depot eines anderen Steuerpflichtigen | Meldung ans FA | Meldung ans FA | |
Übertragung im Rahmen einer Umgründung | Meldung ans FA | Meldung ans FA |
20.2.2.6 Liquidation
6172
Als Veräußerung im Sinne des § 27 Abs. 3 und 4 EStG 1988 gilt auch der Untergang von Anteilen auf Grund der Auflösung (Liquidation) oder Beendigung einer Körperschaft für sämtliche Beteiligte unabhängig vom Ausmaß ihrer Beteiligung (§ 27 Abs. 6 Z 2 EStG 1988). Erfasst wird der Unterschiedsbetrag zwischen dem Abwicklungsguthaben und den Anschaffungskosten der Anteile (§ 27a Abs. 3 Z 2 lit. c EStG 1988).
Anteile an einer Körperschaft sind sämtliche Gesellschaftsrechte und anteilsartigen Substanzrechte. Neben Aktien und GmbH-Anteilen gehören dazu Geschäftsanteile an Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, Substanzgenussrechte im Sinne des § 8 Abs. 3 Z 1 KStG 1988, Berechtigungen aus Partizipationskapital im Sinne des Bankwesengesetzes und des Versicherungsaufsichtsgesetzes, nicht jedoch echte stille Beteiligungen sowie echte stille Beteiligungen im Sinne des Beteiligungsfondsgesetzes.
Kommt dem Anteilsinhaber auf Grund der Liquidation der Körperschaft tatsächlich nichts zu, liegt insofern ein Ergebnis im Rahmen der Einkunftsart des § 27 EStG 1988 vor, als jedenfalls die positiven Anschaffungskosten der untergehenden Anteile als Verlust abgezogen werden können. Dementsprechend muss ein Ergebnis im Rahmen der Einkunftsart des § 27 EStG 1988 vorliegen, wenn die Anschaffungskosten durch vorangegangene Umgründungsvorgänge im Sinne des UmgrStG negativ sind. In diesem Fall ergeben sich in Höhe der negativen Anschaffungskosten positive Einkünfte. Der Überschuss oder Verlust wird zu dem Zeitpunkt realisiert, in dem die unbeschränkte Steuerpflicht der betroffenen Körperschaft erlischt (siehe KStR 2013 Rz 153 f). Aus Vereinfachungsgründen kann davon ausgegangen werden, dass dieser Zeitpunkt dem Tag der Löschung der Firma im Firmenbuch entspricht. Findet bei der Liquidation ausländischer Körperschaften kein vergleichbarer Vorgang statt, ist auf den Zeitpunkt des tatsächlichen Untergangs der Körperschaft abzustellen.
20.2.3 Einkünfte aus Derivaten
20.2.3.1 Allgemeines
6173
Der Ausdruck Derivate umfasst
- sämtliche Termingeschäfte (zB Optionen, Futures, Forwards, Swaps usw.) sowie
- andere derivative Finanzinstrumente
unabhängig davon, ob deren Underlying Finanzvermögen, Rohstoffe oder zB sonstige Wirtschaftsgüter darstellt.
Damit werden auch sämtliche Arten von Zertifikaten (zB Index, Alpha, Hebel, Sport) als sonstige derivative Finanzinstrumente erfasst.
20.2.3.2 Steuerpflichtige Vorgänge
6174
Einkünfte gemäß § 27 Abs. 4 EStG 1988 liegen nur vor, wenn
- ein Differenzausgleich erfolgt,
- eine Stillhalterprämie geleistet wird,
- das Derivat selbst veräußert wird oder
- eine sonstige Abwicklung (Glattstellen) erfolgt.
Zur Behandlung von Schadenersatz bei Substanzschaden, siehe Rz 6143.
6174a
Die reine Ausübung einer Option bzw. die tatsächliche Lieferung des Underlying als solche führen – der Rechtslage vor dem BBG 2011 entsprechend – (noch) zu keiner Besteuerung nach § 27 Abs. 4 EStG 1988, sondern wirken sich allenfalls in Form höherer Anschaffungskosten, niedrigerer Veräußerungserlöse bzw. eines niedrigeren Zinses aus. Zahlungen aus einem Zinsswap im Zusammenhang mit einem steuerpflichtigen Grundgeschäft führen daher nicht zu Einkünften aus Derivaten, sondern allenfalls zu höheren bzw. niedrigeren Einkünften aus der Überlassung von Kapital. Entsprechendes gilt auch für Währungsswaps.
Beispiele:
1. A zahlt B 10 für eine Option, eine Aktie um 100 zu erwerben. Der Wert der Aktie beträgt 130, A übt die Option aus.
Die Ausübung der Option bei A führt nicht zu Einkünften; die Anschaffungskosten der Aktie betragen 100+10 = 110. Erst bei einem allfälligen Verkauf der Aktie kommt es zur Realisierung der Wertsteigerung; zu versteuern wären diesfalls 20 (= 130-110).
B erzielt zunächst durch die Einräumung der Option Einkünfte iHv 10. Inwieweit sich darüber hinaus die Lieferung der Aktie an A bei B steuerlich auswirkt, hängt von seinen Anschaffungskosten dieser Aktie ab.
2. A zahlt B 10 für eine Option, ihm eine Aktie um 100 zu verkaufen. Der Wert der Aktie sinkt, A übt die Option aus.
Bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinnes des A ist die geleistete Stillhalterprämie als Minderung des Veräußerungserlöses zu berücksichtigen. Sind die Anschaffungskosten des A nicht bekannt, ist bei der Ermittlung der Anschaffungskosten gemäß § 93 Abs. 4 EStG 1988 zunächst die Stillhalterprämie vom Veräußerungserlös abzuziehen und sodann der Saldo zu halbieren, dh. (100-10)/2 = 45.
B hat die empfangene Stillhalterprämie als Minderung seiner Anschaffungskosten zu berücksichtigen.
3. A tauscht die variable Verzinsung einer Anleihe mittels Zins-Swap gegen eine fixe Verzinsung von 4%.
Wenn A tatsächlich Zinsen in Höhe von 4% erhält (also tatsächlich die Zinszahlungsströme getauscht werden), liegen Einkünfte aus der Überlassung von Kapital in Höhe der 4-prozentigen Zinszahlung vor.
Auch die Veräußerung von Wirtschaftsgütern (zB Edelmetalle), an denen zivilrechtliches Miteigentum entsteht, die weder verbrieft noch laufend verzinst sind, führt nicht zu Einkünften aus Derivaten sondern innerhalb der Spekulationsfrist zu Einkünften gemäß § 31 EStG 1988.
Werden beim Forex(Foreign Exchange)-Handel Währungen in Paaren gehandelt, indem gleichzeitig zum Kauf einer Währung ein Leerverkauf einer zweiten Währung stattfindet, liegt ein als Derivat im Sinne des § 27 Abs. 4 EStG 1988 eingestuftes einheitliches Produkt vor.
6174b
Derivate unterliegen dem besonderen Steuersatz von 27,5% gemäß § 27a Abs. 1 Z 2 EStG 1988 und somit auch dem Kapitalertragsteuerabzug nur, wenn sie verbrieft sind (siehe Abschnitt 20.3.3).
20.2.3.2.1 Differenzausgleich
6175
Beim Differenzausgleich wird das Underlying nicht tatsächlich geliefert, sondern die Wertdifferenz zwischen aktuellem Preis und Ausübungspreis bezahlt. Der Differenzausgleich entspricht somit wirtschaftlich der Ausübung einer Option samt nachfolgender Veräußerung des Underlyings und soll daher zu Einkünften aus Derivaten führen. Als praktisch besonders bedeutsamer Fall wird der Differenzausgleich auch als erster Tatbestand in § 27 Abs. 4 EStG 1988 genannt.
§ 27a Abs. 3 Z 3 lit. a EStG 1988 regelt die Bemessungsgrundlage beim Differenzausgleich:
- Der erste Teilstrich richtet sich an denjenigen, der den Differenzausgleich erhält, also zB bei einem bedingten Termingeschäft (Option) den Anleger, der das Gestaltungsrecht ausüben kann (long position). Dieser hat den empfangenen Differenzausgleich abzüglich der Anschaffungskosten des Derivats zu versteuern.
- Der zweite Teilstrich stellt dagegen auf denjenigen ab, der den Differenzausgleich leistet. Im Falle eines bedingten Termingeschäfts (Option) hat dieser eine „Stillhalterprämie“ erhalten (er befindet sich in der „short position“), im Falle eines unbedingten Termingeschäfts (Future, Forward) erhält dieser Anleger „Einschüsse“ bzw. „Margins“. Für diesen Steuerpflichtigen ergibt sich nun ein Verlust in Höhe der Differenz der erhaltenen Stillhalterprämie oder Einschüsse und des geleisteten Differenzausgleichs.
Beispiel:
A zahlt B 10 für eine Option, eine Aktie um 100 zu erwerben. Der Wert der Aktie beträgt 130, A und B vereinbaren einen Differenzausgleich, dh. B zahlt A 30 (= Differenz zwischen aktuellem Preis und Ausübungspreis).
Bei A liegen Einkünfte aus Derivaten in Höhe von 20 (= 30-10) vor (gemäß § 27a Abs. 3 Z 3 lit. a erster TS EStG 1988).
B erleidet einen Verlust von 20 (siehe unten Abschnitt 20.2.3.2.2).
20.2.3.2.2 Stillhalterprämie
6176
Empfangene Stillhalterprämien sind aufgrund § 27a Abs. 3 Z 3 lit. a zweiter TS EStG 1988 bzw. § 27a Abs. 3 Z 3 lit. b EStG 1988 erst in jenem Zeitpunkt zu versteuern, in dem der wirtschaftliche Erfolg aus dem Geschäft feststeht, dh. sobald die Option ausgeübt wird, ein Differenzausgleich geleistet wird oder die Option verfällt.
Wird eine Call-Option ausgeübt, stellt die empfangene Stillhalterprämie eine Erhöhung des Veräußerungserlöses dar. Wird eine Put-Option ausgeübt, senkt die empfangene Stillhalterprämie die Anschaffungskosten des Underlying.
