22.4.2 Veräußerung, Anschaffung
22.4.2.1 Begriff und Allgemeines
6623
Einkünftebegründender Tatbestand des § 30 EStG 1988 ist die Veräußerung. Darunter ist jede entgeltliche Übertragung zu verstehen (Verkauf, Tausch, sonstiges Rechtsgeschäft oder Rechtsverhältnis, mit dem ein Grundstück entgeltlich übertragen wird; zum Erbschaftskauf siehe Rz 134e). Unter Anschaffung ist spiegelbildlich jeder entgeltliche Erwerb zu verstehen. Anschaffung und Veräußerung sind daher korrespondierende Begriffe. Jeder Veräußerung auf Seiten des Überträgers steht im gleichen Zeitpunkt eine Anschaffung des Erwerbers gegenüber.
Als Zeitpunkt der Veräußerung (= Anschaffung) ist im Zusammenhang mit Grundstücken der Abschluss des Verpflichtungsgeschäftes (zB Kauf- oder Tauschvertrag) und – abweichend vom allgemeinen steuerlichen Anschaffungszeitpunkt (Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums im Sinne der Erlangung der faktischen Verfügungsgewalt über das Wirtschaftsgut, VwGH 28.2.2012, 2009/15/0218) – nicht jener der sachenrechtlichen Übergabe maßgebend (VwGH 08.02.1989, 88/13/0049; VwGH 20.11.1997, 96/15/0256). Dies gilt jedoch dann nicht, wenn das wirtschaftliche Eigentum schon früher übertragen wurde (siehe Rz 6629). Dies gilt grundsätzlich auch bei bedingten Rechtsgeschäften:
- Bei auflösender Bedingung ist der Tatbestand mit Vertragsabschluss erfüllt. Eine spätere Auflösung des Verpflichtungsgeschäftes infolge des Eintrittes der Bedingung beseitigt nicht die ursprüngliche Anschaffung/Veräußerung. Es liegt vielmehr ein neuerlicher Anschaffungs-/Veräußerungsvorgang vor.
- Ist bei nach dem 31.5.2013 unter einer aufschiebenden Bedingung abgeschlossenen Verträgen der Bedingungseintritt hinreichend wahrscheinlich (zB Genehmigung durch die Grundverkehrskommission), wird der Tatbestand ebenfalls bereits mit Vertragsabschluss erfüllt. Sollte trotz hinreichender Wahrscheinlichkeit die Bedingung nicht eintreten, liegt ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO vor. Ist bei aufschiebend bedingten Veräußerungen der Bedingungseintritt von Beginn an nicht hinreichend wahrscheinlich, liegt eine Veräußerung erst bei Bedingungseintritt vor.
Optionen sind Bedingungen nicht gleichzuhalten. Eine Option liegt vor, wenn dem Vertragspartner ein einseitiges Gestaltungsrecht eingeräumt wird, einen Vertrag abzuschließen. Dies ist dann der Fall, wenn die Rechtswirksamkeit eines Vertrages ausdrücklich von der Erklärung eines Vertragspartners (zB des Käufers) abhängt. Bei solchen Optionsgeschäften kommt das relevante Verpflichtungsgeschäft erst bei Ausübung der Option zustande (VwGH 24.10.2019, Ro 2019/15/0177). Es gilt daher – bei Ausübung einer vor dem 1.4.2012 eingeräumten Option nach dem 31.3.2012 – die neue Rechtslage für Grundstücksveräußerungen. Der Ausübung einer Option gleichzuhalten ist die Ausübung eines im Vertrag über die Veräußerung vereinbarten Wiederkaufsrechtes.
Wird ein Grundstück beispielsweise im Rahmen einer öffentlichen Versteigerung erworben, ist der Zeitpunkt der Zuschlagserteilung als maßgeblicher Stichtag für die Veräußerung bzw. Anschaffung zu sehen.
Unabhängig vom steuerlichen Rückwirkungsverbot stellt die gerichtliche ex tunc-Auflösung eines Veräußerungsvertrages nach § 870 ABGB (List oder Zwang), § 871 ABGB (Irrtum), § 879 ABGB (Nichtigkeit auf Grund eines Verstoßes gegen die guten Sitten; zB Wucher), § 932 ABGB (Wandlung) und § 934 ABGB (Verkürzung über die Hälfte) ein rückwirkendes Ereignis iSd § 295a BAO dar (siehe dazu auch Abschnitt 3.2.9. der Richtlinien zur Abänderung gemäß § 295a BAO, Erlass des BMF vom 29.11.2006, BMF-010103/0083-VI/2006). Dies gilt auch für eine Rückabwicklung des Veräußerungsgeschäftes auf Grund einer bloßen Vereinbarung der Vertragsparteien, wenn nachweislich (gegenüber dem Parteienvertreter oder dem Finanzamt) die Voraussetzungen für eine gerichtliche Vertragsaufhebung gegeben wären. Die ImmoESt als steuerliche Rechtsfolge eines Geschäfts kann jedoch nicht als Irrtum iSd § 871 ABGB eine gerichtliche ex-tunc-Vertragsauflösung begründen (OGH 29.9.2015, 8 Ob 46/15w; OGH 3.7.1979, 2 Ob 529/79).
Wird eine Schenkung rückabgewickelt, stellt dies ebenfalls keine Veräußerung dar. Werden aber für ein zwischenzeitig vom Geschenknehmer errichtetes Gebäude die Herstellungskosten dem rückübertragenden Geschenknehmer ersetzt, kann bei Überschreitung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten eine Veräußerung des Gebäudes bewirkt werden. Beschränkt sich die Entschädigung auf einen reinen Aufwandsersatz bzw. Ersatz der Herstellkosten, ist aber davon auszugehen, dass keine steuerlich relevanten Einkünfte erzielt werden.
Ist bei einer Grundstücksveräußerung zum Zeitpunkt der Rückabwicklung des ursprünglichen Veräußerungsgeschäftes noch kein Abgabenanspruch entstanden, sind die oben dargestellten Grundsätze nicht zu beachten. So lange auf Grund des ursprünglichen Veräußerungsgeschäftes noch kein Abgabenanspruch entstanden ist, ist eine Rückabwicklung dieses Veräußerungsgeschäftes ohne ertragsteuerliche Konsequenzen möglich. Die Rückabwicklung ist somit keine (neue) Veräußerung, sondern kann so gestellt werden, als ob die Veräußerung nie vollzogen wurde.
Es führt auch nicht zu einer anderen Beurteilung, wenn der Steuerpflichtige den noch nicht entstandenen Abgabenanspruch bereits (zum Teil) entrichtet hat.
Der Grundsatz, dass Veräußerung und Anschaffung spiegelbildliche Begriffe sind, wird bei Zuwendungen durch Privatstiftungen durchbrochen. Solche Zuwendungen stellen kein Veräußerungsgeschäft dar. Allerdings gilt eine solche Zuwendung gemäß § 15 Abs. 3 Z 2 lit. a EStG 1988 als Anschaffung beim Zuwendungsempfänger. Als Anschaffungskosten sind die fiktiven Anschaffungskosten im Zeitpunkt der Zuwendung anzusetzen (§ 15 Abs. 3 Z 2 lit. b EStG 1988).
