29.1 Allgemeines
7701
Bis zum BBG 2011 stellten nur Früchte aus der entgeltlichen Überlassung von Kapital Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 27 EStG 1988 dar und auch § 93 EStG 1988 stellte auf entsprechende Kapitalerträge ab, ohne direkt an § 27 EStG 1988 anzuknüpfen.
Mit dem BBG 2011 wurden auch Substanzgewinne und Derivate in die Einkünfte aus Kapitalvermögen einbezogen und auch für sie wurde ein Kapitalertragsteuerabzug vorgesehen. § 93 EStG 1988 stellt jedoch seit dem BBG 2011 nicht mehr auf eigens definierte Kapitalerträge ab, sondern ordnet den Kapitalertragsteuerabzug immer dann an, wenn inländische Einkünfte aus Kapitalvermögen vorliegen. Die Abzugspflicht gilt unabhängig davon, ob die Einkünfte beim Empfänger tatsächlich als Einkünfte aus Kapitalvermögen besteuert oder einer der Haupteinkunftsarten zugerechnet werden (§ 93 Abs. 3 EStG 1988).
Zentraler Anknüpfungspunkt für den Kapitalertragsteuerabzug ist neben dem Vorliegen von Einkünften aus Kapitalvermögen, dass es sich um „inländische“ Einkünfte handelt, es also einen Inlandsbezug gibt, aus dem sich dann gleichzeitig auch der Abzugsverpflichtete (§ 95 EStG 1988) ergibt.
Für die Subtatbestände des § 27 EStG 1988 sind unterschiedliche Inlandsbezüge maßgeblich.
7702
Einkünfte aus Kapitalvermögen, auf die die besonderen Steuersätze von 25% bzw. 27,5% gemäß § 27a Abs. 2 EStG 1988 nicht anwendbar sind, unterliegen keinem Kapitalertragsteuerabzug. Daraus ergeben sich folgende materiell-rechtliche Änderungen beim Kapitalertragsteuerabzug gegenüber der Rechtslage vor dem BBG 2011:
- Einkünfte aus der Beteiligung als stiller Gesellschafter oder nach Art eines stillen Gesellschafters unterliegen ab 1. April 2012 keinem Kapitalertragsteuerabzug mehr. Allerdings sieht § 99 Abs. 1 Z 7 EStG 1988 zur Sicherung des Besteuerungsanspruchs eine 27,5-prozentige (bis 31.12.2015 eine 25-prozentige) Abzugsteuer vor, wenn sich ein beschränkt Steuerpflichtiger still an einem inländischen Unternehmen beteiligt.
- Einkünfte aus nicht öffentlich begebenen
- Wertpapieren, die ein Forderungsrecht verbriefen, sowie
- Anteilen an einem § 40 oder § 42 des Immobilien-Investmentfondsgesetzes unterliegenden Gebilde
unterliegen keinem Kapitalertragsteuerabzug. Allerdings hat der Abzugsverpflichtete gemäß § 93 Abs. 5 zweiter TS EStG 1988 bei ausländischen Wertpapieren bzw. Anteilen an einem § 40 oder § 42 des Immobilien-Investmentfondsgesetzes unterliegenden Gebilde im Zweifel davon auszugehen, dass ein öffentliches Angebot erfolgt ist (siehe Abschnitt 29.5.2.2).
29.2 Inländische Kapitalerträge
7703
Bei inländischen Einkünften aus Kapitalvermögen wird gemäß § 93 Abs. 1 EStG 1988 die Einkommensteuer durch Kapitalertragsteuerabzug erhoben, sofern es sich nicht um in § 27a Abs. 2 EStG 1988 genannte Einkünfte handelt. Wann inländische Einkünfte aus Kapitalvermögen vorliegen, wird in § 93 Abs. 2 EStG 1988 definiert.
29.2.1 Auszahlende Stelle bzw. Schuldner bei Einkünften aus der Überlassung von Kapital
7704
Bei Einkünften aus der Überlassung von Kapital gemäß § 27 Abs. 2 EStG 1988 liegen inländische Einkünfte vor, wenn sich die auszahlende Stelle nach § 95 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988 im Inland befindet.
Bei Einkünften aus
- der Überlassung von Kapital gemäß § 27 Abs. 2 Z 1 EStG 1988,
- § 27 Abs. 5 Z 7 EStG 1988 und
- Zinsen aus Geldeinlagen bei Kreditinstituten und aus sonstigen Geldforderungen gegenüber Kreditinstituten
liegen auch dann inländische Einkünfte aus Kapitalvermögen vor, wenn der Schuldner der Kapitalerträge Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz im Inland hat. Ist dies der Fall, ist der inländische Schuldner zugleich nach § 95 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG 1988 Abzugsverpflichteter, selbst wenn auch eine inländische auszahlende Stelle vorliegt.
Abzugsverpflichteter inländischer Schuldner ist daher
- bei Aktien, Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Genossenschaftsanteilen, Partizipationsscheinen im Sinne des Bankwesen- und Versicherungsaufsichtsgesetzes, Substanzgenussrechten und Anteilen aus körperschaftlich organisierten Agrargemeinschaften die jeweilige Körperschaft;
- bei Zuwendungen gemäß § 27 Abs. 5 Z 7 EStG 1988 die Privatstiftung;
- bei Zinsen aus Geldeinlagen bei Kreditinstituten und aus sonstigen Geldforderungen gegenüber Kreditinstituten das jeweilige Kreditinstitut.
Beispiele:
1. Anleger A hält Aktien an der inländischen X-AG auf seinem Depot bei einer österreichischen Bank; die X-AG schüttet Dividenden aus. Die X-AG hat als inländische Schuldnerin der Kapitalerträge die KESt einzubehalten.
2. Anleger B hält Aktien an der deutschen Y-AG auf seinem Depot bei einer österreichischen Bank; die Y-AG schüttet Dividenden aus. Die österreichische Bank hat als inländische auszahlende Stelle die KESt einzubehalten.
3. Anleger C hält Aktien an der deutschen Z-AG auf seinem Depot bei einer ausländischen Bank; die Z-AG schüttet Dividenden aus. Die Dividenden unterliegen mangels inländischem Schuldner und inländischer auszahlender Stelle keinem KESt-Abzug, sind aber im Rahmen der Veranlagung zu erklären und mit dem besonderen Steuersatz von 27,5% (bis 31.12.2015 25%) zu besteuern.
4. Anleger D hält Anleihen an einem österreichischen Unternehmen und an einem deutschen Unternehmen auf seinem Depot bei einer österreichischen Bank; bei Kuponauszahlung hat in beiden Fällen die österreichische Bank als inländische auszahlende Stelle die KESt einzubehalten.
5. Anleger E hat ein Sparbuch bei seiner österreichischen Bank. Für die Zinsen hat diese als inländische Schuldnerin der Kapitalerträge die KESt einzubehalten.
6. Anleger F erhält Zuwendungen von der österreichischen A-Privatstiftung und der ausländischen B-Stiftung; beide Zuwendungen werden auf seinem Konto bei einer österreichischen Bank gutgeschrieben. Die A-Privatstiftung hat als inländische Schuldnerin der Kapitalerträge KESt für die Zuwendung einzubehalten; die Zuwendung der B-Stiftung unterliegt keinem KESt-Abzug.
7704a
Dem Empfänger der Kapitalerträge ist die Kapitalertragsteuer ausnahmsweise vorzuschreiben, wenn
- der Abzugsverpflichtete die Kapitalerträge nicht vorschriftsmäßig gekürzt hat und die Haftung nach § 95 Abs. 1 EStG 1988 nicht oder nur erschwert durchsetzbar wäre oder
- der Empfänger weiß, dass der Abzugsverpflichtete die einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht vorschriftsmäßig abgeführt hat und dies dem Finanzamt nicht unverzüglich mitgeteilt hat.
