29.5 Einzelfragen
29.5.1 Pauschale Wertermittlung
29.5.1.1 Pauschale Ermittlung nach § 93 Abs. 4 EStG 1988
29.5.1.1.1 Allgemeines
7721
Die Pauschalbewertungsvorschrift des § 93 Abs. 4 EStG 1988 dient dazu, in jenen Fällen, in denen die für den Kapitalertragsteuerabzug notwendigen Daten – die Anschaffungskosten, der gemeine Wert und das Anschaffungsdatum – der abzugsverpflichteten depotführenden Stelle weder bekannt, noch mit zumutbaren Aufwand ermittelbar sind, den Kapitalertragsteuerabzug auf Basis fingierter Werte zu ermöglichen. Die Pauschalbewertungsvorschrift kann ausschließlich – ausgenommen im Fall der einmalig anzuwendenden Stichtagsbewertungsvorschrift des § 124b Z 185 EStG 1988 – dann zur Anwendung kommen, wenn Wertpapiere erstmalig auf einem Depot zugehen, somit nur bei Depoteinlagen oder Depotübertragungen. Spätere pauschale Wertansätze sind auf Grundlage des § 93 Abs. 4 EStG 1988 unzulässig, es sei denn, es stellt sich nachträglich heraus, dass der Nachweis der tatsächlichen Anschaffungskosten unrichtig war (siehe Abschnitt 29.5.1.1.2).
7722
Der Ansatz pauschaler Werte hat zwingend stattzufinden, wenn der Steuerpflichtige (Depotinhaber) die entsprechenden Daten nicht nachweisen kann. Sind der depotführenden Stelle die Daten bereits bekannt, müssen sie übernommen und einem späteren Kapitalertragsteuerabzug zugrunde gelegt werden, womit ein Nachweis durch den Depotinhaber nicht mehr erforderlich ist. Eine Ermittlungsverpflichtung der depotführenden Stellen ist aufgrund der Pauschalbewertungsvorschrift allerdings nicht gegeben.
Werden daher etwa im Fall einer Depotübertragung auf ein Depot desselben Steuerpflichtigen bei einer anderen inländischen depotführenden Stelle gemäß § 27 Abs. 6 Z 1 lit. a zweiter Teilstrich EStG 1988 die relevanten Daten von der übertragenden der übernehmenden depotführenden Stelle mitgeteilt, sind sie grundsätzlich – sofern kein begründeter Zweifel an ihrer Richtigkeit besteht – zu übernehmen und einem späteren Kapitalertragsteuerabzug zugrunde zu legen. Die Pauschalbewertungsvorschrift des § 93 Abs. 4 EStG 1988 kommt damit nicht zur Anwendung. Wird die Übernahme der Daten hingegen verweigert, hat der Depotinhaber die Möglichkeit, die tatsächlichen Daten nachzuweisen. Erst wenn dieser Nachweis scheitert, hat der Ansatz pauschaler Werte stattzufinden.
29.5.1.1.2 Nachweis
7723
Der Nachweis der für den Kapitalertragsteuerabzug notwendigen Daten kann durch entsprechende Unterlagen erfolgen, insbesondere durch zum Termin ausgestellte:
- Depotauszüge,
- Kauf- und sonstige Abrechnungsbelege,
- Bescheinigungen im Sinne des § 96 Abs. 4 EStG 1988 über eine vorangegangene steuerpflichtige Entnahme und
- KESt-Anmeldungen bei Zuwendungen von Wertpapieren von einer Privatstiftung an Begünstigte (siehe dazu Rz 7776a).
Werden von einer inländischen depotführenden Stelle ausgestellte Depotauszüge bzw. Abrechnungsbelege als Nachweis vorgelegt, allerdings keine Bescheinigung im Sinne des § 96 Abs. 4 EStG 1988 über eine vorangegangene steuerpflichtige Entnahme, gilt der Nachweis als nicht erbracht.
7724
Vom Depotinhaber vorgelegte Unterlagen müssen von der übernehmenden depotführenden Stelle dem zivilrechtlich und regulatorisch vorgegebenen – bankrechtlichen – Sorgfaltsmaßstab entsprechend überprüft werden, um eine spätere Haftungsinanspruchnahme nach § 95 Abs. 1 EStG 1988 zu vermeiden. Ist ein später vorgenommener Kapitalertragsteuerabzug daher aufgrund – trotz entsprechender Prüfung durch die depotführende Stelle nicht aufgedeckter – unzutreffender Angaben oder unrichtiger Unterlagen des Depotinhabers zu niedrig bemessen, ist die Kapitalertragsteuer dem Steuerschuldner selbst vorzuschreiben.
29.5.1.1.3 Pauschaler Ansatz der Anschaffungskosten
29.5.1.1.3.1 Allgemeines
7725
Die Bemessungsgrundlage für den KESt-Abzug bei Realisierungsvorgängen im Zusammenhang mit Wirtschaftsgütern und Derivaten im Sinne des § 27 Abs. 3 und 4 EStG 1988 wird in § 27a Abs. 3 Z 2 und 3 EStG 1988 geregelt. Es handelt sich dabei immer um den Unterschiedsbetrag zwischen einem Wert im Zeitpunkt des Realisierungsvorganges (Realisierungswert) – etwa dem Veräußerungserlös oder dem gemeinen Wert bei Depotentnahme – und den Anschaffungskosten.
Um den Kapitalertragsteuerabzug korrekt durchführen zu können, sind daher immer zwei Werte notwendig, wobei der erste Wert – die Anschaffungskosten oder der nachgewiesene Wert einer früheren steuerpflichtigen Entnahme – im Zeitpunkt des Depotzugangs des entsprechenden Wertpapiers und der zweite Wert – der Realisierungswert – im Zeitpunkt, in dem das Wertpapier aus dem Depot ausscheidet, festgestellt werden muss.
Die Pauschalbewertungsvorschrift sieht daher vor, dass immer jener der beiden genannten Werte, der nicht vorhanden ist, vom vorhandenen Wert abgeleitet wird. Sind hingegen beide Werte nicht vorhanden, findet kein Kapitalertragsteuerabzug statt.
29.5.1.1.3.2 Ansatz im Zeitpunkt des Depotzugangs
7726
Im Zeitpunkt des Depotzugangs des Wertpapiers hat die depotführende Stelle grundsätzlich die tatsächlichen Anschaffungskosten zu erfassen. Sind die Anschaffungskosten nicht bekannt, weil weder – im Falle eines Anschaffungsvorganges – die depotführende Stelle als Kommissionär tätig geworden ist, noch – im Falle einer Depotübertragung – von der übertragenden depotführenden Stelle eine Datenweitergabe stattgefunden hat, sind sie durch den Depotinhaber der depotführenden Stelle nachzuweisen (siehe oben Abschnitt 20.2.2.5.3.1.2). Gelingt ein solcher Nachweis nicht, kommt zunächst die Pauschalbewertungsvorschrift des § 93 Abs. 4 erster und zweiter Satz EStG 1988 zur Anwendung.
Danach ist „für Zwecke des Steuerabzugs davon auszugehen, dass die Anschaffungskosten dem gemeinen Wert zum Zeitpunkt der Depoteinlage, vermindert um 0,5% für jeden seit der Anschaffung vergangenen Monat entsprechen“, wobei zumindest „der halbe gemeine Wert zum Zeitpunkt der Depoteinlage anzusetzen“ ist. Voraussetzung für diese Pauschalbewertung ist somit die Kenntnis eines gemeinen Wertes im Zeitpunkt des Depotzuganges sowie des Zeitpunktes der Anschaffung. Für solche im Zeitpunkt der Depoteinlage abgeleitete Anschaffungskosten hat eine Fortschreibung der Anschaffungskosten (zB Korrektur um ausschüttungsgleiche Erträge) zu erfolgen.