Zu Sonderfragen siehe Rz 6629 ff.
6624
Keine Veräußerung/Anschaffung liegt insbesondere in folgenden Fällen vor:
- Bei Unentgeltlichkeit des Vorgangs, somit insbesondere bei
- Erbschaft;
- Vermächtnis (siehe aber zu Ausgleichszahlungen im Zusammenhang mit einem Vermächtnis Rz 134a);
- Erwerb durch Anrechnung auf den Pflichtteilsanspruch, wenn nach den Grundsätzen der Erbauseinandersetzung keine Veräußerung oder Tausch vorliegt (siehe dazu Rz 134f); dies gilt auch für den Erwerb eines Grundstückes im Wert des Pflichtteils in Folge eines Verzichtes auf den Pflichtteil vor Eintritt des Erbfalles;
- Schenkung (siehe Rz 6625) unter Lebenden oder auf den Todesfall;
- bei Spiel oder Wette (siehe aber Rz 6628 zur Objektverlosung).
- In Bezug auf ein im Rahmen einer Übertragung eines Grundstücks zurückbehaltenes oder bereits verbüchert bestehendes Wohn- oder Fruchtgenussrecht gilt Folgendes: Übertragen wird nur das belastete Grundstück. Der Wert des zurückbehaltenen oder bereits verbüchert bestehenden Nutzungsrechtes stellt daher keine Gegenleistung für die Grundstücksübertragung dar. Dabei ist unmaßgeblich, ob das Nutzungsrecht zu Gunsten des Übertragenden oder eines Dritten zurückbehalten wird. Gleiches gilt für sonstige zurückbehaltene Nutzungsrechte (zB Gartenbenützungsrecht, Holzbezugsrecht, Fischereirecht).
- In diesen Fällen ist bei Erbringung von Gegenleistungen (zB Geldbetrag, Wert von zu erbringenden Dienstleistungen) für die Übertragung des belasteten Eigentums zu beurteilen, ob der Wert der Gegenleistung den halben gemeinen Wert des übertragenen (belasteten) Wirtschaftsgutes übersteigt, wodurch ein entgeltlicher Vorgang gegeben wäre.
Die Übernahme eines bestehenden, aber bloß schuldrechtlich eingeräumten Fruchtgenussrechtes oder Wohnrechtes durch den Erwerber eines Grundstückes stellt dagegen eine Gegenleistung dar, weil es sich um eine bloße Übernahme einer Verbindlichkeit handelt. Ebenso stellt die Einräumung eines Nutzungsrechtes an einem anderen Grundstück eine Gegenleistung dar.
- Soweit das (wirtschaftliche) Eigentum des Steuerpflichtigen lediglich konkretisiert wird. Darunter fallen insbesondere
- die Umwandlung von schlichtem Miteigentum in Wohnungseigentum und umgekehrt, soweit sich die (wirtschaftlichen) Eigentumsverhältnisse nicht ändern (siehe Rz 6627a),
- die Realteilung von Grundstücken (siehe Rz 6627);
- Bei der Eigentumsübertragung von Grundstücken oder Grundstücksteilen im Rahmen der Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse nach den Kriterien des § 83 EheG; sie ist – auch bei Ausgleichszahlungen ohne betragliche Begrenzung – einkommensteuerrechtlich grundsätzlich als Naturalteilung zu werten. Dies gilt auch bei einvernehmlichen Ehescheidungen, bei der Auflösung von eingetragenen Partnerschaften und bei Scheidungen nach ausländischem Recht, wenn die Aufteilung des ehelichen (partnerschaftlichen) Gebrauchsvermögens nach den Grundsätzen des § 83 EheG vorgenommen wird bzw. im Falle einer Scheidung nach ausländischem Recht, wenn die ausländische Rechtsgrundlage für die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens im Wesentlichen den Kriterien des § 83 EheG entspricht. Die Naturalteilung hat die gleichen Rechtswirkungen wie eine unentgeltliche Übertragung, sodass auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Rechtsvorgängers abzustellen ist.
- Keine Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens oder der ehelichen Ersparnisse liegt dann vor, wenn eheliches Gebrauchsvermögen oder eheliche Ersparnisse mit Wirtschaftsgütern getauscht werden, die gemäß § 82 EheG nicht der Aufteilung unterliegen. In diesem Fall liegt insgesamt ein steuerbarer Tauschvorgang vor. Gemäß § 82 EheG unterliegen zB Wirtschaftsgüter, die zu einem Unternehmen gehören, Anteile an einem Unternehmen wie zB an einer GmbH oder einer Personengesellschaft nicht der Aufteilung. Der Aufteilung gemäß § 82 EheG unterliegen Anteile an einem Unternehmen aber dann, wenn es sich um eine bloße Wertanlage handelt; dies ist dann der Fall, wenn die Beteiligung mit keinem maßgeblichen Einfluss auf das Unternehmen verbunden ist, wobei ein maßgeblicher Einfluss bereits dann gegeben ist, wenn die bloße rechtliche Möglichkeit dazu besteht, ohne diese auszuüben (OGH 24.7.2014, 1 Ob 132/14i).
Wird im Zuge einer Ehescheidung die gemeinsame Ehewohnung veräußert und der Veräußerungserlös anschließend entsprechend den Miteigentumsanteilen aufgeteilt, fällt dies nicht unter die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens nach § 83 EheG, da das eheliche Gebrauchsvermögen veräußert und nicht aufgeteilt wird.
- Bei dem Übergang des anteiligen Wohnungseigentums gemäß § 14 WEG 2002 an den überlebenden Partner einer Eigentümerpartnerschaft im Sinne des § 13 WEG 2002; die Entrichtung einer Entschädigung an die Verlassenschaft des verstobenen Partners gemäß § 14 Abs. 2 WEG 2002 stellt keine Gegenleistung im Sinne eines Veräußerungsvorganges dar. Wird allerdings gemäß § 14 Abs. 1 Z 2 WEG 2002 das anteilige Wohnungseigentum an einen Dritten entgeltlich übertragen, stellt dies eine Veräußerung durch die Verlassenschaft und somit idR durch die Erben (siehe dazu Rz 9) dar.
- Bei der Übernahme eines Kleingartenpachtvertrages gemäß § 15 Kleingartengesetz nach dem Tod des bisherigen Pächters. Der Unterpachtvertrag und das im wirtschaftlichen Eigentum befindliche Kleingartenhaus (siehe dazu Rz 6621) gehen nicht in die Verlassenschaft ein, weil der Pachtvertrag grundsätzlich mit dem Tod des Pächters endet. Nutzt einer der nach § 15 Kleingartengesetz Eintrittsberechtigten (Ehegatte, Verwandte in gerader Linie, Wahlkinder des Verstorbenen oder eine andere Person, die an der Bewirtschaftung des Kleingartens in den letzten fünf Jahren maßgeblich mitgewirkt hat) sein Eintrittsrecht, muss dieser einen Ersatzanspruch gegenüber der Verlassenschaft erfüllen. Mangels wirtschaftlichem Eigentum der Erben am Kleingartenhaus liegt keine Veräußerung durch die nicht eintretenden Erben vor; der Eintrittsberechtigte erwirbt unmittelbar von Todes wegen das wirtschaftliche Eigentum am Kleingartenhaus.
