4.3 Bilanzberichtigung und Bilanzänderung (§ 4 Abs. 2 EStG 1988)
4.3.1 Allgemeines
Bis zum Einreichen beim Finanzamt kann die Bilanz durch den Steuerpflichtigen – innerhalb allfälliger unternehmensrechtlicher Schranken – jederzeit geändert werden. Nach dem Einreichen beim Finanzamt muss unterschieden werden, ob eine Bilanzberichtigung oder eine Bilanzänderung vorliegt (VwGH 22.03.1993, 91/13/0134, 91/13/0135).
Für Steuerpflichtige, die ihren Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1988 ermitteln, gelten die Bestimmungen über Bilanzberichtigungen und Bilanzänderungen schon begrifflich nicht (VwGH 31.3.1976, 0402/76). Sie können Irrtümer in Abgabenerklärungen bis zur rechtskräftigen Abgabenfestsetzung berichtigen (VwGH 23.6.1982, 3666/80). Abweichend davon, gelten die Bestimmungen über eine steuerwirksame Fehlerberichtigung durch Ansatz eines Zu- oder Abschlages (§ 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988) gemäß § 4 Abs. 3 letzter Satz EStG 1988 auch für Einnahmen-Ausgaben-Rechner (siehe dazu Rz 651 ff).
4.3.2 Bilanzberichtigung
4.3.2.1 Definition des Begriffes Bilanzberichtigung
Unter Bilanzberichtigung versteht man
- die Berichtigung eines in der Bilanz vorhandenen, unrichtigen und daher unzulässigen Bilanzansatzes durch einen zulässigen Bilanzansatz,
- die Aufnahme eines fehlenden (zwingend aufzunehmenden) Bilanzansatzes, oder
- das Ausscheiden eines unzulässigen Bilanzansatzes.
4.3.2.2 Formell – materiell unrichtiger Bilanzansatz
Formelle Mängel, die die Bilanz materiell nicht unrichtig machen, sind nicht im Wege der Bilanzberichtigung zu beheben.
Materielle Mängel liegen vor, wenn in der Bilanz nicht alle tatsächlichen Umstände berücksichtigt sind, die der Steuerpflichtige im Zeitpunkt ihrer Erstellung kannte oder ein sorgfältiger und gewissenhafter Kaufmann bei Anwendung der nötigen Sorgfalt kennen und nach der zutreffenden Gewinnermittlungsmethode berücksichtigen musste.
Hat der Steuerpflichtige die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung eingehalten, dann bleibt die Bilanz auch dann richtig, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass sie objektiv unrichtig ist; ein Grund für eine Bilanzberichtigung ist daher nicht gegeben (VwGH 27.4.2017, Ra 2015/15/0062).
4.3.2.3 Pflicht zur Bilanzberichtigung
Wird gegen die allgemeinen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (zB Bilanzwahrheit, Bilanzvollständigkeit, Bewertungsstetigkeit) oder gegen zwingende Gewinnermittlungsvorschriften des EStG 1988 verstoßen und ist dies dem Steuerpflichtigen bei der Bilanzerstellung bekannt bzw. musste ihm dies bekannt sein, muss sowohl bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG 1988 als auch bei jener nach § 5 EStG 1988 eine Bilanzberichtigung vorgenommen werden (VwGH 27.4.2017, Ra 2015/15/0062). Bei der Gewinnermittlung nach § 5 EStG 1988 ist eine Bilanzberichtigung überdies bei einem Verstoß gegen zwingende unternehmensrechtliche Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (zB Niederstwertprinzip) durchzuführen, sofern nicht zwingende abweichende Vorschriften des EStG 1988 bestehen.
Beispiele für gebotene Bilanzberichtigungen:
- Nachholung einer gebotenen Aktivierung;
- Berücksichtigung bisher nicht bilanzierter betrieblicher Verbindlichkeiten;
- Berichtigung einer unrichtig angesetzten Betriebsschuld, Vornahme unterlassener AfA bzw. Korrektur von zu geringer oder überhöhter AfA;
- Herausnahme notwendigen Privatvermögens aus der Bilanz oder Einbeziehung notwendigen Betriebsvermögens in die Bilanz;
- Rückgängigmachung der Aktivierung von Erhaltungsaufwand.
Eine Bilanzberichtigung muss in jedem Stadium des Besteuerungsverfahrens durchgeführt werden, ggf. auch von Amts wegen (VfGH 7.6.1984, B 401/79).
Die Berichtigungspflicht betrifft grundsätzlich alle Bilanzen, die sich als unrichtig erweisen, selbst dann, wenn Feststellungs- oder Abgabenbescheide, die auf einer unrichtigen Bilanz beruhen, endgültig in Rechtskraft erwachsen sind (VwGH 29.10.2003, 2000/13/0090; VwGH 17.2.1993, 88/14/0097).
4.3.2.4 Steuerliche Auswirkungen der Bilanzberichtigung
4.3.2.4.1 Allgemeines
Ein unrichtiger Bilanzansatz ist bis zum Jahr des erstmaligen fehlerhaften Ausweises zurück zu berichtigen (VwGH 14.12.1993, 90/14/0034, Gebot der Berichtigung bis zur Wurzel des Fehlers). Es kommt jedoch deswegen zu keiner Durchbrechung des Bilanzzusammenhanges. Zur steuerwirksamen Fehlerberichtigung durch Ansatz eines Zu- oder Abschlages gemäß § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 siehe Rz 650 ff.
Eine Mitteilung an das Finanzamt zwecks Vornahme einer Bilanzberichtigung ist an keine Frist gebunden.
Weder die Grundsätze des Bilanzzusammenhanges und der Bilanzierungsgleichmäßigkeit noch der Grundsatz von Treu und Glauben besagen, dass die Abgabenbehörde Aufwandsposten, die sie einmal zum Abzug zuließ, in rechtswidriger Weise auch weiterhin steuerlich berücksichtigen müsste (VwGH 14.2.1978, 0913/75); vielmehr ist in solchen Fällen eine Berichtigung der entsprechenden Vorjahresbilanzen durchzuführen.
Hat die Behörde eine bestimmte Vorgangsweise durch Jahre hindurch in Übereinstimmung mit dem Abgabepflichtigen in vertretbarer Weise beurteilt, so darf es auf Grund einer anderen Vorgangsweise nicht zu einer Doppelbesteuerung (und auch zu keiner Doppelnichtbesteuerung) kommen (VfGH 30.1.1980, B 29/77).
4.3.2.4.2 Bilanzberichtigung betreffend Fehler, die noch nicht verjährte Veranlagungszeiträume betreffen
Für die Berichtigung von Fehlern, die noch nicht verjährte Veranlagungszeiträume betreffen, kommt eine periodenfremde Fehlerkorrektur mit steuerlicher Wirkung nicht in Betracht (Nachholverbot, Gebot der Berichtigung bis zur Wurzel des Fehlers):
- So können zB weder unterlassene Abschreibungen uneinbringlicher Forderungen in einem späteren Wirtschaftsjahr gewinnmindernd (VwGH 3.7.1968, 1067/66) noch unterlassene Aktivierungen von Forderungen in einem späteren Wirtschaftsjahr gewinnerhöhend (VwGH 21.10.1966, 0349/66) nachgeholt werden.
- „Jubiläumsgeldrückstellung“ und „Urlaubsrückstellung“: Geht der Steuerpflichtige vom „deckungslosen Verfahren“ zur Rückstellungsbildung über, so muss er eine Bilanzberichtigung durchführen. Die Eröffnungsbilanz ist entsprechend zu berichtigen, sodass sich nur der auf das Wirtschaftsjahr entfallende Teil der Rückstellung auf den Gewinn auswirkt (VwGH 17.1.1995, 94/14/0110).