7726a
Werden einem Versicherungsnehmer einer fondsgebundenen Lebensversicherung zum Fälligkeitsdatum anstelle der Versicherungsleistung die dem Versicherungsvertrag zugrundeliegenden Investmentfondsanteile auf sein Depot übertragen, ist als Anschaffungskosten dieser Investmentfondsanteile der gemeine Wert der Versicherungsleistung – und nicht der gemeine Wert der Investmentfondsanteile – zu erfassen. Liegt das Fälligkeitsdatum nach dem 31.12.2010, stellen die übertragenen Investmentfondsanteile Neubestand dar. Kann durch den Depotinhaber der Wert der Versicherungsleistung nicht nachgewiesen werden – der Nachweis kann etwa anhand einer Bestätigung der Versicherungsgesellschaft erfolgen – sind die Anschaffungskosten nach der pauschalen Bewertungsmethode des § 93 Abs. 4 EStG 1988 zu ermitteln.
Werden im Rahmen eines lohnsteuerpflichtigen Dienstverhältnisses Wertpapiere als Sachbezug gewährt – etwa als steuerbegünstigte Mitarbeiterbeteiligungen (§ 3 Abs. 1 Z 15 EStG 1988) oder als sonstige Bonifikationen – und auf das Depot des Dienstnehmers übertragen, ist als Anschaffungskosten der übertragenen Wertpapiere ihr gemeiner Wert im Zeitpunkt des Erwerbs – und nicht der gemeine Wert im Zeitpunkt der Übertragung – anzusetzen. Liegt das Datum des Erwerbs nach dem 31.12.2010, stellen die übertragenen Wertpapiere Neubestand dar. Kann durch den Depotinhaber der gemeine Wert der Wertpapiere im Zeitpunkt des Erwerbs nicht nachgewiesen werden – der Nachweis kann etwa anhand einer Bestätigung durch den Arbeitgeber erfolgen – sind die Anschaffungskosten nach der pauschalen Bewertungsmethode des § 93 Abs. 4 EStG 1988 zu ermitteln.
7727
Bei Vorhandensein eines Kurs- oder Handelswertes ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der gemeine Wert diesem Kurs- oder Handelswert entspricht. Besteht hingegen zum Zeitpunkt des Depotzuganges kein Kurs- oder Handelswert und kann der gemeine Wert durch die depotführende Stelle auch nicht mit zumutbarem Aufwand auf sonstige Weise festgestellt werden, können die Anschaffungskosten zunächst nicht pauschal angesetzt werden. Die Ableitung der Anschaffungskosten erfolgt in diesem Fall erst im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Depot. In diesen Fällen kommt eine „rückwirkende“ Fortschreibung der Anschaffungskosten (zB Korrektur um ausschüttungsgleiche Erträge) nicht in Frage.
Ist ein Kurs- oder Handelswert im Zeitpunkt des Depotzuganges lediglich vorübergehend nicht vorhanden – etwa aufgrund einer Handelsaussetzung oder weil faktisch kein Handel stattfindet – bestehen keine Bedenken, wenn der letzte vor dem Depotzugang gebildete Kurs- oder Handelswert als gemeiner Wert im Zeitpunkt des Depotzuganges angenommen wird. Im Falle der Handelsaussetzung gilt dies nur innerhalb der ersten sieben Kalendertage nach Aussetzung.
7728
Ist zwar der gemeine Wert im Zeitpunkt des Depotzuganges bekannt, der Anschaffungszeitpunkt hingegen nicht, sieht die Pauschalbewertungsvorschrift zudem eine Anschaffungszeitpunktfiktion vor. Dem je nach Art der Kapitalanlage zeitlich abgestuften Inkrafttreten des neuen Kapitalbesteuerungssystems entsprechend (§ 124b Z 185 lit. a EStG 1988) wird dabei die Anschaffung von steuerverfangenem Neubestand fingiert:
- bei Anteilen an Körperschaften und Anteilen an Kapitalanlagefonds und an § 40 oder § 42 des Immobilien-Investmentfondsgesetzes unterliegenden Gebilden wird eine entgeltliche Anschaffung am 1.1.2011,
- bei allen anderen Wirtschaftsgütern und Derivaten wird eine entgeltliche Anschaffung am 1.4.2012 angenommen, es sei denn, der tatsächliche Emissionszeitpunkt der Wirtschaftsgüter und Derivate liegt nach diesem Stichtag (diesfalls ist der spätere tatsächliche Emissionsstichtag maßgeblich).
Der Steuerpflichtige kann bei Anwendung dieser Fiktion den tatsächlichen Anschaffungszeitpunkt im Rahmen der Veranlagung zum besonderen Steuersatz von 27,5% gemäß § 97 Abs. 2 EStG 1988 nachweisen.
Beispiel 1:
A legt am 15.10.2012 eine am 2.5.2011 erworbene Aktie mit unbekannten Anschaffungskosten auf sein Depot ein. Der gemeine Wert im Zeitpunkt der Depoteinlage ist 100. Seit dem Anschaffungszeitpunkt sind bereits 18 Monate vergangen, daher werden die pauschalen Anschaffungskosten mit dem um 9% reduzierten gemeinen Wert von 100, somit 91 angesetzt.
Beispiel 2:
A legt am 15.10.2012 eine Aktie mit unbekannten Anschaffungskosten auf sein Depot ein. Der gemeine Wert im Zeitpunkt der Depoteinlage ist 100. Da der Anschaffungszeitpunkt ebenfalls unbekannt ist, wird eine Anschaffung am 1.1.2011 fingiert. Seit dem fingierten Anschaffungszeitpunkt sind bereits 22 Monate vergangen, daher werden die pauschalen Anschaffungskosten mit dem um 11% reduzierten gemeinen Wert von 100, somit 89 angesetzt.
Beispiel 3:
A überträgt am 15.10.2025 ein Zertifikat mit unbekannten Anschaffungskosten von seinem ausländischen Depot auf sein inländisches Depot. Der gemeine Wert im Zeitpunkt der Depoteinlage ist 100. Da der Anschaffungszeitpunkt ebenfalls unbekannt ist, wird eine Anschaffung am 1.4.2012 fingiert. Seit dem fingierten Anschaffungszeitpunkt sind mehr als 100 Monate vergangen, womit der gemeine Wert um mehr als 50% reduziert werden müsste. Die pauschalen Anschaffungskosten werden daher mit dem um 50% reduzierten gemeinen Wert von 100, somit 50 angesetzt.
29.5.1.1.3.3 Ansatz im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Depot
7729
Im Zeitpunkt eines realisierungsbedingten Ausscheides eines Wertpapiers aus dem Depot müssen für die Vornahme des Kapitalertragsteuerabzugs die Anschaffungskosten des Wertpapieres der depotführenden Stelle bekannt sein.
Zu diesem Zeitpunkt kommen die Pauschalbewertungsvorschriften des § 93 Abs. 4 dritter und vierter Satz EStG 1988 zur Anwendung. Die Bewertungsfiktion sieht vor, dass die Anschaffungskosten dem halben bzw. dem gemeinen Wert im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Depot entsprechen. Dabei sind mehrere Fälle erfasst:
1.der Fall, in dem der gemeine Wert im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Depot bekannt ist, die Anschaffungskosten allerdings nicht;
2.der Fall, in dem die Anschaffungskosten bekannt sind, der gemeine Wert im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Depot allerdings nicht und
3.der Fall, in dem weder die Anschaffungskosten noch der gemeine Wert im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Depot bekannt sind.