- Bei der Herstellung von Gebäuden (siehe dazu Rz 6646 f). Zu beachten ist jedoch, dass durch den Bau eines Gebäudes auf eigenem Grund und Boden das Gebäude ein neues Wirtschaftsgut darstellt (siehe dazu Rz 6654). Hinsichtlich des Gebäudes ist jedoch bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen die Herstellerbefreiung (§ 30 Abs. 2 Z 2 EStG 1988) anzuwenden;
- Bei der Entnahme von Grundstücken (VwGH 28.2.1973, 0900/72). Soweit es dabei zur Aufdeckung stiller Reserven kommt, tritt der Entnahmewert für alle steuerrelevanten weiteren Vorgänge (Veräußerung, Wiedereinlage) an die Stelle der tatsächlichen Anschaffungskosten (§ 6 Z 4 EStG 1988). Wird ein bebautes Grundstück entnommen, sind die stillen Reserven des Gebäudes zu versteuern (ausgenommen bei Anwendung des § 24 Abs. 6 EStG 1988). Der Entnahmewert tritt daher an die Stelle der Anschaffungskosten des Gebäudes. Im Zuge einer späteren Veräußerung des Grundstückes aus dem Privatvermögen ist daher der Veräußerungserlös auf Grund und Boden und Gebäude aufzuteilen. Alt-Grund und Boden kann dabei nach der pauschalen Gewinnermittlung gemäß § 30 Abs. 4 EStG 1988 versteuert werden, das (zum 31.3.2012 steuerverfangene) Gebäude ist nach § 30 Abs. 3 EStG 1988 zu erfassen.
- Erwirbt ein Miteigentümer aus Anlass einer Teilungsklage im Wege einer Versteigerung gemäß § 352 EO das gesamte Grundstück, liegt eine Anschaffung nur hinsichtlich der von den anderen Miteigentümern erworbenen Miteigentumsanteile vor. Hinsichtlich seines eigenen Miteigentumsanteiles liegt kein Veräußerungs- und Anschaffungsvorgang vor.
Schenkung, Übergabeverträge
6625
Eine Schenkung ist grundsätzlich nur bei Vermögensübertragungen unter (nahen) Angehörigen anzunehmen (Fremde pflegen einander gewöhnlich nichts zu schenken). Ertragsteuerlich wird in Anwendung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise auch bei einer gemischten Schenkung Unentgeltlichkeit des gesamten Vorgangs angenommen (keine „Teilentgeltlichkeit“), wenn insgesamt Zuwendungsabsicht besteht und der Schenkungscharakter des Geschäftes überwiegt (siehe Rz 5571 sowie VwGH 18.9.1964, 1118/64; VwGH 21.10.1966, 1484/65; VwGH 3.3.1967, 0721/66; VwGH 24.6.2009, 2007/15/0113; VwGH 16.11.2021, Ro 2020/15/0015). Für die Beurteilung gilt:
- Bei Übertragungen vor dem 16.11.2021:
Beträgt die Gegenleistung weniger als 50% des gemeinen Wertes des übertragenen Wirtschaftsgutes, liegt ein Missverhältnis und eine unentgeltliche Übertragung vor.
Für Übertragungen vor dem 16.11.2021 mit einer Gegenleistung zwischen 50% und 75% des Verkehrswerts ist zu unterscheiden:- Wurde die Übertragung vor dem 16.11.2021 entsprechend der in Rz 134b und Rz 6625 in der Fassung vor dem EStR 2000 – Wartungserlass 2023 vertretenen 50%-Grenze als entgeltlicher Vorgang qualifiziert und gegenüber der Abgabenbehörde auch keine Unentgeltlichkeit behauptet, haben die Parteien damit offenkundig ihren Willen zum Ausdruck gebracht, ein entgeltliches Rechtsgeschäft abgeschlossen zu haben. Dementsprechend besteht im Lichte des Erkenntnisses des VwGH vom 16.11.2021, Ro 2020/15/0015, keine Grundlage, diese Willensentscheidung nachträglich umzudeuten. Eine spätere „Umqualifikation“ der entgeltlichen auf eine unentgeltliche Übertragung kommt daher nicht in Betracht.
- Wurde die Übertragung vor dem 16.11.2021 seitens des Steuerpflichtigen abweichend von der in Rz 134b und Rz 6625 in der Fassung vor dem EStR 2000 – Wartungserlass 2023 vertretenen 50%-Grenze als unentgeltlich qualifiziert, aber vom Finanzamt unter Berufung auf die 50%-Grenze als entgeltlich beurteilt, ist unter Zugrundelegung der vom VwGH aufgestellten Grundsätze zu beurteilen, ob nach dem Willen der Parteien im vorliegenden Fall tatsächlich eine unentgeltliche Übertragung zwischen Angehörigen vorgelegen ist. Ist dies der Fall, sind die entsprechenden Bescheide auf Antrag des Steuerpflichtigen innerhalb der Ein-Jahres-Frist des § 299 BAO gegebenenfalls aufzuheben bzw. abzuändern. Auch im Falle einer Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 303 BAO kann die Frage der Entgeltlichkeit/Unentgeltlichkeit in einem solchen Fall neu zu bewerten sein; die geänderte Rechtsansicht (in Folge der Rechtsprechung) selbst stellt jedoch keinen Wiederaufnahmegrund dar.
- Bei Übertragungen nach dem 15.11.2021:
- Beträgt die Gegenleistung zumindest 75% des gemeinen Wertes des übertragenen Wirtschaftsgutes, ist davon auszugehen, dass eine Veräußerung vorliegt (VwGH 16.11.2021, Ro 2020/15/0015).
- Beträgt die Gegenleistung höchstens 25% des gemeinen Wertes des übertragenen Wirtschaftsgutes, liegt eine unentgeltliche Übertragung vor.
- Beträgt die Gegenleistung mehr als 25% aber weniger als 75% des gemeinen Wertes des übertragenen Wirtschaftsgutes, ist unter nahen Angehörigen grundsätzlich von einem unentgeltlichen Rechtsgeschäft auszugehen (siehe auch Rz 5572).
Zur Übertragung gegen Rente siehe Rz 7001 ff.
Für die steuerliche Behandlung von Grundstückstransaktionen im Zusammenhang mit vorweggenommenen Erbfolgeregelungen gelten folgende allgemeine Grundsätze:
- Ausgleichzahlungen für anderen Erbberechtigten überlassene Grundstücksanteile sind nur dann potentiell steuerlich relevant, wenn es auch zu Leistungen aus der eigenen Vermögenssphäre des Übernehmers kommt.