Wird ein Differenzausgleich geleistet, ist die Differenz zwischen empfangener Stillhalterprämie und geleistetem Differenzausgleich als Einkünfte aus Derivaten anzusetzen (siehe Beispiel in Abschnitt 20.2.3.2.1).
Kommt es bei einem bedingten Termingeschäft (Option) weder zur Lieferung des Underlying (durch Ausübung der Option), noch zu einem Differenzausgleich, verfällt die Option und der Stillhalter hat die empfangene Stillhalterprämie in voller Höhe zu versteuern (§ 27a Abs. 3 Z 3 lit. b EStG 1988).
Beispiel:
A zahlt B 10 für eine Option, eine Aktie um 100 zu erwerben. Der Wert der Aktie beträgt 80, A lässt die Option verfallen.
Bei B liegen Einkünfte aus Derivaten in Höhe von 10 vor (gemäß § 27a Abs. 3 Z 3 lit. a erster TS EStG 1988).
B hat positive Einkünfte aus Derivaten aus der erhaltenen Stillhalterprämie in Höhe von 10, A negative Einkünfte in selber Höhe.
20.2.3.2.3 Veräußerung und sonstige Abwicklung
6177
Der Veräußerung des Derivats selbst ist die sonstige Abwicklung gleichzuhalten: Dafür kommt insbesondere die Glattstellung in Frage, bei der durch Abschließen eines gegenläufigen Geschäfts wirtschaftlich die bisherigen Wertsteigerungen realisiert und künftige Wertschwankungen abgesichert werden.
Beispiel:
A zahlt B 10 für eine Option, eine Aktie um 100 zu erwerben. Der Wert der Aktie beträgt 130.
a) A verkauft die Option um 29.
b) A räumt eine Option ein, in der er sich zur Lieferung der Aktie um 100 verpflichtet und erhält dafür 29.
In beiden Fällen hat A den inneren Wert der Option realisiert und sich in eine risikolose Position begeben (weil er im Fall b, sollte er tatsächlich um 100 liefern müssen, seinerseits die Call-Option gegenüber B ausüben und um 100 erwerben kann).
Im Fall der Veräußerung des Derivats ist – der Bemessungsgrundlage bei realisierten Wertsteigerungen entsprechend – gemäß § 27a Abs. 3 Z 3 lit. c EStG 1988 beim Veräußerer der Unterschiedsbetrag zwischen Veräußerungserlös und Anschaffungskosten steuerpflichtig. Im Fall der sonstigen Abwicklung gilt die erhaltene Stillhalterprämie als Veräußerungserlös.
Beispiel:
A zahlt B 10 für eine Option mit einjähriger Laufzeit, ein Wirtschaftsgut um 100 zu erwerben. Nach 6 Monaten hat das Wirtschaftsgut einen Wert von a) 150 b) 50. Nach 6 Monaten wollen A bzw. B ihren Gewinn aus dem Geschäft mittels Glattstellung der Option sichern.
Lösung a)
A schließt eine gegenläufige Option ab, bei der er als Stillhalter das Wirtschaftsgut um 100 liefern muss. Dafür erhält er eine – angesichts des aktuellen Marktwerts iHv 150 hohe – Stillhalterprämie von 48.
Diese Stillhalterprämie gilt als Veräußerungserlös, dem A nun die Anschaffungskosten der ursprünglichen Option gegenüberzustellen hat. Seine Einkünfte aus diesem Derivatgeschäft betragen somit 38.
Lösung b)
B schließt eine gegenläufige Option ab, bei der er das Recht erhält, das Wirtschaftsgut um 100 zu kaufen. Dafür leistet er eine – angesichts des aktuellen Marktwerts von 50 niedrige – Stillhalterprämie von 1. Die ursprünglich empfangene Stillhalterprämie von 10 gilt als Veräußerungserlös, dem B nun die Anschaffungskosten der von ihm zur Glattstellung erworbenen Option gegenüberzustellen hat. Seine Einkünfte aus diesem Derivatgeschäft betragen somit 9.
20.2.3.3 Private Zinssicherungsgeschäfte
6178
Die tatsächliche Lieferung des Underlyings führt isoliert zu keiner Steuerpflicht, ein Zins-Swap auf den Zins einer Anleihe wirkt sich jedoch im Rahmen der Einkünfte aus der Überlassung von Kapital steuerlich aus (vgl. Abschnitt 20.2.3.2). Daraus folgt, dass grundsätzlich Zins-Swap-Vereinbarungen, solange tatsächlich nur ein Austausch der Zinszahlungen stattfindet, nur zu – positiven oder negativen – Einkünften führen, wenn sie im Zusammenhang mit Einkünften stehen, wie mit dem (steuerpflichtigen) Zins einer Anleihe. Steht dagegen ein Zins-Swap im Zusammenhang mit einem nicht steuerrelevanten Darlehen (zB privates Wohnbaudarlehen), ist der bloße Austausch der Zinszahlungen nicht von § 27 Abs. 4 EStG 1988 erfasst.
Dagegen führt die Veräußerung oder Glattstellung des Derivats selbst zu Einkünften aus Derivaten. Diese Grundsätze gelten für sämtliche Derivate, die im Zusammenhang mit nicht steuerrelevanten Grundgeschäften stehen und lediglich zur Zinssicherung verwendet werden (zB Zins-Cap). Stehen sie im Zusammenhang mit steuerrelevanten Grundgeschäften (zB im Rahmen eines Gewerbebetriebes, bei Vermietung und Verpachtung) oder wird das Derivat selbst verkauft bzw. geschlossen, liegen steuerpflichtige Einkünfte vor. Ändert sich der Verwendungszweck, sind die steuerneutralen von den steuerrelevanten Zeiträumen entsprechend abzugrenzen.
Beispiele:
1. A tauscht die variable Verzinsung einer Anleihe mittels Zins-Swap gegen eine fixe Verzinsung von 4%. Da sich die variable Verzinsung sehr schlecht entwickelt, steigt der Wert der Zins-Swap-Vereinbarung.
Realisiert A diesen Wertzuwachs, liegen Einkünfte aus Derivaten vor. Behält A den Zins-Swap, sind die Zahlungen aus dem Zinsswap als Einkünfte aus der Überlassung von Kapital zu erfassen.
2. B erwirbt ein Einfamilienhaus und nimmt dazu ein Darlehen in Höhe von 100.000 Euro auf, das variabel verzinst wird. Um sich gegen steigende Zinsen abzusichern, erwirbt B zusätzlich einen Zins-Cap.
Reduziert der Zins-Cap die von B zu zahlenden Zinsen, liegen keine Einkünfte aus Derivaten vor.
3. C hält einen Zins-Cap ohne dazugehöriges Darlehen. Zahlungen aus dem Zins-Cap stellen Einkünfte aus Derivaten dar.
20.2.3a Einkünfte aus Kryptowährungen
20.2.3a.1 Allgemeines
20.2.3a.1.1 Kryptowährungsbegriff
6178a
Kryptowährungen im Sinne des § 27b Abs. 4 EStG 1988 sind digitale Darstellungen von Werten, die von keiner Zentralbank oder öffentlichen Stelle emittiert wurden oder garantiert werden und nicht zwangsläufig (im Sinne von nicht notwendigerweise) an eine gesetzlich festgelegte Währung angebunden sind und die nicht den gesetzlichen Status einer Währung oder von Geld besitzen, aber von natürlichen und juristischen Personen als Tauschmittel akzeptiert werden und die auf elektronischem Wege übertragen, gespeichert und gehandelt werden können.
Die Voraussetzung der (allgemeinen) Akzeptanz als Tauschmittel soll dabei für Zwecke der Besteuerung ein „öffentliches Angebot“ implizieren, weshalb nicht öffentlich zugängliche Werte auch nicht als Kryptowährungen im ertragsteuerlichen Sinn in Betracht kommen. Die (allgemeine) Akzeptanz als Tauschmittel kann auch erst später (nachfrageseitig) entstehen, unabhängig davon ob die Kryptowährung schon bei ihrer Ausgabe öffentlich angeboten wurde. Beispiele für Kryptowährungen sind Bitcoin, Ether, Litecoin und Ripple.
Die Definition des Kryptowährungsbegriffes ist technologieneutral. Daher kann eine Kryptowährung im Sinne des § 27b Abs. 4 EStG 1988 auch vorliegen, wenn diese nicht mittels einer Blockchain (zum Begriff siehe Rz 6178d) übertragen, gespeichert und gehandelt wird.
6178b
Auch sogenannte „Stablecoins“, bei denen der Wert durch einen Mechanismus vom Wert einer zugrundeliegenden gesetzlichen Währung oder anderen Vermögenswerten abhängen soll, können – bei Erfüllen der gesetzlichen Voraussetzungen – unter den Kryptowährungsbegriff fallen (zB Tether).
Dabei ist es für das Vorliegen einer Kryptowährung unschädlich, wenn der Stablecoin auch als E-Geld im Sinne des E-Geldgesetzes 2010 idgF eingestuft werden kann, sofern die sonstigen Voraussetzungen des § 27b Abs. 4 EStG 1988 erfüllt werden.
6178c
Da die Überlassung einer Kryptowährung zu keinem steuerpflichtigen Realisierungsvorgang führt (siehe Rz 6178k), stellen folglich die im Rahmen einer Leihe entstandene Forderung auf Rückzahlung der Kryptowährung und die überlassene Kryptowährung selbst ein einheitliches Wirtschaftsgut dar. Daher ist auch die Forderung auf eine Kryptowährung als Kryptowährung im Sinne des § 27b Abs. 4 EStG 1988 zu qualifizieren.
20.2.3a.1.2 Coins und Token
6178d
Während „Coins“ regelmäßig auf einer eigenen Blockchain basieren, nutzen sogenannte „Token“ bereits bestehende Blockchains als Basis. Sowohl Coins als auch Token können – bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen – unter den Kryptowährungsbegriff des § 27b Abs. 4 EStG 1988 fallen.