§ 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 idF des AbgÄG 2012 (periodenfremde steuerwirksame Fehlerberichtigung durch Ansatz eines Zu- oder Abschlages, siehe dazu Rz 651 ff) ist in Fällen, in denen der unrichtige Bilanzansatz ein noch nicht verjährtes Jahr betrifft, nicht anwendbar. Diesbezüglich kann eine (steuerwirksame) Richtigstellung nur im jeweiligen Jahr des Fehlers vorgenommen werden.
Ob eine Bilanzberichtigung daher in diesen Fällen steuerliche Auswirkungen nach sich zieht, ist davon abhängig, ob die Veranlagung bereits rechtskräftig ist oder nicht:
- Bis zur Rechtskraft der Veranlagung führt die Bilanzberichtigung – ggf. im Wege eines Rechtsmittelverfahrens – auch zu einer Berichtigung der Veranlagung (VwGH 17.10.1952, 1837/50; VwGH 25.6.1954, 1473/53).
- Ist die Veranlagung hingegen bereits rechtskräftig, kann die Bilanzberichtigung nur dann zu einer Abänderung der Veranlagung führen, wenn dies verfahrensrechtlich möglich ist (zB Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO, Änderung gemäß § 295 Abs. 3 BAO nach einer auf § 293b BAO gestützten Bescheidänderung gemäß § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988, siehe dazu Rz 652g).
4.3.2.4.3 Bilanzberichtigung betreffend Fehler, die verjährte Veranlagungszeiträume betreffen (§ 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 idF des AbgÄG 2012)
Durch das AbgÄG 2012 wurde die Möglichkeit geschaffen, Fehler aus verjährten Veranlagungszeiträumen im ersten zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch nicht verjährten Veranlagungszeitraum durch den Ansatz eines Zu- oder Abschlages mit steuerlicher Wirkung periodenübergreifend zu berichtigen. Die Bestimmung bezweckt, bei periodenübergreifenden Fehlern den richtigen Totalgewinn auch dann der Besteuerung zu Grunde zu legen, wenn dies sonst wegen des Eintritts der Verjährung nicht möglich wäre.
Kann ein Fehler nur auf Grund der bereits eingetretenen Verjährung nicht mehr steuerwirksam berichtigt werden, gilt gemäß § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 Folgendes:
- Zur Erreichung des richtigen Totalgewinnes kann von Amts wegen oder auf Antrag eine Fehlerberichtigung durch Ansatz von Zu- oder Abschlägen vorgenommen werden. Die Fehlerberichtigung ist im ersten zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch nicht verjährten Veranlagungszeitraum insoweit vorzunehmen, als der Fehler noch steuerliche Auswirkungen haben kann.
- Die Nichtberücksichtigung von Zu- oder Abschlägen gilt als offensichtliche Unrichtigkeit im Sinne des § 293b der Bundesabgabenordnung.
§ 4 Abs. 2 EStG 1988 idF des AbgÄG 2012 gilt für Fehlerberichtigungen im Fall der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Ausgaben-Rechnung und für die Ermittlung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung entsprechend (§ 4 Abs. 3 letzter Satz EStG 1988 sowie § 28 Abs. 7 EStG 1988 idF des AbgÄG 2012). Insbesondere Fehler in Bezug auf die Höhe der AfA-Bemessungsgrundlage sind daher unter den gleichen Voraussetzungen durch einen Zu- oder Abschlag korrigierbar.
§ 4 Abs. 2 EStG 1988 idF des AbgÄG 2012 wurde mit 1.1.2013 in Kraft gesetzt und ist erstmals bei der Veranlagung 2004 auf Fehler anzuwenden, die Veranlagungszeiträume ab 2003 betreffen (vgl. § 124b Z 225 EStG 1988 idF des AbgÄG 2012 und des AbgÄG 2015). Ist ein Wirtschaftsgut des notwendigen Betriebsvermögens rechtswidrig nicht in den Bilanzen enthalten, bedeutet die Berichtigung an der Wurzel, dass zu jedem in der Vergangenheit liegenden Bilanzstichtag das Wirtschaftsgut mit dem sich jeweils zu diesem Stichtag aus § 6 Z 1 EStG 1988 ergebenden Wert auszuweisen ist. Jede der Bilanzen, in denen die Vorschrift des § 6 Z 1 EStG 1988 nicht beachtet ist, widerspricht den zwingenden einkommensteuerlichen Vorschriften, sodass für Fehler, die Veranlagungszeiträume ab 2003 betreffen, ab der Veranlagung 2004 § 4 Abs. 2 EStG 1988 anwendbar ist (vgl. VwGH 29.9.2022, Ro 2022/15/0011). Zur Fehlerberichtigung bei Ansammlungsrückstellungen siehe Rz 652d.
Ab dem 1.1.2013 können somit Fehler der Veranlagungszeiträume ab 2003 auch dann mit steuerlicher Wirkung berichtigt werden, wenn sie – ohne diese Bestimmung – auf Grund des Nachholverbotes wegen eingetretener Verjährung keine steuerliche Auswirkung hätten.
Das Inkrafttreten orientiert sich an der Frist von zehn Jahren für den Eintritt der absoluten Verjährung (§ 209 Abs. 3 BAO). Unter Zugrundelegung dieser Frist bleibt eine ab 2013 erfolgende Bilanzberichtigung für Fehler bis 2002 jedenfalls ohne Auswirkung.
Beispiel:
Im Jahr 2000 wurde ein aktivierungspflichtiger Herstellungsaufwand von 200.000 Euro (dafür maßgebliche Abschreibungsdauer 20 Jahre) zu Unrecht sofort als Betriebsausgabe behandelt. Der Fehler wird 2013 entdeckt. Zu diesem Zeitpunkt ist das letzte nicht verjährte Jahr das Jahr 2007.
Richtigerweise hätte der Herstellungsaufwand im Jahr 2000 aktiviert und in den Jahren 2000 bis 2019 im Wege der AfA in Höhe von jeweils 10.000 Euro berücksichtigt werden müssen. Da Fehler vor 2003 von der Berichtigungsmöglichkeit nicht erfasst sind, kommen für die Anwendung des § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 (nur) die Jahre 2003 bis 2006 und die dort nicht berücksichtigte AfA als Abschlag in Höhe von insgesamt 40.000 Euro in Betracht.
Die Berücksichtigung dieses Abschlages bei der Veranlagung 2007 würde allerdings dem Grundgedanken der Regelung, zur Erreichung des richtigen Totalgewinnes beizutragen, entgegenlaufen:
Die dazu notwendige Korrektur (auch) der Jahre 2000 bis 2002 im Wege eines Zuschlages von insgesamt 170.000 Euro (Zuschlag von 200.000 für das Jahr 2000 sowie Abschlag für die AfA der Jahre 2000 bis 2002 iHv insgesamt 30.000 Euro) erfolgt nicht.
-
- Ohne Anwendung des § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 werden (über die gesamte ND) insgesamt 330.000 Euro (statt 200.000 Euro) aufwandswirksam berücksichtigt, nämlich 200.000 Euro im Jahr 2000 und 130.000 Euro als AfA für 2007 bis 2019.