29.5.1.1.3.3.1 Ableitung der Anschaffungskosten
7730
Ist im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Depot ein Wert – etwa der Veräußerungserlös oder der gemeine Wert bei der Entnahme aus dem Depot – vorhanden, werden die nicht bekannten Anschaffungskosten aus dem vorhandenen Wert abgeleitet.
Dieser Fall tritt dann ein, wenn im Zeitpunkt des Depotzuganges weder die Anschaffungskosten bekannt, noch ein Kurs- oder Handelswert vorhanden war und der gemeine Wert durch die depotführende Stelle auch nicht mit zumutbarem Aufwand auf sonstige Weise festgestellt werden konnte, womit die Bewertungsvorschrift des § 93 Abs. 4 erster und zweiter Satz EStG 1988 nicht zur Anwendung gekommen ist (siehe oben Abschnitt 29.5.1.1.1).
Nach § 93 Abs. 4 dritter Satz EStG 1988 werden dabei die Anschaffungskosten mit dem halben gemeinen Wert im Zeitpunkt der Realisierung – dem Zeitpunkt, in dem das Wertpapier aus dem Depot ausscheidet – fingiert. Die Kapitalertragsteuer beträgt daher genau 27,5% (bis 31.12.2015 25%) des halben gemeinen Wertes im Zeitpunkt des Realisierungsvorganges.
Beispiel 4:
A legt am 15.10.2012 eine Aktie mit unbekannten Anschaffungskosten auf sein Depot ein. Die Aktie wird nicht gehandelt und der gemeine Wert im Zeitpunkt der Depoteinlage kann nicht festgestellt werden. Einige Jahre später wird die Aktie um 140 verkauft. Die für den KESt-Abzug notwendigen, aber unbekannten Anschaffungskosten werden in Höhe des halben Veräußerungserlöses, somit 70 fingiert.
Beispiel 5:
A legt am 15.10.2012 eine Aktie mit unbekannten Anschaffungskosten auf sein Depot ein. Die Aktie wird nicht gehandelt und der gemeine Wert im Zeitpunkt der Depoteinlage kann nicht festgestellt werden. Einige Jahre später wird die Aktie aus dem Depot entnommen. Im Zeitpunkt der Depotentnahme wird die Aktie gehandelt und hat einen Kurswert von 140. Die für den KESt-Abzug notwendigen, aber unbekannten Anschaffungskosten werden in Höhe des halben gemeinen Wertes im Zeitpunkt der Depotentnahme, der dem Kurswert entspricht, somit 70 fingiert.
29.5.1.1.3.3.2 Ableitung des gemeinen Wertes
7731
Ist im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Depot kein gemeiner Wert vorhanden, sind jedoch entweder die tatsächlichen oder die nach § 93 Abs. 4 erster und zweiter Satz EStG 1988 pauschal ermittelten (siehe dazu Abschnitt 29.5.1.1.3.2) Anschaffungskosten bekannt, wird der nicht vorhandene gemeine Wert von den bekannten Anschaffungskosten abgeleitet.
Nach § 93 Abs. 4 dritter Satz EStG 1988 wird der halbe gemeine Wert im Zeitpunkt der Realisierung den Anschaffungskosten gleichgesetzt, womit der gemeine Wert den doppelten Anschaffungskosten entspricht. Die Kapitalertragsteuer beträgt daher genau 27,5% (bis 31.12.2015 25%) der Anschaffungskosten.
Beispiel 6:
A legt am 15.10.2012 eine Aktie mit unbekannten Anschaffungskosten auf sein Depot ein. Da die Aktie börsennotiert ist, womit der gemeine Wert im Zeitpunkt der Depoteinlage festgestellt werden kann, werden die Anschaffungskosten pauschal mit 300 angesetzt. Einige Jahre später wird die Aktie aus dem Depot entnommen. Im Zeitpunkt der Depotentnahme wird die Aktie nicht mehr gehandelt und der gemeine Wert im Zeitpunkt der Depotentnahme kann nicht festgestellt werden. Der für den KESt-Abzug notwendige, aber unbekannte halbe gemeine Wert wird in Höhe der bekannten Anschaffungskosten, somit 300 fingiert. Der gemeine Wert beträgt daher 600.
29.5.1.1.3.3.3 Entfall des KESt-Abzugs
7732
Sind schließlich weder
- im Zeitpunkt des Depotzuganges die Anschaffungskosten bekannt und fehlt auch ein Kurs- oder Handelswert bzw. kann der gemeine Wert durch die depotführende Stelle auch nicht mit zumutbarem Aufwand auf sonstige Weise festgestellt werden, womit weder die tatsächlichen noch pauschale Anschaffungskosten vorhanden sind, noch
- im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Depot ein Kurs- oder Handelswert vorhanden ist und der gemeine Wert durch die depotführende Stelle auch nicht mit zumutbarem Aufwand auf sonstige Weise ermittelbar,
ist nach § 93 Abs. 4 vierter Satz EStG 1988 der gemeine Wert im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Depot in Höhe der Anschaffungskosten anzunehmen, womit die Bemessungsgrundlage Null beträgt und daher kein KESt-Abzug stattzufinden hat.
29.5.1.1.4 Ausschluss von der Steuerabgeltungswirkung und vom Verlustausgleich nach § 93 Abs. 6 EStG 1988
7733
Wird der Kapitalertragsteuerabzug auf Basis von nach § 93 Abs. 4 EStG 1988 abgeleiteten Werten – sowohl Anschaffungszeitpunkt als auch Anschaffungskosten – durchgeführt, bewirkt der Steuerabzug keine Steuerabgeltung nach § 97 EStG 1988 (§ 93 Abs. 4 vorletzter Satz EStG 1988).
Der Ausschluss von der Steuerabgeltung bewirkt in allen Fällen eine Veranlagungspflicht für jene Wertpapiere, bei denen der KESt-Abzug ausgehend von pauschal ermittelten Werten durchgeführt worden ist. Sofern der Depotinhaber im Rahmen der Veranlagung das Vorliegen von Altbestand – somit die Anschaffung vor dem 1.1.2011 beziehungsweise 1.4.2012 – nicht nachweisen kann, ist von Anschaffungen nach den genannten Terminen auszugehen. In weiterer Folge sind von Steuerpflichtigen „die tatsächlichen Anschaffungskosten“ oder der „Wert einer vorangegangenen steuerpflichtigen Entnahme“ nachzuweisen. Können die tatsächlichen Werte nicht nachgewiesen werden, sind diese gemäß § 184 BAO zu schätzen.
7733a
Weiters sind Einkünfte, bei denen der KESt-Abzug auf der Grundlage pauschaler Werte gemäß § 93 Abs. 4 EStG 1988 vorgenommen wurde, vom Verlustausgleich durch die depotführende Stelle (§ 93 Abs. 6 EStG 1988) ausgenommen. Dies gilt nicht für Kapitaleinkünfte gemäß § 27 Abs. 2 EStG 1988 aus Wirtschaftsgütern mit pauschal ermittelten Anschaffungskosten; diese sind in den automatischen Verlustausgleich einzubeziehen.
29.5.1.2 Stichtagsbewertungsvorschrift nach § 124b Z 185 EStG 1988
7734
Die Stichtagsbewertungsvorschrift des § 124b Z 185 lit. a EStG 1988 dient dazu, die depotführenden Stellen von Ermittlungs- und Aufzeichnungspflichten vor jenem Zeitpunkt, an dem der Kapitalertragsteuerabzug bei Neubestand – nach dem 31.12.2010 angeschaffte Anteile an Körperschaften und Anteilscheine an Investment- und Immobilienfonds – erstmalig vorgenommen werden muss, zu entlasten.