Insbesondere die folgenden Kategorien von Token lassen sich unterscheiden:
- Currency oder Payment Token sind Token, die als Tauschmittel eingesetzt werden.
- Utility Token vermitteln bestimmte Nutzungsrechte (zB Zugang zu einem gegebenenfalls noch zu schaffenden Netzwerk) oder einen Anspruch darauf, die Token gegen eine bestimmte, gegebenenfalls noch zu schaffende Ware oder Dienstleistung einzutauschen. Utility Token können auch Stimmrechte zur Änderung der Software und damit der Funktionalität der Ware oder der Dienstleistung vermitteln.
- Security Token sind Token, die die Funktionen von Wertpapieren vermitteln.
- Non-Fungible Token (NFT) sind nicht austauschbare/vertretbare Wirtschaftsgüter, die meist einen bestimmten (körperlichen oder unkörperlichen) Gegenstand repräsentieren („digitale Besitzurkunde“).
- Asset-Token oder Asset-backed Token sind an realwirtschaftliche Güter geknüpft; ihnen liegen reale Werte (zB Wertpapiere, Immobilien, Edelmetalle, Rohstoffe) zu Grunde.
Da das Vorliegen einer Kryptowährung deren Akzeptanz als Tauschmittel voraussetzt, kommen grundsätzlich Currency oder Payment Token als Kryptowährungen im Sinne des § 27b Abs. 4 EStG 1988 in Betracht. Allerdings können Token auch Anwendungsfälle aus mehreren Kategorien aufweisen (hybride Token), wodurch auch in jenen Fällen von einer Kryptowährung ausgegangen werden kann, in denen der Coin oder Token – neben den anderen Voraussetzungen – als allgemeines Tauschmittel eingesetzt wird.
Sonstige Token und Krypto-Assets (insb. Security Token, Asset-Token und Asset-backed Token) unterliegen je nach Ausgestaltung – in wirtschaftlicher Betrachtungsweise – den allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Grundsätzen (zur steuerlichen Behandlung von NFT siehe Rz 6752).
20.2.3a.1.3 Blockchain
6178e
Eine Blockchain ist eine in der Regel keiner zentralen Kontrolle unterliegende Datenbank mit mehreren Beteiligten, die die sogenannte „Distributed Ledger Technologie“ verwendet. Die Distributed Ledger Technologie (Technologie der verteilten Kassenbücher) ist ein Informationsspeicher, der über eine Reihe von Teilnehmern („Knoten“, „Nodes“) gemeinsam genutzt wird und über einen Konsensalgorithmus synchronisiert wird.
Viele Kryptowährungen basieren auf der Distributed Ledger Technologie, sodass alle Transaktionen dieser Währung in einer dezentralen und öffentlich einsehbaren Datenbank festgehalten werden. Die Transaktionsdaten werden in Blöcken mit fortzuschreibender Nummerierung zusammengefasst. Jeder Block enthält mit dem sogenannten Hash-Wert eine lange kryptografische Zeichenfolge, die sich aus dem Inhalt seines Vorgängerblocks errechnet. Dadurch fließt auch der Hash-Wert des Vorgängerblocks, der seinerseits aus dem davorliegenden Block errechnet wurde, in die Berechnung des aktuellen Blocks ein. Durch diese Abfolge wird die Manipulationssicherheit der Blockchain gewährleistet.
20.2.3a.1.4 Verfahren zum Erwerb von Kryptowährungen im Rahmen der Blockerstellung
6178f
Bei den meisten Blockchains wird für das Zusammenführen von Transaktionen in neue Blöcke und das Anfügen dieser Blöcke an die Blockchain eine Gegenleistung in Form neuer Einheiten der Kryptowährung gewährt („block-reward“). Zudem erhalten die Blockersteller regelmäßig auch Transaktionsgebühren für die in den Block aufgenommenen Transaktionen, die von den Nutzern der Blockchain gezahlt werden.
6178g
Unterschiedliche Verfahren (Konsensalgorithmen) entscheiden, welcher Teilnehmer den nächsten Block erstellen und damit den block-reward sowie die zugehörigen Transaktionsgebühren vereinnahmen darf. Die derzeit verbreitetsten Verfahren sind der „Proof of Work“-Algorithmus sowie der „(Delegated) Proof of Stake“-Algorithmus.
Im Rahmen des sogenannten „Proof of Work“-Algorithmus ist zur Blockerstellung berechtigt, wer zuerst eine nur durch Ausprobieren zu findende Zufallszahl ermittelt. Dieser Vorgang wird häufig als „Mining“ bezeichnet und erfordert oftmals eine hohe Rechenleistung. Aus diesem Grund schließen sich die als Miner bezeichneten Blockersteller oftmals zu sogenannten „Mining-Pools“ zusammen, um dadurch höhere Erfolgschancen zu haben. Im Gegensatz dazu betreiben sogenannte „Cloud Mining-Dienste“ eigene Serverfarmen, an denen sie Kapazitäten an Personen vermieten oder verkaufen, die diese dann zum Mining nutzen.
Im Rahmen des sogenannten „Proof of Stake“-Algorithmus ist zur Blockerstellung berechtigt, wer im Rahmen einer gewichteten Zufallsauswahl ausgewählt wird. Die Chance ausgewählt zu werden ist umso höher, je mehr wirtschaftliches Interesse an der Erhaltung der Blockchain nachgewiesen werden kann. Der Nachweis erfolgt in den meisten Fällen durch den Einsatz eigener Kryptowährungen („Stake“), die von den Eigentümern für eine gewisse Zeit gesperrt werden, sodass ein Zugriff in der Regel ausgeschlossen ist. Bei Fehlern oder Manipulationen im Rahmen der Blockerstellung kann es zur Einziehung bzw. Löschung des Stakes kommen. Eine Variante bildet der „Delegated Proof of Stake“-Algorithmus, bei dem die Transaktionsverarbeitung von dem Netzwerkteilnehmer vorgenommen wird, der von anderen Netzwerkteilnehmern in einer nach Stake gewichteten Wahl gewählt wird.
Diese Vorgänge werden als „Staking“ bezeichnet und erfordern keine hohe Rechenleistung. Um die Erfolgschancen für die Auswahl zu vergrößern, kommt es auch bei diesem Verfahren zu Zusammenschlüssen zu sogenannten Staking-Pools. Auch einige Handelsplattformbetreiber bieten die Möglichkeit an, sich an einem Staking-Pool zu beteiligen, wobei einige Plattformen die Transaktionsverarbeitung treuhändig für den Eigentümer der Kryptowährungen durchführen.
20.2.3a.1.5 Öffentliche und private Schlüssel
6178h
In der Transaktionsdatenbank der Blockchain werden die Kryptowährungseinheiten pseudonymen „Kryptowährungsadressen“ zugeordnet, sogenannte „public keys“ bzw. „öffentliche Schlüssel“. Dadurch kann jeder Kryptowährungsadresse eine bestimmte Anzahl an Kryptowährungseinheiten zugeordnet werden. Um über den Inhalt einer öffentlichen Adresse zu verfügen, benötigt man einen privaten Schlüssel (private key). Ist man im Besitz eines public key, können daher die Kryptowährungen auf eine andere Kryptowährungsadresse übertragen werden. Somit stellt eine Kryptowährungsadresse eine eindeutige Kennung dar, die ein Ziel für eine Kryptowährungstransaktion sein kann (§ 6 Z 1 KryptowährungsVO).
Die Aufbewahrung von public und private keys erfolgt in sogenannten „Wallets“ (elektronischen Geldbörsen). Als „Walletadresse“ gilt dabei ein Dienst oder eine Applikation, die eine oder mehrere Kryptowährungsadressen als Einheit verwaltet, wobei keine standardisierte Auslesungsmöglichkeit der einzelnen Kryptowährungsadressen vorgesehen ist (§ 6 Z 2 KryptowährungsVO).
20.2.3a.2 Einkünftetatbestände
6178i
Gemäß § 27 Abs. 4a EStG 1988 gehören zu den Einkünften aus Kryptowährungen sowohl laufende Einkünfte aus Kryptowährungen als auch Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Kryptowährungen gemäß § 27b EStG 1988.
20.2.3a.2.1 Laufende Einkünfte
6178j
Unter die laufenden Einkünfte aus Kryptowährungen gemäß § 27b Abs. 2 EStG 1988 fallen die laufend generierten Entgelte aus Kryptowährungen, wobei vom Einkünftebegriff sowohl
- Entgelte aus der Überlassung von Kryptowährungen (Z 1) als auch
- der Erwerb von Kryptowährungen durch einen technischen Prozess, bei dem Leistungen zur Transaktionsverarbeitung zur Verfügung gestellt werden (Z 2),
erfasst sind.
20.2.3a.2.1.1 Entgelte aus der Überlassung von Kryptowährungen
6178k
Entgelte aus der Überlassung von Kryptowährungen gemäß § 27b Abs. 2 Z 1 EStG 1988 sind sämtliche Vergütungen für den Gebrauch einer auf Zeit überlassenen Kryptowährung iSd § 27b Abs. 4 EStG 1988. Unbeachtlich ist die Häufigkeit des Zuflusses (laufende oder nicht laufende Entrichtung). Entscheidend ist hingegen, dass ein Zuordnungswechsel hinsichtlich der Kryptowährung stattfindet. Die Kryptowährung muss dazu vom Steuerpflichtigen an einen anderen Marktteilnehmer (zB an eine private Person, an ein auf Handel mit Kryptowährungen spezialisiertes Unternehmen oder an ein Netzwerk) überlassen werden und von diesem dafür ein Entgelt geleistet werden. Die Überlassung/Leihe einer Kryptowährung führt dabei selbst zu keinem steuerpflichtigen Realisationsvorgang. Deshalb stellen die Kryptowährung und die im Rahmen einer Leihe entstandene Forderung auf Rückzahlung der Kryptowährung ein einheitliches Wirtschaftsgut dar, das als Kryptowährung im Sinne des § 27b Abs. 4 EStG 1988 zu qualifizieren ist.