- Mit Anwendung des § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 würden hingegen 370.000 Euro aufwandswirksam berücksichtigt, da die AfA der Jahre 2003 bis 2006 in Höhe von insgesamt 40.000 Euro zusätzlich als Abschlag aufwandswirksam wäre. Dieses Ergebnis ist vom richtigen Totalergebnis weiter entfernt als das Ergebnis ohne Anwendung des § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988.
Die Anwendung des § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 verlangt einen wirksamen Verfahrenstitel, der – ohne Verjährung – eine Bescheidänderung ermöglichen würde. Eine beantragte Wiederaufnahme kommt dafür im gegenständlichen Fall nicht in Betracht, da für den Antragsteller keine Tatsachen neu hervorgekommen sind (vgl. Rz 52f). Eine amtswegige Wiederaufnahme hat im gegenständlichen Fall im Rahmen der Ermessensübung zu unterbleiben (vgl. Rz 652k).
§ 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 idF des AbgÄG 2012 ändert nichts daran, dass unrichtige Bilanzansätze – unverändert – bis zur Wurzel zurückverfolgt und damit periodenrichtig korrigiert werden müssen (Gebot der Berichtigung bis zur Wurzel des Fehlers). Entfaltet eine periodenrichtige Korrektur keine steuerlichen Auswirkungen, kann es zu einer Doppel- oder Nichterfassung von Aufwendungen oder Erträgen und damit zu einem insgesamt unrichtigen Gesamtergebnis (Totalgewinn) kommen.
Die steuerwirksame Korrektur über einen Zu- oder Abschlag trägt dem Grundsatz der Besteuerung des richtigen Totalgewinnes Rechnung. Durch die Bestimmung wird die Erfassung des richtigen Totalgewinnes – unter Aufrechterhaltung des Bilanzzusammenhanges – sichergestellt und eine sachlich gebotene konsistente Einmalerfassung betrieblicher Vorgänge erreicht.
§ 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 idF des AbgÄG 2012 ist anzuwenden auf Fehler aus verjährten Veranlagungsjahren, deren Folgewirkungen in noch nicht verjährte Veranlagungszeiträume hineinreichen (periodenübergreifende Fehlerwirkung). Sie führt im Ergebnis zu einer steuerwirksamen Nachholung aller in den verjährten Zeiträumen eingetretenen gewinnwirksamen Fehler im ersten noch nicht verjährten Veranlagungszeitraum. Der Zu- oder Abschlag ist somit der Saldo aus den steuerlichen Korrekturen betreffend die bereits verjährten Zeiträume.
Die Bestimmung ist anwendbar, wenn eine Bilanzberichtigung einen Bilanzansatz der Eröffnungsbilanz des Wirtschaftsjahres des ersten nicht verjährten Veranlagungsjahres betrifft und sich daraus Auswirkungen auf den Totalgewinn ergeben. Eine steuerwirksame Bilanzberichtigung würde die Korrektur von Fehlern aus verjährten Zeiträumen in der Schlussbilanz fordern. Im Interesse der Aufrechterhaltung des Bilanzzusammenhanges erfolgt eine Korrektur in Anwendung des § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 jedoch nicht in der Schlussbilanz, sondern außerbilanziell durch einen Zu- oder Abschlag. Die Bestimmung tritt somit hinsichtlich der Korrektur von Fehlern aus verjährten Zeiträumen an die Stelle einer (erfolgswirksamen) Korrektur dieser Fehler in der Schlussbilanz. Sie ist daher anwendbar, wenn eine im ersten nicht verjährten Zeitraum vorgenommene Berichtigung der Schlussbilanz steuerliche Auswirkungen entfalten würde, die aber infolge der Berichtigung der Eröffnungsbilanz nicht eintreten.
Unterlassene steuerliche Adaptierungen der UGB-Bilanz im Wege der Mehr-Weniger-Rechnung können dann nicht im Wege des § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 korrigiert werden, wenn tatsächlich eine richtige Steuerbilanz vorliegt (vgl. VwGH 22.9.2021, Ro 2020/15/0026 zu einer steuerlichen Einbringungsbilanz).
Insbesondere können folgende Fehler zu einem Zu- oder Abschlag führen:
- Herstellungsaufwand wurde sofort abgesetzt statt aktiviert; bei einer unterlassenen AfA, die auf eine in der Vergangenheit rechtswidrig unterbliebene Bilanzierung eines Wirtschaftsgutes oder eines Erhaltungsaufwandes zurückzuführen ist, ist § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 anwendbar, wenn bei rechtmäßiger Bilanzierung in der Eröffnungsbilanz des ältesten nicht verjährten Jahres noch ein Buchwert vorhanden ist, welcher zumindest für dieses Jahr noch einer AfA zugänglich ist (vgl. VwGH 29.9.2022, Ro 2022/15/0011);
- Erhaltungsaufwand wurde aktiviert statt sofort abgesetzt;
- Der AfA wurde eine falsche Nutzungsdauer zu Grunde gelegt (dabei sind allfällige Nutzungsentnahmen mitzuberücksichtigen) (zur Bedeutung subjektiver Richtigkeit siehe Rz 3119);
- Der Ermittlung des Ausmaßes einer Nutzungseinlage auf Grund der betrieblichen Nutzung eines privaten Wirtschaftsgutes wurde eine falsche Nutzungsdauer dieses Wirtschaftsgutes zu Grunde gelegt;
- Ein selbst hergestelltes unkörperliches Wirtschaftsgut wurde zu Unrecht aktiviert;
- Eine Rückstellung wurde unrichtig gebildet oder unterlassen. Bei Ansammlungsrückstellungen (zB Pensionsrückstellungen) liegt die Wurzel sowohl im Wirtschaftsjahr der erstmaligen wirtschaftlichen Veranlassung als auch – in Folge der zeitanteiligen Bildung – in den folgenden Wirtschaftsjahren. Daher ist bei Ansammlungsrückstellungen, die erstmals vor 2003 zu bilden waren, für unrichtige oder unterlassene Dotierungen ab 2003 eine Fehlerberichtigung nach § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 zulässig.
- Eine Teilwertabschreibung/Zuschreibung wurde unrichtig vorgenommen oder unterlassen. Zur Zuschreibung bei Beteiligungen siehe insbesondere Rz 2584.
- Eine Verbindlichkeit/Forderung aus einem Aufwand/Ertrag wird in einem falschen Wirtschaftsjahr erfasst.
- Eine Entnahmebesteuerung durch Ansatz des Teilwertes ist zu Unrecht unterblieben (gemäß § 6 Z 4 EStG 1988 tritt für nachfolgende steuerrelevante Sachverhalte, zB eine Grundstücksveräußerung gemäß § 30 EStG 1988, der Entnahmeteilwert an die Stelle der Anschaffungs- oder Herstellungskosten).
Beispiele:
1.Im verjährten Jahr 01 wurde Herstellungsaufwand von 300.000 Euro (Nutzungsdauer 10 Jahre) sofort abgesetzt. Die Bilanzberichtigung erfordert die Aktivierung des Herstellungsaufwands in 01 und eine Fortentwicklung des Buchwerts unter Berücksichtigung einer AfA von 30.000 Euro pro Wirtschaftsjahr. Im ersten noch nicht verjährten Jahr 04 beträgt der Buchwert in der Eröffnungsbilanz daher 210.000 Euro; die AfA des Jahres 04 beträgt 30.000 Euro und der Buchwert in der Schlussbilanz 180.000 Euro. Zusätzlich ist im Jahr 04 ein Gewinnzuschlag von 210.000 Euro (300.000 – 3 x 30.000) anzusetzen, sodass nach der Veranlagung des Jahres 04 in Summe 120.000 Euro aufwandswirksam berücksichtigt worden sind.