Vor einer Vorschreibung der Kapitalertragsteuer beim Empfänger der Kapitalerträge ist zu prüfen, ob beim Abzugsverpflichteten die Haftung nicht oder nur erschwert durchsetzbar wäre bzw. ist. Die festgestellten Gründe der erschwerten Durchsetzbarkeit sind vom Finanzamt im Bescheid anzuführen.
Eine nicht durchsetzbare Haftung ist beispielsweise bei
- Vollbeendigung einer Gesellschaft oder der Löschung einer Gesellschaft nach den §§ 39 und 40 FBG sowie
- einer fehlenden und nicht feststellbaren (Zustell-)Adresse
gegeben.
Eine erschwerte Durchsetzbarkeit der Haftung ist beispielsweise bei
- mangelndem Vermögen zur Begleichung der Haftungsschuld,
- erfolglosen Einbringungsversuchen der gesamten oder einem Teil der Haftungsschuld oder
- der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Haftungsschuldners
7705
Für die Auslegung des Begriffes „Kreditinstitut“ ist § 1 BWG maßgeblich. Als inländisches Kreditinstitut gelten dabei aufgrund der inländischen Geschäftsleitung insbesondere auch inländische Zweigstellen ausländischer Kreditinstitute im Sinne des § 2 Z 16 BWG.
7705a
Geldeinlagen bei Kreditinstituten sind insbesondere Spareinlagen zu Sparbüchern einschließlich Prämiensparbüchern, Sparbriefen sowie Kapitalsparbüchern, weiters Einlagen bei Bausparkassen, Termineinlagen, Festgelder und Sichteinlagen, jeweils in Euro oder Fremdwährung.
Nimmt ein Kreditinstitut als Treuhänder von einem Dritten Geldeinlagen an, werden diese Gelder aufgrund der auch im Bereich der Kapitalertragsteuer zu beachtenden Grundsätze des § 24 Abs. 1 lit. b und c BAO nicht ihr, sondern dem Treugeber zugerechnet. Werden die Einlagen vom Treuhänder nicht an ein weiteres Kreditinstitut weitergegeben, besteht für die Zinserträge daher keine Steuerpflicht.
Als Geldeinlagen bei einem Kreditinstitut gelten jedoch jene von Kreditinstituten treuhändig aufgenommenen Einlagen, für deren Verlust das Kreditinstitut das wirtschaftliche Risiko trägt. Dies ist etwa der Fall, wenn ein Treugeber ein Kreditinstitut beauftragt, für ihn Geld aufzunehmen und dieses oder ein anderes Kreditinstitut gegenüber dem Anleger eine Garantie für das eingelegte Kapital übernimmt. Gleiches gilt für Gelder, die von einem Kreditinstitut nicht als Einlagen, sondern nur zur Verwaltung hereingenommen werden und für deren Verlust das Kreditinstitut das wirtschaftliche Risiko übernimmt. Dies kann insbesondere bei sogenannten Widmungseinlagen der Fall sein. Es handelt sich dabei um Gelder, die der Anleger einem Kreditinstitut mit einer bestimmten Verwendungsauflage (zB Verwendung zu Kreditzwecken) zur Verwaltung überlässt.
7705b
Zinserträge aus sonstigen Geldforderungen gegenüber Kreditinstituten unterliegen nur dann der Kapitalertragsteuerpflicht, wenn diesen Forderungen ein Bankgeschäft zu Grunde liegt (§ 27a Abs. 2 Z 1 EStG 1988). Dies ist etwa der Fall, wenn ein Anleger einem Kreditinstitut ein verzinsliches Darlehen einräumt. Keine Kapitalertragsteuerpflicht besteht hingegen zB für Verzugszinsen, die ein Kreditinstitut auf Grund eines von ihm abgeschlossenen Kaufvertrages bezahlt. Sehr wohl kapitalertragsteuerpflichtig sind dagegen Verzugszinsen, die aus der Rückabwicklung eines Wertpapiergeschäftes (zB aufgrund falscher Anlegerinformation) stammen.
7706
In allen anderen Fällen ist gemäß § 95 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988 die inländische auszahlende Stelle Abzugsverpflichtete. Als auszahlende Stelle im Sinne des § 95 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988 kommen in Betracht:
- das Kreditinstitut, das an den Kuponinhaber Kapitalerträge im Zeitpunkt der Fälligkeit und anteilige Kapitalerträge anlässlich der Veräußerung des Wertpapiers auszahlt,
- der inländische Emittent, der an den Kuponinhaber solche Kapitalerträge auszahlt,
- die Zweigstelle eines Dienstleisters mit Sitz in einem Mitgliedstaat, der auf Grund der Richtlinie 2013/36/EU, ABl. Nr. L 176 vom 27.06.2013 S. 338, oder auf Grund der Richtlinie 2004/39/EG, ABl. Nr. L 145 vom 30.04.2004 S. 1, in der Fassung der Richtlinie 2010/78/EU, ABl. Nr. L 331 vom 15.12.2010 S. 120, zur Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und Nebendienstleistungen im Inland berechtigt ist,
- ein Dritter, der Kapitalerträge im Sinne des § 27 Abs. 5 Z 1 und 2 EStG 1988 gewährt und
- bei ausländischen Kapitalerträgen im Sinne des § 27 Abs. 2 Z 1 lit. a bis c EStG 1988 das Kreditinstitut, das die Kapitalerträge auszahlt.
Bei Kapitalerträgen aus Forderungswertpapieren ist zu unterscheiden, von wem die Kapitalerträge an den Kuponinhaber ausbezahlt (gutgeschrieben) werden (§ 95 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988):
- Erfolgt die Auszahlung durch ein inländisches Kreditinstitut, ist dieses als kuponauszahlendes Kreditinstitut zum Steuerabzug verpflichtet. Die Abzugsverpflichtung besteht daher sowohl bei Auszahlung von Kapitalerträgen aus eigenen Emissionen als auch bei Auszahlung von Kapitalerträgen aus fremden Emissionen. Die Abzugspflicht ist dabei nicht davon abhängig, ob das Wertpapier beim betreffenden Kreditinstitut hinterlegt ist. Erfolgt die Auszahlung durch ein ausländisches Kreditinstitut, findet kein Kapitalertragsteuerabzug statt.
- Der inländische Emittent ist hingegen nur zum Steuerabzug verpflichtet, wenn er die Zinsen direkt an den (in- oder ausländischen) Kuponinhaber auszahlt; die Abzugsverpflichtung besteht in diesem Fall auch, wenn der Emittent kein Kreditinstitut ist (wie bspw. eine Körperschaft öffentlichen Rechts).
7706a
Kapitalertragsteuer ist auch von ausländischen Dividenden und Ausschüttungen auf GmbH-Anteile (wenn die ausländische Kapitalgesellschaft mit einer inländischen vergleichbar ist; VwGH 20.09.2006, 2005/14/0124), Bezügen und Rückvergütungen ausländischer Genossenschaften sowie Ausschüttungen von ausländischen Beteiligungen, die mit Substanzgenussrechten vergleichbar sind, einzubehalten, wenn diese Kapitalerträge von einer inländischen auszahlenden Stelle ausbezahlt werden. Hinsichtlich der Eigenschaft als ein der Kapitalertragsteuer unterliegender Kapitalertrag haftet der Abzugsverpflichtete nur insoweit, als er diese Eigenschaft kannte oder auf Grund der regulatorisch vorgesehenen Sorgfaltspflichten kennen musste.
7706b
Bei im Inland ausbezahlten ausländischen Dividenden und vergleichbaren Kapitalerträgen kann die im Ausland tatsächlich entrichtete Quellensteuer auf die Kapitalertragsteuer angerechnet werden. Im Falle einer Anrechnung hat diese von der auszahlenden Stelle, die zum Abzug verpflichtet ist, vorgenommen zu werden. Für Zwecke dieser Anrechnung findet eine Überprüfung der Ansässigkeit gemäß Doppelbesteuerungsabkommen durch die auszahlende Stelle nicht statt.
