6.1.7. Leistungen der Sozialversicherungs- und Fürsorgeträger
6.1.7.1. Begünstigte Unternehmer
748
Die Träger der Sozialversicherung (Krankenversicherung, Unfallversicherung, Pensionsversicherung) ergeben sich aus dem ASVG. Der Begriff ist in rechtlicher Betrachtungsweise zu interpretieren, umfasst daher bspw. nicht Wohlfahrtseinrichtungen der Kammern der freien Berufe (VwGH 7.12.1994, 93/13/0009).
Die Träger der öffentlichen Fürsorge (Träger der Sozialhilfe), ergeben sich aus den einschlägigen landesgesetzlichen Vorschriften. Es handelt sich entweder um Gebietskörperschaften oder um eigene Sozialhilfeverbände. Diese besitzen Unternehmereigenschaft in dem im § 2 Abs. 4 Z 1 UStG 1994 angeführten Rahmen. Die allgemeine Fürsorge (Sozialhilfe) umfasst die Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes, die Hilfe in besonderen Lebenslagen und die sozialen Dienste. Für die Anwendung der Befreiung des § 6 Abs. 1 Z 7 UStG 1994 ist entscheidend, ob die Leistungen des öffentlichen Fürsorgeträgers den Empfängern als Hilfe im Sinne der einschlägigen fürsorgerechtlichen Bestimmungen gewährt worden sind, mag auf diese Hilfe ein Rechtsanspruch bestanden haben oder nicht (VwGH 26.2.1981, 2571/80 sowie VwGH 22.12.2004, 2001/15/0141).
Andere Rechtsträger, die die Voraussetzungen des Art. 132 Abs. 1 Buchstabe g MwSt-RL 2006/112/EG erfüllen, können die Befreiung anwenden, wenn sie eine anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter betreiben (siehe dazu EuGH 8.10.2020, Rs C-657/19, Finanzamt D) und es durch die Anwendung der Steuerbefreiung zu keinen Wettbewerbsverzerrungen gegenüber steuerpflichtigen Wirtschaftsteilnehmern kommt (vgl. VwGH 27.2.2019, Ro 2018/15/0022; VwGH 23.9.2005, 2005/15/0070).
6.1.7.2. Umfang der Befreiung
749
Die Umsatzsteuerbefreiung nach § 6 Abs. 1 Z 7 UStG 1994 umfasst alle Aufgaben der Sozialversicherungsträger und des Dachverbandes, die dem Zweck der gesetzlichen Sozialversicherung dienen. Leistungen im Zusammenhang mit Standardprodukten, Innovationsprojekten und der neuen Netzwerksstruktur der Sozialversicherung mit Kompetenzzentren und Dienstleistungszentren samt Leistungsverrechnungen zwischen den Sozialversicherungsträgern fallen gleichfalls unter § 6 Abs. 1 Z 7 UStG 1994.
Die Steuerbefreiung erstreckt sich nur auf jene Umsätze, die von den genannten Sozialversicherungs- und Fürsorgeträgern untereinander und gegenüber dem im Gesetz ausdrücklich genannten Personenkreis der Versicherten und Befürsorgten bewirkt werden. Wenn daher entgeltliche Leistungen auch an Personen erbracht werden, die nicht dem begünstigten Personenkreis angehören (zB die Abgabe von Medikamenten in einer dem Sozialversicherungsträger gehörigen Apotheke an Nichtversicherte), sind diese nicht befreit.
Hilfsgeschäfte von einer eigenen Einrichtung eines Sozialversicherungsträgers sind nach § 6 Abs. 1 Z 18 UStG 1994 befreit (vgl. Rz 928). Hilfsgeschäfte der Sozialversicherungsträger selbst sind nach § 6 Abs. 1 Z 7 UStG 1994 (soweit das Hilfsgeschäft zwischen begünstigten Personen iSd § 6 Abs. 1 Z 7 UStG 1994 getätigt wird) oder nach § 6 Abs. 1 Z 26 UStG 1994 befreit.
