3.8. Beförderungs- und Versendungslieferung
3.8.1. Allgemeines
446
Wird der Gegenstand einer Lieferung durch den Lieferer oder den Abnehmer befördert oder versendet, so gilt die Lieferung dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung beginnt.
447
Unter Beförderung ist ein Gütertransport, den der liefernde Unternehmer, der Abnehmer oder ein unselbstständiger Erfüllungsgehilfe des Lieferers oder Abnehmers mit eigenen, gemieteten oder geliehenen Beförderungsmitteln ausführt, zu verstehen. Der Beginn der Beförderung ist mit dem tatsächlichen Transportbeginn gleichzusetzen und nicht schon mit dessen Vorbereitungshandlungen wie etwa der Bereitstellung der Ware, deren Verpackung oder Verladung.
448
Versenden liegt vor, wenn der Unternehmer oder der Abnehmer den Gütertransport durch einen selbstständigen Unternehmer (Frachtführer; Gelegenheitsfrachtführer, Verfrachter von Seeschiffen) ausführen oder durch einen Spediteur (Gelegenheitsspediteur) besorgen lässt. Ein Besorgen von Beförderungsleistungen ist dann gegeben, wenn ein Unternehmer für Rechnung seines Auftraggebers (des Versenders) im eigenen Namen Güterversendungen durch Frachtführer oder Verfrachter ausführen lässt. Die Versendung beginnt mit der Übergabe des Gegenstandes an den Spediteur, Frachtführer oder Verfrachter.
Die Beförderung oder Versendung des Gegenstandes muss in Erfüllung eines Umsatzgeschäftes erfolgen.
449
Voraussetzung, dass die Lieferung mit Beginn der Beförderung bzw. mit der Übergabe an den Spediteur oder Frachtführer ausgeführt gilt, ist, dass zu Beginn der Beförderung oder Versendung der Abnehmer feststeht und dass es sich bei Beginn der Beförderung bereits um den Gegenstand der Lieferung handelt. Letztere Voraussetzung ist nicht gegeben, wenn der Gegenstand nach seiner Übergabe noch einer Be- oder Verarbeitung unterzogen wird. Bei der Lieferung von Einzelteilen ist daher zu unterscheiden:
- Wird das betriebsfertig hergestellte Werk nur zum Zweck des leichteren Transportes wieder in Einzelteile zerlegt, so gilt die Lieferung mit der Übergabe an den Beförderungsunternehmer als ausgeführt.
- Sind dagegen am Ort der Aufstellung noch umfangreiche Arbeiten vorzunehmen, durch die das Werk erst fertig gestellt wird (wie zB Montierungen von Anlagen, Fundamentierung usw.), so ist die Lieferung erst mit der Durchführung dieser Arbeiten ausgeführt (Montagelieferung).
Geht das Wirtschaftsgut während der Beförderung unter und trägt das Risiko des Untergangs der Lieferer, liegt keine Lieferung vor.
3.8.2. Reihengeschäfte (bis 31.12.2019)
450
Zur Regelung für Reihengeschäfte ab 1.1.2020 siehe Rz 474g ff. Für Umsätze, die bis 31.12.2019 ausgeführt wurden, gilt Folgendes:
Bei Umsatzgeschäften, die von mehreren Unternehmern über denselben Gegenstand abgeschlossen werden und bei denen dieser Gegenstand im Rahmen der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer gelangen, ist zu beachten, dass die Umsätze (gedanklich) zeitlich hintereinander stattfinden, der Ort der einzelnen Umsätze jeder für sich bestimmt werden muss und nur für einen Umsatz in der Reihe der Ort der Lieferung gemäß § 3 Abs. 8 UStG 1994 bestimmt werden kann.
Beispiel 1:
Der Hersteller W in Wien verkauft eine Ware an den Großhändler K in Köln und dieser wiederum an seinen Kunden M in Deutschland. K holt die Ware von W ab und befördert sie zu seinem Kunden M.
Auch bei Beförderung oder Versendung durch den Abnehmer K gilt die Lieferung des W an den Abnehmer K gemäß § 3 Abs. 8 UStG 1994 mit dem Beginn der Beförderung (das ist in Wien) als ausgeführt. Für die nachfolgende Lieferung kommt – da die Beförderung bereits der ersten Lieferung zugerechnet wurde – nur mehr die Ortsbestimmung gemäß § 3 Abs. 7 UStG 1994 in Frage. Die Ware befindet sich in dem Zeitpunkt, in dem M die Verfügungsmacht verschafft wird, in München. Der Ort der zweiten Lieferung ist daher nicht in Österreich, sondern in Deutschland. Die so genannte bewegte Lieferung findet daher zwischen W und K statt.
Beispiel 2:
Der Hersteller M in München verkauft eine Ware an den Großhändler S in Salzburg und dieser wiederum an seinen Kunden W in Wien. S holt die Ware von M ab und befördert sie zu seinem Kunden W.
Die Lieferung des M an den Abnehmer S gilt gemäß § 3 Abs. 8 UStG 1994 mit dem Beginn der Beförderung als ausgeführt (Lieferort daher München). Für die nachfolgende Lieferung kommt – da die Beförderung bereits der ersten Lieferung zugerechnet wurde – nur mehr die Ortsbestimmung nach § 3 Abs. 7 UStG 1994 in Frage. Die Ware befindet sich in dem Zeitpunkt, in dem W die Verfügungsmacht verschafft wird, in Wien. Der Ort der zweiten Lieferung ist daher Wien. Die bewegte Lieferung findet daher zwischen M und S statt.
3.8a. Einfuhr-Versandhandelsumsätze (ab 1.7.2021)
451
Mit 1.7.2021 wird in § 3 Abs. 8a UStG 1994 eine Lieferortregel für Einfuhr-Versandhandelsumsätze eingeführt. Der Begriff „Einfuhr-Versandhandel“ bezeichnet Lieferungen aus einem Drittland ins Gemeinschaftsgebiet, wobei der Abnehmer ein Nichtunternehmer oder eine andere in Art. 3 Abs. 4 UStG 1994 genannte Person ist. Die Beförderung oder Versendung hat durch den Lieferanten oder auf dessen Rechnung zu erfolgen. Hierfür genügt es, wenn der Lieferant indirekt an der Beförderung oder Versendung beteiligt ist (siehe hierzu Rz 3715). Lieferungen neuer Fahrzeuge oder Lieferungen verbrauchsteuerpflichtiger Waren an juristische Personen fallen nicht unter die Regelungen für Einfuhr-Versandhandelsumsätze.