Der Anrechnungsbetrag ist einerseits begrenzt durch die tatsächlich entrichtete ausländische Quellensteuer, andererseits durch einen Anrechnungshöchstsatz von 15% des Kapitalertrages. Diese Anrechnung der tatsächlich entrichteten ausländischen Quellensteuer von bis zu 15% der Kapitalerträge gilt gemäß § 1 Abs. 2 Auslands-KESt VO 2012, BGBl. II Nr. 92/2012, auch für Kapitalerträge aus Quellenstaaten, mit denen kein DBA besteht.
7706c
Als Bescheinigung im Sinne des § 96 Abs. 4 EStG 1988 reichen beim Steuerabzug von Kapitalerträgen aus Einlagen und Forderungswertpapieren grundsätzlich alle Unterlagen aus, aus denen die Einbehaltung der Kapitalertragsteuer ersichtlich ist (Sparbuch, Depotauszug). Eine Aufteilung der Beträge an Kapitalertragsteuer auf unterschiedlich verzinste Einlagezeiträume ist nicht erforderlich.
Eine vollständige Bescheinigung ist allerdings dann auszustellen, wenn der Anleger dies wegen einer Anrechnung der Kapitalertragsteuer im Zuge der Veranlagung verlangt.
In allen anderen Fällen, in denen die Kapitalerträge nicht durch ein Kreditinstitut gezahlt werden, hat der Abzugsverpflichtete dem Empfänger der Kapitalerträge eine vollständige Bescheinigung nach § 96 Abs. 4 EStG 1988 zu erteilen. Diese Bescheinigung hat zu enthalten:
- die Höhe der Einkünfte und des Steuerbetrages
- den Zahlungstag der Einkünfte
- die Zeit, für welche die Einkünfte gezahlt worden sind, und
- das Finanzamt, an das der Steuerbetrag abgeführt worden ist.
7706d
Bei Ausschüttungen und ausschüttungsgleichen Erträgen aus Investmentfondsanteilen, die bei einer inländischen depotführenden Stelle gehalten werden, kann eine unmittelbare Anrechnung der ausländischen Quellensteuern auf die KESt auf Grundlage der Auslands-KESt VO 2012 (BGBl. II Nr. 92/2012) iVm der Fonds-Melde-Verordnung 2015 (BGBl. II Nr. 167/2015 idgF) erfolgen, soweit es sich um Kapitalerträge gemäß § 27 Abs. 2 Z 1 lit. a bis c EStG 1988 handelt (InvFR 2018 Rz 544). Bei Nichtmeldefonds ist eine Anrechnung der Quellensteuer bei tatsächlichen Ausschüttungen und ausschüttungsgleichen Erträgen, die der pauschalen Besteuerung unterliegen, nicht vorzunehmen. Eine Anrechnung ausländischer Quellensteuern ist in diesem Fall ausschließlich in Folge eines Selbstnachweises möglich (§ 186 Abs. 2 Z 3 und 4 InvFG 2011).
29.2.2 Depotführende Stelle bei realisierten Wertsteigerungen und verbrieften Derivaten
29.2.2.1 Allgemeines
7707
Bei Einkünften aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen und aus Derivaten gemäß § 27 Abs. 3 und 4 EStG 1988, ausgenommen nicht verbriefte Derivate, liegen inländische Einkünfte vor, wenn eine inländische depotführende Stelle oder eine inländische auszahlende Stelle im Sinne von § 95 Abs. 2 Z 2 lit. a und b EStG 1988 vorliegt und diese die Realisierung abwickelt. Damit decken sich auch im Bereich der Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen und aus Derivaten das Vorliegen inländischer Einkünfte und das Vorhandensein eines Abzugsverpflichteten.
Da eine depotführende Stelle allerdings nur dann den Kapitalertragsteuerabzug vornehmen kann, wenn sie über die dazu notwendigen Informationen verfügt, ist die Abzugsverpflichtung nur dann gegeben, wenn die depotführende Stelle in das Realisierungs- beziehungsweise Wertpapiergeschäft eingebunden ist. Voraussetzung ist daher, dass die depotführende Stelle die Realisierung selbst abgewickelt. Zur Abwicklung der Realisierung bei Kapitalmaßnahmen siehe § 2 Abs. 2 Z 1 Kapitalmaßnahmen-VO.
7707a
Ausnahmsweise ist bei Fehlen einer inländischen depotführenden Stelle die inländische auszahlende Stelle verpflichtet, den Kapitalertragsteuerabzug vorzunehmen, wenn es sich bei der depotführenden Stelle um eine Betriebsstätte beziehungsweise eine Zweigniederlassung der auszahlenden Stelle oder ein konzernzugehöriges Unternehmen handelt und die auszahlende Stelle in Zusammenarbeit mit der depotführenden Stelle die Realisierung abwickelt und die Realisationserlöse gutschreibt. Eine solche Zusammenarbeit bei der Realisierung liegt etwa dann vor, wenn der Auftrag zur Durchführung des Realisierungsvorgangs über die inländische auszahlende Stelle weitergeleitet wird.
Beispiel:
Der unbeschränkt steuerpflichtige A hat Aktien auf einem Depot der rumänischen Bank X, die eine Tochtergesellschaft der Hausbank des A, der österreichischen Bank Z ist. Beim Verkauf der Aktien erfolgt die Ordererteilung nicht direkt an die depotführende Bank X, sondern an die Hausbank Z. Die Order wird dabei von der Hausbank Z an die depotführende Bank X weitergeleitet und die Verkaufserlöse durch Z an A gutgeschrieben.
Aufgrund der Zusammenarbeit bei der Realisierung und der konzernmäßigen Verbindung der zwei Banken gilt die österreichische Hausbank Z als auszahlende Stelle iSd § 95 Abs. 2 Z 2 lit. b EStG 1988 und ist somit von der Verpflichtung des Kapitalertragsteuerabzugs erfasst.
7708
Als inländische depotführende oder auszahlende Stellen kommen gemäß § 95 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 in Betracht:
- Kreditinstitute im Sinne des Bankwesengesetzes (§ 1 BWG),
- Zweigstellen eines Kreditinstituts aus Mitgliedstaaten (§ 9 BWG),
- Zweigstellen eines Dienstleisters mit Sitz in einem Mitgliedstaat, der auf Grund der Richtlinie 2013/36/EU, ABl. Nr. L 176 vom 27.06.2013 S. 338, oder auf Grund der Richtlinie 2004/39/EG, ABl. Nr. L 145 vom 30.04.2004 S. 1, in der Fassung der Richtlinie 2010/78/EU, ABl. Nr. L 331 vom 15.12.2010 S. 120, zur Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und Nebendienstleistungen im Inland berechtigt ist.
Auch ausländische Zweigstellen inländischer Kreditinstitute kommen als inländische depotführende oder auszahlende Stellen in Frage; für diese besteht allerdings eine KESt-Befreiung in § 94 Z 4 EStG 1988.
29.2.2.2 Depotbegriff
7709
Für den Bereich der Vermögenssubstanz liegen nach § 93 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 steuerpflichtige inländische Einkünfte dann vor, wenn eine inländische depotführende Stelle iSd § 95 Abs. 2 Z 2 lit. a EStG 1988 oder eine inländische auszahlende Stelle iSd § 95 Abs. 2 Z 2 lit. b EStG 1988 vorliegt und diese die Abwicklung des Realisierungsvorganges vornimmt. Als depotführende Stellen werden in § 95 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 Kreditinstitute und Zweigstellen im Sinne des BWG sowie sonstige Wertpapierdienstleister genannt.
Die Anknüpfung der KESt-Abzugsverpflichtung an eine „depotführende Stelle“ zusammen mit dem Verweis auf das BWG zeigt somit, dass der Begriff der „depotführenden Stelle“ kein einkommensteuerrechtlich autonomer Begriff ist, sondern im Sinne der entsprechenden Bestimmungen des BWG und des Depotgesetzes zu verstehen ist.