Primär werden unter § 27b Abs. 2 Z 1 EStG 1988 zinsähnliche Gegenleistungen fallen, die insbesondere beim klassischen Verleihen der Kryptowährungen („Lending“) anfallen („Kryptozinsen“). Jedoch ist die Art der Gegenleistung nicht eingeschränkt, sondern kann auch erfolgsabhängige Komponenten sowie Entgelte in Form von Kryptowährungen, Euro, Fremdwährungen oder anderen Wirtschaftsgütern umfassen. § 27b Abs. 2 EStG 1988 geht als lex specialis auch § 27 Abs. 2 EStG 1988 vor, weshalb auch Zinszahlungen oder Gewinnanteile aus sämtlichen Forderungen (zB auch bei obligationenartigen Genussrechten), bei denen im Rahmen der Tilgung ein Anspruch auf Rückzahlung einer Kryptowährung im Sinne des § 27b Abs. 4 EStG 1988 besteht, zu laufenden Einkünften aus Kryptowährungen führen. Die Veräußerung dieser Forderungen führt in weiterer Folge zu Einkünften gemäß § 27b Abs. 3 EStG 1988.
Die Einstufung als Einkünfte aus der Überlassung von Kryptowährungen ist unabhängig davon vorzunehmen, für welchen Zweck der Entleiher die überlassenen Kryptowährungen verwendet (zB als eigenen Stake im Rahmen des „Proof of Stake“-Algorithmus; siehe dazu auch Rz 6178g)
6178l
Entgelte aus der Überlassung von Kryptowährungen können insbesondere auch dann vorliegen, wenn Kryptowährungen im Rahmen von „Decentralized-Finance“-Vorgängen („DeFi“) einem Netzwerk für Liquiditäts- bzw. Kreditpools zur Verfügung gestellt werden.
Im Rahmen sogenannter „Decentralized-Finance“-Vorgänge werden Finanzdienstleistungen (zB der Tausch von Kryptowährungen in andere Kryptowährungen oder Verleihen von Kryptowährungen) dezentral über ein Netzwerk abgewickelt. Damit das Netzwerk diese Finanzdienstleistungen durchführen kann, muss diesem Liquidität in Form von Kryptowährungen zur Verfügung gestellt werden. Wird für die Zurverfügungstellung von Liquidität vom Netzwerk eine Gegenleistung gezahlt, führt dies in wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu Einkünften aus der Überlassung von Kryptowährungen unabhängig davon, ob diese Vorgänge als „Staking“ oder als „(Liquidity) Mining“ bezeichnet werden. Da die Überlassung/Leihe einer Kryptowährung selbst zu keinem steuerpflichtigen Realisationsvorgang führt, stellt die Zurverfügungstellung von Liquidität im Rahmen von „DeFi“-Vorgängen auch dann keinen Tauschvorgang dar, wenn im Gegenzug zur Übertragung der Kryptowährungen sogenannte „LP-Token“ (Liquidity Pool-Token) oder ähnliche Token übertragen werden. Daher gelten die verliehene Kryptowährung und der LP-Token, der den Rückzahlungsanspruch abbildet, als einheitliches Wirtschaftsgut (siehe dazu Rz 6178k).
20.2.3a.2.1.2 Entgelte für die Transaktionsverarbeitung
6178m
Der Erwerb von Kryptowährungen durch einen technischen Prozess, bei dem Leistungen zur Transaktionsverarbeitung zur Verfügung gestellt werden, führt gemäß § 27b Abs. 2 Z 2 EStG 1988 zu steuerpflichtigen Einkünften aus Kryptowährungen. Darunter sollen Einkünfte fallen, die für einen Beitrag zum Betrieb des Netzwerks bzw. zur Aufrechthaltung einer Blockchain gewährt werden. Daher fallen unter den Einkünftetatbestand insbesondere block-rewards und Transaktionsgebühren, die im Rahmen der Blockerstellung erzielt werden, unabhängig davon, welcher Konsensalgorithmus zur Anwendung gelangt (siehe dazu Rz 6178g; siehe aber Rz 6178r zur Ausnahmeregelung für den Erwerb im Rahmen des (Delegated) Proof-of-Stake-Algorithmus). Insbesondere sind sämtliche Einkünfte aus einer Mining-Tätigkeit – sowohl aus eigenständigem Mining als auch im Rahmen eines „Mining Pools“ (siehe dazu Rz 6178g) – nach § 27b Abs. 2 Z 2 EStG 1988 steuerpflichtig (siehe zur Abgrenzung zum Gewerbebetrieb Rz 5428). Einkünfte, die im Rahmen von „Cloud Mining“ erzielt werden, können nur dann zu Einkünften nach § 27b Abs. 2 Z 2 EStG 1988 führen, wenn bestimmte abgrenzbare Hardwarekomponenten beim Cloud Mining-Dienst gemietet bzw. gekauft werden. Liegt lediglich eine Beteiligung an einem ideellen Anteil an den Gesamtaufwendungen und Gesamteinkünften des Cloud Mining-Dienstes vor, liegen keine laufenden Einkünfte vor, sondern ein Anschaffungsvorgang.
6178n
Der Begriff der Transaktionsverarbeitung ist dabei weit zu verstehen und umfasst auch Leistungen wie die Speicherung einer vollständigen Kopie der Blockchain, die Verarbeitung von speziellen Transaktionen sowie die Teilnahme an Entscheidungsprozessen zu den Regelungen für den Aufbau und die Organisation der Blockchain („Governance“). Aus diesem Grund fallen auch Vergütungen für Masternodes grundsätzlich unter § 27b Abs. 2 Z 2 EStG 1988.
20.2.3a.2.1.3 Einkünfteermittlung
6178o
Gemäß § 27a Abs. 3 Z 4 lit. a EStG 1988 ist bei laufenden Einkünften aus Kryptowährungen der gemeine Wert der bezogenen Kryptowährung bzw. der sonstigen Entgelte im Zuflusszeitpunkt anzusetzen. Für die Ermittlung des Wertes der bezogenen Kryptowährungen ist primär ein vorhandener Kurswert einer Kryptowährungsbörse heranzuziehen. Als „Kryptowährungsbörse“ gilt gemäß § 6 Z 3 KryptowährungsVO ein Dienstleister, der den Tausch von Kryptowährungen in gesetzlich anerkannte Zahlungsmittel bzw. in andere Kryptowährungen und umgekehrt anbietet, wobei Käufer und Verkäufer der Kryptowährungen unter den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage unmittelbar miteinander kontrahieren. Ist kein Börsenkurs vorhanden, ist der Kurswert eines Kryptowährungshändlers anzusetzen. Als „Kryptowährungshändler“ gilt gemäß § 6 Z 4 KryptowährungsVO ein Dienstleister, der den Tausch von Kryptowährungen in gesetzlich anerkannte Zahlungsmittel und umgekehrt bzw. in andere Kryptowährungen anbietet, wobei Käufer und Verkäufer der Kryptowährungen direkt mit der Plattform kontrahieren (zB Kraken, Coinbase und Bitpanda). Ist auch ein solcher Kurs nicht vorhanden, ist der Kurs einer allgemein anerkannten webbasierten Liste (zB https://coinmarketcap.com/de) anzusetzen, wobei diese Liste nicht vom Steuerpflichtigen selbst betrieben werden darf. Bei der Bewertung ist dabei auf das Prinzip der Bewertungsstetigkeit Bedacht zu nehmen. Dieser Wert ist auch als Anschaffungskosten der erhaltenen Kryptowährungen anzusetzen (§ 4 Abs. 1 KryptowährungsVO); ein darüberhinausgehender Ansatz von laufenden Kosten, wie beispielsweise Stromkosten oder Abschreibungen, als „Anschaffungsnebenkosten“ ist in diesem Fall unzulässig. Eine im Rahmen des Kapitalertragsteuerabzuges vorgenommene Bewertung ist dabei auch in diesem Bereich für die Veranlagung stets maßgeblich.
6178p
Kommt es im Rahmen eines einheitlichen Vorgangs (zB einem Verleihvorgang) zu Zuflüssen von Entgelten aus den laufenden Einkünften aus Kryptowährungen, die öfter als dreimal pro Monat erfolgen, ist der Wert der Kryptowährung jeweils mit dem Tagesendkurs am Monatsersten des Zuflussmonats anzusetzen, sofern nicht ein KESt-Abzugsverpflichteter eine Bewertung zum tatsächlichen Zuflusszeitpunkt vornimmt. Erfolgt eine solche zeitpunktgenaue Bewertung, ist diese auch stets im Rahmen der Veranlagung bindend (§ 4 Abs. 2 KryptowährungsVO). Das Wahlrecht zur zeitpunktgenauen Bewertung steht ausschließlich dem Abzugsverpflichteten zu. Sofern Einkünfte aus Kryptowährungen keinem Kapitalertragsteuerabzug unterliegen, sind diese daher ab 1. Jänner 2023 verpflichtend gemäß § 4 Abs. 2 erster Satz KryptowährungsVO zu bewerten. Sofern der Steuerpflichtige keine Bewertung zum tatsächlichen Zuflusszeitpunkt vornimmt, kann die vereinfachte Zuflussbewertung jedoch bereits für Zuflüsse im Jahr 2022 freiwillig angewendet werden (§ 7 KryptowährungsVO).
20.2.3a.2.1.4 Zuflusszeitpunkt
6178q
Einkünfte aus der Überlassung aus Kryptowährungen gemäß § 27b Abs. 2 EStG 1988 gelten im Rahmen des § 19 EStG 1988 dem Steuerpflichtigen als zugeflossen, sobald er die volle Verfügungsmacht über sie erhält (siehe dazu Rz 4601). Sofern daher ein Protokoll den Zugriff auf die erworbenen Kryptowährungen erst nach Ablauf einer bestimmten Frist gewährt, findet der steuerliche Zufluss erst statt, sobald der Steuerpflichtige Zugriff auf die Kryptowährungen erhält.