Dabei ist vorgesehen, dass wenn dem Abzugsverpflichteten die Anschaffungskosten der genannten Wertpapiere zum 1.4.2012 nicht bekannt sind, zwingend ein vom gemeinen Wert zum 1.4.2012 abgeleiteter Wert als Anschaffungskosten anzusetzen ist. Nach § 1 Wertpapier-Anschaffungskosten-VO gelten die tatsächlichen Anschaffungskosten auch dann als nicht bekannt, wenn sie von der depotführenden Stelle nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand ermittelt werden können. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die steuerlichen Anschaffungskosten nicht vollautomatisch ohne Adaptierungen verarbeitet werden können.
Die Stichtagsbewertungsvorschrift des § 124b Z 185 EStG 1988 kommt somit
- einmalig am 1.4.2012,
- auf zu diesem Zeitpunkt auf einem Depot verwahrte,
- nach dem 31.12.2010 angeschaffte Anteile an Körperschaften und Anteilscheine an Investment- und Immobilienfonds (§ 124b Z 185 zweiter und dritter Teilstrich EStG 1988)
7735
Als Anschaffungskosten hat die depotführende Stelle den gemeinen Wert des Wertpapieres zum 1.4.2012 anzusetzen. Um auch jene Fälle zu erfassen, in denen der gemeine Wert zum 1.4.2012 nicht bekannt, allerdings im Zeitpunkt eines späteren Realisierungsvorganges ein Wert vorhanden ist, sind die Bestimmungen des § 93 Abs. 4 dritter und vierter Satz EStG 1988 sinngemäß anzuwenden, womit die Anschaffungskosten von einem im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Depot bekannten Wert abgeleitet werden können.
Beispiel 1:
A erwirbt am 1.6.2011 über seine depotführende Hausbank eine börsennotierte Aktie. Die Anschaffungskosten können von der Hausbank aus technischen Gründen noch nicht aufgezeichnet werden. Es kommt die Pauschalbewertungsvorschrift des § 124b Z 185 lit. a EStG 1988 zur Anwendung. Die Anschaffungskosten werden mit dem Kurswert am 1.4.2012, vermindert um den in der Wertpapier-Anschaffungskosten-Verordnung vorgesehenen Wert fingiert.
Beispiel 2:
A erwirbt am 1.6.2011 über seine depotführende Hausbank eine börsennotierte Aktie. Die Anschaffungskosten können von der Hausbank aus technischen Gründen noch nicht aufgezeichnet werden und A hebt die ihm übermittelte Transaktionsbestätigung nicht auf. Die Börsennotierung wird kurze Zeit nach dem Erwerb beendet.
Am 1.4.2012 sind der Hausbank die Anschaffungskosten nicht bekannt und können auch nicht von A nachgewiesen werden. Aufgrund der fehlenden Börsennotierung kann der gemeine Wert am 1.4.2012 ebenso nicht festgestellt werden, womit die Pauschalbewertungsvorschrift des § 124b Z 185 lit. a EStG 1988 nicht zur Anwendung kommen kann. Die Anschaffungskosten werden daher gemäß § 93 Abs. 4 dritter und vierter Satz EStG 1988 erst im Zeitpunkt einer späteren Realisierung ermittelt werden können.
Die gemäß § 124b Z 185 EStG 1988 abgeleiteten Anschaffungskosten sind einem späteren Kapitalertragsteuerabzug zugrunde zu legen, wobei die Abgeltungswirkung gemäß § 97 Abs. 1 EStG 1988 zum Tragen kommt. Der Nachweis der tatsächlichen Anschaffungskosten kann allerdings im Wege der Veranlagung erfolgen. Für diesen Zweck haben die Steuerpflichtigen im Rahmen der Veranlagung die tatsächliche Höhe der Einkünfte (ermittelt anhand der tatsächlichen Anschaffungskosten) und die bereits einbehaltene KESt anzugeben. Beträgt die von der depotführenden Stelle einbehaltene KESt mehr als 27,5% (bis 31.12.2015 25%) der tatsächlichen Einkünfte, wird der übersteigende Betrag rückerstattet. Die gemäß § 124b Z 185 lit. a EStG 1988 abgeleiteten Anschaffungskosten gehen zudem in die Bildung des gleitenden Durchschnittspreises gemäß § 27 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 ein.
29.5.1.3 Pauschale Ermittlung nach § 93 Abs. 4a EStG 1988
29.5.1.3.1 Allgemeines
7735a
Die Pauschalbewertungsvorschrift des § 93 Abs. 4a EStG 1988 dient dazu, in jenen Fällen, in denen die für den Kapitalertragsteuerabzug notwendigen Daten – die Anschaffungskosten, der gemeine Wert und das Anschaffungsdatum – dem abzugsverpflichteten inländischen Dienstleister weder bekannt, noch mit zumutbaren Aufwand ermittelbar sind, den Kapitalertragsteuerabzug auf Basis fingierter Werte zu ermöglichen. Eine Besonderheit beim KESt-Abzug für Einkünfte aus Kryptowährungen liegt darin, dass – im Gegensatz zum klassischen Wertpapiergeschäft – bei Kryptowährungen eine lückenlose Feststellung der Anschaffungskosten durch den Abzugsverpflichteten in vielen Fällen nicht möglich ist. Dies ist dadurch bedingt, dass Kryptowährungen häufig nicht durchgängig bei zum KESt-Abzug verpflichteten Dienstleistern gehalten werden, sondern zwischenzeitig an andere Kryptowährungsadressen (zB Offline-Wallets) übertragen werden. Um jedoch auch für diese Fälle eine Abzugsmöglichkeit zu schaffen, enthält § 93 Abs. 4a EStG 1988 die umfassende Möglichkeit für die Abzugsverpflichteten, vom Steuerpflichtigen bekanntgegebene Informationen zu übernehmen, soweit beim Abzugsverpflichteten keine entgegenstehenden Daten vorhanden sind. Die Pauschalbewertungsvorschrift kann somit dann zur Anwendung kommen, wenn Kryptowährungen erstmalig auf eine Kryptowährungsadresse oder eine Kryptowährungswallet eines inländischen abzugsverpflichteten Dienstleisters zugehen. Spätere pauschale Wertansätze sind auf Grundlage des § 93 Abs. 4a EStG 1988 unzulässig, es sei denn, es stellt sich nachträglich heraus, dass der Nachweis der Anschaffungskosten unrichtig war.
7735b
§ 93 Abs. 4a Z 1 EStG 1988 iVm § 1 KryptowährungsVO sieht für Steuerpflichtige die Möglichkeit zur Bekanntgabe der notwendigen Steuerdaten an den Abzugsverpflichteten vor. Folgende Steuerdaten können dem Abzugsverpflichteten bekannt gegeben werden:
1.das Anschaffungsdatum der Kryptowährung oder, wenn der Erwerb in zeitlicher Aufeinanderfolge erfolgt ist und der gleitende Durchschnittspreis anzuwenden ist, der Anschaffungszeitraum;
2.die Anschaffungskosten der betreffenden Kryptowährung, wobei diese unter Anwendung des gleitenden Durchschnittspreises zu ermitteln sind (siehe Rz 6178z f);
3.die Information, ob seit Erwerb der betreffenden Kryptowährung ein steuerneutraler Tausch im Sinne des § 27b Abs. 3 Z 2 zweiter Satz EStG 1988 erfolgt ist.
Der Abzugsverpflichtete kann Inhalt und Struktur der zu übermittelnden Steuerdaten vorgeben, wobei durch § 2 Abs. 3 KryptowährungsVO auch die Übermittlung durch externe Dienstleister (insbesondere Steuersoftwareanbieter) zugelassen werden kann. Die allgemeinen ertragsteuerlichen Grundsätze, wie insbesondere der Grundsatz der Bewertungsstetigkeit, sind bei der Wahl der Datengrundlage durch den Steuersoftwareanbieter zu berücksichtigen. Des Weiteren muss der externe Dienstleister seine Berechnungen auf Verlangen des Steuerpflichtigen, Abzugsverpflichteten oder des Finanzamtes jederzeit nachvollziehbar offenlegen können. Liegen dem Abzugsverpflichteten jedoch im Vorhinein Informationen vor, die zu begründeten Zweifeln an den Informationen der externen Dienstleister führen, dürfen in diesem Fall die Daten nicht übernommen werden.