2.Ein Wirtschaftsgut wurde im Jahr 01 um 100.000 Euro angeschafft und unter Zugrundelegung einer Nutzungsdauer von 10 Jahren abgeschrieben, wobei eine Privatnutzung im Ausmaß von 20% über eine Nutzungsentnahme berücksichtigt wird. Richtig wäre der Ansatz einer Nutzungsdauer von 5 Jahren. Im ersten nicht verjährten Veranlagungsjahr 06 steht das Wirtschaftsgut mit einem Buchwert von 50.000 Euro in der Eröffnungsbilanz. Die Bilanzberichtigung führt zu einem Buchwertansatz in Höhe des Erinnerungswertes von 1 Euro in der Eröffnungsbilanz 06. Durch einen Abschlag von 49.999 Euro wird die AfA betreffend den verjährten Zeitraum korrigiert. Durch die zu geringe AfA wurde in den Vorjahren aber auch eine zu geringe Nutzungsentnahme angesetzt. Dies ist daher im Rahmen des Abschlages für die AfA in Form eines Zuschlages in Höhe von 10.000 Euro (5 x 2.000 = Differenz zur bisher angesetzten Nutzungsentnahme) zur Herstellung des korrekten Ausmaßes der Nutzungsentnahme zu berücksichtigen. Die AfA betreffend den verjährten Zeitraum ist daher letztlich durch einen Abschlag in Höhe von 39.999 Euro zu korrigieren.
3.Im verjährten Jahr 01 wäre nach § 198 Abs. 8 UGB eine Rückstellung anzusetzen gewesen, der Steuerpflichtige hat sie jedoch
a) überhaupt nicht angesetzt,
b) erst im Jahr 05 angesetzt.
Der Rückstellungsgrund ist nach wie vor aufrecht.
In beiden Fällen ist die Rückstellung im Rahmen der Bilanzberichtigung für das Jahr 01 einzustellen und gegebenenfalls fortzuentwickeln. Die Rückstellung ist somit im ersten noch nicht verjährten Jahr 04 in zutreffender Höhe in der Eröffnungsbilanz ausgewiesen. Gleichzeitig ist in 04 ein Abschlag unter Beachtung von § 9 EStG 1988 vorzunehmen.
Im Fall b) ist zusätzlich die unrichtige Rückstellungsdotierung in 05 gewinnerhöhend zu korrigieren.
4.Eine einen Aufwand betreffende betriebliche Verbindlichkeit in Höhe von 20.000 Euro wäre im Jahr 01, das ist das Jahr des Anfallens des Aufwandes, zu passivieren gewesen. Stattdessen wurde der Aufwand im Zahlungsjahr 04 erfasst. Die Bilanzberichtigung führt zum Ausweis einer Verbindlichkeit in der Eröffnungsbilanz des ersten nicht verjährten Veranlagungsjahres 03. In diesem Jahr ist ein Abschlag von 20.000 Euro anzusetzen. Im Jahr 04 ist die Verbindlichkeit erfolgsneutral auszubuchen und die unrichtige Erfassung des Aufwandes gewinnerhöhend zu korrigieren. Die Berücksichtigung des Aufwandes des (verjährten) Jahres 01 wird somit im Jahr 03 nachgeholt.
5.In Bezug auf eine Beteiligung (Anschaffungskosten 100.000 Euro) wurde im Jahr 01 eine Teilwertabschreibung von 30.000 Euro vorgenommen. Eine Zuschreibung wegen Wegfalls der Gründe für die Teilwertabschreibung wäre im verjährten Jahr 03 vorzunehmen gewesen, ist aber unterblieben. Auf Grund der Bilanzberichtigung steht die Beteiligung in der Eröffnungsbilanz des ersten nicht verjährten Jahres 05 mit 100.000 Euro zu Buche. Es ist im Jahr 05 ein Zuschlag von 30.000 Euro gewinnerhöhend anzusetzen.
Fehler, die keine Auswirkung auf ein noch nicht verjährtes Veranlagungsjahr haben oder die nicht periodenübergreifend sind (zB falscher (Nicht)Ansatz von Schuldzinsen), sind von § 4 Abs. 2 EStG 1988 nicht erfasst. Ebenfalls nicht erfasst sind fälschlicherweise erfasste Aufwendungen iZm Wirtschaftsgütern, die Privatvermögen darstellen (sofern es sich nicht um Nutzungseinlagen handelt; siehe dazu Rz 652d).
Die Bildung einer Rückstellung bewirkt nur die periodenrichtige Zuordnung eines Aufwandes. Steht der Abzug eines Aufwandes dem Grunde nach nicht zu, kann eine dafür zu Unrecht in einem verjährten Jahr gebildete Rückstellung nicht mittels eines Zuschlages nach § 4 Abs. 2 EStG 1988 berichtigt werden.
Beispiele:
1.In einem bereits verjährten Veranlagungszeitraum wurde eine bezahlte Geldstrafe entgegen § 20 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 als Betriebsausgabe behandelt. Es ist kein Zuschlag anzusetzen (keine periodenübergreifende Fehlerwirkung).
2.Ein Wirtschaftsgut wurde im Jahr 01 um 10.000 Euro angeschafft und unter Zugrundelegung einer Nutzungsdauer von 3 Jahren abgeschrieben. Richtig wäre der Ansatz einer Nutzungsdauer von 5 Jahren. Im ersten nicht verjährten Veranlagungsjahr 06 steht das WG mit dem Erinnerungswert von 1 Euro in der Eröffnungsbilanz. Ungeachtet der Bilanzberichtigungen der Jahre 01 bis 05 ist im Jahr 06 kein Zu- oder Abschlag vorzunehmen, weil das Jahr 06 von einer Bilanzberichtigung nicht (mehr) betroffen ist und der insgesamt richtige Totalgewinn der Besteuerung zu Grunde gelegt wurde.
3.Zur Errichtung eines Privatgebäudes wurde ein Kredit aufgenommen. Dieser wurde als Betriebskredit behandelt. In weiterer Folge wurde die Kreditverbindlichkeit auf Grund der Änderung des Wechselkurses gewinnmindernd auf den höheren Teilwert aufgewertet. Diese zu Unrecht berücksichtigte Aufwertung kann in den folgenden Jahren nicht gemäß § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 korrigiert werden, weil die Verbindlichkeit von Anfang an nicht zum Betriebsvermögen gehörte und somit die unrichtige Aufwertung keinen periodenübergreifenden Fehler bewirkt.
Die unrichtige Verrechnung eines Verlustabzuges in Vorperioden, weil in diesen Vorperioden bei einem Einnahmen-Ausgaben-Rechner Betriebsausgaben zu niedrig angesetzt wurden, ist kein nach § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 zu berücksichtigender Fehler. Während § 4 Abs. 2 EStG 1988 bei der Einkünfteermittlung eine Rolle spielt, erfolgt der Verlustabzug gemäß § 18 Abs. 6 EStG 1988 im Rahmen der Einkommensermittlung (BFG 25.7.2018, RV/5101244/2014).