Nach § 3 Abs. 8a UStG 1994 liegt der Lieferort bei Einfuhr-Versandhandelsumsätzen abweichend von § 3 Abs. 8 oder 9 UStG 1994 an jenem Ort, an dem die Warenbewegung endet. Diese Lieferortregel gilt in zwei Fällen:
- bei Waren, die in einem anderen Mitgliedstaat eingeführt werden als jenem, in dem die Warenbewegung endet;
- wenn der Unternehmer die Umsätze über den IOSS (§ 25b UStG 1994) erklärt.
In beiden Fällen schuldet der Unternehmer die Umsatzsteuer somit im Bestimmungsland. Zur Einfuhrumsatzsteuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 4 Z 9 UStG 1994 im Einfuhrland bei Verwendung des IOSS siehe Rz 1024 und Rz 3434.
Beispiel 1:
Der chinesische Unternehmer CN verkauft Waren mit einem Einzelwert von 80 Euro aus China an Privatpersonen in Österreich. Die Waren werden in Luxemburg dem Zoll gestellt und anschließend zu den Privatpersonen in Österreich befördert. CN nimmt die Anmeldung zur Überführung in den freien Verkehr vor. CN ist nicht im IOSS registriert.
Lösung:
Nach Art. 221 Abs. 4 UZK-IA erfolgt die zollrechtliche Abfertigung von Waren zum freien Verkehr mit einem Einzelwert bis 150 Euro in dem Mitgliedstaat, in dem die Warenbewegung endet. Die Waren werden auf Grund der zollrechtlichen Vorgaben in einem „Versandverfahren“ von Luxemburg nach Österreich befördert und von der zuständigen Zollstelle in Österreich zum freien Verkehr abgefertigt. Daher kommt nicht die spezielle Lieferortregelung in § 3 Abs. 8a lit. a UStG 1994, sondern § 3 Abs. 9 UStG 1994 zur Anwendung (vgl. Rz 466). Zusätzlich wird eine Einfuhr in Österreich verwirklicht.
Variante:
Wie Beispiel 1, nur, dass der Einzelwert der Sendung 180 Euro beträgt. CN lässt die Waren in Luxemburg zum freien Verkehr abfertigen und anschließend zu den Privatpersonen in Österreich befördern.
Lösung:
Da der Einzelwert der Sendung 150 Euro überschreitet, kommt Art. 221 Abs. 4 UZK-IA nicht zur Anwendung. Der Lieferort liegt nach § 3 Abs. 8a lit. a UStG 1994 am Ende der Beförderung. Die Lieferung des CN ist somit in Österreich steuerbar. CN muss sich in Österreich zur Umsatzsteuer registrieren lassen. Zusätzlich wird eine Einfuhr in Luxemburg verwirklicht. Der Vorsteuerabzug iZm der Einfuhr richtet sich nach luxemburgischem Recht.
Beispiel 2:
Der chinesische Unternehmer CN verkauft Waren mit einem Einzelwert von 80 Euro an Privatpersonen in Österreich. Die Waren werden in Österreich eingeführt. CN ist über einen Vertreter im IOSS registriert. CN lässt die Waren in Österreich zum freien Verkehr abfertigen und anschließend zu den Privatpersonen in Österreich befördern.
Lösung:
Der Lieferort liegt nach § 3 Abs. 8a lit. b UStG 1994 am Ende der Beförderung. Die Lieferung des CN ist in Österreich steuerbar und über den IOSS zu erklären.
Aufgrund der Inanspruchnahme des IOSS ist die Einfuhr gemäß § 6 Abs. 4 Z 9 UStG 1994 steuerfrei. Erfolgt die (zollrechtliche) Abfertigung zum freien Verkehr in einem anderen Mitgliedstaat, wird die Einfuhr in diesem Mitgliedstaat verwirklicht und die Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer richtet sich nach dem Recht dieses Mitgliedstaates.
Randzahlen 452 bis 465: derzeit frei.
3.9. Beförderungs- und Versendungslieferung aus dem Drittland
466
§ 3 Abs. 9 UStG 1994 regelt den Lieferort in den Fällen, in denen der Gegenstand der Lieferung bei der Beförderung oder Versendung aus dem Drittlandsgebiet in das Inland gelangt und der Lieferer oder sein Beauftragter Schuldner der EUSt ist. Maßgeblich ist, unabhängig von den Lieferkonditionen, wer nach den zollrechtlichen Vorschriften Schuldner der EUSt ist.
Beispiel:
Der Drittlandsunternehmer D verkauft Gewürze an den österreichischen Unternehmer Ö. D befördert die Gewürze vom Drittland ins Inland.
Ö nimmt die Anmeldung zur Überführung in den freien Verkehr vor (Lieferung „unverzollt und unversteuert“).
Der Ort der Lieferung ist im Drittland (§ 3 Abs. 8 UStG 1994). Ö kann die österreichische EUSt als Vorsteuer geltend machen.
D nimmt die Anmeldung zur Überführung in den freien Verkehr vor (Lieferkondition „verzollt und versteuert“).
Ort der Lieferung des D an Ö ist Österreich, da der Lieferer D Schuldner der österreichischen EUSt ist (§ 3 Abs. 9 UStG 1994). D bewirkt eine in Österreich steuerbare und steuerpflichtige Lieferung an Ö und kann die entrichtete EUSt als Vorsteuer geltend machen.
Aus zollrechtlicher Sicht ist es auch bei der Lieferkondition „DDP unversteuert benannter Bestimmungsort“ oder der vertraglich vereinbarten nicht normierten Lieferkondition „frei Haus, verzollt und unversteuert“ möglich, dass der inländische Warenempfänger (Ö) bzw. der von ihm beauftragte Spediteur die Zollanmeldung vornimmt. Diesfalls wird – unabhängig von der Lieferkondition – nicht D als liefernder Drittlandsunternehmer, sondern der inländische Warenempfänger Ö Schuldner der EUSt, so dass es hier nicht gemäß § 3 Abs. 9 UStG 1994 zur Verlagerung des Lieferortes ins Inland kommt.
Der Ort der Lieferung des D liegt im Drittland (§ 3 Abs. 8 UStG 1994), da er nicht Schuldner der EUSt geworden ist. Ö war zum Zeitpunkt der Einfuhr bereits umsatzsteuerrechtlich über die Ware verfügungsberechtigt und kann die EUSt, deren Schuldner er geworden ist, als Vorsteuer geltend machen.