Die Bekanntgabe und Plausibilisierung der Steuerdaten kann umgehend bei Übertragung der Kryptowährungen an den Abzugsverpflichteten erfolgen. Spätestens hat diese jedoch unmittelbar vor der Realisierung zu erfolgen (zB bei Custody Providern, die im Rahmen einer Veräußerung in die Abwicklung einer Realisierung eingebunden sind). Können die Daten dabei nicht plausibilisiert werden, hat der Abzugsverpflichtete diese gemäß § 93 Abs. 4a Z 2 EStG 1988 anzusetzen.
Ein auf korrekten Angaben des Steuerpflichtigen basierender KESt-Abzug entfaltet Endbesteuerungswirkung.
29.5.1.3.2 Plausibilitätsprüfung
7735c
Der Abzugsverpflichtete hat die Angaben des Steuerpflichtigen auf deren Plausibilität zu überprüfen, wobei eine standardisierte automatisationsunterstützte Überprüfung erfolgen kann. Dabei kann ein automatisierter Abgleich mit historischen Anschaffungskursen der jeweiligen Kryptowährungen erfolgen, wobei auch angemessene Schwankungen Berücksichtigung finden können.
Eine manuelle Einzelfallüberprüfung muss somit nicht stattfinden. Soweit die standardisierte Überprüfung durch den Abzugsverpflichteten nicht vorgenommen wird oder deren Ergebnis als nicht plausibel eingestuft wurde, steht es dem Abzugsverpflichteten frei, vom Steuerpflichtigen weitere Nachweise zu den Steuerdaten zu verlangen. Als Nachweise können beispielsweise Kaufbelege von anerkannten Kryptowährungsbörsen oder eine Bestätigung eines Steuerberaters, der unter Heranziehung vorgelegter Kauf- und Verkaufsbelege die Anschaffungskosten (mit dem gleitenden Durchschnittspreis) berechnet hat, herangezogen werden.
Sofern der Steuerpflichtige Anschaffungskosten in Höhe von Null bekannt gibt, kann eine Plausibilitätsprüfung unterbleiben.
29.5.1.3.3 Pauschaler Wertansatz nach § 93 Abs. 4a Z 2 EStG 1988
7735d
Sofern der Steuerpflichtige keine Angaben zu den tatsächlichen Anschaffungskosten und dem Anschaffungszeitpunkt macht bzw. diese Angaben offensichtlich unrichtig (zur Plausibilitätsprüfung siehe Rz 7735c) sind und daher vom Abzugsverpflichteten nicht verwendet werden können, sieht § 93 Abs. 4a Z 2 EStG 1988 eine pauschale Ermittlung der Steuerdaten vor. Dabei ist von einer Anschaffung nach dem 28. Februar 2021 und damit von steuerhängigem Neuvermögen auszugehen. Die Anschaffungskosten sind in diesem Fall vom Abzugsverpflichteten pauschal in Höhe des halben Veräußerungserlöses anzusetzen.
29.5.1.3.4 Ausschluss von der Steuerabgeltungswirkung und vom Verlustausgleich nach § 93 Abs. 7 EStG 1988
7735e
Wird der Kapitalertragsteuerabzug auf Basis von nach § 93 Abs. 4a Z 2 EStG 1988 abgeleiteten Werten durchgeführt, bewirkt der Steuerabzug keine Steuerabgeltung nach § 97 EStG 1988 (§ 93 Abs. 4a Z 2 EStG 1988). Ebenso entfaltet der Steuerabzug keine Abgeltungswirkung, wenn die gemäß § 93 Abs. 4a Z 1 EStG 1988 vom Steuerpflichtigen bekanntgegebenen Steuerdaten unrichtig sind, selbst wenn der Abzugsverpflichtete diese für Zwecke des KESt-Abzuges übernehmen kann, weil keine offensichtliche Unrichtigkeit vorliegt.
Der Ausschluss von der Steuerabgeltung bewirkt somit eine Veranlagungspflicht für jene Kryptowährungen, bei denen der KESt-Abzug ausgehend von pauschal ermittelten Werten oder von unrichtig angegebenen Werten durchgeführt worden ist. In weiterer Folge sind vom Steuerpflichtigen „die tatsächlichen Anschaffungskosten“ im Rahmen der Veranlagung nachzuweisen. Können die tatsächlichen Werte nicht nachgewiesen werden, sind diese gemäß § 184 BAO zu schätzen.
7735f
Weiters sind Einkünfte, bei denen der KESt-Abzug auf der Grundlage pauschaler Werte gemäß § 93 Abs. 4a Z 2 EStG 1988 vorgenommen wurde, vom Verlustausgleich durch den inländischen Dienstleister (§ 93 Abs. 7 EStG 1988) ausgenommen. Dies gilt nicht für laufende Einkünfte aus Kryptowährungen gemäß § 27b Abs. 2 EStG 1988 aus Wirtschaftsgütern mit pauschal ermittelten Anschaffungskosten; diese sind in den automatischen Verlustausgleich einzubeziehen.
29.5.2 Fiktionen
7736
Um die Vornahme des Kapitalertragsteuerabzugs durch die Abzugsverpflichteten zu erleichtern, werden in § 93 Abs. 5 EStG 1988 verschiedene Fiktionen aufgestellt. Die Fiktionen sind nicht als Wahlrecht ausgestaltet, sondern auch dann zwingend anzuwenden, wenn der Abzugsverpflichtete Kenntnis von den tatsächlichen Gegebenheiten hat.
Alle Fiktionen gelten explizit nur für Zwecke des Kapitalertragsteuerabzugs, womit die Steuerabgeltungswirkung des § 97 Abs. 1 EStG 1988 nicht eintritt. Entsprechen somit die für Zwecke des Kapitalertragsteuerabzugs getroffenen Annahmen nicht den tatsächlichen Gegebenheiten, besteht für die entsprechenden Wertpapiere eine Veranlagungspflicht.
29.5.2.1 Privatvermögensfiktion
7737
Nach der ersten Fiktion hat der Abzugsverpflichtete davon auszugehen, dass Wirtschaftsgüter, Derivate und Kryptowährungen im Sinne des § 27 Abs. 3 bis 4a EStG 1988 nicht in einem Betriebsvermögen gehalten werden. Dies führt dazu, dass für Zwecke des Kapitalertragsteuerabzugs keine Unterscheidung zwischen Betriebs- und Privatvermögen getroffen werden muss.
Damit entfällt die unterschiedliche Behandlung der Anschaffungsnebenkosten, womit das Ansatzverbot des § 27a Abs. 4 Z 2 EStG 1988 für sämtliche depotverwahrten Wertpapiere zur Anwendung gelangt (zur Nichtanwendbarkeit von § 27a Abs. 4 Z 2 EStG 1988 bei Kryptowährungen siehe Rz 6105a). Bei tatsächlich im Betriebsvermögen gehaltenen Wertpapieren können die Anschaffungsnebenkosten im Rahmen der zwingend durchzuführenden Veranlagung berücksichtigt werden.