Eine auf § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 gestützte Änderung eines rechtskräftigen Bescheides setzt voraus, dass ein Fehler nur auf Grund der bereits eingetretenen Verjährung nicht mehr steuerwirksam berichtigt werden kann. Daher ist die Bestimmung nur dann anwendbar, wenn ein Verfahrenstitel vorliegt, der es ermöglichen würde, den fehlerhaften Bescheid in Durchbrechung der Rechtskraft zu korrigieren und der Einsatz dieses Verfahrenstitels bloß deswegen nicht möglich ist, weil dem die eingetretene Verjährung entgegensteht. Auf diese Weise bestehen für eine Fehlerberichtigung in Bezug auf verjährte Zeiträume dieselben verfahrensrechtlichen Anforderungen für die Durchbrechung der Rechtskraft, wie sie für eine derartige Maßnahme in Bezug auf nicht verjährte Zeiträume bestehen. Würde daher – bei Wegdenken der eingetretenen Verjährung – kein Verfahrenstitel vorliegen, um den rechtskräftigen Bescheid zu ändern, kommt eine solche auch nicht durch Anwendung des § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 iVm § 293b BAO in Betracht.
Für eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO als Verfahrenstitel ist zu beachten, dass Tatsachen, die dem Steuerpflichtigen schon immer bekannt gewesen sind, deren steuerliche Berücksichtigung er aber unterlassen hat, keinen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens eröffnen. Die Kenntnis eines Rechtsvertreters ist dabei der antragstellenden Person zuzurechnen (vgl. VwGH 29.9.2022, Ro 2022/15/0011).
Die tatbestandsmäßige Bezugnahme auf die Verjährung bedeutet auch, dass in Fällen kein Zu- oder Abschlag möglich ist, in denen der unrichtige Bilanzansatz ein noch nicht verjährtes Jahr betrifft. Diesbezüglich kann eine Richtigstellung im betreffenden Jahr im Rahmen der bestehenden verfahrensrechtlichen Möglichkeiten erfolgen (siehe Rz 649).
Eine in einem Vorjahr erfolgte Bescheidberichtigung gemäß § 293b BAO aus Anlass des Ansatzes eines Zu- oder Abschlages stellt für Folgejahre einen Grund für eine Bescheidänderung gemäß § 295 Abs. 3 BAO dar.
Ein Zu- oder Abschlag gemäß § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 ist im Rahmen der Gewinnermittlung des jeweiligen Betriebes zu erfassen. Er führt zu einem entsprechend erhöhten/verminderten Betriebsergebnis (Gewinn/Verlust).
Ist der Betrieb unter Buchwertfortführung unentgeltlich auf einen Rechtsnachfolger übergegangen, erfolgt die Erfassung des Zu-/Abschlages in Anwendung des § 6 Z 9 EStG 1988 beim Rechtsnachfolger in dessen ersten nicht verjährten Veranlagungszeitraum.
Das Unterbleiben der Fehlerkorrektur wird gesetzlich als offensichtliche Unrichtigkeit iSd § 293b BAO fingiert. Dies ist für den Fall des Vorliegens eines rechtskräftigen Bescheides maßgeblich, in dem ein Zu- oder Abschlag zu berücksichtigen gewesen wäre, dies aber unterblieben ist. Die erforderliche Korrektur kann dann im Rahmen einer Bescheidberichtigung gemäß § 293b BAO erfolgen.
Demnach darf ein rechtskräftiger Bescheid nur für Zwecke einer Berichtigung gemäß § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 geändert werden (Teilrechtskraftdurchbrechung einer Bescheidberichtigung gemäß § 293b BAO). Steht für das Jahr, in dem der Zu- oder Abschlag vorzunehmen ist, allerdings ein anderer Verfahrenstitel zur Verfügung (zB eine Wiederaufnahme des Verfahrens auf Grund neu hervorgekommener Tatsachen), ist die Fehlerberichtigung bereits im Rahmen dieses Verfahrens vorzunehmen.
Die Fehlerkorrektur ist stets in jenem Veranlagungszeitraum vorzunehmen, zu dem – gemessen am Zeitpunkt der Erlassung des berichtigenden Bescheides – die Richtigstellung frühestmöglich erfolgen kann. Der Zuschlag/Abschlag ist jenem Wirtschaftsjahr zuzurechnen, das in diesem Veranlagungszeitraum endet. Enden in dem Veranlagungszeitraum mehrere Wirtschaftsjahre, ist der Zuschlag/Abschlag dem ersten Wirtschaftsjahr zuzurechnen.
Beispiel:
Im Jahr 10 wird festgestellt, dass Herstellungsaufwand im Jahr 01 zu Unrecht nicht unter Zugrundelegung einer Restnutzungsdauer von 20 Jahren aktiviert, sondern sofort gewinnmindernd berücksichtigt worden ist. Die Jahre 01 bis 09 sind rechtskräftig veranlagt. Im Jahr 10 ist für Abgabenansprüche der Jahre vor 04 Festsetzungsverjährung eingetreten. Die Fehlerkorrektur kann daher nur im Veranlagungsjahr 04 erfolgen. Der Bescheid des Jahres 04 ist im Wege des § 293b BAO zu berichtigen. Rechtskräftige Bescheide der Folgejahre sind gegebenenfalls gemäß § 295 Abs. 3 BAO zu korrigieren.
Die Berücksichtigung eines Zu- oder Abschlages unterliegt dem Ermessen („kann“) und ist somit unter dem Gesichtspunkt von Billigkeit und Zweckmäßigkeit (§ 20 BAO) zu würdigen. Dementsprechend ist in einem Berichtigungsfall – gegebenenfalls unter Vornahme ergänzender Ermittlungen – zu erwägen, was für und was gegen die Vornahme von Zu- oder Abschlägen spricht und die getroffene Abwägung ist zu begründen (vgl. VwGH 29.9.2022, Ro 2022/15/0011).
Da sich die Ermessensübung nach ständiger Rechtsprechung (vgl. ua. VwGH 31.3.1998, 93/13/0130) vor allem am Zweck der Norm zu orientieren hat, kommt die Anwendung des § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 in Fällen nicht in Betracht, in denen sie der Erreichung der Totalgewinngleichheit deswegen entgegenläuft, weil eine vollständige Fehlerkorrektur infolge der Nichtberücksichtigung von Fehlern der Jahre bis 2002 nicht erreicht werden kann (siehe Rz 652).
Im Rahmen der Ermessensübung ist es einerseits möglich, (im Verhältnis zum Totalgewinn oder -verlust) geringfügige steuerliche Auswirkungen nicht zu korrigieren; andererseits kann auch die absolute Dauer des Zurückliegens des Fehlers berücksichtigt werden. Je länger der Fehler in die Vergangenheit zurückreicht, umso größer müssen die steuerlichen Auswirkungen sein, um im Rahmen der Ermessensübung einen Zu- oder Abschlag festzusetzen. Auch auf das Ausmaß der Sorgfaltsverletzung, die dem Fehler zu Grunde liegt, ist Bedacht zu nehmen (VwGH 29.9.2022, Ro 2022/15/0011).
§ 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 ist hinsichtlich der Korrektur von Fehlern aus verjährten Zeiträumen im Verhältnis von Feststellungsverfahren gemäß § 188 BAO und ESt/KSt-Veranlagungsverfahren des Beteiligten allein auf Ebene des Besteuerungsverfahrens des Beteiligten zu berücksichtigen.
Die Höhe der im Feststellungsbescheid ausgewiesenen Einkünfte ist gemäß § 192 BAO für das Einkommensteuerverfahren verbindlich. Zu- und Abschläge nach § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 sind jedoch – davon abweichend – im Einkommensteuerbescheid zu berücksichtigen, sofern in Bezug auf das Verfahren betreffend die Feststellung von Einkünften ein Verfahrenstitel vorliegt, der eine Bescheidänderung ermöglicht (vgl. VwGH 29.9.2022, Ro 2022/15/0011).