7709a
Depotführende Stellen im Sinne des BWG sind solche, die gemäß § 1 Abs. 1 Z 5 BWG „die Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren für andere (Depotgeschäft)“ übernehmen. Eine Verwahrung von Wertpapieren im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 5 BWG kann aber gemäß § 1 Abs. 2 Depotgesetz nur auf rechtlicher Grundlage des Depotgesetzes erfolgen, womit sämtliche Depotgeschäfte im Sinne des BWG unter die Bestimmungen des Depotgesetzes fallen. Durch die Verknüpfung des BWG mit dem Depotgesetz und dem daraus folgenden deckungsgleichen Wertpapierbegriff ergibt sich, dass Depotgeschäfte im Sinne des BWG nur im Zusammenhang mit Wertpapieren im Sinne des § 1 Abs. 1 Depotgesetz abgeschlossen werden können.
Daraus folgt, dass die depotführenden Stellen im Sinne des EStG 1988 lediglich im Zusammenhang mit ihren Depotgeschäften im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 5 BWG iVm den Bestimmungen der §§ 2 ff Depotgesetz über die Verwahrungsarten und nur in Bezug auf Wertpapiere im Sinne des Depotgesetzes von der KESt-Abzugsverpflichtung betroffen sind. Eine KESt-Abzugsverpflichtung besteht somit etwa auch für Wertpapiere, die gemäß § 2 Depotgesetz sonderverwahrt werden (Streifbandverwahrung). Keine Kapitalertragsteuerabzugsverpflichtung besteht hingegen für geschlossen verwahrte Wertpapiere (geschlossenes Depot), da diese Verwahrungsart keine Verwahrung im Sinne des Depotgesetzes und somit kein Depotgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 5 BWG darstellt; für KESt-Abzugszwecke liegt daher keine depotführende Stelle im Sinne des § 93 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 vor. Ebenfalls keine Kapitalertragsteuerabzugsverpflichtung besteht bei nicht wertpapiermäßig verbrieften Derivaten, wie etwa Optionen oder Futures.
Werden im Rahmen eines Depotgeschäftes verwahrte Wertpapiere ausgefolgt, liegt jedenfalls eine Depotentnahme iSd § 27 Abs. 6 Z 2 EStG 1988 vor (siehe dazu Abschnitt 20.2.2.4).
7709b
Zusammenfassend besteht die KESt-Abzugsverpflichtung somit grundsätzlich für:
- Wirtschaftsgüter und Derivate iSd § 27 Abs. 3 und 4 EStG 1988,
- die wertpapiermäßig verbrieft sind (und damit vom DepotG erfasst sind)
- und auf einem inländischen Depot verwahrt werden,
- hinsichtlich der Realisierungsvorgänge iSd § 27 Abs. 3 und 4 EStG 1988,
- die von einer inländischen depotführenden Stelle abgewickelt werden.
7709c
In bestimmten Konstellationen besteht allerdings – um Umgehungen des Kapitalertragsteuerabzugs zu verhindern – trotz Fehlens einer inländischen depotführenden Stelle eine KESt-Abzugsverpflichtung für:
- Wirtschaftsgüter und Derivate iSd § 27 Abs. 3 und 4 EStG 1988,
- die wertpapiermäßig verbrieft sind (und damit vom DepotG erfasst sind)
- und auf einem ausländischen Depot verwahrt werden,
- hinsichtlich der Realisierungsvorgänge iSd § 27 Abs. 3 und 4 EStG 1988,
- bei denen die Erlöse von einer inländischen auszahlenden Stelle gutgeschrieben werden.
Dies ist dann der Fall, wenn die ausländische depotführende Stelle eine Betriebsstätte der inländischen auszahlenden Stelle oder ein konzernzugehöriges Unternehmen ist und die Realisierung von der inländischen auszahlenden Stelle in Zusammenarbeit mit der ausländischen depotführenden Stelle abgewickelt wird (§ 95 Abs. 2 Z 2 lit. b EStG 1988; siehe oben Abschnitt 29.2.2.1).
29.2.2a Inländischer Schuldner oder inländischer Dienstleister bei Einkünften aus Kryptowährungen
7709d
Gemäß § 93 Abs. 2 Z 3 EStG 1988 liegen inländische Einkünfte aus Kryptowährungen vor, wenn
- bei laufenden Einkünften aus Kryptowährungen ein inländischer Schuldner oder ein inländischer Dienstleister gemäß § 95 Abs. 2 Z 3 EStG 1988 vorliegt, der die Kryptowährungen oder sonstigen Entgelte gutschreibt und
- bei Einkünften aus realisierten Wertsteigerungen ein inländischer Dienstleister gemäß § 95 Abs. 2 Z 3 EStG 1988 vorliegt, der die Realisierung abwickelt.
7709e
Inländische Dienstleister gemäß § 95 Abs. 2 Z 3 lit. b EStG 1988 sind:
- Dienstleister mit Sitz, Wohnsitz oder Ort der Geschäftsleitung im Inland, die Dienste zur Sicherung privater kryptografischer Schlüssel anbieten, um Kryptowährungen im Namen eines Kunden zu halten, zu speichern oder zu übertragen (§ 2 Z 22 lit. a Finanzmarkt-Geldwäschegesetz [FM-GwG] idgF; „Walletanbieter“).
- Dienstleister mit Sitz, Wohnsitz oder Ort der Geschäftsleitung im Inland, die den Tausch von Kryptowährungen in gesetzlich anerkannte Zahlungsmittel und umgekehrt anbieten (§ 2 Z 22 lit. b FM-GwG).
- Die inländische Zweigstelle oder Betriebsstätte von ausländischen Dienstleistern im Sinne des § 2 Z 22 lit. a und b FM-GwG.
7709f
Da ein inländischer Dienstleister allerdings nur dann den Kapitalertragsteuerabzug vornehmen kann, wenn er über die dazu notwendigen Informationen verfügt, ist die Abzugsverpflichtung nur dann gegeben, wenn der inländische Dienstleister in das Realisierungs- bzw. Überlassungsgeschäft eingebunden ist. Voraussetzung ist daher, dass auch der inländische Dienstleister die Realisierung selbst abwickelt. Werden daher auf einem Wallet eines inländischen Dienstleisters Kryptowährungen, die von dritter Seite im Rahmen eines steuerpflichtigen Vorgangs bezogen werden, gutgeschrieben, ohne dass der inländische Dienstleister in den Abwicklungsvorgang einbezogen ist, besteht keine Verpflichtung zur Vornahme des KESt-Abzuges.
Bei den „Walletanbietern“ soll zudem durch den Zugriff auf den „private key“ sichergestellt sein, dass sie über den für den Kapitalertragsteuerabzug notwendigen Zugriff auf die Erträge verfügen. Ebenso müssen Dienstleister, die einen Umtausch von Kryptowährungen in Fiatwährung (Echtgeld) vornehmen, entweder Zugriff auf den „private key“ oder die Fiatwährung (Echtgeld) haben, um eine Abwicklung der Realisierung vorzunehmen. Besteht kein solcher Zugriff auf den „private key“ oder die Fiatwährung (Echtgeld), ist mangels Abwicklung der Realisierung auch kein Kapitalertragsteuerabzug vorzunehmen.
29.2.2b Inländische und vergleichbare ausländische auszahlende Stelle bzw. Wertpapierfirma bei Einkünften aus nicht verbrieften Derivaten
7709g
Für Einkünfte aus nicht verbrieften Derivaten besteht grundsätzlich keine Verpflichtung zur Vornahme des Kapitalertragsteuerabzuges. § 27a Abs. 2 Z 7 EStG 1988 sieht jedoch die Möglichkeit zur freiwilligen Einhebung einer der Kapitalertragsteuer entsprechenden Abzugssteuer vor. Die Einhebung einer solchen Steuer führt zur Anwendbarkeit des besonderen Steuersatzes in Höhe von 27,5%.