7737a
Ebenso wird der Kapitalertragsteuerabzug auf ausschüttungsgleiche Erträge bei Anteilen an Investmentfonds und § 40 oder § 42 des Immobilien-Investmentfondsgesetzes unterliegenden Gebilden einheitlich vorgenommen. Einbehalten und abgeführt wird vom Abzugsverpflichteten stets nur der Kapitalertragsteuerbetrag, der auf die 60% des positiven Saldos aus Einkünften im Sinne des § 27 Abs. 3 und 4 EStG 1988 sowie des § 27b Abs. 3 EStG 1988 gemäß § 186 Abs. 2 Z 1 erster Satz InvFG 2011 entfällt. Bei tatsächlich im Betriebsvermögen gehaltenen Anteilscheinen sind die restlichen 40% des positiven Saldos aus Einkünften im Sinne des § 27 Abs. 3 und 4 EStG 1988 sowie des § 27b Abs. 3 EStG 1988 nach Abzug der damit im Zusammenhang stehenden Aufwendungen des Investmentfonds im Rahmen der zwingend durchzuführenden Veranlagung zu erklären (siehe § 186 Abs. 2 Z 1 vorletzter Satz InvFG 2011).
29.5.2.2 Public-placement-Fiktion
7738
Aufgrund der zweiten Fiktion hat der Abzugsverpflichtete davon auszugehen, dass im Ausland begebene Wertpapiere, die ein Forderungsrecht verbriefen, sowie Anteile an einem § 40 oder § 42 des Immobilien-Investmentfondsgesetzes unterliegenden Gebilde bei ihrer Begebung sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht einem unbestimmten Personenkreis angeboten wurden. Im Gegensatz zu den anderen aufgestellten Fiktionen ist diese Vermutung allerdings nur in Zweifelsfällen anzuwenden, somit nur dann, wenn der Abzugsverpflichtete keine Kenntnis über das Vorliegen der angesprochenen Kriterien hat. Ist daher dem Abzugsverpflichteten bekannt, dass das entsprechende Wertpapier beziehungsweise der Anteilschein entweder in rechtlicher oder in tatsächlicher Hinsicht keinem unbestimmten Personenkreis angeboten wurde, kommt die Fiktion nicht zur Anwendung.
Wurde das im Ausland begebene Wertpapier beziehungsweise der Anteilschein sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht einem unbestimmten Personenkreis angeboten oder wird das Vorliegen dieser Voraussetzungen fingiert, unterliegen sie dem Kapitalertragsteuerabzugsregime (siehe § 93 Abs. 1 EStG 1988).
Liegen die genannten Voraussetzungen nicht vor und werden sie auch nicht fingiert, fallen die Wertpapiere unter § 27a Abs. 2 EStG 1988. Die Besteuerung findet in diesem Fall nicht im Abzugsweg, sondern in der Veranlagung zum regulären Tarif statt.
29.5.2.3 Wegzugszeitpunktfiktion
7739
Nach der dritten Fiktion hat der Abzugsverpflichtete davon auszugehen, dass bei der Meldung der Entstrickung durch den Steuerpflichtigen der Zeitpunkt der Entstrickung dem Zeitpunkt der Meldung entspricht.
Bei Vorliegen von Umständen, die zur Einschränkung des Besteuerungsrechts Österreichs im Verhältnis zu anderen Staaten führen – § 27 Abs. 6 Z 1 EStG 1988 – hat die depotführende Stelle bzw. der inländische Dienstleister den Kapitalertragsteuerabzug durchzuführen, wenn der Steuerpflichtige die Entstrickung meldet (§ 94 Z 7 EStG 1988). Die Bemessungsgrundlage ist dabei gemäß § 27a Abs. 3 Z 2 lit. b EStG 1988 der Unterschiedsbetrag zwischen dem gemeinen Wert im Zeitpunkt des Eintritts der Umstände und den Anschaffungskosten. Die Fiktion bewirkt somit, dass der Abzugsverpflichtete den genauen Zeitpunkt des Eintritts der Umstände nicht ermitteln muss, sondern die Bemessungsgrundlage mit dem Unterschiedsbetrag zwischen dem gemeinen Wert zum Zeitpunkt der Meldung und den Anschaffungskosten anzunehmen hat. Dies gilt analog im Fall der Entstehung des Besteuerungsrechts.
Sind daher die Umstände, die zur Einschränkung des Besteuerungsrechts Österreichs geführt haben, bereits vor der Meldung eingetreten, hat der Steuerpflichtige im Rahmen der Veranlagung den genauen Zeitpunkt anzugeben, damit die Besteuerung ausgehend vom gemeinen Wert im tatsächlichen Zeitpunkt des Eintritts der Umstände korrekt vorgenommen werden kann.
29.5.2.4 Umgründungsfiktion
7739a
Die vierte Fiktion steht im Zusammenhang mit dem Ausnahmetatbestand zur Depotübertragung gemäß § 27 Abs. 6 Z 2 sechster Teilstrich EStG 1988. Demnach hat der Abzugsverpflichtete davon auszugehen, dass eine Depotübertragung im Rahmen einer Umgründung vorliegt, wenn der Steuerpflichtige der depotführenden Stelle anhand geeigneter Unterlagen (insbesondere notariell beurkundeter Beschluss bzw. Vertrag oder Notariatsakt über die Umgründung oder die Meldung oder Anzeige der Umgründung samt Beilagen beim Finanzamt) das Vorliegen einer Umgründung nach dem Umgründungssteuergesetz glaubhaft macht (siehe dazu Rz 6169f).
29.5.3 Kapitalertragsteuer bei verschiedenen Produktgruppen
7740
Der Kapitalertragsteuerabzug bei verschiedenen Produktgruppen wird direkt im Anschluss an die Beschreibung und steuerliche Würdigung der einzelnen Produktgruppen in Abschnitt 20.2.4 dargestellt.
29.5.4 Nachträglich gekürzte Kapitalerträge
7741
Werden Zinsen gutgeschrieben, ist von diesen Kapitalertragsteuer einzubehalten, unabhängig davon, wann eine Auszahlung erfolgt. Kapitalertragsteuer ist somit immer dann einzubehalten, wenn ein Rechtsanspruch auf die Zinsen vorliegt. Ist der Rechtsanspruch mit einem bestimmten Verhalten des Anlegers gekoppelt, das in der Folge nicht eingehalten wird und daher zu einem Wegfall dieses Rechtsanspruchs führt, liegt eine auflösende Bedingung vor. Dies führt dazu, dass die KESt solange einzubehalten ist, als die auflösende Bedingung nicht eingetreten ist. Bei Eintritt dieser auflösenden Bedingung sind die Zinsen vom Anleger wieder zurückzuerstatten, was im Ergebnis zu einer nachträglichen Kürzung von Kapitalerträgen führt. Die für diese – nachträglich gekürzten Kapitalerträge – einbehaltene KESt ist wieder gutzuschreiben.
Beispiel:
Ein Sparbuch mit Anfangskapital von 1.000 mit 5% p.a. verzinst. Der Zinssatz ist jedoch daran gekoppelt, dass das Kapital 5 Jahre nicht behoben wird. Wird es früher behoben, sinkt der Zinssatz auf 2%, Es fallen somit für das Jahr 01 50 an Zinsen an, wovon 12,5 an KESt einzubehalten und abzuführen ist. Im Jahr 02 wird ein Betrag von 1.037,5 (1.000+50-12,5) verzinst; Die Zinsen betragen 51,875, wovon 12,97 an KESt einzubehalten ist. Nach zwei Jahren wird jedoch das Kapital behoben und der Zinssatz sinkt auf 2%, was dazu führt, dass 3% an Zinsen wieder rückgängig gemacht werden. Das ist für das Jahr 01 ein Betrag von 30 an Zinsen mit 7,5 an KESt sowie für das Jahr 02 ein Betrag von 31,125 (1.037,5 x 3%) mit 7,78 an KESt. Insgesamt ist somit ein Betrag von 15,28 an KESt zu erstatten.