§ 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 knüpft in seinem Tatbestand an die Verjährung an, deren Vorliegen oder Nichtvorliegen sich allein aus den Verhältnissen des Beteiligten ergibt. Die Bestimmung steht außerhalb der regulären Gewinnermittlung, weil der Zu/Abschlag seinem Wesen nach eine die Gewinnermittlung nicht tangierende Korrekturmaßnahme darstellt. Für den Gegenstand des Feststellungsverfahrens, nämlich die Ermittlung des Gewinnes/Überschusses ist die Verjährung irrelevant, dementsprechend hat dort auch im Rahmen der Gewinnermittlung eine „Wurzelkorrektur“ zu erfolgen. Die Verjährungsprüfung ist allein Gegenstand des abgeleiteten Besteuerungsverfahrens.
Bei einer Wurzelkorrektur im Feststellungsverfahren hat die Dienststelle, die die Feststellung vorgenommen hat, im Rahmen einer Kontrollmitteilung die Dienststellen, die die Veranlagung vornehmen, darüber zu informieren, dass ein Fehler berichtigt wurde, der in den Anwendungsbereich des § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 hinsichtlich der Korrektur von Fehlern aus verjährten Zeiträumen fallen könnte. Die Dienststellen, die die Veranlagung vornehmen, müssen bis zum ersten nicht verjährten Jahr die davon erfassten Beträge aufsummieren und in weiterer Folge in diesem Jahr einen entsprechenden Zu- oder Abschlag ansetzen.
4.3.3 Bilanzänderung
4.3.3.1 Begriff
Unter Bilanzänderung versteht man das Ersetzen des gewählten, zulässigen Bilanzansatzes durch einen anderen, ebenfalls zulässigen Bilanzansatz (VwGH 22.3.1993, 91/13/0134; 91/13/0135).
Sind steuerrechtlich und unternehmensrechtlich verschiedene Ansätze zulässig und hat der Steuerpflichtige daher die Möglichkeit, zwischen den zulässigen Ansätzen zu wählen, hat der Steuerpflichtige mit dem Einreichen der Steuererklärung beim Finanzamt seine Entscheidung getroffen.
Eine nachträgliche Änderung der UGB-Bilanz stellt einen Anwendungsfall der Bilanzänderung dar, wenn die Änderung die steuerliche Gewinnermittlung beeinflussen kann (zB die Vornahme außerplanmäßiger Abschreibungen bei Finanzanlagen des Anlagevermögens bei Wertminderungen, die voraussichtlich nicht von Dauer sind).
4.3.3.2 Zustimmung der Abgabenbehörde
Nach der Einreichung der Bilanz beim Finanzamt bedarf eine Bilanzänderung der Zustimmung des Finanzamtes (bzw. im Rechtsmittelverfahren der zur Entscheidung über das Rechtsmittel zuständigen Abgabenbehörde). Die Zustimmung muss von der Behörde erteilt werden, wenn die Bilanzänderung wirtschaftlich begründet ist.
4.3.3.3 Wirtschaftliche Gründe
Wirtschaftlich begründet ist eine Bilanzänderung dann, wenn im Unternehmen, das den Gegenstand der Bilanzierung bildet, stichhaltige, wirtschaftliche Gründe vorliegen (vgl. VwGH 21.9.1988, 87/13/0176).
Beispiel:
Im Falle einer Aktivierung der Aufwendungen für ein Wirtschaftsgut durch das Finanzamt ist die Bilanzänderung hinsichtlich der erstmaligen Geltendmachung der in Betracht kommenden Investitionsbegünstigung wirtschaftlich begründet.
Wirtschaftlich unbegründet ist eine Bilanzänderung vor allem dann, wenn sie bloß der Erlangung zunächst nicht erkannter steuerlicher Vorteile oder dem Ausgleich steuerlicher Nachteile dient oder wenn damit Steuernachforderungen (auf der Basis entsprechender Berichtigung der Besteuerungsgrundlagen durch die Abgabenbehörde) ausgeglichen werden sollen (VwGH 25.10.1995, 94/15/0035).
4.3.3.4 Keine Rückwirkung
Die Bilanzänderung kann im Unterschied zur Bilanzberichtigung nicht rückwirkend auf die Vorjahre vorgenommen werden.
4.4 Einnahmen-Ausgaben-Rechnung (§ 4 Abs. 3 EStG 1988)
4.4.1 Allgemeines
658
Die Einnahmen-Ausgaben-Rechnung ist eine vereinfachte Form der Gewinnermittlung. Es wird ihr nicht ein Betriebsvermögensvergleich zu Grunde gelegt, sondern eine Gegenüberstellung der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben, und zwar grundsätzlich im Sinne einer Geldflussrechnung. Aus dem System der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung ergeben sich gegenüber jenem des Betriebsvermögensvergleiches unterschiedliche Periodenergebnisse. Der Totalgewinn muss aber grundsätzlich ident sein.
659
Bei der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung besteht in einem gewissen Rahmen die Möglichkeit der bewussten Steuerung des Zahlungszeitpunktes, willkürliche Zahlungen sind nicht zu berücksichtigen (VwGH 22. 1. 1992, 91/13/0114).
4.4.2 Voraussetzungen
660
Die Einnahmen-Ausgaben-Rechnung ist ausgeschlossen, wenn gesetzliche Buchführungspflicht besteht (§§ 124 und 125 BAO) oder freiwillig Bücher geführt werden. Eine freiwillige Buchführung liegt nur dann vor, wenn Bücher trotz mangelnder Buchführungspflicht für das gesamte Wirtschaftsjahr geführt werden. Entfällt eine bestehende Buchführungspflicht unterjährig auf Grund gesetzlicher Anordnung rückwirkend zum Beginn des Wirtschaftsjahres, liegt eine freiwillige Buchführung nur dann vor, wenn die tatsächliche Führung der Bücher trotz des Entfalles der Buchführungspflicht bis zum Ende des Wirtschaftsjahres fortgeführt wird. Eine bloße laufende Verbuchung von Geschäftsfällen ohne Inventur stellt keine freiwillige Buchführung dar.
661
Bei einer GmbH & Co KG/OG, bei der der Gewinn durch Einnahmen-Ausgaben-Rechnung ermittelt wird (zB eine Personengesellschaft mit Beteiligung einer/mehrerer Kapitalgesellschaft(en), die nicht Vollhafter ist/sind) kann der Gewinnanteil der Kapitalgesellschaft grundsätzlich aus der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung der Personengesellschaft abgeleitet werden. Die Aufstellung einer eigenen „anteiligen“ Steuerbilanz ist nicht erforderlich.
Da bei einer gewerblich tätigen KG oder OG alle Gesellschafter betriebliche Einkünfte erzielen, kann der Gewinnanteil der Kapitalgesellschaft im Rahmen der Feststellung erfasst werden. Die für Kapitalgesellschaften geltenden besonderen Vorschriften sind durch Sonderbetriebseinnahmen und Sonderbetriebsausgaben zu berücksichtigen.