20.2.3a.2.1.5 Ausnahmen
6178r
§ 27b Abs. 2 EStG 1988 sieht im Schlussteil drei Ausnahmen vor. Zuflüsse stellen daher keine laufenden Einkünfte dar, wenn diese im Rahmen von Staking (Rz 6178s), Airdrops oder Bounties (Rz 6178t) sowie auf Grund eines Hardforks (Rz 6178u) zugehen. Die Ausnahmeregelungen gelten aufgrund des Zusammenspiels von § 27a Abs. 6 EStG 1988 und § 27a Abs. 4 Z 5 EStG 1988 auch im betrieblichen Bereich.
Im Rahmen der Ausnahmen des § 27b Abs. 2 Schlussteil EStG 1988 erhaltene Kryptowährungen führen zu keinen laufenden Einkünften im Zuflusszeitpunkt. Allerdings führen auch diese Tatbestände zu steuerlichen Anschaffungsvorgängen mit Anschaffungskosten in Höhe von null, weshalb der gesamte Wert dieser Kryptowährungen im Zuge einer späteren Realisierung besteuert wird (§ 27a Abs. 4 Z 5 EStG 1988).
Beispiel:
C erzielt durch „Staking“ fünf Kryptowährungseinheiten, die am 1.4.2022 zufließen (gemeiner Wert zum Zuflusszeitpunkt: 100 Euro). Er verkauft diese fünf Kryptowährungseinheiten am 5.7.2024 um 500 Euro.
Es liegen keine laufenden Einkünfte aus Kryptowährungen vor. Die Steuerpflicht entsteht erst im Veräußerungszeitpunkt. Der Veräußerungsgewinn beträgt durch den Ansatz der Anschaffungskosten in Höhe von null 500 Euro; daher Steuerpflicht iHv 137,5 Euro (27,5% von 500 Euro).
6178s
Unter Staking ist der Erwerb von Kryptowährungen durch einen technischen Prozess zu verstehen, bei dem Leistungen zur Transaktionsverarbeitung zur Verfügung gestellt werden, diese Leistungen jedoch vorwiegend im Einsatz von vorhandenen Kryptowährungen bestehen. Es handelt sich daher um eine Ausnahme zu § 27b Abs. 2 Z 2 EStG 1988.
Darunter fallen Leistungen im Rahmen der Blockerstellung, bei denen der Einsatz von vorhandenen Kryptowährungen den wesentlichen Bestandteil der Leistungserbringung darstellt. Dies umfasst somit den Erwerb von Kryptowährungen bei Anwendung des „Proof of Stake“-Algorithmus und des „Delegated Proof of Stake“-Algorithmus (siehe dazu Rz 6178g). Unschädlich ist, wenn neben dem Einsatz von vorhandenen Kryptowährungen andere Leistungskomponenten erbracht werden, sofern diese wirtschaftlich untergeordnet sind (zB die Validierungsleistung durch einen eigenen Server, die Abspeicherung einer Softwarekopie als Netzwerkknoten „Node“). Für die Anwendung der Ausnahmebestimmung ist es zudem unschädlich, wenn die zusätzlichen Leistungen treuhändig von einem Dritten (zB einer Handelsplattform oder einem Staking as a service-Provider) für den Steuerpflichtigen erbracht werden und der Steuerpflichtige dafür eine Servicegebühr entrichtet. Ausschlaggebend ist, dass hinsichtlich der eingesetzten Kryptowährungen kein Zuordnungswechsel an einen Dritten stattfindet; in diesem Fall lägen Einkünfte aus der Überlassung von Kryptowährungen vor (siehe Rz 6178k). Werden die im Zuge des Stakings anfallenden Servicegebühren direkt von den im Rahmen des Stakings erzielten Kryptowährungen („Staking-Rewards“) einbehalten, sind diese steuerlich unbeachtlich und führen folglich weder zu einem steuerlichen Realisationsvorgang noch zu Anschaffungsnebenkosten. Die um die Servicegebühren geminderten Staking-Rewards sind mit Anschaffungskosten in Höhe von null anzusetzen.
Da Staking im Sinne des § 27b Abs. 2 Z 2 EStG 1988 einen Beitrag zur Transaktionsverarbeitung fordert und Token im Gegensatz zu Coins in der Regel nicht zum Betreiben der Blockchain beitragen, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass Token keine Einkünfte aus Staking iSd § 27b Abs. 2 vorletzter Satz EStG 1988 vermitteln können.
6178t
Zu keinen laufenden Einkünften führen Kryptowährungen, die unentgeltlich oder gegen lediglich unwesentliche sonstige Leistungen im Rahmen sogenannter Airdrops und Bounties übertragen werden. Dabei handelt es sich meist um Kryptowährungen, die zu Werbezwecken gewährt werden. Ein Zusammenhang mit laufenden Einkünften aus Kryptowährungen ist nicht erforderlich.
Als unwesentliche Gegenleistung gelten Tätigkeiten, die lediglich einen Zeitaufwand von wenigen Minuten beanspruchen (zB Teilen von Beiträgen in sozialen Netzwerken, Ausfüllen eines Fragebogens oder Quizzes, Verwendung eines bestimmten Produktes). Erfolgt die Gewährung gegen wesentlichen Arbeitsaufwand, können betriebliche Einkünfte oder Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit vorliegen.
Nicht unter die Ausnahmebestimmung fallen im Zuge einer Schenkung (mit Bereicherungsabsicht) übertragene Kryptowährungen. Eine echte Schenkung liegt vor, wenn die Übertragung ausschließlich aus privaten Motiven erfolgt und keine betrieblichen Gründe vorliegen. In diesen Fällen setzt der Geschenknehmer die Anschaffungskosten des Geschenkgebers fort.
6178u
Gehen Kryptowährungen im Rahmen einer Abspaltung von der ursprünglichen Blockchain zu (Hardfork), führt dieser Zugang ebenso zu keinen laufenden Einkünften. Voraussetzung ist, dass durch die Abspaltung eine neue Blockchain geschaffen wird und somit eine neue Kryptowährung entsteht. Reine Softwareupdates einer bestehenden Kryptowährung (Softforks) fallen nicht unter die Regelung und stellen daher keine Anschaffungsvorgänge dar.
20.2.3a.2.2 Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Kryptowährungen
20.2.3a.2.2.1 Allgemeines
6178v
Unter dem Oberbegriff „Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Kryptowährungen“ werden grundsätzlich sämtliche positiven wie negativen Einkünfte aus der tatsächlichen und fiktiven Veräußerung sowie dem Tausch gegen andere Wirtschaftsgüter und Fremdwährungen erfasst. Betroffen ist die Veräußerung sämtlicher Kryptowährungen im Sinne des § 27b Abs. 4 EStG 1988 einschließlich Forderungen auf Kryptowährungen im Sinne des § 27b Abs. 4 EStG 1988.
6178w
Der Diebstahl einer Kryptowährung oder deren Abhandenkommen im Rahmen eines Betrugs oder Hackerangriffs stellt wie der Verlust des private keys kein Veräußerungsgeschäft und folglich keine steuerrelevante Realisierung dar. Daher kann eine steuerliche Berücksichtigung der Anschaffungskosten (als Verlust) im außerbetrieblichen Bereich nicht erfolgen. Besteht dem Grunde nach ein zivilrechtlicher Rückerstattungsanspruch (ggf. Schadenersatzpflicht), kommt es zu einer steuerpflichtigen Realisation, wenn eine Ersatzleistung oder ein Schadenersatzanspruch zufließt. Dies führt zu einer Realisierung der stillen Reserven oder stillen Lasten.
6178x
Da die Datenbank einer Blockchain nicht untergehen kann, solange grundsätzlich noch eine Kopie derselben existiert, können Kryptowährungen, selbst wenn keine Transaktionsverarbeitung mehr stattfindet, nicht vernichtet werden. Auch wenn der Wert einer Kryptowährung – mangels Möglichkeit zur Veräußerung – auf Null sinkt, stellt dies weder ein Veräußerungsgeschäft noch eine „Liquidation“ gemäß § 27 Abs. 6 Z 3 EStG 1988 dar. Eine steuerliche Berücksichtigung der Anschaffungskosten (als Verlust) kann im außerbetrieblichen Bereich nicht erfolgen.
20.2.3a.2.2.2 Einkünfteermittlung
6178y
Bemessungsgrundlage im Falle der Veräußerung ist gemäß § 27a Abs. 3 Z 4 lit. b EStG 1988 der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den Anschaffungskosten. Zu beachten ist, dass auch für nicht in einem Betriebsvermögen gehaltene Kryptowährungen die Anschaffungskosten inklusive Anschaffungsnebenkosten anzusetzen sind.
Im Falle eines Tausches einer Kryptowährung gegen ein anderes Wirtschaftsgut ist gemäß § 6 Z 14 EStG 1988 (iVm § 27 Abs. 1 letzter Satz EStG 1988) der gemeine Wert der hingegebenen Kryptowährung als Veräußerungserlös anzusetzen. Zur Bestimmung des gemeinen Wertes siehe Rz 6178o.
6178z
Werden Kryptowährungen iSd § 27b Abs. 4 EStG 1988 derselben Kryptowährung in zeitlicher Aufeinanderfolge erworben und auf derselben Kryptowährungsadresse verwahrt, sind diese gemäß § 2 KryptowährungsVO mit dem gleitenden Durchschnittspreis (und – den allgemeinen steuerlichen Grundsätzen entsprechend – stets in Euro) zu bewerten (Rz 6145 ff).
Befinden sich die Kryptowährungen jedoch auf einer Kryptowährungswallet (Rz 6178h), ist der gleitende Durchschnittspreis alternativ für alle auf einer Kryptowährungswallet befindlichen Einheiten derselben Kryptowährung anzuwenden. Wird vom Abzugsverpflichteten der gleitende Durchschnittspreis auf sämtliche Einheiten derselben Kryptowährung, die auf einer Kryptowährungswallet verwahrt werden, ermittelt, ist dies stets auch für die Veranlagung maßgeblich.
6178aa
Nicht in den gleitenden Durchschnittspreis gehen ein:
- Altvermögen; liegt Alt- und Neuvermögen vor, kann der Steuerpflichtige im Veräußerungsfall eine Zuordnung treffen (siehe Rz 6103l).