§ 95 Abs. 5 EStG 1988 soll ausschließlich die bewährte, anlegerfreundliche Praxis der Gutschrift der Kapitalertragsteuer bei Vorschusszinsen, Prämiensparen und ähnlichen Produkten ermöglichen, wenn durch Eintritt der auflösenden Bestimmung bereits gewährte Kapitalerträge wieder gekürzt werden. Über § 95 Abs. 5 EStG 1988 ist aber bei Aktienanleihen (cash-or-share-Anleihen) kein Ausgleich der im Zuge der Andienung der Aktien erlittenen Verluste mit den zuvor gutgeschriebenen Zinsen möglich. Zu vor dem 1.4.2012 entgeltlich erworbenen Aktienanleihen siehe Abschnitt 20.2.4.3.1.
29.5.5 Ausländische Anleger
29.5.5.1 Beschränkte Steuerpflicht
7742
Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unterliegen mit Kapitalerträgen im Sinne des § 27 EStG 1988 nach Maßgabe des § 98 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 der beschränkten Steuerpflicht. Diese erstreckt sich auf
- Einkünfte, die einer inländischen Betriebsstätte zuzurechnen sind
- Inländische Dividenden, soweit keine Befreiung vom KESt-Abzug vorliegt
- Ausschüttungen aus Gesellschaften mit beschränkter Haftung, soweit keine Befreiung vom KESt-Abzug vorliegt
- Bezüge aus Partizipationskapital im Sinne des BWG und VAG 2016 und aus Genussscheinen, soweit jeweils keine Befreiung vom KESt-Abzug vorliegt
- inländische Zinsen gemäß § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 oder inländische Stückzinsen gemäß § 27 Abs. 6 Z 5 EStG 1988 (einschließlich solche bei Nullkuponanleihen und sonstigen Forderungswertpapieren), soweit keine Befreiung vom KESt-Abzug vorliegt
- Gewinnanteile stiller Gesellschafter
- Ausschüttungen aus Agrargemeinschaften
- Immobiliengewinne inländischer Immobilien eines in- oder ausländischen § 40 oder § 42 des Immobilien-Investmentfondsgesetzes unterliegenden Gebildes
- Wertsteigerungen von Beteiligungen an einer Kapitalgesellschaft, soweit
- diese Sitz oder Geschäftsleitung im Inland hat und
- der Steuerpflichtige oder im Falle eines unentgeltlichen Erwerbs der Steuerpflichtige oder sein Rechtsvorgänger innerhalb der letzten fünf Jahre zu mindestens 1% beteiligt war.
7742a
Einkünfte aus Derivaten gemäß § 27 Abs. 4 EStG 1988 sowie Einkünfte aus Kryptowährungen, sowohl laufende Einkünfte gemäß § 27b Abs. 2 EStG 1988 als auch Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Kryptowährungen gemäß § 27b Abs. 3 EStG 1988, unterliegen nicht der beschränkten Steuerpflicht.
Sofern dem Abzugsverpflichteten bekannt ist, dass es sich um keinen unbeschränkt steuerpflichtigen Anleger handelt, kann der Kapitalertragsteuerabzug unterbleiben, sofern auch keine beschränkte Steuerpflicht vorliegt (zum Nachweis siehe dazu Rz 7745; zur Ausnahme von der Abzugspflicht bei Einkünften gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988 siehe Rz 7777). Wird vom Abzugsverpflichteten dennoch Kapitalertragsteuer einbehalten, kann diese gemäß § 240 Abs. 3 BAO rückerstattet werden.
29.5.5.2 Doppelwohnsitz
7743
Haben Personen neben ihrem ausländischen Wohnsitz einen weiteren österreichischen Wohnsitz, so unterliegen sie – ungeachtet einer nach Doppelbesteuerungsabkommen allenfalls gegebenen ausländischen Ansässigkeit – innerstaatlich der unbeschränkten Steuerpflicht. § 98 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 ist auf sie nicht anwendbar. Eine Befreiung von der Kapitalertragsteuerpflicht kann daher niemals auf Basis dieser Bestimmung zum Zuge kommen, sondern nur auf Grund von Doppelbesteuerungsabkommen (allenfalls auf Grund von Maßnahmen nach § 103 EStG 1988 oder § 48 BAO). Dies gilt auch für Staatsbürger der nicht an Österreich angrenzenden Staaten.
29.5.5.3 Zweitwohnsitz
7744
Personen, die sich länger als fünf Kalenderjahre im Ausland befinden und im Inland lediglich über einen Zweitwohnsitz verfügen, den sie allein oder gemeinsam mit anderen inländischen Wohnungen nicht länger als 70 Tage pro Jahr benützen (§ 1 Abs. 1 der Zweitwohnsitzverordnung, BGBl. II Nr. 528/2003), haben keinen Wohnsitz im Sinne des § 1 EStG 1988 und unterliegen daher nicht der unbeschränkten, sondern der beschränkten Steuerpflicht. Der Abzugsverpflichtete ist im Zusammenhang mit der Kapitalertragsteuer-Erhebung nicht verpflichtet, das Vorliegen der Verordnungsvoraussetzungen (Vorlage des gemäß § 1 Abs. 2 Zweitwohnsitzverordnung, BGBl. II Nr. 528/2003, zu führenden Verzeichnisses über die Tage der inländischen Wohnungsbenützung) zu prüfen, wenn vom Anleger eine entsprechende Erklärung abgegeben wird. Die Verantwortung für die Richtigkeit der Erklärung liegt beim Anleger. Ergeben sich jedoch auf Grund der nach dem BWG durchzuführenden Prüfungen oder aus sonstigen Gründen Zweifel daran, sind diese Erkenntnisse auch für steuerliche Zwecke zu verwerten. Bis zur endgültigen Klärung des Sachverhalts ist jedenfalls ein KESt-Abzug vorzunehmen.
29.5.5.4 Nachweis der beschränkten Steuerpflicht
29.5.5.4.1 Nachweis allgemein
7745
Unterliegen Kapitalerträge ausländischer Anleger nicht der beschränkten Steuerpflicht, kann unter bestimmten Voraussetzungen von der Vornahme eines Steuerabzugs abgesehen werden. Der Steuerabzug darf nur dann unterbleiben, wenn der Anleger dem Abzugsverpflichteten seine Ausländereigenschaft nachweist bzw. glaubhaft macht. Es ist der Umstand nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, dass der Anleger im Inland weder einen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Dazu ist es erforderlich, dass der Anleger einen amtlichen Lichtbildausweis iSd § 6 Abs. 2 Z 1 FM-GwG vorlegt, aus dem seine Identität zweifelsfrei hervorgeht. Der Abzugsverpflichtete muss den Namen des Anlegers, die ausstellende Behörde und die amtliche Nummer des Lichtbildausweises in geeigneter Form festhalten und diese Angaben nach den Regelungen des BWG überprüfen. Überdies muss der Anleger – gleichgültig, ob er ausländischer oder österreichischer Staatsbürger ist – seine Adresse angeben; auch diese ist in geeigneter Form festzuhalten.
29.5.5.4.2 Nachweis der beschränkten Steuerpflicht für österreichische Staatsbürger oder Staatsbürger der Nachbarstaaten Österreichs im Besonderen
7746
Anleger, die österreichische Staatsbürger oder Staatsbürger der Nachbarstaaten Österreichs sind, müssen zusätzlich schriftlich erklären, dass sie in Österreich keinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 26 BAO haben. An die Stelle dieser Erklärung kann auch eine Erklärung des Anlegers treten, dass dieser ausschließlich über eine oder mehrere inländische Wohnungen verfügt, die gemäß § 1 der Zweitwohnsitzverordnung, BGBl. II Nr. 528/2003, keinen Wohnsitz im Sinne des § 1 EStG 1988 begründen. Darüber hinaus darf vom Steuerabzug nur abgesehen werden, wenn sich das betreffende Forderungswertpapier auf dem Depot einer inländischen Bank befindet.