In den Fällen des Reihengeschäftes kann eine Verlagerung des Lieferortes nach § 3 Abs. 9 UStG 1994 nur für die Beförderungs- oder Versendungslieferung (§ 3 Abs. 8 UStG 1994) in Betracht kommen.
467
§ 3 Abs. 13 und 14 UStG 1994 gilt auch im Verhältnis zum Drittlandsgebiet; die Anwendung des § 3 Abs. 9 UStG 1994 ist demgegenüber mangels Beförderung oder Versendung ausgeschlossen. Die Lieferung von Gas über ein Erdgasnetz im Gebiet der Gemeinschaft oder jedes an ein solches Netz angeschlossene Netz, von Elektrizität, von Wärme oder Kälte über Wärme- oder Kältenetze aus dem Drittlandsgebiet in das Inland ist damit im Inland steuerbar und steuerpflichtig; die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers unter den Voraussetzungen des § 19 Abs. 1c UStG 1994 ist zu beachten (siehe dazu Rz 2604d).
Randzahlen 468 bis 470: derzeit frei.
3.10. Tausch
471
Ein Tausch liegt vor, wenn das Entgelt für eine Lieferung in einer Lieferung besteht. Zur Bemessungsgrundlage siehe Rz 671 bis Rz 672.
Randzahlen 472 bis 473: derzeit frei.
Abschnitte 3.11. und 3.12.: derzeit frei.
3.13. Ort der Lieferung von Gas, Elektrizität, Wärme oder Kälte (§ 3 Abs. 13 und 14 UStG 1994)
Randzahl 474: derzeit frei.
3.13.1. Rechtslage ab 1.1.2011
474a
Die Regelung findet Anwendung bei der Lieferung von
- Gas über ein Erdgasnetz im Gebiet der Gemeinschaft oder jedes an ein solches Netz angeschlossene Netz
- Elektrizität
- Wärme oder Kälte über Wärme- oder Kältenetze.
Die Regelung findet in Bezug auf Gas für alle Druckstufen und in Bezug auf Elektrizität für alle Spannungsstufen Anwendung. Bezüglich der Lieferung von Gas ist die Anwendung der Sonderregelung nicht auf Lieferungen über das Erdgasnetz beschränkt, sondern umfasst auch die Lieferung von Gas über Rohrleitungen, die nicht Bestandteil des Verteilungsnetzes sind, wie zB über Rohrleitungen des Gas-Fernleitungsnetzes. Die Sonderregelung findet hingegen keine Anwendung auf Lieferungen von Flüssigerdgas mithilfe von Beförderungsmitteln wie LKW, Eisenbahnen oder Schiffen.
Bei der Lieferung dieser Gegenstände ist zu unterscheiden, ob diese Lieferung
- an einen Unternehmer, dessen Haupttätigkeit in Bezug auf den Erwerb dieser Gegenstände in deren Weiterlieferung besteht und dessen eigener Verbrauch dieser Gegenstände von untergeordneter Bedeutung ist (sogenannte Wiederverkäufer von Gas, Elektrizität, Wärme oder Kälte) oder
- an einen anderen Abnehmer erfolgt.
474b
Die Haupttätigkeit des Unternehmers in Bezug auf den Erwerb von Gas über das Erdgasverteilungsnetz oder von Elektrizität besteht dann in deren Weiterlieferung, dh. im Wiederverkauf dieser Gegenstände, wenn der Unternehmer mehr als die Hälfte der von ihm erworbenen Menge weiterveräußert. Der eigene Gas- bzw. Elektrizitätsverbrauch des Unternehmers ist von untergeordneter Bedeutung, wenn nicht mehr als 5% der erworbenen Menge zu eigenen (unternehmerischen sowie nichtunternehmerischen) Zwecken verwendet wird.
Die Bereiche „Gas“ und „Elektrizität“ sind dabei getrennt, jedoch für das gesamte Unternehmen iSd § 2 UStG 1994 zu beurteilen. In der Folge werden grenzüberschreitende Leistungen zwischen Unternehmensteilen, die als nicht steuerbare Innenumsätze zu behandeln sind und die nach Art. 3 Abs. 1 lit. h UStG 1994 auch keinen Verbringungstatbestand erfüllen, in diese Betrachtung einbezogen. Außerdem ist damit ein Unternehmer, der zB nur im Bereich „Elektrizität“ mehr als die Hälfte der von ihm erworbenen Menge weiterveräußert und nicht mehr als 5% zu eigenen Zwecken verwendet, diese Voraussetzungen aber für den Bereich „Gas“ nicht erfüllt, nur für Lieferungen an ihn im Bereich „Elektrizität“ als Wiederverkäufer anzusehen.
Maßgeblich sind die Verhältnisse im vorangegangenen Kalenderjahr. Verwendet der Unternehmer zwar mehr als 5%, jedoch nicht mehr als 10%, der erworbenen Menge an Gas oder Elektrizität zu eigenen Zwecken, ist weiterhin von einer untergeordneten Bedeutung auszugehen, wenn die im Mittel der vorangegangenen drei Jahre zu eigenen Zwecken verbrauchte Menge 5% der in diesem Zeitraum erworbenen Menge nicht überschritten hat.
Im Unternehmen selbst erzeugte Mengen bleiben bei der Beurteilung unberücksichtigt.
474c
Anderer Abnehmer ist demgegenüber ein Abnehmer, der nicht Wiederverkäufer ist.
474d
Bei der Lieferung von Gas oder Elektrizität an einen Wiederverkäufer gilt entweder der Ort, von dem aus dieser sein Unternehmen betreibt, oder – wenn die Lieferung an eine Betriebsstätte des Wiederverkäufers ausgeführt wird – der Ort dieser Betriebsstätte als Ort der Lieferung. Eine Lieferung erfolgt an eine Betriebsstätte, wenn sie ausschließlich oder überwiegend für diese bestimmt ist; Rz 639c gilt sinngemäß. Es kommt nicht darauf an, wie und wo der Wiederverkäufer die gelieferten Gegenstände tatsächlich verwendet (vgl. § 3 Abs. 13 UStG 1994). Somit gilt diese Regelung auch für die für den eigenen Verbrauch des Wiederverkäufers gelieferte Menge. Dies ist insbesondere von Bedeutung bei der Verwendung für eigene Zwecke in eigenen ausländischen Betriebsstätten und ausländischen Betriebsstätten des Organträgers; auch insoweit verbleibt es bei der Besteuerung im Sitzstaat, soweit nicht unmittelbar an die ausländische Betriebsstätte geliefert wird.