- Für die Beurteilung, ob ein entgeltliches oder unentgeltliches Geschäft vorliegt, sind die obigen Grundsätze maßgebend. Die Übernahme der Ausgleichszahlung durch den Grundstückserwerber gilt dabei als Gegenleistung an den Grundstücksübergeber (auch wenn der Zahlungsweg verkürzt wird und der Betrag an eine andere Person fließt) und ist bei diesem als Veräußerungserlös zu erfassen.*)
Beispiel (Übertragung nach dem 15.11.2021):
Vom Vater wird eine Liegenschaft im Wert von 1.000 an den Sohn übertragen. Dieser verpflichtet sich im Gegenzug, eine Ausgleichszahlung in Höhe von 800 an seine Schwester zu leisten. Die Ausgleichszahlung (800) beträgt mehr als 75% des gemeinen Werts des Grundstücks (750). Es liegt daher eine Veräußerung durch den Vater vor (dh. Steuerpflicht beim Vater).
Die Verpflichtung, einen allfälligen Veräußerungserlös mit anderen Erbberechtigten zu teilen, stellt dagegen keine Verpflichtung zur Leistung einer Ausgleichszahlung aus der eigenen Vermögenssphäre dar. Es liegt daher kein entgeltlicher Vorgang vor. Die spätere Veräußerung der Eigentumswohnung führt aber zur Steuerpflicht beim Veräußerer, wobei die nachfolgende teilweise Weitergabe des Verkaufserlöses an die anderen Erbberechtigten (Kinder) eine steuerlich unbeachtliche Einkünfteverwendung darstellt.
Wird der „weichende Erbe“ mit einem Teil des übertragenen Grundstückes abgefunden, kommt es zu keiner Realisierung der im Grundstück enthaltenen stillen Reserven; es gelten die Grundsätze der Grundstücksrealteilung (siehe Rz 6627).
Für Schenkungen auf den Todesfall gelten die Regeln der Erbauseinandersetzung; siehe Rz 134a ff.
*) Redaktionelle Anmerkung: Im letzten Aufzählungspunkt wurden im Rahmen der Wartung 2023 infolge eines redaktionellen Versehens die Sätze „Für Ausgleichszahlungen aus der Vermögenssphäre des Übernehmers ist die Überwiegensregel des § 20 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 zu beachten. Beträgt die Ausgleichszahlung mindestens 50% des gemeinen Wertes des Grundstückes, liegt eine Veräußerung durch den Übergeber des Grundstückes vor.“ nicht entfernt. Im Rahmen einer Korrektur am 19. April 2023 wurde der Wortlaut richtiggestellt.
6625a
Auch die Übernahme von Verbindlichkeiten stellt eine Gegenleistung dar (siehe Rz 6655). Dabei gilt Folgendes:
- Bei Vereinbarung einer Gesamtschuldnerschaft ist ohne Vereinbarung einer Regressregelung im Innenverhältnis davon auszugehen, dass sich ein Schuldner bis zur Hälfte der Schuld bei dem anderen Schuldner regressieren kann. Ist eine Regressregelung im Innenverhältnis vereinbart, ist als Gegenleistung nur der Teil der Gesamtschuld anzusetzen, die vom Erwerber endgültig zu tragen ist.
- Bei der Vereinbarung einer Gütergemeinschaft ist zu unterscheiden:
- Ist iZm der Vermögensübertragung eine konkrete Leistung und Gegenleistung nicht identifizierbar, kann die Vereinbarung einer ehelichen Gütergemeinschaft nicht als entgeltliche Vermögensübertragung beurteilt werden.
- Kann die Vereinbarung einer Gütergemeinschaft in eine konkrete Leistung und Gegenleistung aufgelöst werden, stellt sie wirtschaftlich eine wechselseitige und somit (potentiell) entgeltliche Vermögensübertragung durch die Ehepartner dar (dabei sind für die Beurteilung, ob eine entgeltliche oder eine unentgeltliche Vermögensübertragung vorliegt, die Ausführungen in Rz 6625 zu beachten).
Tausch
6626
Tauschvorgänge sind grundsätzlich immer als Veräußerungsvorgänge (und Anschaffungsvorgänge) zu werten. Werden aber unter nahen Angehörigen (siehe Rz 1129) Grundstücke (insbesondere im Rahmen einer Erbauseinandersetzung) getauscht, deren Werte sich erheblich unterscheiden, kann auch ein für alle Beteiligten unentgeltliches Rechtsgeschäft vorliegen. Für die Beurteilung gelten die in Rz 6625 dargestellten Grundsätze.
Stellt der Tausch einen Veräußerungs- und Anschaffungsvorgang dar, ist als Veräußerungserlös des hingegebenen und gleichzeitig als Anschaffungskosten des erhaltenen Grundstücks jeweils der gemeine Wert des hingegebenen Grundstücks anzusetzen (vgl. § 30 Abs. 1 letzter Satz iVm § 6 Z 14 lit. a EStG 1988); der Veräußerungserlös fließt allerdings erst in jenem Zeitpunkt zu, zu dem der Steuerpflichtige das wirtschaftliche Eigentum über das erhaltene Grundstück erlangt. Werden Grundstücke getauscht, liegt – sofern keine Steuerbefreiung eingreift (siehe zB zur Flurbereinigung uä. Rz 6652) – bei jedem der Tauschpartner ein steuerpflichtiger Vorgang vor. Durch Ausgleichszahlungen vorgenommene Wertauf- oder -abstockungen sind nur für die Ermittlung des Anschaffungspreises (zB für eine spätere Veräußerung), nicht jedoch für die Ermittlung des Veräußerungserlöses (der Einkünfte nach § 30 EStG 1988) zu berücksichtigen. Die Anschaffungskosten des erhaltenen Grundstückes setzen sich demnach aus dem gemeinen Wert des hingegebenen Grundstückes zuzüglich der geleisteten Aufzahlung zusammen. Beim Tauschpartner sind die Anschaffungskosten des erhaltenen Grundstückes der Wert des von ihm hingegebenen Grundstücks abzüglich der erhaltenen Aufzahlung (vgl. auch Rz 2592).
Beispiel:
Das Grundstück X (Altgrundstück; AK: 50.000; gemeiner Wert 70.000) steht im Eigentum von A und das Grundstück Y (Neugrundstück; AK: 80.000; gemeiner Wert 120.000) im Eigentum von B. Es werden die Grundstücke getauscht, sodass Grundstück X im Eigentum von B und Grundstück Y im Eigentum von A entsteht. A zahlt außerdem an B eine Ausgleichszahlung von 50.000.
Die Einkünfte ermitteln sich wie folgt:
a) A gibt Grundstück X (gemeiner Wert 70.000) an B und erhält dafür von B dessen Grundstück Y (120.000); zusätzlich leistet A eine Ausgleichszahlung von 50.000. Er realisiert dadurch Einkünfte nach § 30 Abs. 4 EStG 1988 von 70.000 Veräußerungserlös x 14% = 9.800. Die Regeleinkünfteermittlung könnte beantragt werden.
b) B gibt das Grundstück Y (gemeiner Wert 120.000) an A und erhält dafür von A dessen Grundstück Y (70.000) und bekommt eine Ausgleichszahlung von 50.000. Er realisiert dadurch nach § 30 Abs. 3 EStG 1988 (vereinfachend ohne Berücksichtigung von Kosten der Mitteilung oder Selbstberechnung) ermittelte Einkünfte nach § 30 EStG 1988 von 120.000 Veräußerungserlös abzüglich 80.000 Anschaffungskosten = 40.000.