Gemäß § 95 Abs. 2 Z 4 EStG 1988 steht die Möglichkeit zum freiwilligen KESt-Abzug bei unverbrieften Derivaten sowohl
- inländischen auszahlenden Stellen gemäß § 95 Abs. 2 Z 2 lit. b EStG 1988 (siehe dazu Rz 7706) als auch
- für nach dem 28. Februar 2022 zufließende Kapitalerträge Wertpapierfirmen im Sinne des § 3 WAG 2018 offen, die sich für den Einbehalt und die Abfuhr einer der Kapitalertragsteuer entsprechenden Steuer eines konzessionierten Zahlungsdienstleisters im Sinne des § 7 ZaDiG 2018, eines E-Geldinstitutes im Sinne des § 3 Abs. 2 E-Geldgesetz 2010 oder eines zum Abzug einer der Kapitalertragsteuer vergleichbaren Steuer sonst Berechtigten bedienen (ÖkoStRefG 2022 Teil I).
7709h
Aus unionsrechtlichen Gründen kann ab dem 20. Juli 2022 (AbgÄG 2022) die der Kapitalertragsteuer entsprechende Steuer für nicht verbriefte Derivate auch von einer ausländischen, mit einer inländischen vergleichbaren, auszahlenden Stelle einbehalten werden. Für vergleichbare ausländische Wertpapierfirmen bzw. Zahlungsdienstleister besteht diese Möglichkeit seit 1. März 2022 (ÖkoStRefG 2022 Teil I).
Voraussetzung zur Vornahme eines freiwilligen KESt-Abzuges durch vergleichbare ausländische Anbieter ist jedoch, dass mit deren Ansässigkeitsstaat umfassende Amtshilfe besteht und ein steuerlicher Vertreter bestellt ist. Zur Sicherstellung einer haftungssicheren und korrekten KESt-Abfuhr auch in Auslandsfällen haften der steuerliche Vertreter und der ausländische Anbieter für die Einbehaltung und Abfuhr der Kapitalertragsteuer zur ungeteilten Hand. Als steuerlicher Vertreter kann nur ein inländischer Wirtschaftstreuhänder oder eine Person bestellt werden, die dem zuständigen Finanzamt vergleichbare fachliche Qualifikationen nachweist.
29.2.3 Zeitpunkt des Kapitalertragsteuerabzuges
7710
Die KESt ist gemäß § 95 Abs. 3 EStG 1988 grundsätzlich im Zeitpunkt des Zufließens der Kapitalerträge vom Abzugsverpflichteten iSd § 95 Abs. 2 EStG 1988, demnach entweder vom Schuldner der Kapitalerträge, der auszahlenden Stelle oder der depotführenden Stelle abzuziehen und einzubehalten. Die Zuflussbestimmungen des § 95 Abs. 3 EStG 1988 gehen als spezielle Bestimmung sowohl dem § 19 EStG 1988 als auch den Realisationsbestimmungen des BV-Vergleichs vor.
Der Zufluss von Zinsen aus Spar- und Sichteinlagen tritt grundsätzlich im Zeitpunkt des Abschlusses der Einlagen ein. Der Abschluss wird regelmäßig am Ende eines Kalenderjahres bzw. bei unterjähriger voller Auszahlung der Einlage im Auszahlungszeitpunkt vorgenommen (§ 32 Abs. 5 BWG). Bei Sparbriefen, Kapitalsparbüchern, Termineinlagen und Festgeldern unterliegen der Abschluss und damit der Zuflusszeitpunkt der Zinsen der zivilrechtlichen Vereinbarung. Im Regelfall erlangt der Anleger jedoch im Zeitpunkt des Endes der Laufzeit bzw. im Zeitpunkt der vorzeitigen Auszahlung der Einlage die Verfügungsmacht über den Kapitalertrag. Ein Zufluss der Kapitalerträge und damit die Abzugspflicht sind daher in einem dieser Zeitpunkte gegeben, auch wenn die Einlage über die vereinbarte Laufzeit bestehen bleibt.
Beispiel:
Ein Sparbrief weist eine Laufzeit von 18 Monaten auf. Er wird am 10. Jänner 2005 ausgegeben und Ende der vorgesehenen Laufzeit, das ist der 10. Juli 2012, eingelöst. Die Abzugspflicht für den Kapitalertrag entsteht am 10. Juli 2012. Wäre der Sparbrief vorzeitig am 25. Mai 2011 eingelöst worden, wäre in diesem Zeitpunkt die Abzugspflicht entstanden. Hätte der Anleger das Kapital aus dem Sparbrief über dessen Laufzeit hinaus als Einlage bei der Bank bis 31. Dezember 2012 „stehen gelassen“, so wäre die Abzugspflicht für den Kapitalertrag aus dem Sparbrief dennoch am 10. Juli 2012 entstanden.
Die Abzugspflicht für Kapitalerträge aus Forderungswertpapieren entsteht im Zeitpunkt der Fälligkeit der Kapitalerträge. Trifft die Abzugspflicht den Emittenten, so richtet sich die Fälligkeit nach den jeweiligen Anleihebedingungen. Ist nicht der Emittent zum Steuerabzug verpflichtet, sondern eine auszahlende Stelle iSd § 95 Abs. 2 EStG 1988 (kuponauszahlende Bank), so ist für den Zeitpunkt des Steuerabzugs die Fälligkeit der Kuponauszahlung gegenüber dem Kuponinhaber maßgeblich.
Die Fälligkeit von Kapitalerträgen aus Wertpapierpensionsgeschäften sowie aus Wertpapierleihegeschäften richtet sich nach den bei Abschluss festgelegten Bedingungen, bei Wertpapierpensionsgeschäften ohne unterdrücktem Kupon nach der Kuponfälligkeit.
Inländische Beteiligungserträge, deren Ausschüttung von einer Körperschaft beschlossen wird, fließen an jenem Tag zu, der im Ausschüttungsbeschluss als Tag der Auszahlung bestimmt ist. Wird im Beschluss kein Tag der Auszahlung bestimmt, gilt der Tag nach der Beschlussfassung als Zeitpunkt des Zufließens gemäß § 95 Abs. 3 Z 1 EStG 1988.
Bei ausländischen Beteiligungserträgen, die über eine inländische auszahlende Stelle zufließen, ist für Zwecke des KESt-Abzuges auf den tatsächlichen Zufluss abzustellen (Gutschrift auf dem Konto des Anlegers).
Bei sonstigen Bezügen aus Aktien oder Anteilen aus Gesellschaften mit beschränkter Haftung (zB verdeckte Ausschüttungen) gilt gemäß § 95 Abs. 3 Z 2 erster Teilstrich EStG 1988 als Zuflusszeitpunkt für Zwecke des KESt-Abzuges der Zufluss iSd § 19 EStG 1988. Auch der Vorteil des Gesellschafters, die Kapitalertragsteuer nicht zu tragen, ist durch die Auszahlung des Betrages ohne Abzug der Kapitalertragsteuer gleichzeitig eingetreten, wenn auch die Zahlung erst mangels rechtzeitiger Einforderung der Kapitalertragsteuer als Nettobetrag (Betrag nach Abzug der Kapitalertragsteuer) zu beurteilen ist (vgl. VwGH 5.9.2012, 2010/15/0018; VwGH 25.11.2010, 2007/15/0104).