Die spezielleren Befreiungen nach § 6 Abs. 1 Z 9 lit. a und Z 16 UStG 1994 gehen den Befreiungen gemäß § 6 Abs. 1 Z 7 und Z 26 UStG 1994 vor. Bei Grundstücksumsätzen oder bei Vermietungen von Grundstücken zwischen begünstigten Personen iSd § 6 Abs. 1 Z 7 UStG 1994 besteht somit nach § 6 Abs. 2 UStG 1994 die Möglichkeit, auf die Steuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 1 Z 9 lit. a bzw. Z 16 UStG 1994 zu verzichten. Zur Einschränkung der Optionsmöglichkeit bei gemäß § 6 Abs. 1 Z 16 UStG 1994 steuerfreien Umsätzen aus der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken durch das 1. StabG 2012, BGBl. I Nr. 22/2012, siehe Rz 899a bis Rz 899c.
Auch die Umsätze der von den Sozialhilfeträgern betriebenen Alten- und Pflegeheime sind nach § 6 Abs. 1 Z 7 UStG 1994 unecht steuerbefreit. Hinsichtlich des Umfangs der Befreiung gilt Rz 932 sinngemäß.
749a
Vom Dachverband der Sozialversicherungsträger und von den Sozialversicherungsträgern vereinnahmte Einhebevergütungen fallen unter die Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 1 Z 7 UStG 1994. Betroffen sind insbesondere Vergütungen für die Mitwirkung an Aufgaben der
- Arbeiterkammer (Einhebung der Arbeiterkammerumlage),
- Landarbeiterkammern (Einhebung der Landarbeiterkammerumlage),
- Wohnbauförderung,
- des Arbeitsmarktservice und im Rahmen der Mitarbeitervorsorge (Einhebung und Weiterleitung der MKV-Beiträge) sowie
- Vergütungen für die Einhebung von Beiträgen zum IESG-Fonds, der Schlechtwetterzulage und der Nacht-/Schwerarbeiterzulage.
750
Bewirkt ein Sozialversicherungsträger auf Grund entsprechender Abmachungen Leistungen an Versicherte anderer Sozialversicherungsträger, so handelt es sich um Umsätze von Sozialversicherungsträgern untereinander, die steuerbefreit sind. Unter die Befreiungsbestimmung können auch Leistungen eines Sozialversicherungsträgers an Versicherte ausländischer Krankenkassen subsumiert werden, wenn in den entsprechenden internationalen Abkommen eine Gleichstellung mit den inländischen Versicherten vorgesehen ist.
Hat ein Versicherter gegenüber dem Sozialversicherungsträger Anspruch auf Medikamente, so stellt deren Abgabe durch die Apotheke eine Lieferung an den Sozialversicherungsträger dar. Die Rezeptgebühr wird von der Apotheke für den Sozialversicherungsträger (durchlaufender Posten) eingehoben (VwGH 19.1.1984, 83/15/0034).
6.1.8. Geld- und Kapitalverkehr
6.1.8.1. Gewährung und Vermittlung von Krediten
751
Bei der Gewährung von Krediten (§ 6 Abs. 1 Z 8 lit. a UStG 1994) ist Gegenstand des Leistungsaustausches nicht die Hin- und Rückgabe des Kredites, sondern das Dulden der Kapitalnutzung gegen Entgelt.
Wertpapierdarlehen kommen wirtschaftlich einem Geldkredit gleich und sind steuerfrei. Ebenso die Kreditgewährung durch eine Bank als Treuhänder des ERP-Fonds.
Keine Kreditgewährung liegt vor, wenn die Kapitalhingabe (auch) mit einer Verlustbeteiligung verbunden ist (VwGH 16.4.1991, 90/14/0120).