Die Ausgleichszahlung wirkt sich hier nur für die Ermittlung der Anschaffungskosten der erworbenen „Grundstückshälften“ aus und beträgt nunmehr:
a) Für A 120.000 (70.000 zuzüglich 50.000, die A als zusätzliches Entgelt für das Grundstück Y bezahlt hat).
b) Für B 70.000 (120.000 abzüglich 50.000, die B als zusätzliches Entgelt für das Grundstück X erhalten hat).
Ein steuerpflichtiger Tausch liegt auch dann vor, wenn Miteigentumsanteile an Grundstücken, welche bewertungsrechtlich keine wirtschaftliche Einheit bilden, zur Begründung von Alleineigentum getauscht werden.
Ebenso kommen auf die Zusammenlegung von Teilflächen zu einer Miteigentümergemeinschaft (zB zur besseren Gestaltung von Bauland) und die nachfolgende Realteilung die Tauschregeln zur Anwendung, soweit der Vorgang nicht nach § 30 Abs. 2 Z 4 EStG 1988 befreit ist (siehe dazu Rz 6652). Ob zunächst Miteigentum begründet und dieses in der Folge geteilt wird oder ob zwischen den Eigentümern benachbarter Grundstücke mehrere Tauschverträge geschlossen werden, darf zu keiner unterschiedlichen steuerlichen Beurteilung führen. Nur hinsichtlich jener Flächen, die in Erfüllung der Vereinbarung wiederum an die früheren (Mit-)Eigentümer zurückfallen, ist nicht von einer Anschaffung auszugehen (VwGH 28.11.2002, 2000/13/0155).
Realteilung
6627
Bei der Realteilung eines im Miteigentum stehenden Grundstücks bzw. einer Mehrzahl von Grundstücken (zB Grund und Boden und Gebäude), welche aber bewertungsrechtlich eine wirtschaftliche Einheit (§ 2 BewG 1955) bilden, liegt aufgrund des Anspruchs der Miteigentümer auf reale Teilung gemäß § 843 ABGB wirtschaftlich betrachtet keine Veräußerung/Anschaffung vor, soweit nicht eine Geldabfindung mit außerhalb der Teilungsmasse befindlichen Wirtschaftsgütern geleistet wird (VwGH 22.6.1976, 0507/74, 0509/74, 0529/74; VwGH 8.9.2022, Ro 2022/15/0007). Dazu zählt zB auch die Übernahme von Verbindlichkeiten; diese zählen selbst dann nicht zur Teilungsmasse, wenn sie untrennbar mit der Liegenschaft verbunden sind. Im Falle von Verschiebungen der Wertverhältnisse ist die „Realteilung“ als zweistufiger Vorgang zu werten (Aufteilung entsprechend der Wertverhältnisse und nicht nach Fläche): In einem ersten Schritt erfolgt die Aufteilung entsprechend der bisherigen Miteigentumsquote(n). In einem zweiten Schritt erfolgt die Verschiebung der Wertverhältnisse. Erfolgt die Verschiebung der Wertverhältnisse nach dem 15.11.2021 gegen die Leistung einer Ausgleichszahlung, die mindestens 75% des von der Verschiebung betroffenen anteiligen gemeinen Wertes ausmacht, liegt eine Teilveräußerung vor (vgl. Rz 6625). Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, ob ein Grundstück auf alle Miteigentümer zur Begründung von Alleineigentum aufgeteilt wird, oder ob ein Grundstücksteil lediglich an einen oder mehrere Miteigentümer „abgeteilt“ wird und der Rest des Grundstückes im Miteigentum der übrigen oder aller bisherigen Miteigentümer verbleibt.
Beispiel:
Ein Grundstück steht je zur Hälfte im Miteigentum von A und B. Der gemeine Wert des Grundstücks beträgt 100.000 Euro. Das Grundstück ist mit einer Hypothek in Höhe von 40.000 Euro belastet. Das Miteigentum wird nach den Wohnungsgrößen aufgeteilt. A erhält eine Wohnung mit einem gemeinen Wert von 70.000 Euro und B eine Wohnung mit einem gemeinen Wert von 30.000 Euro. Die Verbindlichkeit wird im selben Verhältnis wie die Wohnungen aufgeteilt (A übernimmt 28.000 Euro an Verbindlichkeiten, B 12.000 Euro).
In einem ersten Schritt erfolgt die Aufteilung entsprechend der bisherigen Miteigentumsquoten. In einem zweiten Schritt erfolgt die Verschiebung der Wertverhältnisse des Grundstücks (70/30 statt 50/50). Wenn Ausgleichszahlungen mit außerhalb der Teilungsmasse gelegenen Wirtschaftsgütern geleistet werden, die mindestens 75% des von der Verschiebung betroffenen anteiligen gemeinen Wertes (20.000 Euro) ausmachen, liegt ein entgeltlicher Vorgang (Teilveräußerung) vor. Da die Übernahme der Verbindlichkeiten nicht zur Teilungsmasse gehört, handelt es sich um eine Leistung mit Wirtschaftsgütern außerhalb der Teilungsmasse. A übernimmt Verbindlichkeiten in Höhe von 28.000 Euro, somit um 8.000 Euro mehr, als er entsprechend der Miteigentumsquote übernehmen müsste. Da die Gegenleistung nicht 75% des verschobenen gemeinen Wertes erreicht, liegt kein Veräußerungsvorgang vor.
Im Ausmaß der Verschiebung der Wertverhältnisse ändert sich der Charakter als Altgrundstück hinsichtlich des erworbenen Grundstücksteils. Für eine nachfolgende Veräußerung liegt daher eine anteilige Anschaffung eines Neugrundstücks vor.
Beispiel:
Ein Grundstück steht je zur Hälfte im Miteigentum von A und B. Die Anschaffungskosten betragen 20.000 Euro und der gemeine Wert beträgt 100.000 Euro. A und B kommen überein, das Grundstück zu teilen. Dabei erhält A einen Teil, dessen Wert 60.000 Euro beträgt und der Teil des B hat einen Wert von 40.000 Euro. A muss daher an B einen Wertausgleich in Höhe von 10.000 Euro zahlen. Die Ausgleichszahlung entspricht der Wertverschiebung, sodass ein entgeltlicher Vorgang gegeben ist.
Bezogen auf den Wert des Grundstücksanteiles des B vor der Teilung (50.000 Euro) kommt es zu einer Wertverschiebung im Umfang von 20%. Als Anschaffungskosten des durch B veräußerten Grundstücksteiles sind daher 20% der auf ihn entfallenden AK (10.000 Euro) anzusetzen. Der erhaltenen Ausgleichszahlung sind daher anteilige AK von 2.000 Euro gegenüberzustellen. Der Veräußerungsgewinn beträgt daher 8.000 Euro.