474e
Bei der Lieferung von Gas oder Elektrizität an einen anderen Abnehmer wird grundsätzlich auf den Ort des tatsächlichen Verbrauchs dieser Gegenstände abgestellt (vgl. § 3 Abs. 14 UStG 1994). Das ist regelmäßig der Ort, wo sich der Zähler des Abnehmers bzw., beim Aufladen eines Elektrofahrzeuges, der Ladeterminal befindet. Sollte der andere Abnehmer die an ihn gelieferten Gegenstände nicht tatsächlich verbrauchen (zB bei Weiterverkauf von Überkapazitäten), wird insoweit für die Lieferung an diesen Abnehmer der Verbrauch gemäß § 3 Abs. 14 zweiter Satz UStG 1994 dort fingiert, wo dieser sein Unternehmen betreibt oder eine Betriebsstätte hat, an die die Gegenstände geliefert werden. Im Ergebnis führt dies dazu, dass im Falle des Weiterverkaufes von Gas über das Erdgasnetz oder Elektrizität für den Erwerb dieser Gegenstände stets das Empfängerortprinzip gilt. Da Gas und Elektrizität allenfalls in begrenztem Umfang gespeichert werden, steht regelmäßig bereits bei Abnahme von Gas über das Erdgasnetz oder Elektrizität fest, in welchem Umfang ein Wiederverkauf erfolgt.
Zur Lieferung von Gas oder Elektrizität aus dem Drittlandsgebiet siehe Rz 467.
474f
Die Ausführungen in den Rz 474b bis Rz 474e gelten entsprechend bzw. sind sinngemäß auch für die Lieferung von Wärme oder Kälte über Wärme- oder Kältenetze anzuwenden.
Zur Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers (§ 19 Abs. 1c UStG 1994) siehe Rz 2604d.
3.14. Reihengeschäfte ab 1.1.2020
3.14.1. Voraussetzungen für Reihengeschäfte
474g
Ein Reihengeschäft liegt vor, wenn mehrere Unternehmer Umsatzgeschäfte über dieselben Gegenstände abschließen und diese Gegenstände unmittelbar vom ersten Lieferer an den letzten Abnehmer (Empfänger) in der Reihe befördert oder versandt werden. Nicht maßgeblich ist, wie viele Personen Teil des Reihengeschäfts sind und ob es sich um Warenlieferungen innerhalb des Gemeinschaftsgebiets oder mit Drittlandbezug handelt. Die Bestimmung kommt auch zur Anwendung, wenn die letzte Person in der Reihe ein Nichtunternehmer ist.
Bei Reihengeschäften ist zu beachten, dass die Umsätze (gedanklich) zeitlich hintereinander stattfinden und der Ort jedes Umsatzes für sich bestimmt werden muss. Hierbei gilt, dass die Warenbewegung nur einem Umsatz in der Reihe zugeordnet werden kann (bewegte Lieferung). Innerhalb eines Reihengeschäftes kann nur die bewegte Lieferung – unter den allgemeinen Voraussetzungen – als innergemeinschaftliche Lieferung oder Ausfuhrlieferung von der Steuer befreit bzw. als Versandhandelsumsatz behandelt werden. Die Zuordnung der Warenbewegung erfolgt nach Maßgabe der folgenden Regelungen:
- Befördert oder versendet der erste Lieferer die Gegenstände selbst, gilt seine Lieferung als bewegte Lieferung (§ 3 Abs. 15 Z 1 lit. a UStG 1994).
- Werden die Gegenstände durch einen Zwischenhändler (siehe Rz 474h) befördert oder versendet, ist die Lieferung an den Zwischenhändler die bewegte Lieferung (§ 3 Abs. 15 Z 1 lit. c UStG 1994). Tritt der Zwischenhändler jedoch gegenüber seinem Lieferer mit der UID des Ursprungsmitgliedstaates auf, gilt die Lieferung durch den Zwischenhändler als bewegte Lieferung (§ 3 Abs. 15 Z 1 lit. b UStG 1994).
- Werden die Gegenstände durch den letzten Abnehmer befördert oder versendet, ist die Lieferung an ihn die bewegte Lieferung (§ 3 Abs. 15 Z 1 lit. d UStG 1994).
Für die der bewegten Lieferung vor- und nachgelagerten Umsätze eines Reihengeschäftes (ruhende Lieferungen) wird in § 3 Abs. 15 Z 3 und Z 4 UStG 1994 der Leistungsort normiert. Lieferungen in der Reihe vor der bewegten Lieferung werden dort ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung beginnt. Lieferungen in der Reihe nach der bewegten Lieferung gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung endet.
Beispiel 1:
Der Hersteller Ö in Wien verkauft eine Ware an den Großhändler D1 in Köln. D1 wiederum verkauft die Ware weiter an seinen Kunden D2 in Deutschland. D1 holt die Ware von Ö ab und befördert sie zum Kunden D2. D1 gibt bei seinem Lieferanten seine deutsche UID an.
Lösung:
D1 ist Zwischenhändler. Die Lieferung des Ö an D1 gilt gemäß § 3 Abs. 15 Z 1 lit. c iVm § 3 Abs. 8 UStG 1994 in Österreich als ausgeführt. Die Lieferung ist in Österreich als innergemeinschaftliche Lieferung – unter den allgemeinen Voraussetzungen – steuerfrei. In Deutschland wird D1 einen innergemeinschaftlichen Erwerb zu versteuern haben. Der Lieferort der zweiten Lieferung liegt, unabhängig davon ob D2 Unternehmer ist, gemäß § 3 Abs. 15 Z 4 UStG 1994 am Ende der Beförderung (dh. in Deutschland).
Beispiel 2:
Der Hersteller D1 in München verkauft eine Ware an den Großhändler D2 in Berlin und dieser wiederum an seinen Kunden Ö in Wien. D2 holt die Ware von D1 ab und befördert sie zu seinem Kunden Ö. D2 teilt D1 seine deutsche UID mit.
Lösung:
Die Lieferung durch den Zwischenhändler D2 an Ö ist gemäß § 3 Abs. 15 Z 1 lit. b UStG 1994 die bewegte Lieferung. Ist Ö Unternehmer, liegt der Lieferort nach § 3 Abs. 8 UStG 1994 zwar nicht im Inland, Ö verwirklicht in Österreich jedoch einen innergemeinschaftlichen Erwerb nach Art. 1 UStG 1994. Ist Ö eine Privatperson, liegt der Lieferort für die Lieferung an Ö aufgrund der innergemeinschaftlichen Versandhandelsregelung (Art. 3 Abs. 3 UStG 1994) in Österreich (bis 30.6.2021 ist die Lieferschwelle zu beachten). Der Lieferort für die Lieferung des D1 an den Zwischenhändler D2 liegt nach § 3 Abs. 15 Z 3 UStG 1994 in Deutschland.