- Kryptowährungen iSd § 27b Abs. 4 EStG 1988, deren Anschaffungskosten gemäß § 93 Abs. 4a Z 2 EStG 1988 pauschal angesetzt wurden (siehe Abschnitt 29.5.1.1; diese sind auch von der Abgeltungswirkung gemäß § 97 EStG 1988 ausgeschlossen).
Der gleitende Durchschnittspreis ist für sämtliche Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Kryptowährungen anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2022 zufließen (§ 7 KryptowährungsVO). Daher hat zum 1. Jänner 2023 eine Neubewertung für sämtliche sich zu diesem Zeitpunkt auf einer Kryptowährungsadresse bzw. -wallet befindlichen Kryptowährungen des Neuvermögens derart zu erfolgen, dass sämtliche Anschaffungskosten zu addieren und gleichteilig auf die sich noch auf der Kryptowährungsadresse bzw. -wallet befindlichen Kryptowährungen des Neuvermögens aufzuteilen sind.
Beispiel:
A hat folgende Erwerbsvorgänge des A-Coins getätigt, wobei sämtliche A-Coins auf der selben Kryptowährungsadresse verwahrt werden:
Anschaffungsdatum | Anschaffungskosten | Menge |
5.3.2021 | 15 | 1 A-Coin |
5.5.2021 | 60 | 2 A-Coins |
19.6.2022 | 10 | 5 A-Coins |
Am 10.10.2022 hat er bereits einen A-Coin um 20 wieder veräußert. Am 3.1.2023 veräußert er zwei weitere A-Coins um insgesamt 30.
Die Veräußerung im Jahr 2022 erfolgt noch vor Inkrafttreten von § 2 KryptowährungsVO. Für Einkünfte, die davor zufließen, gilt die früher erworbene Einheit der Kryptowährung als zuerst veräußert, sofern der Steuerpflichtige keine abweichende Zuordnung nachweisen kann. Dadurch erzielt A steuerpflichtige Einkünfte in Höhe von 5 (Veräußerungserlös [20] minus Anschaffungskosten [15]).
Am 1.1.2023 sind alle verbliebenen A-Coins mit dem Durchschnittspreis zu bewerten, sodass auf jeden A-Coin Anschaffungskosten in Höhe von 10 entfallen (Summe Anschaffungskosten [70] : Summe verbliebene A-Coin [7]). Im Rahmen der Veräußerung am 3.1.2023 werden daher Einkünfte in Höhe von 10 (Veräußerungserlös [30] minus Anschaffungskosten für 2 A-Coins [20]) erzielt.
Variante:
Befinden sich auf der Kryptowährungsadresse auch noch 5 A-Coins, die A am 24.8.2019 um 10 angeschafft hat (Altvermögen), fließen diese nicht in die Bildung des gleitenden Durchschnittspreises ein. Im Zuge der Veräußerung im Jahr 2022 gilt grundsätzlich die früher erworbene Einheit der Kryptowährung und damit die Coins des Altvermögens als zuerst veräußert. Die Veräußerung des Altvermögens ist jedoch nicht steuerbar. Der Anschaffungskosten für die 8 Neuvermögen-A-Coins würden sodann 10,625 betragen (Summe Anschaffungskosten [85] : Summe verbliebene A-Coin [8]). Im Zuge der Veräußerung am 3.1.2023 besteht für A nunmehr gemäß § 3 KryptowährungsVO ein Wahlrecht, zwei A-Coins des Altvermögens zu veräußern oder zwei A-Coins des Neuvermögens (Höhe der Einkünfte in diesem Fall 8,75). Ebenso steht es A ab 1.1.2023 frei, aus Vereinfachungsgründen entweder sein Neu- oder Altvermögen auf eine eigene Kryptowährungsadresse zu übertragen, weil er gemäß § 3 Z 1 KryptowährungsVO auch im Rahmen einer Übertragung wählen kann, welche Einheiten der Kryptowährung übertragen werden.
20.2.3a.2.2.3 Ausnahme für den Tausch einer Kryptowährung gegen eine andere Kryptowährung
6178ab
Gemäß § 27b Abs. 3 Z 2 zweiter Satz EStG 1988 stellt der Tausch einer Kryptowährung gegen eine andere Kryptowährung keine Realisierung dar. In diesem Fall sind die Anschaffungskosten der eingetauschten Kryptowährung auf die erhaltene Kryptowährung zu übertragen; die gesamte Wertsteigerung wird dadurch erst im Rahmen einer späteren Realisierung der erhaltenen Kryptowährung erfasst.
Dies gilt jedoch nur, soweit sowohl die hingegebene als auch die erhaltene Kryptowährung die Voraussetzungen des § 27b Abs. 4 EStG 1988 erfüllen. Somit führt etwa der Eintausch einer Kryptowährung gegen einen Non Fungible Token (siehe dazu Rz 6178d) oder ein anderes Krypto-Asset, das keine Kryptowährung im Sinne des § 27b Abs. 4 EStG 1988 darstellt, zu einer steuerpflichtigen Realisierung.
Die Steuerneutralität des Tausches einer Kryptowährung gegen eine andere Kryptowährung gilt auch im Betriebsvermögen (siehe dazu Rz 803a).
6178ac
§ 27b Abs. 3 Z 2 zweiter Satz EStG 1988 kommt auch zur Anwendung, wenn der Tausch einer Kryptowährung gegen eine andere Kryptowährung in der internen technischen Abwicklung des Dienstleisters über zwei Transaktionen abgewickelt wird. Voraussetzung für die Anerkennung als Tauschvorgang ist jedoch,
- dass der Steuerpflichtige eindeutig einen Tausch beauftragt,
- keinen Einfluss auf die Art der Abwicklung hat,
- ihm keine Verfügungsmacht über die zwischenzeitlich dargestellten EUR/Fiat-Währungs-Beträge zukommt (und damit kein Zufluss vorliegt) und
- der Vorgang eindeutig dokumentiert ist.
6178ad
Fallen bei einem Tausch einer Kryptowährung gegen eine andere Kryptowährung Aufwendungen an (zB tauschbedingte Transaktionskosten), sind diese steuerlich unbeachtlich. Es liegen somit weder Anschaffungsnebenkosten vor, noch stellt die Begleichung dieser Aufwendungen in Form einer Kryptowährung einen steuerpflichtigen Tauschvorgang dar.
Beispiel:
D erwirbt am 1. Dezember 2022 zehn Einheiten der Kryptowährung A-Coin um 1.000 € (Neuvermögen). Am 10. Dezember 2022 tauscht D fünf seiner A-Coins in eine Einheit der Kryptowährung B-Coin (gemeiner Wert eines A-Coins im Tauschzeitpunkt 200). Für den Tausch muss D 0,1 A-Coin als Transaktionsspesen aufwenden (entspricht 20 €). Am 20. Jänner 2023 verkauft D seinen B-Coin um 2.000 €. Am 4. April 2024 verkauft D seine 4,9 A-Coins um 3.000 €.
Der Tausch der A-Coins gegen den B-Coin löst keine Realisierung aus. Die Anschaffungskosten der fünf A-Coins (iHv 500) sind auf den B-Coin zu übertragen. Die Transaktionskosten im Rahmen des Tausches sind steuerlich unbeachtlich (keine Realisierung, keine Anschaffungsnebenkosten). Die Veräußerung des B-Coin am 20. Jänner 2023 führt zu Einkünften gemäß § 27b Abs. 3 EStG 1988 iHv 1.500 € (2.000 € Veräußerungserlös minus 500 € Anschaffungskosten). Die Veräußerung der 4,9 A-Coins am 4. April 2024 führt zu Einkünften gemäß § 27b Abs. 3 EStG 1988 iHv 2.500 € (3.000 € Veräußerungserlös minus 500 € Anschaffungskosten).
6178ae
Aufgrund des ausdrücklichen Verweises in § 27b Abs. 3 letzter Satz EStG 1988 gelten Umstände, die zur Einschränkung des Besteuerungsrechtes der Republik Österreich führen, im Verhältnis zu anderen Staaten hinsichtlich einer Kryptowährung im Sinne des § 27b EStG 1988 als Veräußerung, wobei gegebenenfalls auch das Nichtfestsetzungskonzept oder das Ratenzahlungskonzept zur Anwendung kommen können (siehe dazu Abschnitt 20.2.2.4). Die anderen in § 27 Abs. 6 EStG 1988 geregelten Ergänzungstatbestände haben mangels Verweises bei der Besteuerung von Kryptowährungen keinen Anwendungsbereich.
20.2.4 Beurteilung verschiedener Produktgruppen
20.2.4.1 Optionsanleihen
20.2.4.1.1 Allgemeines
6179
Bei einer Optionsanleihe besitzt der Inhaber neben dem Recht auf Rückzahlung des Nominalbetrags ein in einem Optionsschein verbrieftes Recht, innerhalb der Optionsfrist eine bestimmte Anzahl von Aktien des Emittenten oder einer anderen Gesellschaft, Anleihen, Fremdwährungen, physische Werte wie Edelmetalle oder sonstige Basiswerte zu einem festgelegten Kaufpreis zu erwerben. Mit der Ausübung der Option erlischt der Anspruch auf Rückzahlung des Nominalbetrags der Anleihe nicht. Anleihe und Optionsschein können voneinander getrennt werden und sind sodann gesondert handelbar.
Anleihe und Optionsschein stellen daher jeweils selbständige Wirtschaftsgüter dar. Die Ausübung der Option nach dem 31.12.2010 führt daher stets zu Neuvermögen hinsichtlich der erworbenen Aktien.
Zinserträge aus der Anleihe sind als Einkünfte aus der Überlassung von Kapital gemäß § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 zu erfassen. Realisierte Wertsteigerungen und -minderungen bei Veräußerung bzw. Einlösung der Anleihe stellen Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988 dar. Unabhängig davon, ob der Optionsschein noch mit der Anleihe verbunden ist oder bereits von ihr getrennt wurde, gelten für dessen Veräußerung die Bestimmungen des § 27 Abs. 4 EStG 1988 (siehe Abschnitt 20.2.3.2.3).