Bei A erhöhen sich die auf ihn entfallenden Anschaffungskosten von 10.000 Euro um die gezahlte Ausgleichszahlung und betragen daher insgesamt 20.000 Euro.
Werden aneinandergrenzende Grundstücke (im Alleineigentum verschiedener Steuerpflichtiger) zu einem Grundstück (im Miteigentum aller Beteiligten) vereinigt, sind die Grundsätze der Realteilung sinngemäß anzuwenden, es sei denn das vereinigte Grundstück ist dem Betriebsvermögen einer Mitunternehmerschaft zuzurechnen.
Vermögensgegenstände können grundsätzlich nur dann eine wirtschaftliche Einheit bilden, wenn sie demselben Eigentümer gehören. Zwei Grundstücke, an denen zwar die selben beiden Personen Miteigentümer sind, aber in unterschiedlichen Eigentumsverhältnissen, stellen keine wirtschaftliche Einheit dar. Eine Teilung, sodass jede Person Alleineigentum an einem der beiden Grundstücke erwirbt, stellt einen Tausch dar (VwGH 8.9.2022, Ro 2022/15/0007).
Die Aufgabe des Miteigentums an einem Grundstück gegen Übertragung des Alleineigentums an einem anderen Grundstück stellt keine Realteilung dar. Es liegt ein Tauschvorgang und somit eine Veräußerung im Sinne des § 30 EStG 1988 vor.
Wird keine Ausgleichszahlung (zwischen Fremden) geleistet, ist anzunehmen, dass eine wertäquivalente Aufteilung erfolgt („Fremde pflegen einander nichts zu schenken“).
Bei Zivilteilung einer Liegenschaft und der damit verbundenen Veräußerung im Wege der öffentlichen Feilbietung liegt eine Veräußerung iSd § 30 EStG 1988 vor (VwGH 16.9.1975, 0733/75).
Eine unentgeltliche Anteilsberichtigung anlässlich der Begründung von Wohnungseigentum oder bei Änderungen der Nutzwerte stellt grundsätzlich keinen Veräußerungsvorgang dar (siehe bereits Rz 6624). Werden allerdings Ausgleichszahlungen (Spitzenausgleich) geleistet, besteht wie bei der Realteilung insoweit Steuerpflicht.
Eine vergleichsmäßige Festlegung eines unklaren Grenzverlaufes oder unklarer Eigentumsverhältnisse stellt ebenfalls keinen Tausch dar. Dagegen liegt dann ein Tauschvorgang vor, wenn ein klarer Grenzverlauf durch einen anderen ersetzt wird oder unstrittige Eigentumsverhältnisse einer Neuregelung unterzogen werden.
Die Einlage von Grundstücken in eine Kapitalgesellschaft gilt nach § 6 Z 14 lit. b EStG 1988 als Tausch.
Kein Tausch ist die Zuwendung von Grundstücken an eine Privatstiftung (siehe Rz 6624).
Parifizierung
6627a
Die erstmalige Parifizierung von Eigentumswohnungen stellt keinen Veräußerungs- bzw. Anschaffungsvorgang dar (siehe Rz 6624). Wie bei einer Realteilung liegt eine Konkretisierung der bisherigen Miteigentumsanteile vor und das Wohnungseigentum tritt an die Stelle des bisherigen Miteigentums (bzw. auch Alleineigentums bei Parifizierung von im Alleineigentum stehenden Grundstücken). Somit tritt auch die Eigentumswohnung in die Rechtstellung des bisherigen (anteiligen) Grundstücks ein und es setzen sich die Anschaffungskosten und eine allfällige (anteilige) Altvermögenseigenschaft des Miteigentumsanteiles im geteilten Grundstück fort. Dies gilt sinngemäß auch für den Fall, in dem am ungeteilten Grundstück Alleineigentum des nunmehrigen Wohnungseigentümers aller neuen Eigentumswohnungen bestanden hat.
Beispiel:
A und B erben je zur Hälfte im Jahr 1999 ein Zinshaus mit 10 Mietwohnungen. Im Jahr 2005 kauft A auch den Hälfteanteil des B. Im Jahr 2014 lässt er das Gebäude parifizieren und die Wohnungen in Eigentumswohnungen umwandeln (Begründung von vorläufigem Wohnungseigentum), um diese besser veräußern zu können. Das (vorläufige) Wohnungseigentum tritt an die Stelle des bisherigen Alleineigentums des A. Somit stellen die Eigentumswohnungen bei A je zur Hälfte Alt- und Neuvermögen dar.
Spätere neue Festsetzungen der Nutzwerte gemäß § 9 Abs. 2 WEG 2002 stellen ebenfalls keinen Veräußerungs- bzw. Anschaffungsvorgang dar, wenn keine Gegenleistung erbracht wird.
Zivilteilung
6627b
Erwirbt ein Miteigentümer aus Anlass einer Teilungsklage im Wege der Versteigerung die gesamte Liegenschaft, dann liegt eine Anschaffung nur hinsichtlich der erworbenen Miteigentumsanteile vor. Anschaffungskosten für die erworbenen Miteigentumsanteile sind nur die Teile des Meistbotes, die auf die weichenden bisherigen Miteigentümer entfallen.
Grundstücksverlosung
6628
Beim Verloser eines Grundstücks ist in wirtschaftlicher Betrachtung – ungeachtet der Bezeichnung als „Verlosung“ – ertragsteuerlich ein Veräußerungsgeschäft anzunehmen. Der Verloser hat nicht die Absicht, das Grundstück unentgeltlich zu übertragen, sondern einen – einer „klassischen“ Veräußerung vergleichbaren – Gewinn zu erzielen.
Der Verloser verwirklicht daher den Veräußerungstatbestand (zu den Steuerbefreiungen siehe Rz 6632 ff). Veräußerungserlös ist der Gesamterlös aller verkauften Lose.
Der Lospreis ist im Rahmen eines synallagmatischen Verhältnisses an den Gesamtwert des verlosten Objektes gebunden. Unter diesem Aspekt und unter Beachtung, dass die Begriffe „Veräußerung“ und „Anschaffung“ korrespondierend sind (siehe Rz 6623), führt die Veräußerung auf Seiten des „Verlosers“ daher auf Seiten des „Gewinners“ zu einem Anschaffungsvorgang.
Die Anschaffungskosten entsprechen seinem Lospreis zuzüglich der Anschaffungsnebenkosten. Veräußert der „Gewinner“ seinerseits das Grundstück, liegen bei ihm Einkünfte nach § 30 EStG 1988 vor. Die Besteuerung der vollen Differenz zwischen den Anschaffungskosten und dem Veräußerungserlös (abzüglich allfälliger zwischenzeitiger Herstellungs- oder Instandsetzungskosten) entspricht dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit.