Zuwendungen von Privatstiftungen fließen beim Begünstigten gemäß § 95 Abs. 3 Z 1 EStG 1988, sofern sie vom Stiftungsvorstand beschlossen wurden, an jenem Tag zu, der im Beschluss als Tag der Zuwendung bestimmt ist. Sofern im Beschluss kein Tag der Zuwendung bestimmt ist, gilt der Tag nach der Beschlussfassung als Zeitpunkt des Zufließens. Bei Zuwendungen ohne Vorliegen eines Beschlusses ist der Zufluss gemäß § 95 Abs. 3 Z 2 EStG 1988 mit der Zuwendung an den Begünstigten anzunehmen. Analog zur verdeckten Ausschüttung bei Kapitalgesellschaften wird bei verdeckten Zuwendungen einer Privatstiftung der Vorteil des Empfängers, die Kapitalertragsteuer nicht tragen zu müssen, durch Zufluss der Zuwendung ohne Abzug der Kapitalertragsteuer gleichzeitig eintreten.
Bei Erträgen aus Wertsteigerungen, Derivaten und Kryptowährungen ist der KESt-Abzug gemäß § 95 Abs. 3 Z 3 EStG 1988 im Zeitpunkt des Zufließens gemäß § 19 EStG 1988 vorzunehmen. Maßgeblich für den KESt-Abzug ist daher der Zeitpunkt des Zufließens des Veräußerungserlöses.
Zum Zeitpunkt des KESt-Abzuges bei Depotentnahmen siehe Rz 7718, zum Zeitpunkt des KESt-Abzuges bei Entstrickung iSd § 27 Abs. 6 Z 1 iVm § 95 Abs. 3 Z 3 dritter Teilstrich EStG 1988 siehe Rz 7715.
29.3 KESt-Abzug beim Wegzug
29.3.1 Allgemeines – Grundtatbestand
7711
Bei der aufgrund des Eintritts von Umständen, die zur Einschränkung des Besteuerungsrechtes der Republik Österreich im Verhältnis zu anderen Staaten hinsichtlich eines Wirtschaftsgutes im Sinne des § 27 Abs. 3 EStG 1988, eines Derivats iSd § 27 Abs. 4 EStG 1988 oder einer Kryptowährung iSd § 27 Abs. 4a EStG 1988 führen (Entstrickung), entstehenden Steuerpflicht (§ 27 Abs. 6 Z 1 EStG 1988; siehe dazu ausführlich Abschnitt 20.2.2.4) hängt die Art der Erhebung der Steuer – im Veranlagungsweg oder durch Kapitalertragsteuerabzug – von verschiedenen Kriterien ab.
29.3.2 Erhebung durch Steuerabzug
7712
Wenn von der Entstrickung verbriefte (depotfähige) und auf einem Wertpapierdepot iSd BWG tatsächlich verwahrte Wirtschaftsgüter und Derivate iSd § 27 Abs. 3 und 4 EStG 1988 betroffen sind – insoweit also durch die Entstrickung „inländische Einkünfte aus Kapitalvermögen“ iSd § 93 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 erzielt werden – findet die steuerliche Erfassung grundsätzlich im Rahmen des Kapitalertragsteuerabzugs statt. Dies gilt sinngemäß für Kryptowährungen iSd § 27 Abs. 4a EStG 1988, die bei einem inländischen Dienstleister verwahrt werden. Eine Ausnahme besteht dabei für Wirtschaftsgüter, Derivate und Kryptowährungen, auf die kein Sondersteuersatz anwendbar ist (gemäß § 27a Abs. 2 EStG 1988). Diese können ebenso wie die sonstigen nicht verbrieften Wirtschaftsgüter und Derivate nur im Rahmen der Veranlagung erfasst werden (siehe dazu Abschnitt 20.5.1).
29.3.2.1 Abzugspflicht nur bei Meldung des Wegzugs
7713
Da die abzugsverpflichteten depotführenden Stellen oder inländischen Dienstleister in der Regel keine Kenntnis über das Vorliegen von die Entstrickungsbesteuerung auslösenden Umständen haben, sieht § 94 Z 7 EStG 1988 als Ausnahme vom Grundsatz der Steuererhebung im Wege des Kapitalertragsteuerabzugs vor, dass bei Einkünften gemäß § 27 Abs. 6 Z 1 EStG 1988 – bei Entstrickung – grundsätzlich keine Kapitalertragsteuer abzuziehen ist.
7713a
Diese Ausnahme gilt jedoch dann nicht, wenn der Abzugsverpflichtete vom Steuerpflichtigen über die Entstrickung informiert wird. Meldet der Steuerpflichtige somit seinen Wegzug, hat die abzugsverpflichtete depotführende Stelle oder der abzugsverpflichtete inländische Dienstleister – im Zeitpunkt des Zuflusses der Kapitalerträge – den Kapitalertragsteuerabzug vorzunehmen (§ 94 Z 7 erster Satz EStG 1988). Sind Geldeinlagen bei Kreditinstituten und sonstige Geldforderungen gegenüber Kreditinstituten vorhanden, gilt dabei der Schuldner der Kapitalerträge (§ 93 Abs. 2 Z 1 zweiter Satz EStG 1988) als depotführende Stelle im Sinne des § 95 Abs. 2 Z 2 lit. a EStG 1988.
7713b
Als Entstrickung gelten entsprechend § 27 Abs. 6 Z 1 EStG 1988 sämtliche Umstände, die zur Einschränkung des Besteuerungsrechtes der Republik Österreich im Verhältnis zu anderen Staaten hinsichtlich eines Wirtschaftsgutes, Derivates oder einer Kryptowährung iSd § 27 Abs. 3 bis 4a EStG 1988 führen (siehe dazu ausführlich Abschnitt 20.2.2.4.1). Die Verlagerung der Entstrickungsbesteuerung in die Sphäre der – als Abzugsverpflichtete – den Kapitalertragsteuerabzug abwickelnden depotführenden Stellen bzw. inländischen Dienstleister findet somit beispielweise auch dann statt, wenn – trotz des unveränderten Wohnsitzes und eines unveränderten Depotbestandes – eine unentgeltliche Übertragung der sich auf dem Depot befindlichen Wirtschaftsgüter, Derivate und Kryptowährungen auf eine im Ausland ansässige Person gemeldet wird. Bei Übertragungen auf eine ausländische depotführende Stelle hat die übertragende depotführende Stelle im Zweifel davon auszugehen, dass auf einen beschränkt Steuerpflichtigen übertragen wird.
29.3.2.2 Keine Abzugspflicht bei Vorlage eines Bescheides
7714
Besteht aufgrund der gemeldeten Entstrickung eine Pflicht zum Kapitalertragsteuerabzug, ist vom Abzug hingegen abzusehen, wenn der Steuerpflichtige einen Abgabenbescheid vorlegt, in dem gemäß § 27 Abs. 6 Z 1 lit. a oder lit. d EStG 1988 über die durch die Entstrickung entstandene Steuerschuld abgesprochen wurde; dies gilt sowohl für Fälle der Nichtfestsetzung als auch für Fälle der Ratenzahlung. Ein solcher Bescheid kann bis zum Zeitpunkt des Zuflusses der Kapitalerträge gemäß § 95 Abs. 3 Z 3 EStG 1988 vorgelegt werden. Zu beachten ist allerdings, dass sowohl der Antrag auf Nichtfestsetzung der Steuerschuld als auch der Antrag auf Ratenzahlung nur in der das Entstrickungsjahr betreffenden Steuererklärung gestellt werden kann (siehe dazu Abschnitt 20.2.2.4.9 und 20.2.2.4.10).
7714a
Da sowohl das Nichtfestsetzungskonzept als auch das Ratenzahlungskonzept nur bei Einschränkungen des Besteuerungsrechts gegenüber einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes zum Tragen kommt, kann bei Einschränkungen gegenüber Drittstaaten ein solcher Bescheid nicht vorgelegt werden. Wird daher dem Abzugsverpflichteten die Einschränkung des Besteuerungsrechts gegenüber einem solchen Drittstaat gemeldet, ist im Zuflusszeitpunkt stets der Kapitalertragsteuerabzug durchzuführen.