Wird der Optionsschein zusammen mit der Anleihe erworben, sind die gesamten Anschaffungskosten nur der Anleihe zuzurechnen.
Werden daher Optionsanleihen während der Laufzeit (zB am Sekundärmarkt) erworben, sind stets die gesamten Anschaffungskosten der Anleihe zuzurechnen.
Bei einer Veräußerung einer Optionsanleihe während der Laufzeit wird
- der Gewinn aus der Anleihe als Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988 und der Gewinn aus dem Optionsrecht als Einkünfte aus Derivaten gemäß § 27 Abs. 4 EStG 1988 erfasst, wenn der Veräußerer unterschiedliche Anschaffungskosten ausgewiesen hat (was nur beim Ersterwerber von Optionsanleihen, die in den Emissionsbedingungen eine Aufteilung vorsehen, zutrifft) und in allen anderen Fällen
- der gesamte Gewinn aus der Veräußerung (Anleihe und Optionsrecht) unter den Einkünften aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988 erfasst.
6179a
Wird während der Laufzeit das Optionsrecht getrennt von der Anleihe veräußert, sind die Einkünfte daraus unter § 27 Abs. 4 EStG 1988 zu erfassen. Wenn der Veräußerer keine gesonderten Anschaffungskosten für das Optionsrecht ausgewiesen hat, sind dem Veräußerungspreis Anschaffungskosten in Höhe von Null gegenüberzustellen.
Wird das Optionsrecht ausgeübt, hat dies keine unmittelbaren steuerrechtlichen Auswirkungen. Die Anschaffungskosten des Optionsrechts – falls vorhanden – erhöhen lediglich die Anschaffungskosten des gelieferten Basiswertes. Wird statt der Lieferung des Basiswertes ein Differenzausgleich geleistet, wird der Unterschiedsbetrag zwischen dem Differenzausgleich und den Anschaffungskosten des Optionsrechts – falls vorhanden – unter den Einkünften aus Derivaten gemäß § 27 Abs. 4 EStG 1988 erfasst.
Beispiel:
Eine Optionsanleihe wird bei Emission im Jahr 01 zum Ausgabepreis von 100 erworben. Die Emissionsbedingungen sehen eine jährliche Verzinsung der Anleihe mit 2,5 Prozent und eine Einlösung nach 5 Jahren zum Nominalwert von 100 vor; das Optionsrecht wird durch einen untermarktmäßigen Zinskupon abgegolten.
Im Jahr 03 wird das Optionsrecht ohne zugehörige Anleihe um 6 veräußert.
Die Anschaffungskosten der Optionsanleihe sind zur Gänze der Anleihe zuzurechnen, womit die Anschaffungskosten für das Optionsrecht Null betragen. Aus der Veräußerung des Optionsrechts werden Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 4 EStG 1988 in Höhe von 6 erzielt.
Variante 1:
Im Jahr 03 wird das Optionsrecht ausgeübt.
Es kommt zu keinen steuerlichen Auswirkungen, die Anschaffungskosten des Basiswertes entsprechen dem im Optionsschein festgelegten Ausübungspreis.
Variante 2:
Im Jahr 03 wird die Optionsanleihe (inkl. Optionsrecht) um 115 veräußert.
Die gesamte realisierte Wertsteigerung von 15 (115 – 100) ist unter den Einkünften gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988 zu erfassen.
20.2.4.1.2 KESt-Abzug
6180
Zinserträge aus der Optionsanleihe sind als Einkünfte aus der Überlassung von Kapital gemäß § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 gemäß § 93 EStG 1988 durch Kapitalertragsteuerabzug zu erfassen. Abzugsverpflichteter ist gemäß § 95 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988 die auszahlende Stelle.
Bei Kapitalerträgen aus der Veräußerung bzw. Einlösung der Optionsanleihe (Anleihe und Optionsrecht) bestehen keine Bedenken, stets Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988 anzunehmen und gemäß § 93 EStG 1988 durch Kapitalertragsteuerabzug zu erfassen. Abzugsverpflichteter ist somit gemäß § 95 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 die inländische depotführende bzw. die inländische auszahlende Stelle.
Werden Anleihe und Optionsrecht getrennt verwertet, liegen Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988 (Anleihe) und Einkünfte aus Derivaten gemäß § 27 Abs. 4 EStG 1988 (Option) vor. Da sowohl die Anleihe als auch das Optionsrecht verbrieft sind, ist gemäß § 95 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 die inländische depotführende bzw. die inländische auszahlende Stelle zum Kapitalertragsteuerabzug verpflichtet. Wickelt die inländische depotführende Stelle die Realisierung des Optionsrechtes (zB Auszahlung des Differenzausgleichs) nicht ab, besteht für sie keine Verpflichtung zum Kapitalertragsteuerabzug.
20.2.4.2 Wandelanleihen (convertible bonds)
20.2.4.2.1 Allgemeines
6181
Wandelanleihen sind Obligationen, die wie „normale“ Kuponanleihen einen Zins- und Tilgungsanspruch gegenüber dem Emittenten der Anleihe verbriefen, die aber zusätzlich ein Umtauschrecht des Forderungstitels in einen Beteiligungstitel beinhalten. Das Umtauschrecht ermöglicht es dem Gläubiger, innerhalb einer bestimmten Frist die Forderung zu einem bestimmten festgelegten Umtauschverhältnis in Aktien des Emittenten der Wandelanleihe zu wandeln oder eine Barauszahlung bzw. eine Kombination aus Barauszahlung und Aktienausgabe zu verlangen. Wird vom Wandlungsrecht Gebrauch gemacht, erlischt die Wandelanleihe. Wird hingegen das Wandlungsrecht nicht in Anspruch genommen, vermittelt die Wandelanleihe weiterhin Anspruch auf die verbriefte Zinsen- und Tilgungsleistung. Ergänzend zum Wandlungsrecht des Anleihegläubigers während der Laufzeit, besteht für den Emittenten auch die Möglichkeit, eine Wandlungspflicht am Ende der Laufzeit der Anleihe vorzusehen (Pflichtwandelanleihe).
Eine spezielle Form der Wandelanleihe stellt die Umtauschanleihe dar. Während bei einer „klassischen“ Wandelanleihe dem Anleihegläubiger das Recht eingeräumt wird, in Aktien des emittierenden Unternehmens zu wandeln, verpflichtet sich der Emittent einer Umtauschanleihe, bei Ausübung des Wandlungsrechts durch den Anleihegläubiger, eine Wandlung in Aktien eines anderen im Voraus festgelegten Unternehmens vorzunehmen. Im Gegensatz zu Optionsanleihen, bei denen das Optionsrecht (Optionsschein) getrennt von der Anleihe gehandelt werden kann, ist bei Wandelanleihen das Wandlungsrecht untrennbar mit der Schuldverschreibung verbunden.
6181a
Eine Wandelanleihe ist steuerlich als einheitliches Forderungswertpapier anzusehen. Die Ausübung des Wandlungsrechts durch den Anleihegläubiger stellt daher keinen steuerpflichtigen Tausch seines Forderungsrechts gegen Aktien dar, womit keine Veräußerung der Anleihe mit nachfolgender Anschaffung von Aktien vorliegt (siehe § 7 Kapitalmaßnahmen-VO). Die Anschaffungskosten der Wandelanleihe sind weiter zu führen und stellen für den Anleger die Anschaffungskosten der im Zuge der Wandlung erhaltenen Aktien dar (siehe § 7 Kapitalmaßnahmen-VO). Diese Sichtweise gilt für alle nach dem 31.3.2012 vorgenommenen Wandlungen von nach dem 31.3.2012 entgeltlich erworbenen Wandelanleihen. Werden zum Zwecke des Spitzenausgleichs, somit zum Zwecke der Rundung auf ganze Stücke, vom Emittenten bare Zuzahlungen geleistet, sind diese nicht steuerpflichtig und senken lediglich die Anschaffungskosten der erhaltenen Aktien, wenn die Zuzahlung 10% des Gesamtnennbetrags der erhaltenen Aktien nicht überschreitet (§ 7 Kapitalmaßnahmen-VO). Höhere Zuzahlungen stellen Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988 dar. Bei Wertpapieren ohne Nennwert (zB Stückaktien) sind Zuzahlungen generell steuerpflichtig.
Beispiel 1:
Eine Wandelanleihe wird am 1.6.2009 zum Kurs von 100 erworben. Das Wandlungsrecht wird am 1.3.2011 ausgeübt, was zum Erwerb von Aktien des Emittenten führt. Die Aktien werden am 1.5.2012 veräußert.
Der Wandlungsvorgang stellt nach bisheriger Sichtweise einen Tauschvorgang dar, es liegt damit im Wandlungszeitpunkt ein Anschaffungsvorgang hinsichtlich der für die Anleihe erhaltenen Aktien vor. Bei nachfolgender Veräußerung der Aktien werden Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988 erzielt, da der entgeltliche Erwerb der Aktien nach dem 31.12.2010 erfolgte. Würde die Veräußerung der Aktien vor dem 1.4.2012 erfolgen, wären die Einkünfte daraus unter den Einkünften gemäß § 30 EStG 1988 idF vor dem BBG 2011 zu erfassen.
Beispiel 2:
Eine Wandelanleihe wird am 1.6.2009 zum Kurs von 100 erworben. Das Wandlungsrecht wird am 1.7.2012 ausgeübt, was zum Erwerb von Aktien des Emittenten führt. Die Aktien werden am 1.5.2013 veräußert.
Der Wandlungsvorgang stellt nach bisheriger Sichtweise einen Tauschvorgang dar, es liegt damit im Wandlungszeitpunkt ein Anschaffungsvorgang hinsichtlich der für die Anleihe erhaltenen Aktien vor. Bei nachfolgender Veräußerung der Aktien werden Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988 erzielt, da der entgeltliche Erwerb der Aktien nach dem 31.12.2010 erfolgte.