Baurecht
6628a
Die Veräußerung eines Baurechts an einem privaten Grundstück führt zu Einkünften gemäß § 30 EStG 1988. Eine Veräußerung liegt vor, wenn für die Übertragung des Baurechts ein entsprechendes Entgelt geleistet wird (zB Barzahlung oder Schuldübernahmen hinsichtlich bereits fällig gewordener und vom Veräußerer noch nicht entrichteter Bauzinse).
Die Übernahme der noch offenen, nicht fälligen Bauzinse stellt keinen Veräußerungserlös dar; es liegt eine unentgeltliche Übertragung des Baurechts vor.
Bei erstmaliger Einräumung des Baurechts entsteht das Baurecht originär, eine Anschaffung liegt daher nicht vor, sondern es führt die entgeltliche Einräumung des Baurechts gemäß § 28 EStG 1988 zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (siehe dazu Rz 6408a). Da der Tatbestand des § 30 EStG 1988 keine Anschaffung des veräußerten Wirtschaftsgutes verlangt, fällt auch die erstmalige Veräußerung des Baurechts unter § 30 EStG 1988. Hat der Baurechtsinhaber dem Grundstückseigentümer für die Einräumung des Baurechts kein eigenes Entgelt geleistet, sind die Anschaffungskosten des Baurechts mit Null anzusetzen.
22.4.2.2 Sonderfragen zum Einkünftetatbestand
6629
Ein „Vorvertrag“ (oder ähnliche Vereinbarungen) ist ein Vertrag, dessen Gegenstand die Verpflichtung zum Vertragsabschluss zu einem späteren Zeitpunkt ist. Bei Kaufverträgen ist im Zweifel allerdings nicht der Abschluss eines Vorvertrages anzunehmen, sondern der Abschluss des unmittelbaren Verpflichtungsgeschäftes, weil die wesentlichen Vertragsinhalte (Kaufgegenstand und Preis) mit denen des intendierten Hauptvertrages ident sein müssen (OGH 13.7.1993, 4Ob519/93).
Der Zeitpunkt des förmlichen Abschlusses des Kaufvertrages ist dann nicht maßgebend, wenn schon vorher ein Tatbestand verwirklicht wurde, der den wirtschaftlichen Vorteil eines Verkaufsgeschäftes für beide Vertragsteile vorwegnimmt (VwGH 17.12.1965, 2372/64; VwGH 23.2.1971, 1753/70; VwGH 20.11.1997, 96/15/0256).
Erfolgt die Nutzung einer Eigentumswohnung auf Basis eines Anwartschaftsvertrages (zum Erwerb des Wohnungseigentums), führt der Abschluss dieses Vertrages zur Anschaffung der Wohnung, auch wenn der förmliche Abschluss des Kaufvertrages erst später erfolgt (VwGH 9.11.1988, 87/13/0096). Im Unterschied dazu führt der Abschluss eines Mietvertrages mit Kaufoption nicht zur Anschaffung der Wohnung (zum Anschaffungszeitpunkt bei Kaufoptionen siehe Rz 6623).
6630
In wirtschaftlicher Betrachtungsweise macht es bei der Ermittlung der Einkünfte keinen Unterschied, ob dem Veräußerer die wirtschaftlichen Vorteile vom Erwerber oder von Dritten (am Zustandekommen des Veräußerungsgeschäftes interessierten) Personen gewährt werden (VwGH 28.11.2000, 97/14/0032).
6631
Vom Tatbestand des § 30 EStG 1988 sind grundsätzlich auch ausländische Grundstücke betroffen. Auch bei diesen Grundstücken ist zu unterscheiden, ob diese bei einer gedanklichen Veräußerung zum 31.3.2012 nach § 30 EStG 1988 idF vor dem 1. StabG 2012 steuerhängig gewesen wären oder nicht (bei dieser Prüfung ist nicht relevant, ob nach dem anzuwendenden DBA Österreich ein Besteuerungsrecht zukommt).
Da bei am 31.3.2012 beschränkt Steuerpflichtigen die Veräußerung eines ausländischen Grundstücks mangels Nennung in § 98 EStG 1988 nicht steuerbar war, war das Grundstück auch nicht steuerhängig. Daher können die Einkünfte nach § 30 Abs. 4 EStG 1988 ermittelt werden, wenn ein bislang beschränkt Steuerpflichtiger mit einem ausländischen Grundstück, das er bereits am 31.3.2012 in seinem Vermögen hatte, nach dem 31.3.2012 nach Österreich zuzieht und in der Folge das Grundstück veräußert (siehe auch Rz 6654).
Kommt bezüglich ausländischer Grundstücke auf Grund eines DBA die Befreiungsmethode zur Anwendung, sind die Einkünfte aus der Grundstücksveräußerung nicht im Wege des Progressionsvorbehaltes zu berücksichtigen, weil die Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen auf Grund des besonderen Steuersatzes keine progressionserhöhende Wirkung entfalten. In diesem Fall ist auch keine besondere Vorauszahlung durch den Veräußerer zu entrichten. Wird von der Regelbesteuerungsoption Gebrauch gemacht oder unterliegt die Grundstücksveräußerung gemäß § 30a Abs. 3 oder Abs. 4 EStG 1988 nicht dem besonderen Steuersatz, sind die Einkünfte aus der Veräußerung des ausländischen Grundstückes für den Progressionsvorbehalt zu berücksichtigen.
Kommt bezüglich ausländischer Grundstücke auf Grund eines DBA die Anrechnungsmethode zur Anwendung, sind die Einkünfte entsprechend des inländischen Rechts der Besteuerung zu unterwerfen und die auf diese Einkünfte entfallende ausländische Steuer ist anzurechnen. Für solche Einkünfte ist mangels Anwendbarkeit des Regimes der ImmoESt eine besondere Vorauszahlung zu leisten, sofern nicht die Ausnahmen von der besonderen Vorauszahlung gemäß § 30b Abs. 4 und 5 EStG 1988 zur Anwendung kommen.
22.4.3 Steuerbefreiungen (§ 30 Abs. 2 und § 3 Abs. 1 Z 33 EStG 1988)
22.4.3.1 Hauptwohnsitzbefreiung
22.4.3.1.1 Eigenheim, Eigentumswohnung
6632
Eigenheime und Eigentumswohnungen samt Grund und Boden fallen nicht unter die Steuerpflicht nach § 30 EStG 1988, wenn sie dem Veräußerer durchgehend
- seit der Anschaffung oder Herstellung (Fertigstellung), mindestens aber seit zwei Jahren (1. Tatbestand) oder
- für mindestens fünf Jahre innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Veräußerung (2. Tatbestand)
als Hauptwohnsitz gedient haben, und in beiden Fällen der Hauptwohnsitz aufgegeben wird.
Gegenüber der Hauptwohnsitzbefreiung im Rahmen des Spekulationstatbestandes bis 31.3.2012 sind folgende Änderungen gegeben:
- Hauptwohnsitzzeiten als „Wohnungseigentumsbewerber“ zählen bereits mit (siehe Rz 6640).
- Eine verlängerte Toleranzfrist von einem Jahr (bisher etwa sechs Monate) für die Begründung und die Aufgabe des Hauptwohnsitzes (siehe Rz 6641).