Beispiel 3:
Der Hersteller D1 in München verkauft eine Ware an den Händler D2 in Berlin. D2 verkauft die Ware an den Großhändler Ö1 in Wien, der die Waren wiederum an seinen Kunden Ö2 in Wiener Neustadt verkauft. D2 holt die Waren von München ab und befördert sie direkt zum Kunden Ö2. D2 teilt D1 seine deutsche UID mit.
Lösung:
D2 ist Zwischenhändler iSd § 3 Abs. 15 Z 6 UStG 1994, da er die Waren befördert. Die Lieferung durch den Zwischenhändler D2 an Ö1 ist gemäß § 3 Abs. 15 Z 1 lit. b UStG 1994 die bewegte Lieferung. Zwar liegt der Lieferort nach § 3 Abs. 8 UStG 1994 in Deutschland, in Österreich hat Ö1 jedoch einen innergemeinschaftlichen Erwerb nach Art. 1 UStG 1994 zu versteuern. Der Lieferort der Lieferung durch D1 an D2 liegt nach § 3 Abs. 15 Z 3 UStG 1994 am Beginn der Beförderung (dh. in Deutschland). Der Lieferort für die Lieferung zwischen Ö1 und Ö2 liegt – unabhängig davon ob Ö2 Unternehmer ist – gemäß § 3 Abs. 15 Z 4 UStG 1994 in Österreich.
474h
Zwischenhändler ist ein Lieferer innerhalb der Reihe, der die Gegenstände befördert oder versendet. Der erste Lieferer und der letzte Abnehmer können nicht Zwischenhändler sein. Die Gegenstände werden grundsätzlich durch jenen Unternehmer befördert oder versendet, auf dessen Rechnung die Beförderung oder Versendung erfolgt, das ist jener Unternehmer, der die Gefahr für den zufälligen Untergang der Gegenstände beim Transport trägt.
Beispiel 1:
Der österreichische Unternehmer Ö1 verkauft Waren an den österreichischen Unternehmer Ö2, der diese wiederum an den deutschen Unternehmer D verkauft. Ö2 beauftragt den Spediteur S, der die Waren direkt von Ö1 zu D nach Deutschland befördert.
Lösung:
Da die Güterbeförderung auf Rechnung des Ö2 erfolgt, ist ihm die Versendung zuzuschreiben. Dh. Ö2 ist Zwischenhändler. Tritt Ö2 mit seiner österreichischen UID-Nummer gegenüber Ö1 auf, liegt die bewegte Lieferung zwischen Ö2 und D vor. Diese ist in Österreich als innergemeinschaftliche Lieferung – unter den allgemeinen Voraussetzungen – steuerfrei. Der Lieferort der Lieferung von Ö1 an Ö2 liegt nach § 3 Abs. 15 Z 3 UStG 1994 am Beginn der Versendung (dh. in Österreich).
Beispiel 2:
Der österreichische Unternehmer Ö1 verkauft Waren an den österreichischen Unternehmer Ö2. Dieser verkauft die Waren an Ö3, der die Waren wiederum an D1 verkauft, welcher sie schlussendlich an D2 verkauft. Ö1, Ö2 und Ö3 verkaufen die Waren ab Werk, der Transport erfolgt nicht auf ihre Rechnung. D1 hingegen verkauft die Waren frei Haus, der Transport erfolgt auf seine Rechnung. D1 führt den Transport allerdings nicht selber durch, sondern beauftragt Ö1 mit der Beförderung. Ö1 transportiert die Waren auf Rechnung des D1 direkt zu D2 nach Deutschland.
Lösung:
Da die Güterbeförderung auf Rechnung des D1 erfolgt, ist die Versendung – auch wenn er einen Dritten in der Reihe beauftragt – D1 zuzuschreiben. Dh. D1 ist Zwischenhändler. Tritt D1 nicht mit seiner österreichischen UID-Nummer gegenüber Ö3 auf, liegt die bewegte Lieferung zwischen Ö3 und D1 vor (§ 3 Abs. 15 Z 1 lit. c UStG 1994). Diese ist in Österreich als innergemeinschaftliche Lieferung – unter den allgemeinen Voraussetzungen – steuerfrei. Der Lieferort der Lieferung von Ö1 an Ö2 und von Ö2 an Ö3 liegt nach § 3 Abs. 15 Z 3 UStG 1994 am Beginn der Versendung (dh. in Österreich). Die Lieferung von D1 an D2 liegt nach § 3 Abs. 15 Z 4 UStG 1994 am Ende der Versendung (dh. in Deutschland).
Teilen sich zwei Unternehmer in der Reihe die Gefahr für den zufälligen Untergang der Gegenstände beim Transport, wobei aber nur ein Unternehmer den Transport selbst durchführt oder den Versendungsauftrag an einen Dritten gibt, wird die Beförderung oder Versendung diesem Unternehmer zugeordnet.
Im Fall einer gebrochenen Beförderung oder Versendung (zur Definition siehe näher Rz 3982), hingegen, kann § 3 Abs. 15 UStG 1994 nur für jeden Teil der gebrochenen Beförderung oder Versendung isoliert zur Anwendung kommen.
Beispiel 3:
Der deutsche Hersteller D1 verkauft eine Ware an den deutschen Händler D2. D2 verkauft die Ware an den Großhändler Ö1 in Wien, der die Waren wiederum an seinen Kunden Ö2 in Wiener Neustadt verkauft. D1 befördert die Waren von Berlin nach München und übergibt sie dort dem von D2 beauftragten Spediteur, der die Waren nach Wiener Neustadt weitertransportiert.
Lösung:
Das Reihengeschäft findet nur zwischen D2, Ö1 und Ö2 statt. Der erste Teil der gebrochenen Beförderung bzw. Versendung zwischen D1 und D2 ist isoliert zu behandeln. Auf diese Lieferung findet die Regelung für Reihengeschäfte keine Anwendung.
3.14.2. Reihengeschäfte bei Drittlandssachverhalten
474i
Die Regelungen zu den Reihengeschäften kommen auch bei Drittlandssachverhalten zur Anwendung.
Beispiel 1:
Der Unternehmer K in Kanada verkauft Waren an den Unternehmer Ö1 in Wien (Lieferkondition: unverzollt und unversteuert). Ö1 wiederum verkauft die Waren an Ö2 in Linz. Ö1 befördert die Waren von Kanada direkt in das Lager von Ö2 in Linz.