Beispiel 3:
Eine Wandelanleihe wird am 1.6.2012 zum Kurs von 1.000 (10 Stück à 100) erworben. Die Emissionsbedingungen sehen eine Wandlungsmöglichkeit zum fixen Umtauschverhältnis 3:2 (3 Stück der Anleihe in 2 Aktien) in Aktien mit einem Nennwert von je 30 vor oder eine Kombination aus Barzahlung und Wandlung vor.
Das Wandlungsrecht wird am 1.3.2013 ausgeübt. Dabei werden 6 Stück der Anleihe in 4 Aktien umgewandelt und die restlichen 4 Stück durch eine Barzahlung in Höhe von 400 abgegolten.
Der Umtausch der Anleihe gegen Aktien ist steuerneutral; die anteiligen Anschaffungskosten der Anleihe in Höhe von 600 werden als Anschaffungskosten der 4 Aktien fortgeführt. Die Barzahlung wird nicht zum Zwecke der Rundung auf ganze Stücke geleistet, womit sie nicht die Anschaffungskosten der erhaltenen Aktien mindert, sondern steuerpflichtig ist. Der Barzahlung sind die anteiligen Anschaffungskosten von 400 gegenüberzustellen.
Beispiel 4:
Eine Wandelanleihe wird am 1.7.2012 zum Kurs von 1870 (187 Stück à 10) erworben. Die Emissionsbedingungen sehen eine Wandlungsmöglichkeit zum fixen Umtauschverhältnis 3:2 (3 Stück der Anleihe in 2 Aktien) in Aktien mit einem Nennwert von je 30 vor oder eine Kombination aus Barzahlung und Wandlung vor.
Das Wandlungsrecht wird am 1.4.2013 ausgeübt. Dabei werden 100 Stück der Anleihe in 124 Aktien umgewandelt und eine Barzahlung in Höhe von 10 geleistet.
Der Umtausch der Anleihe gegen Aktien ist steuerneutral; die anteiligen Anschaffungskosten der Anleihe in Höhe von 1870 werden als Anschaffungskosten der 124 Aktien fortgeführt. Die Barzahlung wird zum Zwecke der Rundung auf ganze Stücke geleistet, womit sie die Anschaffungskosten der erhaltenen Aktien auf 1870 mindert und nicht als Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988 steuerpflichtig ist.
Beispiel 5:
Sachverhalt wie in Beispiel 3.
Das Wandlungsrecht wird am 1.3.2013 ausgeübt. Dabei werden 10 Stück der Anleihe in 6 Aktien umgewandelt und eine Barzahlung in Höhe von 100 geleistet.
Der Umtausch der Anleihe gegen Aktien ist steuerneutral; die anteiligen Anschaffungskosten der Anleihe in Höhe von 1.000 werden als Anschaffungskosten der 6 Aktien fortgeführt. Die Barzahlung wird zwar zum Zwecke der Rundung auf ganze Stücke geleistet, allerdings überschreitet sie 10% des Gesamtnennbetrages (10% von 180) der erhaltenen Aktien, womit sie nicht die Anschaffungskosten der erhaltenen Aktien mindert, sondern als Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988 zur Gänze steuerpflichtig ist.
20.2.4.2.2 KESt-Abzug
6182
Zinserträge aus Wandelanleihen sind als Einkünfte aus der Überlassung von Kapital gemäß § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 gemäß § 93 EStG 1988 durch Kapitalertragsteuerabzug zu erfassen. Abzugsverpflichteter ist gemäß § 95 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988 die auszahlende Stelle.
Kapitalerträge aus der Veräußerung bzw. Einlösung von Wandelanleihen sind Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988 und gemäß § 93 EStG 1988 durch Kapitalertragsteuerabzug zu erfassen. Abzugsverpflichteter ist somit gemäß § 95 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 die inländische depotführende bzw. die inländische auszahlende Stelle.
Barzahlungen anlässlich der Ausübung des Wandlungsrechtes, die nicht die Voraussetzungen des § 7 der Kapitalmaßnahmen-VO erfüllen, sind Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988 und gemäß § 93 EStG 1988 durch Kapitalertragsteuerabzug zu erfassen.
20.2.4.3 Aktienanleihe (cash or share-Anleihe)
20.2.4.3.1 Allgemeines
6183
Als Aktienanleihen werden Schuldverschreibungen bezeichnet, bei denen dem Emittenten die Option eingeräumt ist, die Anleihe am Fälligkeitstag nicht in Geld zu begleichen, sondern durch Hingabe in (eigenen oder fremden) Aktien. Im Gegensatz zu Wandel- oder Optionsanleihen steht bei einer Aktienanleihe nicht dem Anleger, sondern dem Emittenten das Wandlungs- bzw. Optionsrecht zu. Wirtschaftlich entspricht die Aktienanleihe einer Kombination aus einer marktüblich verzinsten Anleihe mit der Stillhalterposition aus einer Option, wobei dem Anleger die Stillhalterprämie in der Weise abgegolten wird, dass die Anleihe mit einem übermarktmäßig hohen Zinskupon ausgestattet ist.
6183a
Ebenso wie bei der Wandelanleihe ist die Aktienanleihe steuerlich als einheitliches Forderungswertpapier anzusehen, womit keine Trennung der Anleihe- und Optionskomponente erfolgen kann. Die Ausübung des Optionsrechts durch den Emittenten bei Einlösung stellt bei nach dem 31.3.2012 entgeltlich erworbenen Aktienanleihen keinen Tausch des Forderungsrechts des Anlegers gegen Aktien dar, womit keine Veräußerung der Anleihe mit nachfolgender Anschaffung von Aktien vorliegt.
Die Anschaffungskosten der Aktienanleihe sind weiter zu führen und stellen für den Anleger die Anschaffungskosten der im Zuge der Einlösung der Anleihe erhaltenen Aktien dar (siehe § 7 Kapitalmaßnahmen-VO; gilt für nach dem 31.3.2012 entgeltlich erworbene Aktienanleihen).
Werden zum Zwecke des Spitzenausgleichs, somit zum Zwecke der Rundung auf ganze Stücke, vom Emittenten bare Zuzahlungen geleistet, sind diese nicht steuerpflichtig und senken lediglich die Anschaffungskosten der erhaltenen Aktien, wenn die Zuzahlung 10% des Gesamtnennbetrags der erhaltenen Aktien nicht überschreitet. Höhere Zuzahlungen stellen Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988 dar. Bei Wertpapieren ohne Nennwert (zB Stückaktien) sind Zuzahlungen generell steuerpflichtig.
Beispiel:
Eine Aktienanleihe wird nach 31.3.2012 bei Emission zum Ausgabepreis von 100 erworben. Die Emissionsbedingungen sehen eine jährliche Verzinsung der Anleihe mit 9 Prozent (Kuponfälligkeit halbjährlich) und eine Einlösung nach 2 Jahren zum Nominalwert oder durch Lieferung von Aktien vor.
Bei Einlösung übt der Emittent sein Optionsrecht aus und liefert Aktien mit einem Kurswert von 85.
Die laufenden Zinsen stellen Einkünfte aus der Überlassung von Kapital gemäß § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 dar.
Die Anschaffungskosten der Anleihe werden als Anschaffungskosten der bei der Einlösung der Anleihe angedienten Aktien fortgeführt. Bei einer nachfolgenden Veräußerung der Aktien ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den Anschaffungskosten (entspricht dem Emissionskurs der Anleihe) als Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988 zu erfassen.
Variante:
Der Anleger erwirbt die Aktienanleihe während der Laufzeit zum Preis von 65 (inkl. Stückzinsen) und hält sie bis zu deren Einlösung. Die Einlösung erfolgt durch Andienung von Aktien mit einem Kurs von 85.
Die Wertsteigerung von 20 (65 auf 85) bei Einlösung der Anleihe bleibt vorerst unbesteuert, da bei der Andienung der Aktien kein Tausch vorliegt und die Anschaffungskosten der Anleihe als Anschaffungskosten der angedienten Aktien fortgeführt werden.
Werden die Aktien in weiterer Folge veräußert, liegen im Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungspreis und deren Anschaffungskosten (entsprechen den Anschaffungskosten der Anleihe von 65) Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988 vor. Soweit dem Anleger während der Laufzeit der Aktienanleihe Zinsen zufließen, sind sie als Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 zu erfassen.
6183b
Bei vor dem 1.4.2012 erworbenen Aktienanleihen ist über § 95 Abs. 6 EStG 1988 idF vor dem BBG 2011 ein Ausgleich der im Zuge der Andienung der Aktien erlittenen Verluste mit zuvor gutgeschriebenen Zinsen dann nicht möglich, wenn der Verlustausgleich im Rahmen der KESt zu einem unsachgemäßen Ergebnis führt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Aktienanleihe kurz vor deren Tilgung bzw. vor dem letzten Kupon gekauft wird und der Anleger wirtschaftlich gesehen keinen Tilgungsverlust erleidet (insbesondere, wenn die Lukrierung von KESt-Gutschriften erkennbar im Vordergrund steht). Im Hinblick auf die Neuordnung der Besteuerung von Kapitalvermögen ist ab 1.4.2012 generell keine Verlustverrechnung durch die depotführenden Stellen bei vor dem 1.4.2012 erworbenen Aktienanleihen mehr vorzunehmen.
20.2.4.3.2 KESt-Abzug
6184
Zinserträge aus Aktienanleihen sind als Einkünfte aus der Überlassung von Kapital gemäß § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 gemäß § 93 EStG 1988 durch Kapitalertragsteuerabzug zu erfassen. Abzugsverpflichteter ist gemäß § 95 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988 die auszahlende Stelle.
Kapitalerträge aus der Veräußerung bzw. Einlösung von Aktienanleihen sind Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988 und gemäß § 93 EStG 1988 durch Kapitalertragsteuerabzug zu erfassen. Abzugsverpflichteter ist somit gemäß § 95 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 die inländische depotführende bzw. die inländische auszahlende Stelle.
Barzahlungen anlässlich der Ausübung des Optionsrechtes durch den Emittenten, die nicht die Voraussetzungen des § 7 der Kapitalmaßnahmen-VO erfüllen, sind Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988 und gemäß § 93 EStG 1988 durch Kapitalertragsteuerabzug zu erfassen.