- die Fünfjahresfrist (2. Tatbestand, siehe Rz 6642),
- das Erfordernis der Aufgabe des Hauptwohnsitzes im Rahmen der Veräußerung (siehe Rz 6643),
- die Voraussetzung, dass der Veräußerer selbst das Hauptwohnsitzerfordernis erfüllt (siehe Rz 6644).
6633
Die Begriffe „Eigenheim“ und „Eigentumswohnung“ sind nach der Legaldefinition des § 18 Abs. 1 Z 3 lit. b EStG 1988 auszulegen. Demnach ist
- ein Eigenheim ein Wohnhaus mit nicht mehr als zwei Wohnungen,
- eine Eigentumswohnung eine Wohnung iSd Wohnungseigentumsgesetzes (es muss daher zumindest im Zeitpunkt der Veräußerung der Wohnungseigentumsvertrag iSd § 3 Abs. 1 Z 1 WEG 2002 abgeschlossen worden sein) oder eine vergleichbare ausländische Wohnung,
wenn mindestens 2/3 der Gesamtnutzfläche eigenen Wohnzwecken dienen; unschädlich ist es aber, wenn mehr als 1/3 der Gesamtnutzfläche von nahen Angehörigen oder fremden Dritten unentgeltlich für Wohnzwecke genutzt werden. Zur Gesamtnutzfläche zählen nur Räume, die betrieblich genutzt werden oder die bewohnbar ausgestattet sind.
Als Eigenheim kann nur ein Wohnhaus angesehen werden, das dazu geeignet ist, ganzjährige Wohnbedürfnisse zu befriedigen. Die Eignung zu diesem Zweck ist nach den tatsächlichen Verhältnissen unter Heranziehung der Verkehrsauffassung zu beurteilen. Weiters kommt es bei der Beurteilung der Frage, ob ein Wohnhaus vorliegt, auf dessen bauliche Gestaltung und die auf Grund seiner Ausstattung bestehende objektive Eignung, dieses dauernd zu bewohnen, und nicht so sehr auf eine vollständige Einrichtung an (VwGH 19.9.1989, 88/14/0179). Ein ehemaliges Hotel – auch wenn es teilweise als Hauptwohnsitz benutzt wurde – stellt daher kein Eigenheim dar.
Eine Eigentumswohnung iSd § 18 Abs. 1 Z 3 lit. b EStG 1988 bzw. iSd WEG 2002 liegt nicht vor, wenn mit bloßem ideellem Miteigentum nur eine Benützungsvereinbarung einer Wohnung verbunden ist (siehe VwGH 22.11.2017, Ra 2017/13/0002).
Schädlich ist beispielsweise die Nutzung für betriebliche Zwecke, als häusliches Arbeitszimmer im Rahmen der nichtselbständigen Einkünfte oder die Vermietung für fremde Wohnzwecke (VwGH 27.8.1991, 90/14/0240), wenn diese insgesamt mehr als 1/3 der Nutzfläche umfasst. Dies gilt auch dann, wenn diesbezüglich aufgrund einer ertragsteuerlichen Beurteilung als Liebhaberei keine Einkunftsquelle vorliegt.
Es ist für die Anwendbarkeit der Befreiung nicht erforderlich, dass entsprechende Sonderausgaben geltend gemacht worden sind oder geltend gemacht hätten werden können. Die Eigenschaft als Eigenheim muss während des gesamten unten näher erläuterten Zeitraumes der Nutzung als Hauptwohnsitz gewahrt sein (siehe dazu Rz 6639). Dies gilt jedoch nicht für eine Eigentumswohnung; hier ist es ausreichend, wenn eine solche zum Zeitpunkt der Veräußerung vorliegt (VwGH 24.1.2018, Ra 2017/13/0005; zu den Auswirkungen einer Parifizierung siehe auch Rz 6640). Für die Hauptwohnsitzbefreiung ist auch das (wirtschaftliche) Eigentum des Veräußerers während der gesamten Behaltedauer erforderlich, ausgenommen bei Schenkung oder Erbschaft (siehe Rz 6642).
6633a
Bei land- und forstwirtschaftlichen Anwesen, bei welchen das Wohngebäude an das Wirtschaftsgebäude (Stall, Tenne) angebaut ist und mit diesem eine bauliche Einheit darstellt, ist bei einem für Wohnzwecke genutzten Anteil von mindestens 20% der Gesamtnutzfläche (siehe dazu Rz 566 iVm Rz 559) trotz baulicher Verbindung in folgenden Fällen von einem eigenen Wohngebäude auszugehen:
- An ein bestehendes Wirtschaftsgebäude wurde ein Wohngebäude angebaut – Verbindungstüren oder ein als Verbindung dienender Vorraum sind dabei unschädlich.
- Wohngebäude und Wirtschaftsgebäude wurden zusammen neu errichtet, aufgrund der baulichen Gestaltung ist aber trotz der baulichen Verbindung nach außen hin erkennbar, dass kein einheitliches Gebäude vorliegt – Verbindungstüren oder ein als Verbindung dienender Vorraum sind dabei unschädlich.
- Wohngebäude und Wirtschaftsgebäude wurden zusammen in einem Gebäudeblock errichtet (einheitliches Dach, einheitliche Fassade) – trotz dieser baulichen Gestaltung ist von zwei verschiedenen Gebäuden auszugehen, wenn folgende Trennung zwischen Wohn- und Wirtschaftsgebäude vorliegt:
- Eine Feuermauer zwischen Wohn- und Wirtschaftsgebäude,
- eine Verschachtelung von Wohn- und Wirtschaftsräumen (zB im Erdgeschoß Wirtschaftsräume, im Obergeschoß Wohnräume) ist nicht gegeben und
- die Zweckwidmung, inwieweit Wohnräume oder Wirtschaftsräume vorliegen, ist aufgrund objektiver Kriterien eindeutig gegeben und auch nach außen hin erkennbar.
Das bedeutet, dass die Zwei-Drittel-Grenze für eigene Wohnzwecke nach § 18 Abs. 1 Z 3 lit. b EStG 1988 in diesen Fällen bei der Beurteilung des Eigenheimes außer Acht zu lassen ist, da von einem eigenen Wohngebäude auszugehen ist. Die Hauptwohnsitzbefreiung ist daher bei Vorliegen aller sonstigen Voraussetzungen für das Wohngebäude zu gewähren. Für betrieblich und privat genutzte Grundstücke siehe Rz 6634d.
6633b
Wird ein als Hauptwohnsitz genutztes Eigenheim samt Grundstück in zeitlicher Nähe anteilig an zwei verschiedene Erwerber veräußert, wobei der eine Erwerber nur Grund und Boden erwirbt, kommt die Hauptwohnsitzbefreiung aufgrund des engen zeitlichen Zusammenhangs der beiden Veräußerungsvorgänge sowohl für die Veräußerung des Grund und Boden-Teils als auch für die Veräußerung des Gebäudes mit dem restlichen Grund und Boden zur Anwendung; dabei ist aber die 1.000 m²-Grenze zu beachten (siehe Rz 6634 f).