Lösung:
Ö1 ist Zwischenhändler. Da er gegenüber K nicht mit einer UID des Ursprungslandes auftreten kann, ist die Lieferung von K an Ö1 die bewegte Lieferung (§ 3 Abs. 15 Z 1 lit. c UStG 1994). Der Lieferort liegt nach § 3 Abs. 8 UStG 1994 zwar nicht in Österreich, Ö1 hat in Österreich jedoch EUSt zu entrichten. Die Lieferung von Ö1 an Ö2 ist nach § 3 Abs. 15 Z 4 UStG 1994 in Österreich steuerbar.
Beispiel 2:
Der Unternehmer K in Kanada verkauft Waren an den Unternehmer Ö1 in Wien (Lieferkondition: verzollt und versteuert). Ö1 wiederum verkauft die Waren an Ö2, ebenfalls in Wien. K beauftragt einen Spediteur, die Waren zur Übernahme in den freien Warenverkehr anzumelden und an Ö2 zu befördern. Ö1 tritt gegenüber K mit einer österreichischen UID auf.
Lösung:
Da Ö1 die Waren weder selbst noch auf seine Rechnung befördert oder versendet, ist er kein Zwischenhändler. Die Mitteilung der UID ist daher nicht relevant. Die Lieferung durch K ist nach § 3 Abs. 15 Z 1 lit. a UStG 1994 die bewegte Lieferung. Nimmt K die Anmeldung zur Überführung in den freien Verkehr über den Spediteur als indirekten Vertreter vor und ist er somit Schuldner der EUSt, liegt der Lieferort nach § 3 Abs. 9 UStG 1994 in Österreich. Der Lieferort der nachgelagerten Lieferung durch Ö1 an Ö2 liegt nach § 3 Abs. 15 Z 4 UStG 1994 in Österreich.
Beispiel 3:
Ö in Österreich verkauft Waren an R1 in Russland. R1 verkauft die Waren an R2, ebenfalls in Russland. R1 beauftragt einen Spediteur, die Waren in Österreich abzuholen und nach Russland zu befördern. R1 tritt gegenüber Ö mit einer österreichischen UID auf.
Lösung:
Die Lieferung durch R1 an R2 ist nach § 3 Abs. 15 Z 1 lit. b UStG 1994 die bewegte Lieferung. Sie ist unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 iVm § 7 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 in Österreich als Ausfuhr steuerfrei. Die Lieferung von Ö an R1 ist als vorgelagerter Umsatz nach § 3 Abs. 15 Z 3 UStG 1994 am Beginn der Beförderung (dh. in Österreich) steuerbar und steuerpflichtig.
3.14.3. Reihengeschäfte bei Verkauf über eine elektronische Schnittstelle
474j
Mit 1.7.2021 treten die gesetzlichen Bestimmungen zum Fernverkauf über eine elektronische Schnittstelle in § 3 Abs. 3a UStG 1994 und die Sonderregelung für den Einfuhr-Versandhandel in § 25b UStG 1994 (Import-One-Stop-Shop; IOSS) in Kraft. Für Fernverkäufe iSd § 3 Abs. 3a UStG 1994 wird ein Reihengeschäft fingiert, wobei der Unternehmer an die elektronische Schnittstelle und diese an den Abnehmer liefert. Abweichend von § 3 Abs. 15 Z 1 UStG 1994 ist bei Reihengeschäften iSd § 3 Abs. 3a UStG 1994 die speziellere Zuordnungsregel nach § 3 Abs. 15 Z 2 UStG 1994 anwendbar. Die Warenbewegung ist der Lieferung durch die elektronische Schnittstelle zuzuordnen.
Beispiel 1:
Ein chinesischer Unternehmer C betreibt sein Unternehmen in China und hat im Gemeinschaftsgebiet keine Betriebsstätte. C veräußert Waren, die sich in einem deutschen Lager befinden, über die Plattform des Unternehmers P an den Nichtunternehmer Ö in Österreich.
Lösung:
Gemäß § 3 Abs. 3a Z 2 UStG 1994 liegt eine Lieferung von C an P und eine Lieferung von P an Ö vor. Damit wird ein Reihengeschäft begründet, bei dem die bewegte Lieferung gemäß § 3 Abs. 15 Z 2 UStG 1994 der Lieferung durch P zuzurechnen ist. P hat einen innergemeinschaftlichen Versandhandel nach Art. 3 Abs. 3 UStG 1994 in Österreich zu versteuern. C hat eine steuerbare Lieferung in Deutschland an P. Diese ist steuerfrei iSd Art. 136a MwSt-RL 2006/112/EG (entspricht Art. 6 Abs. 4 UStG 1994).
Beispiel 2:
Ein chinesischer Händler C veräußert Waren mit einem Einzelwert von 60 Euro über die Plattform des Unternehmers P, der die Sonderregelung für den Einfuhr-Versandhandel anwendet, an den Nichtunternehmer Ö in Österreich. Die Waren werden von China nach Österreich versendet.
Lösung:
Gemäß § 3 Abs. 3a Z 1 UStG 1994 liegt eine Lieferung von C an P und eine Lieferung von P an Ö in Österreich vor. Damit wird ein Reihengeschäft begründet, bei dem die bewegte Lieferung gemäß § 3 Abs. 15 Z 2 UStG 1994 der Lieferung durch P zuzurechnen ist. Der Lieferort für die Lieferung durch P an Ö liegt nach § 3 Abs. 8a lit. b UStG 1994 am Ende der Versendung, dh. in Österreich. Die Lieferung von C an P gilt nach § 3 Abs. 15 Z 3 UStG 1994 am Beginn der Beförderung als ausgeführt (dh. in China) und ist somit in Österreich nicht steuerbar. Die Einfuhr der Waren ist unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 4 Z 9 UStG 1994 in Österreich von der EUSt befreit.
Beispiel 3:
Der österreichische Unternehmer U veräußert Waren mit einem Einzelwert von 60 Euro über die Plattform des Unternehmers P, der die IOSS Sonderregelung für den Einfuhr-Versandhandel anwendet, an den Nichtunternehmer Ö in Österreich. Die Waren werden vom chinesischen Unternehmer CH produziert und von dessen Produktionsstätte in China direkt an Ö versendet.