7714b
Erklärt der Steuerpflichtige die entstrickungsbedingten Einkünfte – allenfalls mit Beantragung der Nichtfestsetzung oder Ratenzahlung der entstandenen Steuerschuld – trotz Meldung an die depotführende Stelle im Rahmen der Veranlagung des Entstrickungsjahres und legt er der depotführenden Stelle den ESt-Bescheid nicht bis zum Zeitpunkt des Zuflusses der Kapitalerträge vor, wird die abgezogene KESt im Rahmen der Festsetzung der Steuerschuld (allenfalls auch nachträglich) entsprechend angerechnet
29.3.2.3 Zuflusszeitpunkt
7715
Wie generell bei allen Arten von Einkünften aus Kapitalvermögen darf der Abzugsverpflichtete auch beim Wegzug den Kapitalertragsteuerabzug nur im Zeitpunkt des Zufließens der Kapitalerträge vornehmen (§ 95 Abs. 3 EStG 1988).
Um die für den Abzug und die Abfuhr der Kapitalertragsteuer notwendige Liquidität zu gewährleisten, wird der Zufluss nicht im Zeitpunkt der Entstrickung oder der Meldung der Entstrickung angeordnet, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt vorgesehen. Die Kapitalerträge gelten dabei erst im Zeitpunkt einer tatsächlichen Veräußerung oder einer Entnahme bzw. eines sonstigen Ausscheidens aus dem Depot als zugeflossen (§ 95 Abs. 3 Z 3 dritter Teilstrich EStG 1988). Sind Geldeinlagen bei Kreditinstituten und sonstige Geldforderungen gegenüber Kreditinstituten vorhanden, gelten die Erträge nach Maßgabe des § 19 EStG 1988 als zugeflossen. Im Falle des Zuflusses aufgrund eines – liquiditätslos erfolgenden – Depotentnahmetatbestands steht dem Abzugsverpflichteten das Zurückbehaltungsrecht des § 95 Abs. 3 Z 3 letzter Satz EStG 1988 zu. Durch den nach hinten verschobenen Zuflusszeitpunkt kommt somit das Nichtfestsetzungskonzept faktisch auch für Drittstaaten iSd § 27 Abs. 6 Z 1 EStG 1988 zum Tragen.
7716
Die im Entstrickungsfall relevante steuerliche Bemessungsgrundlage ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem gemeinen Wert im Zeitpunkt der Entstrickung und den Anschaffungskosten; für diesen Betrag ist pro Position ein Merkposten zu bilden, wobei eingetretene Wertminderungen höchstens im Umfang dieser des Veräußerungserlöses zu berücksichtigen sind, wenn sie nicht in einem anderen Staat berücksichtigt werden (§ 27a Abs. 3 Z 2 lit. b EStG 1988), zur Berücksichtigung siehe Rz 6156d. Für Zwecke des Kapitalertragsteuerabzugs ist dabei davon auszugehen, dass der Zeitpunkt der Entstrickung dem Zeitpunkt der Meldung des Wegzugs entspricht (§ 93 Abs. 5 dritter Teilstrich EStG 1988; bei unentgeltlichen Übertragungen von Todes wegen entspricht der Tag der Vorlage des Einantwortungsbeschlusses dem Tag der Meldung). Bei anteiliger Veräußerung bzw. Entnahme ist der Merkposten anteilig aufzulösen.
Um die Vornahme des Kapitalsteuerabzugs zu vereinfachen und das Vorhandensein der Liquidität zu sichern, ist die Höhe der Steuer jedoch mit dem erzielten Erlös oder dem gemeinen Wert im Zeitpunkt einer Entnahme oder eines sonstigen Ausscheidens aus dem Depot begrenzt (§ 95 Abs. 3 Z 3 dritter Teilstrich EStG 1988). Eine bestehende, über diesen Betrag hinausgehende Steuerschuld ist im Wege der Veranlagung zu erklären.
29.3.3 Erhebung in der Veranlagung
7717
Wird die Entstrickung durch den Steuerpflichtigen dem Abzugsverpflichteten nicht gemeldet, findet ein Kapitalertragsteuerabzug anlässlich der Entstrickung nicht statt. Die Besteuerung hat in diesem Fall im Rahmen der Veranlagung stattzufinden, wobei allenfalls das Nichtfestsetzungskonzept des § 27 Abs. 6 Z 1 lit. a EStG 1988 bzw. das Ratenzahlungskonzept des § 27 Abs. 6 Z 1 lit. d EStG 1988 zur Anwendung kommt.
7717a
Ebenso wenig findet ein Kapitalertragsteuerabzug statt, wenn der Wegzug oder die Übertragung an eine natürliche Person gemeldet wird, aber noch vor dem Zufluss der Kapitalerträge ein Abgabenbescheid vorgelegt wird, in dem gemäß § 27 Abs. 6 Z 1 lit. a EStG 1988 über die durch den Wegzug entstandene Steuerschuld abgesprochen wurde. Kommt es in einem solchen Fall zu einer Veräußerung, findet die Besteuerung im Rahmen der Veranlagung statt.
Beispiele zum KESt-Abzug beim Wegzug:
Beispiel 1:
A hat bei seiner Bank ein Sparbuch sowie ein Wertpapierdepot, auf dem Anleihen und Aktien verwahrt sind (es handelt sich um nach dem 31.3.2012 erworbenes Vermögen). Im Juli 2014 zieht A nach Deutschland. Zu diesem Zeitpunkt liegt der gemeine Wert der Aktien um 1.000 über den Anschaffungskosten, bei den Anleihen sind seit dem letzten Kupon 50 an Zinsen aufgelaufen. Auf dem Sparbuch sind bis zum Wegzugszeitpunkt Zinsen von 100 angelaufen, aber noch nicht gutgeschrieben worden.
A meldet seiner Bank den Wegzug, womit grundsätzlich KESt-Abzugspflicht besteht.
Die Bank hat grundsätzlich sowohl für den Substanzgewinn bei den Aktien (1.000), als auch für die aufgelaufenen Zinsen bzw. Stückzinsen bei den Anleihen (50) und beim Sparbuch (100) KESt einzubehalten: Es liegt ein Fall der Wegzugsbesteuerung vor, der grundsätzlich nach § 27 Abs. 6 Z 1 EStG 1988 steuerpflichtig ist und auch Stückzinsen umfasst. Die Abzugspflicht der Bank ergibt sich aus § 93 Abs. 2 Z 2 EStG 1988, da sie im Hinblick auf die Aktien und Anleihe depotführende Stelle ist und im Hinblick auf das Sparbuch gemäß § 94 Z 7 letzter Satz EStG 1988 als depotführende Stelle gilt.
Der KESt-Abzug wird jedoch nicht sofort vorgenommen, sondern erst im Zuflusszeitpunkt, womit der relevante Steuerbetrag von der Bank evident gehalten werden muss. Solange sich die Wertpapiere auf dem Depot befinden, kommt es zu keinem Zufluss. Werden etwa die Aktien zu einem späteren Zeitpunkt veräußert, ist KESt einzubehalten, höchstens jedoch bis zu einem Betrag von 275 (27,5% von 1.000). Werden die Sparbuchzinsen gutgeschrieben, findet ein Zufluss statt und die KESt ist einzubehalten.
A kann den KESt-Abzug vermeiden, indem er der Bank einen Abgabenbescheid vorweist.
Beispiel 2:
B hat bei seiner Bank ein Wertpapierdepot, auf dem Zertifikate verwahrt sind. Im Jahr 16 zieht B nach Ungarn und meldet den Wegzug seiner Bank. Aufgrund der Meldung entsteht die grundsätzliche Verpflichtung der Bank, im Zuflusszeitpunkt den KESt-Abzug vorzunehmen. Im Jahr 18 veräußert B die Zertifikate. Wenn er bis zum Veräußerungszeitpunkt seiner Bank keinen Abgabenbescheid, in dem über die Entstrickungsbesteuerung abgesprochen wird, vorweisen kann, muss die Bank den KESt-Abzug vornehmen.