662
Ermittelt eine freiberufliche Mitunternehmerschaft, an der eine nach berufsrechtlichen Vorschriften zugelassene Kapitalgesellschaft beteiligt ist (zB Wirtschaftstreuhänder-GmbH & Co KG mit natürlicher Person als Vollhafter), ihren Gewinn durch Einnahmen-Ausgaben-Rechnung, bestehen keine Bedenken, wenn die auf die Kapitalgesellschaft entfallenden Einkünfte als gewerbliche Einkünfte der Körperschaftsteuerveranlagung zugrundegelegt werden. Die Kapitalgesellschaft hat die für sie geltenden besonderen Vorschriften (zB Gewinne aus der Veräußerung von Grund und Boden des Altvermögens, der auf Grund der teilweisen steuerlichen Erfassung bei der Kapitalgesellschaft zum 31.3.2012 anteilig als Neuvermögen zu behandeln ist) zu berücksichtigen, nicht aber Posten, die eine Bilanzierung voraussetzen. Die Kapitalgesellschaft nimmt am Feststellungsverfahren nicht teil. Zur Rechtslage nach dem UGB siehe Rz 661.
4.4.3 Zeitpunkt der Gewinnverwirklichung
4.4.3.1 Zufluss-Abfluss-Prinzip
663
Bei der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung werden Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben nicht im Zeitpunkt des Entstehens, sondern im Zeitpunkt ihrer Vereinnahmung bzw. Verausgabung erfasst (Zufluss-Abfluss-Prinzip). Soweit daher der Geldfluss eine bereits früher entstandene Forderung oder Verbindlichkeit betrifft, kommt es zu einer Erfassung von Betriebseinnahmen oder Betriebsausgaben erst im Zeitpunkt des Geldflusses.
Beispiel:
Ein Lebensmittelhändler bleibt im Jahr 1999 infolge Geldknappheit Miete für sein Geschäftslokal schuldig. Er hat 1999 (im Unterschied zum Bilanzierer) noch keine Betriebsausgabe. Er bezahlt im Jahre 2000. Es liegt im Jahre 2000 eine Betriebsausgabe vor.
664
Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben sind aufzuzeichnen und zum Ende eines Jahres zusammenzurechnen, wobei § 19 EStG 1988 für die zeitliche Zuordnung maßgeblich ist. Betriebsausgaben müssen in einer Beilage zur Steuererklärung gruppenweise gegliedert dargestellt werden (siehe Rz 7554).
Bei Hausapotheken führenden Ärzten sind grundsätzlich sämtliche vereinnahmte Rezeptgebühren als Betriebseinnahmen zu erfassen (Ausnahmen siehe Barbewegungsverordnung, BGBl II Nr. 441/2006).
Eine davon abweichende Vorgangsweise, wonach die Betriebseinnahmen nicht einzeln aufgezeichnet werden, sondern indirekt aus der Abrechnung mit dem Sozialversicherungsträger ermittelt werden, widerspricht den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Kassenführung und ist nicht zulässig. Ebenso wenig ist in einem derartigen Fall eine pauschale Kürzung der indirekt ermittelten Betriebseinnahmen um nicht vereinnahmte Rezeptgebühren zulässig.
664a
Bei Betriebsübertragungen mit Buchwertfortführung (§ 6 Z 9 lit. a EStG 1988) außerhalb der Anwendung des UmgrStG sind bei fortgesetzter Einnahmen-Ausgaben-Rechnung die Einkünfte nach dem Zuflussprinzip zu erfassen; eine auf Grundlage einer Bilanz (Status) vorzunehmende wirtschaftlich exakten Einkünftezuordnung ist nicht vorzunehmen (vgl. VwGH 27.6.2000, 99/14/0281, siehe Rz 10, 108). Von dieser Aussage sind jene Fälle nicht berührt, die eine exakte stichtagsbezogene Einkünftezurechnung zum Gegenstand haben. Dazu zählen insb. Zusammenschlüsse nach Art. IV UmgrStG und Realteilungen nach Art. V UmgrStG bei fortgesetzter Einnahmen-Ausgaben-Rechnung (siehe UmgrStR 2002 Rz 1398 f, 1579 ff).
4.4.3.1.1 Ausnahmen vom Zufluss-Abfluss-Prinzip – Rechtslage vom 1.4.2012 bis 31.12.2013
664b
Nach § 4 Abs. 3 EStG 1988 sind bei Zugehörigkeit zum Umlaufvermögen die Anschaffungs- und Herstellungskosten oder der Einlagewert von Gebäuden und Wirtschaftsgütern, die keinem regelmäßigen Wertverzehr unterliegen, erst bei Ausscheiden aus dem Betriebsvermögen abzusetzen. Mit diesen Wirtschaftsgütern im Zusammenhang stehende Herstellungs- und Erhaltungsaufwendungen sind wie solche Aufwendungen iZm Umlaufvermögen bei einem Bilanzierer zu behandeln. Grund und Boden ist in die Anlagekartei gemäß § 7 Abs. 3 EStG 1988 aufzunehmen.
Von der Bestimmung sind – neben Gebäuden – Wirtschaftsgüter erfasst, die „keinem regelmäßigen Wertverzehr“ unterliegen. Sie bewirkt eine Durchbrechung des (vereinfachenden) Abflussprinzips und damit eine der Bilanzierung entsprechende realitätsgerechte Gewinnerfassung im Zeitpunkt des Wareneinsatzes bzw. des sonstigen Ausscheidens aus dem Betriebsvermögen. Die durch die Ausnahme vom Abflussprinzip erforderliche Bestandserfassung der betroffenen Wirtschaftsgüter ist für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Pauschalierung unerheblich.
Die Ausnahme vom Abflussprinzip kommt von ihrem Umfang her neben Gebäuden bei besonders werthaltigen Gütern zur Anwendung. Nur bei diesen Wirtschaftsgütern erscheint die durch die Anwendung des Abflussprinzips bedingte Abweichung des Besteuerungsergebnisses vom tatsächlichen wirtschaftlichen Ergebnis von so großem Gewicht, dass sie eine den Bilanzierungsgrundsätzen entsprechende Behandlung erfahren sollen.
Vom Anwendungsbereich der Ausnahme vom Abflussprinzip sind daher nur Wirtschaftsgüter erfasst, die
- wären sie Anlagevermögen nicht abnutzbar sind und sich
- von ihrer Werthaltigkeit als Vermögensanlage eignen.
664c
Vom Anwendungsbereich sind folgende Wirtschaftsgüter erfasst:
- Grund und Boden;
- Gebäude;
- Grundstücksgleiche Rechte;
- Beteiligungen an Kapitalgesellschaften;
- Edelsteine, Schmucksteine und organisches Substanzen im Sinne der Edelsteinkunde (Gemmologie, zB Perlen, Korallen), deren Anschaffungskosten oder Einlagewert, bezogen auf das jeweilige einzelne Wirtschaftsgut, den Betrag von 5.000 Euro übersteigen, sowie Zahngold;
- Anlagegold- oder Anlagesilber; Anlagegold ist Gold iSd § 6 Abs. 1 Z 8 lit. j sublit. aa und bb UStG 1994; Anlagesilber ist Silber in Barren- oder Plättchenform und einem Feingehalt von mindestens 995 Tausendstel bzw. Münzen, die einen Feingehalt von mindestens 900 Tausendstel aufweisen, nach dem Jahr 1800 geprägt wurden, in ihrem Ursprungland gesetzliches Zahlungsmittel waren oder sind und die üblicherweise zu einem Preis verkauft werden, der den Offenmarktwert ihres Silbergehaltes um nicht mehr als 80% übersteigt;
- Kunstwerke, deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder Einlagewert, bezogen auf das jeweilige Wirtschaftsgut, den Betrag von 5.000 Euro übersteigen;
- Antiquitäten, deren Anschaffungskosten oder Einlagewert, bezogen auf das jeweilige Wirtschaftsgut, den Betrag von 5.000 Euro übersteigen;
- Wirtschaftsgüter, denen nach der Verkehrsauffassung ein besonderer Seltenheits- oder Sammlerwert zukommt (zB alte Musikinstrumente, Briefmarken, seltene Weine) und deren Anschaffungskosten oder Einlagewert, bezogen auf das jeweilige Wirtschaftsgut, den Betrag von 5.000 Euro übersteigen.