Lösung:
Gemäß § 3 Abs. 3a Z 1 UStG 1994 liegt eine Lieferung von U an P und eine Lieferung von P an Ö vor. Damit wird ein Reihengeschäft zwischen CH, U, P und Ö begründet, bei dem die bewegte Lieferung gemäß § 3 Abs. 15 Z 2 UStG 1994 der Lieferung durch P zuzurechnen ist. Der Lieferort für die Lieferung durch P an Ö liegt nach § 3 Abs. 8a lit. b UStG 1994 am Ende der Versendung, dh. in Österreich. Die Lieferung von CH an U und die Lieferung von U an P gelten nach § 3 Abs. 15 Z 3 UStG 1994 am Beginn der Beförderung als ausgeführt (dh. in China) und sind somit in Österreich nicht steuerbar. Die Einfuhr der Waren ist unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 4 Z 9 UStG 1994 in Österreich von der EUSt befreit.
3a. Sonstige Leistung (§ 3a UStG 1994)
3a.1. Zeitpunkt der sonstigen Leistung
Siehe Rz 2608, Rz 2610, Rz 2618 und Rz 2619 bis Rz 2621.
3a.1a. Den sonstigen Leistungen gleichgestellter Eigenverbrauch
3a.1a.1. Allgemeines
475
Einer sonstigen Leistung gegen Entgelt werden gemäß § 3a Abs. 1a UStG 1994 gleichgestellt:
- Die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstandes, der zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, durch den Unternehmer
- für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen,
- für den Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen;
Das gilt nicht für die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Grundstückes.
- Die unentgeltliche Erbringung von anderen sonstigen Leistungen durch den Unternehmer
- für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen,
- für den Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen.
Die Bestimmung regelt den Verwendungs- und Leistungseigenverbrauch einschließlich der Besteuerung der unentgeltlichen sonstigen Leistungen an Arbeitnehmer, ausgenommen Aufmerksamkeiten. Beide Sachverhalte werden den sonstigen Leistungen gleichgestellt.
Die Verwendung des nichtunternehmerisch genutzten Teiles eines dem Unternehmen zugeordneten Grundstückes ist ein nicht steuerbarer Vorgang, der vom Vorsteuerabzug ausschließt (siehe Rz 481 und Rz 2000).
3a.1a.2. Verwendungseigenverbrauch
476
Die für Zwecke außerhalb des Unternehmens verwendeten Gegenstände müssen dem Unternehmen dienen oder bisher gedient haben. Ein Dienen liegt insoweit vor, als dem Unternehmer die Nutzung an einem Gegenstand zusteht, selbst wenn diese umfangmäßig oder zeitlich begrenzt sein sollte. Ob ein Gegenstand dem Unternehmen dient, richtet sich nach § 12 Abs. 2 UStG 1994. Siehe Rz 1901 bis Rz 1952.
477
Der Unternehmer muss nicht zivilrechtlicher Eigentümer des Wirtschaftsgutes sein, sondern dieses dient auch dann seinem Unternehmen, wenn er es zB auf Grund eines Miet-, Pacht-, Leih- oder Leasingvertrages nutzt.
478
Die Verwendung eines Gegenstandes für Zwecke außerhalb des Unternehmens setzt nicht die Überführung des Gegenstandes in die Privatsphäre des Unternehmers voraus, so dass ein Eigenverbrauch auch bei solchen Unternehmern möglich ist, welche neben der Unternehmenssphäre keine private Sphäre besitzen (zB Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften sowie andere Körperschaften).
479
Körperschaften öffentlichen Rechts und Vereine können neben dem unternehmerischen einen nichtunternehmerischen Bereich haben. Werden dem Unternehmensbereich dienende Gegenstände von der Körperschaft öffentlichen Rechts oder dem Verein für den nichtunternehmerischen Bereich verwendet, diesem zugeordnet oder die Verwendung dieser Gegenstände Dritten gestattet, ist innerhalb des Vorsteuerberichtigungszeitraums die geltend gemachte Vorsteuer gemäß § 12 Abs. 10 bis Abs. 13 UStG 1994 zu berichtigen (zum besonderen Fall des Eigenverbrauchs bei Verwendung für unternehmensfremde Zwecke vgl. EuGH 12.02.2009, Rs C-515/07, VNLTO). Dies gilt auch, wenn sich der Anteil der unternehmerischen Nutzung eines von Beginn an für unternehmerische Zwecke angeschafften Gegenstandes erhöht (vgl. EuGH 25.7.2018, Rs C-140/17, Gmina Ryjewo). Werden mit eingekauften Waren für einen Betrieb auch Mitglieder gratis verköstigt, muss ebenso eine anteilige Vorsteuerberichtigung vorgenommen werden. Keine Berichtigung ist vorzunehmen, wenn mithelfende Personen (Personal) im Gastgewerbe unentgeltlich verpflegt werden.
480
Bei der kostenlosen Zurverfügungstellung von Einrichtungen eines Unternehmens an Betriebsangehörige des Unternehmens liegt ein Eigenverbrauch gleichfalls nicht vor, soweit die Zurverfügungstellung aus betrieblichen Gründen und damit im Rahmen des Unternehmens erfolgt; eine Verwendung für Zwecke außerhalb des Unternehmens findet in einem solchen Fall nicht statt.
3a.1a.3. Ausnahme vom Verwendungseigenverbrauch (Rechtslage ab 1. Mai 2004)
481
Kein Eigenverbrauch liegt vor bei der Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Grundstückes hinsichtlich des nicht unternehmerisch genutzten Teiles. Diese Nutzung stellt einen nicht steuerbaren Vorgang dar. Das gilt auch für Grundstücksteile, die grundsätzlich für unternehmerische Zwecke bestimmt sind, und nur vorübergehend für private Zwecke verwendet werden. Auch in diesen Fällen erfolgt die Korrektur nicht über den Eigenverbrauch, sondern über eine Berichtigung der Vorsteuern.
Hinsichtlich der mit einem nicht steuerbaren Eigenverbrauch zusammenhängenden Vorsteuern siehe Rz 2000.
3a.1a.4. Eigenverbrauch durch sonstige Leistungen
3a.1a.4.1. Abgrenzung zum Verwendungseigenverbrauch
482
Zu den anderen sonstigen Leistungen für nichtunternehmerische Zwecke im Sinne des § 3a Abs. 1a Z 2 UStG 1994 gehören einerseits die unentgeltliche Erbringung reiner Dienstleistungen (zB Kantinenumsätze), andererseits aber auch die Verwendung eines unternehmerischen Gegenstandes für nichtunternehmerische Zwecke, wenn damit gleichzeitig ein Dienstleistungsanteil verknüpft ist, dem nicht bloß untergeordnete Bedeutung zukommt.