Beispiel 3:
C hat bei seiner Bank ein Wertpapierdepot, auf dem Investmentfondsanteile verwahrt sind. Im Jahr 1 zieht C nach Frankreich. Zu diesem Zeitpunkt liegt der gemeine Wert der Investmentfondsanteile um 100 über den Anschaffungskosten. C meldet den Wegzug allerdings erst im Jahr 2 seiner Bank. Zu diesem Zeitpunkt liegt der gemeine Wert der Investmentfondsanteile um 150 über den Anschaffungskosten. Im Jahr 3 veräußert C die Investmentfondsanteile mit einem Gewinn von 200.
Aufgrund der Meldung entsteht die grundsätzliche Verpflichtung der Bank, im Zuflusszeitpunkt den KESt-Abzug vorzunehmen. Da aufgrund der Fiktion des § 93 Abs. 5 dritter Teilstrich EStG 1988 für Zwecke des KESt-Abzugs davon auszugehen ist, dass der Zeitpunkt des Wegzugs dem Zeitpunkt der Meldung des Wegzugs entspricht, beträgt die KESt-Bemessungsgrundlage 150. Da der bei der Veräußerung der Investmentfondsanteile im Jahr 3 vorzunehmende KESt-Abzug iHv 41,25 (27,5% von 150) zu hoch ist (steuerpflichtig sind nur 27,5), kann C den übersteigenden Betrag im Rahmen der Veranlagung rückerstattet bekommen.
Beispiel 4:
D hat bei seiner Bank ein Wertpapierdepot, auf dem Investmentfondsanteile verwahrt sind. Im Jahr 1 meldet D seiner Bank den kurz bevorstehenden Wegzug nach Frankreich. Zu diesem Zeitpunkt liegt der gemeine Wert der Investmentfondsanteile um 100 über den Anschaffungskosten. Der tatsächliche Wegzug erfolgt erst im Jahr 2. Zu diesem Zeitpunkt liegt der gemeine Wert der Investmentfondsanteile um 150 über den Anschaffungskosten. Im Jahr 3 veräußert D die Investmentfondsanteile mit einem Gewinn von 200.
Aufgrund der Meldung entsteht die grundsätzliche Verpflichtung der Bank, im Zuflusszeitpunkt den KESt-Abzug vorzunehmen. Da aufgrund der Fiktion des § 93 Abs. 5 dritter Teilstrich EStG 1988 für Zwecke des KESt-Abzugs davon auszugehen ist, dass der Zeitpunkt des Wegzugs dem Zeitpunkt der Meldung des Wegzugs entspricht, beträgt die KESt-Bemessungsgrundlage 100. Da der bei der Veräußerung der Investmentfondsanteile vorzunehmende KESt-Abzug iHv 27,5 zu niedrig ist (steuerpflichtig sind 27,5% von 150), hat D den übersteigenden Betrag im Rahmen der Veranlagung zu erklären.
29.4 KESt-Abzug bei Depotübertragungen
7718
Nach § 27 Abs. 6 Z 2 EStG 1988 werden die Entnahme und das sonstige Ausscheiden von Wertpapieren aus dem Depot als der Veräußerung im Sinne des § 27 Abs. 3 und 4 EStG 1988 gleichgestellte steuerpflichtige Vorgänge normiert. Die Veräußerungsfiktion führt daher, wenn keine der Ausnahmen im Zusammenhang mit Depotübertragungen zur Anwendung kommt (siehe dazu ausführlich Abschnitt 20.2.2.4.3), zur Steuerpflicht des Entnahmevorgangs.
Die Besteuerung der Depotentnahme findet dabei durch Kapitalertragsteuerabzug statt. Die übertragende depotführende Stelle hat im Zeitpunkt des Zuflusses der Kapitalerträge – bei der Entnahme aus dem Depot ist das gemäß § 95 Abs. 3 Z 3 zweiter Teilstrich EStG 1988 der Entnahmezeitpunkt – die Kapitalertragsteuer einzubehalten. Die Bemessungsgrundlage ist dabei gemäß § 27a Abs. 3 Z 2 lit. b EStG 1988 der Unterschiedsbetrag zwischen dem gemeinen Wert im Zeitpunkt der Entnahme und den Anschaffungskosten.
7719
Da aufgrund der Veräußerungsfiktion die für die Abfuhr der Kapitalertragsteuer notwendige – und aus verfassungsrechtlicher Sicht gebotene – Liquidität auf Seiten des Depotinhabers nicht in allen Fällen gegeben sein muss, sieht die Bestimmung des § 95 Abs. 3 Z 3 letzter Satz EStG 1988 ein Zurückbehaltungsrecht des Abzugsverpflichteten vor. Dieses Zurückbehaltungsrecht steht nur in jenen Fällen zu, in denen Wirtschaftsgüter und Derivate vom Abzugsverpflichteten herauszugeben sind, somit nur in den Fällen der Entnahme aus dem Depot.
Gemäß § 27 Abs. 6 Z 2 EStG 1988 gelten die Entnahme und das sonstige Ausscheiden aus dem Depot als Veräußerung im Sinne des § 27 Abs. 3 und 4 EStG 1988. Die Abzugspflicht entsteht in diesen Fällen gemäß § 95 Abs. 3 EStG 1988 in Verbindung mit § 95 Abs. 3 Z 3 EStG 1988 im Zeitpunkt des Zuflusses, somit des tatsächlichen Ausscheidens aus dem Depot. Solange sich die betroffenen Wertpapiere auf dem Depot befinden, wird der Tatbestand der Depotentnahme daher nicht erfüllt, womit es weder zu einem fiktiven Zufluss von Erträgen, noch zu einer daran knüpfenden Abzugsverpflichtung kommt.
7720
Die Wirkung des Zurückbehaltungsrechts ist daher weder die Schaffung eines entsprechenden Haftungsfonds für Abgabenschulden des Depotinhabers noch die Schaffung von Liquidität, sondern die Verhinderung der Erfüllung des steuerpflichtigen Entnahmetatbestandes: Solange die depotführende Stelle die entsprechenden Wertpapiere nicht ausfolgt oder überträgt, findet auch keine Depotentnahme statt. Ohne Depotentnahme trifft die depotführende Stelle auch keine Abzugsverpflichtung, womit weder eine Liquiditätslücke eintreten kann noch Risiken und Kosten der Verwertung vorhanden sind.
Die depotführende Stelle kann die herauszugebenden Wertpapiere so lange zurückbehalten, bis der Depotinhaber die voraussichtlich anfallende Kapitalertragsteuer zur Verfügung stellt. Die depotführende Stelle hat somit vor der Ausfolgung oder Übertragung zu beurteilen, in welcher Höhe die Steuerschuld voraussichtlich entstehen wird. Dabei ist der (bis zur tatsächlichen Entnahme zu adaptierende) gemeine Wert den steuerlichen Anschaffungskosten gegenüberzustellen.
Beispiel 1:
A möchte sich die auf seinem Depot verwahrten Aktien ausfolgen lassen. Die Anschaffungskosten der Aktien betragen 100, der gemeine Wert (Kurswert) beträgt 120. Auf dem Verrechnungskonto des A befindet sich ein Guthaben von 2.
Die depotführende Stelle muss im Zeitpunkt der Ausfolgung KESt in Höhe von 5,5 (27,5% von 20) abziehen. Da A lediglich über ein Guthaben von 2 verfügt, ist die depotführende Stelle berechtigt, die Ausfolgung bis zum Ersatz des fehlenden KESt-Betrages in Höhe von 3,5 zurückzubehalten.
7720a
Wird bei einer Entnahme aus dem Depot Kapitalertragsteuer abgezogen, hat der Abzugsverpflichtete dem Depotinhaber eine Bestätigung gemäß § 96 Abs. 4 EStG 1988 auszustellen. Der gemeine Wert im Zeitpunkt der Entnahme gilt zukünftig als Anschaffungskosten der betreffenden Wertpapiere.