Die Erklärung ist bei Änderung von einer ausländischen auf eine inländische Zustelladresse erneut vom Anleger abzuverlangen.
29.5.5.5 Betriebsvermögen
7747
Ist das betreffende Kapitalvermögen dem Betriebsvermögen des Anlegers zuzurechnen, ist folgendermaßen vorzugehen:
Gehört das Kapitalvermögen zu einem ausländischen Betriebsvermögen, sind die Kapitalerträge aus innerstaatlicher Sicht solche im Sinne des § 27 EStG 1988. Eine Freistellung vom Steuerabzug ergibt sich aus § 98 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 (siehe oben). Ist das Kapitalvermögen Teil eines inländischen Betriebsvermögens, unterliegen die Kapitalerträge der beschränkten Steuerpflicht nach § 98 Abs. 1 Z 3 EStG 1988. Eine Freistellung vom Steuerabzug kann aber durch Abgabe einer Befreiungserklärung im Sinne des § 94 Z 5 EStG 1988 erreicht werden. Bei erbrachtem Nachweis der Ausländereigenschaft wirkt die Freistellung vom Steuerabzug auch ohne Abgabe einer Befreiungserklärung. Beim Nachweis der Ausländereigenschaft ist Abschnitt 29.5.5.4 sinngemäß anzuwenden.
29.5.5.6 Zurechnung zu ausländischen Körperschaften
29.5.5.6.1 Zurechnung zu ausländischen Körperschaften allgemein
7748
Für ausländische Körperschaften sind zusätzlich auf Grund einer Identitätsprüfung iSd § 6 FM-GwG schriftlich festzuhalten:
- Urkunde, aus der sich die rechtliche Existenz der Körperschaft ergibt.
- Die persönlichen Daten der natürlichen Person, die für die Körperschaft auftritt, einschließlich Vertretungsnachweis sowie Urkunde über ihre organschaftliche Stellung, falls sie eine solche bekleidet.
- Name und Sitz der ausländischen Körperschaft.
Der Abzugsverpflichtete hat mit der ihm zumutbaren Sorgfalt die gemachten Angaben zu überprüfen. Zumutbar sind immer die im BWG enthaltenen Sorgfaltspflichten; die Ergebnisse von Prüfungen auf Grund des BWG sind daher stets auch für Zwecke des KESt-Abzuges zu verwenden.
7748a
Ergeben sich Anhaltspunkte, dass nicht die Körperschaft, sondern eine dahinter stehende dritte Person Zurechnungsempfänger der Kapitalerträge ist (insbesondere bei einer als transparent anzusehenden ausländischen Stiftung), darf ein Kapitalertragsteuerabzug nur dann unterbleiben, wenn die dahinter stehende Person identifiziert wird und die Voraussetzungen für das Unterbleiben des Steuerabzuges bei dieser Person vorliegen.
Gemäß § 38 Abs. 3 BWG befreit das Bankgeheimnis ein Kreditinstitut nicht, sämtliche für den KESt-Abzug relevanten Unterlagen bei einer KESt-Nachschau den prüfenden Organen der Finanzverwaltung vorzulegen. Durch das Bankgeheimnis entsteht für Zwecke der KESt-Befreiung vielmehr eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Kreditinstitutes, die zu dieser Vorlageverpflichtung führt. Das Bankgeheimnis steht jedoch einer weiteren Verwertung von daraus gewonnenen Erkenntnissen in anderen Verfahren entgegen, es sei denn, es liegt eine der Ausnahmen des § 38 Abs. 2 BWG vor.
29.5.5.6.2 Zurechnung zu ausländischen Stiftungen (Anstalten und Trusts)
7749
Bei ausländischen Stiftungen (Anstalten oder Trusts) darf ein KESt-Abzug nur unterbleiben, wenn diese als intransparent anzusehen sind (vgl. dazu insbesondere StiftR 2009 Rz 21). Damit der Abzugsverpflichtete feststellen kann, ob die ausländische Stiftung (Anstalt oder Trust) steuerlich als intransparent zu behandeln ist, gilt (nur) für Zwecke des KESt-Abzuges Folgendes: Der Stiftungsvorstand (bzw. das zur Vertretung befugte äquivalente Verwaltungsorgan) hat gegenüber der kuponauszahlenden Stelle eine schriftliche (Anleger-)Erklärung abzugeben. Aus dieser muss zweifelsfrei hervorgehen, dass der Stiftungsvorstand (bzw. das zur Vertretung befugte äquivalente Verwaltungsorgan) die ausschließliche Dispositionsbefugnis über das gesamte Vermögen der Stiftung (Anstalt oder Trust) hat und diese unbeeinflusst von Weisungen Dritter ausübt. Die Verantwortung für die Richtigkeit der Erklärung liegt beim Anleger; ergeben sich jedoch für den Abzugsverpflichteten insbesondere auf Grund der nach dem BWG durchzuführenden Prüfungen berechtigte Zweifel an der Richtigkeit der Angaben, ist ein KESt-Abzug solange vorzunehmen, solange die Voraussetzungen für das Unterbleiben des KESt-Abzuges nicht einwandfrei vorliegen.
Werden Sparkonten (Sparbücher), andere Konten und Depots nach dem 31.12.2009 eröffnet, muss die schriftliche (Anleger-)Erklärung bereits bei Eröffnung abgegeben werden.
Für zum 31.12.2009 schon bestehende Sparkonten (Sparbücher), andere Konten und Depots muss die schriftliche (Anleger-)Erklärung bis längstens 30.6.2010 abgegeben werden. Unterbleibt dies, hat ein KESt-Abzug zu erfolgen.
29.5.5.7 Einsichtnahme in die Aufzeichnungen der Kreditinstitute
7750
Die Abgabenbehörden können die unter Abschnitt 29.5.5.1 bis 29.5.5.6 angeführten Aufzeichnungen dann einsehen, wenn ein Finanzstrafverfahren wegen eines vorsätzlichen Finanzvergehens, ausgenommen Finanzordnungswidrigkeiten, eingeleitet worden ist (§ 38 Abs. 2 BWG). Überdies können die Abgabenbehörden jederzeit prüfen, ob die Voraussetzungen für ein Unterbleiben des Steuerabzugs dem Grunde nach gegeben sind (§ 38 Abs. 3 BWG). Das Kreditinstitut hat den Abgabenbehörden die Überprüfung zu ermöglichen, ob für die einzelnen Einlagen- und Depotkonten überhaupt Aufzeichnungen geführt werden. Es steht den Kreditinstituten frei, Vorkehrungen zu treffen, dass bei der Überprüfung der festgehaltenen Aufzeichnungen eine Zuordnung zu den einzelnen Einlagen- und Depotkonten für die Abgabenbehörden nicht möglich ist (insb. durch jeweiliges Abdecken bestimmter Teile der Aufzeichnungen). Sollte es der Abgabenbehörde durch diese Vorkehrungen jedoch nicht möglich sein, zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für ein Unterbleiben des Steuerabzugs dem Grunde nach gegeben sind, entfällt die Befreiung vom Kapitalertragsteuerabzug. Soweit dadurch der Abgabenbehörde abgabenrechtlich relevante Umstände, die über Zwecke der Kapitalertragsteuerüberprüfung hinausgehen, bekannt werden, dürfen diese für ein anderes Abgabenverfahren weder weitergegeben noch verwendet werden. Es dürfen auch keine Abschriften oder Kopien der Unterlagen von Kreditinstituten angefertigt werden.