Die Ausnahme vom Abflussprinzip soll vor allem modellhafte Gestaltungen (gezieltes Ausnutzen des Abflussprinzips zur Darstellung von Verlusten) verhindern. In diesem Fall bezieht sich der Grenzbetrag von 5.000 Euro nicht auf das jeweilige Einzelwirtschaftsgut, sondern auf die Summe der Anschaffungen/Herstellungen/Einlagen gleichartiger Wirtschaftsgüter im Wirtschaftsjahr.
Die Wertgrenze von 5.000 Euro bezieht sich auf die Anschaffungskosten oder den Einlagewert ohne Umsatzsteuer. Bei Käufen in Bausch und Bogen bezieht sich die Wertgrenze auf jedes einzelne Wirtschaftsgut, für das die Grenze anzuwenden ist. Gegebenenfalls sind die Anschaffungskosten derartiger Wirtschaftsgüter im Schätzungsweg aus einem Gesamtpreis abzuleiten.
664d
Das Abflussprinzip gilt unverändert für Wirtschaftsgüter, die einem regelmäßigen Wertverzehr unterliegen (ausgenommen Gebäude). Gleiches gilt für Wirtschaftsgüter, die als Rohstoffe, Hilfsstoffe oder Einzelkomponenten für die Weiterverarbeitung bestimmt sind und die sich als solche – selbst wenn sie hochpreisig und wertbeständig sind – nicht für eine Wertanlage eignen. Das Abflussprinzip gilt daher (unverändert) zB für:
- Wertvolle Hölzer, die zur Weiterverarbeitung bestimmt sind.
- Steine, Marmor, die/der zur Weiterverarbeitung bestimmt sind/ist.
- Nur gewerblich nutzbare Rohstoffe, Hilfsstoffe, Zutaten, Halbfertig- und Fertigteile, Halbfertig- oder Fertigprodukte, ausgenommen Zahngold.
- Edelsteine, Schmucksteine und organische Substanzen im Sinne der Edelsteinkunde (Gemmologie, zB Perlen, Korallen), deren Anschaffungskosten oder Einlagewert, bezogen auf das jeweilige Wirtschaftsgut, den Betrag von 5.000 Euro nicht übersteigen.
664e
§ 4 Abs. 3 EStG 1988 idF des 1. StabG 2012 ist auf Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens anzuwenden, die nach dem 31. März 2012 angeschafft, hergestellt oder eingelegt werden (§ 124b Z 211 EStG 1988). Maßgebend ist für
- Anschaffungen der Zeitpunkt der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht (vgl. Rz 2166) und für
- Einlagen der Zeitpunkt des tatsächlichen Zuganges zum Betriebsvermögen.
Beispiele:
- Ein Grundstückshändler kauft ein bebautes Grundstück. Der Kaufpreis wird am 1.3.2012 beim Notar zu Gunsten des Verkäufers hinterlegt. Am 1.7.2012 wird das Grundstück in die wirtschaftliche Verfügungsgewalt des Käufers übergeben. Die grundbücherliche Einverleibung erfolgt am 1.8.2012. Da das Grundstück am 1.7.2012, somit nach dem 31.3.2012, angeschafft wurde, darf der bezahlte Kaufpreis nicht sofort als Betriebsausgabe abgesetzt werden.
- Ein Kunstwerk wird am 15.3.2012 um 10.000 € von einem Galeristen gekauft. Es wird am 16.3.2012 geliefert und am 15.4.2012 bezahlt. Da das Kunstwerk am 16.3.2012, somit vor dem 1.4.2012 angeschafft wurde, ist der am 15.4.2012 bezahlte Kaufpreis in diesem Zeitpunkt als Betriebsausgabe zu erfassen.
- Ein Antiquitätenhändler erwirbt eine Antiquität um 7.000 €. Diese wird ihm am 15.4.2012 geliefert. Der Antiquitätenhändler hat auf den Kaufpreis bereits am 15.2.2012 eine Anzahlung von 2.000 € geleistet, der Rest wird bei Lieferung beglichen. Da das Kunstwerk am 15.4.2012, somit nach dem 1.4.2012 angeschafft wurde, dürfen die gesamten Anschaffungskosten nicht im Zahlungszeitpunkt als Betriebsausgabe erfasst werden.
Bei Herstellungsvorgängen ist in verfassungskonformer Interpretation des § 124b Z 211 EStG 1988 auf jene Herstellungskosten abzustellen, die nach dem 31. März 2012 verausgabt werden. Dementsprechend sind bis zu diesem Stichtag verausgabte Herstellungskosten von der Regelung des § 4 Abs. 3 EStG 1988 idF des 1. StabG 2012 nicht erfasst.
4.4.3.1.1a Ausnahmen vom Zufluss-Abfluss-Prinzip – Rechtslage ab Veranlagung 2014
664f
Nach § 4 Abs. 3 EStG 1988 sind bei Zugehörigkeit zum Umlaufvermögen die Anschaffungs- und Herstellungskosten oder der Einlagewert
- von Gebäuden und
- von Gold, Silber, Platin und Palladium, sofern sie nicht der unmittelbaren Weiterverarbeitung dienen,
erst bei Ausscheiden aus dem Betriebsvermögen abzusetzen. Mit diesen Wirtschaftsgütern im Zusammenhang stehende Herstellungs- und Erhaltungsaufwendungen sind wie solche Aufwendungen iZm Umlaufvermögen bei einem Bilanzierer zu behandeln. Grund und Boden ist in die Anlagekartei gemäß § 7 Abs. 3 EStG 1988 aufzunehmen. Bei den Edelmetallen sind Münzen und Barren gleichermaßen erfasst.
664g
Für vor dem 1.1.2014 angeschaffte, hergestellte oder eingelegte Wirtschaftsgüter, die nach der mit dem 1. StabG 2012 geschaffenen Rechtslage (siehe Rz 664b ff) aber nicht nach Maßgabe der Neuregelung von der Durchbrechung des Abflussprinzips betroffen sind, ist die Absetzung im Rahmen der Veranlagung 2014 nachzuholen. Wurde ein derartiges Wirtschaftsgut nach dem 31.3.2012 und vor dem 1.1.2014 angeschafft , hergestellt oder eingelegt und wurden die Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder der Einlagewert nicht bei Anschaffung, Herstellung oder Einlage abgesetzt, hat die Berücksichtigung nicht bei Ausscheiden aus dem Betriebsvermögen, sondern in dem bei der Veranlagung 2014 zu erfassenden Wirtschaftsjahr zu erfolgen.
Beispiel:
Ein Antiquitätenhändler erwirbt am 1.7.2012 eine Antiquität um 7.000 Euro, die ihm am selben Tag geliefert wird. Der Kaufpreis wird bei Lieferung beglichen. Da das Kunstwerk am 1.7.2012, somit nach dem 1.4.2012 angeschafft wurde, dürfen die Anschaffungskosten nicht im Zahlungszeitpunkt als Betriebsausgabe erfasst werden. Auf Grund der mit dem 2. AbgÄG 2014 geschaffenen Neuregelung sind diese Anschaffungskosten in dem in der Veranlagung 2014 zu erfassenden Wirtschaftsjahr abzusetzen.