Beispiel:
Überlassung eines dem Unternehmen zugeordneten PKW samt Fahrer an einen leitenden Angestellten für seine Privatfahrten.
Unabhängig davon, ob für das Fahrzeug ein Vorsteuerabzug in Anspruch genommen werden konnte, liegt ein Leistungseigenverbrauch gemäß § 3a Abs. 1a Z 2 UStG 1994 vor (Beförderungsdienstleistung für den Bedarf des Personals). In die Bemessungsgrundlage sind sämtliche auf die Dienstleistung entfallenden Kosten miteinzubeziehen.
Bei Gratiseinschaltungen von Inseraten in Zeitungen zugunsten sozialer Einrichtungen kann davon ausgegangen werden, dass die Einschaltung im eigenen unternehmerischen Interesse des Medieninhabers liegt (zB Werbung, Imagepflege) und der unternehmerische Zweck ausreichend belegt ist, wenn im Rahmen der Einschaltung darauf hingewiesen wird.
3a.1a.4.2. Dienstnehmer-Verrichtungen für den Privatbereich des Unternehmers
483
Die Kosten für einen Arbeitnehmer brauchen nicht zwingend einheitlich dem Unternehmen des Arbeitgebers zugeordnet werden, und zwar auch dann nicht, wenn die Arbeitsleistungen dem Unternehmen auf Grund des Arbeitsvertrages nach Art und Zeit der Leistungen und des dafür vom Unternehmen zu tragenden Arbeitslohnes zusteht. Eine Differenzierung in einen unternehmerischen und einen nichtunternehmerischen Bereich ist möglich. Insoweit der Arbeitnehmer für den nichtunternehmerischen Bereich eingesetzt wird, erfolgt der Leistungsbezug nicht für das Unternehmen und gehen die anteiligen (Lohn-)Kosten nicht zu Lasten des Unternehmens. Bezüglich des nichtunternehmerischen Teils der Arbeitsleistung kommt es damit zu keiner Eigenverbrauchsbesteuerung nach § 3a Abs. 1a Z 2 UStG 1994. Diese Beurteilung setzt eine von vornherein feststehende, klare und nachvollziehbare Trennung der Arbeitsleistung in einen unternehmerischen und in einen nichtunternehmerischen Teil (zB durch genaue Abreden über einen bestimmten Teil der Arbeitskraft und die Aufzeichnung der entsprechenden Lohnanteile) voraus.
Beispiel 1:
Eine Reinigungskraft reinigt die Kanzlei und die Privatwohnung eines Rechtsanwalts. Die aufgewendeten Stunden für die Reinigung der Kanzlei und Privatwohnung werden getrennt aufgeschrieben.
Die Lohnkosten können genau zugeordnet werden. Es liegt kein Eigenverbrauch vor.
484
Anders verhält es sich, wenn die sonstige Leistung Betriebsgegenstand ist. In diesem Fall liegt steuerbarer Eigenverbrauch vor.
Beispiel 2:
Dienstnehmer eines Reinigungsunternehmers reinigen die Privatwohnung des Unternehmers.
Die Lohnkosten, die auf die Reinigung der Privatwohnung des Unternehmers entfallen, sind als Eigenverbrauch zu versteuern.
3a.1a.4.3. Leistungen für den Bedarf des Personals
485
Hinsichtlich Leistungen für den Bedarf des Personals siehe Rz 66 bis Rz 74.
3a.1a.4.4. Eigenleistungen des Unternehmers
486
Bemessungsgrundlage für den Eigenverbrauch nach § 3a Abs. 1a UStG 1994 sind die auf die Ausführung dieser Leistungen entfallenden Kosten (§ 4 Abs. 8 lit. b UStG 1994). Dabei ist grundsätzlich von den bei der Einkommensteuer zugrunde gelegten Kosten auszugehen, die den anteiligen Unternehmerlohn nicht mit einschließen. Da für „Eigenleistungen“ des Unternehmers keine Kosten anfallen, sind sie nicht in die Bemessungsgrundlage für den Eigenverbrauch einzubeziehen.
3a.1a.5. Ort des Eigenverbrauches
487
Der Ort des Eigenverbrauches nach § 3a Abs. 1a Z 1 und Z 2 UStG 1994 bestimmt sich nach den Leistungsortregelungen, die für die sonstige Leistung bei Entgeltlichkeit anzuwenden wären.
Beispiel:
Die deutsche Unternehmerin überlässt ihrer Arbeitnehmerin als Prämie für besondere Arbeitsleistungen Konzertkarten für ein Konzert in Wien.
Es liegt eine unentgeltliche sonstige Leistung iSd § 3a Abs. 1a Z 2 UStG 1994 vor. Der Ort des Eigenverbrauchs liegt gemäß § 3a Abs. 11 lit. a UStG 1994 am Tätigkeitsort in Österreich.
3a.1a.6. Abgrenzung zu entgeltlichen Vorgängen
488
Für die vorübergehende Verwendung von Gegenständen sowie für die Erbringung sonstiger Leistungen gilt Rz 367 sinngemäß.
3a.2. Tauschähnlicher Umsatz
489
Gewährt der Unternehmer eine Sachzuwendung von eigenständigem wirtschaftlichen Gehalt und erhält er als Gegenleistung dafür vom Arbeitnehmer einen Teil seiner Arbeitsleistung, liegt ein tauschähnlicher Umsatz vor.
Beispiel:
Der österreichische Unternehmer stellt seiner in Österreich wohnhaften Arbeitnehmerin als Teil ihrer Entlohnung ein zum Unternehmensbereich gehöriges KFZ für Privatfahrten zur Verfügung. Die Überlassung des Fahrzeuges gegen einen Teil der Arbeitsleistung stellt einen tauschähnlichen Umsatz dar. Der Leistungsort für die langfristige Vermietung des Fahrzeuges durch den Unternehmer ist gemäß § 3a Abs. 12 Z 2 UStG 1994 am Empfängerort in Österreich.
Bezüglich unentgeltliche Sachzuwendungen an Arbeitnehmer siehe Rz 66 bis Rz 74.
Zur Bemessungsgrundlage siehe Rz 672.
Das Zurverfügungstellen von Autos zur Nutzung an einen Sportverband um ein bestimmtes Verhalten iZm Werbeaktivitäten zu erreichen, stellt einen tauschähnlichen Umsatz dar (VwGH 18.03.2004, 2003/15/0088).
Zum Sachsponsoring an gemeinnützige Sportvereine siehe Rz 886a.
3a.3. Werkleistung
Randzahlen 490 bis 637: derzeit frei