752
Zum umsatzsteuerfreien Entgelt für die Kreditgewährung zählen neben den Kreditzinsen, Diskonten, Abschluss- und Zuteilungsgebühren, Provisionen und Gebühren auch die Auslagen- und Kostenersätze, die der Kreditnehmer im Zusammenhang mit der Kreditgewährung zu zahlen hat. Auch Kreditbereitstellungsprovisionen fallen unter die Steuerbefreiung des § 6 Abs. 1 Z 8 lit. a UStG 1994, und zwar auch dann, wenn der bereitgestellte Kredit nicht in Anspruch genommen wird.
753
Werden bei der Gewährung von Krediten Sicherheiten verlangt, müssen zur Ermittlung der Beleihungsgrenzen der Sicherungsobjekte deren Werte festgestellt werden. Die Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Ermittlung der Beleihungsgrenze dienen dazu, die Kreditgewährung zu ermöglichen. Dieser unmittelbare, auf wirtschaftlichen Gegebenheiten beruhende Zusammenhang rechtfertigt es, in der Ermittlung des Wertes der Sicherungsobjekte eine Nebenleistung zur Kreditgewährung zu sehen und sie damit als steuerfrei zu behandeln. Werden für die Verwahrung des Pfandgegenstandes vom Kreditgeber Gebühren in Rechnung gestellt, stellen auch diese eine unselbständige Nebenleistung zur Kreditgewährung dar. Werden an den Kreditgeber Entgelte entrichtet, die im Zusammenhang mit der Duldung der Weiterbenützung belehnter KFZ stehen, können diese nicht als im unmittelbaren Zusammenhang mit der Kapitalnutzung stehend und daher nicht als unselbständige Nebenleistung zur Kreditgewährung angesehen werden (VwGH 16.3.1983, 3849/80).
753a
Die Vermittlungstätigkeit ist eine Mittlertätigkeit, die ua. darin bestehen kann, einer Vertragspartei die Gelegenheiten zum Abschluss eines Vertrages nachzuweisen, mit der anderen Partei Kontakt aufzunehmen oder im Namen und für Rechnung des Kunden über die Einzelheiten der gegenseitigen Leistungen zu verhandeln, wobei Zweck dieser Tätigkeit ist, das Erforderliche zu tun, damit zwei Parteien einen Vertrag schließen, ohne dass der Vermittler ein Eigeninteresse an seinem Inhalt hat.
Die Steuerbefreiung einer Kreditvermittlungsleistung hängt nicht davon ab, dass ein Vertragsverhältnis zwischen dem Erbringer der Vermittlungsleistung und einer Partei des Kreditvertrages besteht. Es können daher auch Untervertreter unter die Steuerbefreiung fallen. Weiters ist es auch nicht unbedingt erforderlich, dass der Vermittler als Untervertreter eines Hauptvertreters in unmittelbaren Kontakt mit den beiden Vertragsparteien tritt, um alle Klauseln des Vertrages auszuhandeln. Voraussetzung ist jedoch, dass sich seine Tätigkeit als wesentlicher und spezifischer Bestandteil einer Vermittlungsleistung darstellt und sich nicht auf die Übernahme eines Teiles der mit dem Vertrag verbundenen Sacharbeit beschränkt (EuGH 21.06.2007, Rs C-453/05, „Ludwig“).
Unter die Kreditvermittlung fallen auch die Provisionen für die Vermittlung von Zwischenfinanzierungen durch Bausparkassen oder die Vermittlung von Schuldscheindarlehen.
753b
Unter folgenden Voraussetzungen können die Analyse der Vermögenssituation eines potenziellen Kreditwerbers sowie dessen Beratung als unselbstständige Nebenleistungen zur steuerfreien Kreditvermittlung angesehen werden:
- Die vom Vermittler erbrachten Leistungen werden von den Kredit gebenden Finanzinstituten nur dann vergütet, wenn die akquirierten und beratenen Kunden einen Kreditvertrag abschließen und
- die Kreditvermittlung stellt sich für die Kreditnehmer und die Kredit gebenden Finanzinstitute als die entscheidende Leistung dar, da die Vermögensberatung nur in einem vorbereitenden Stadium geleistet wird und sich darauf beschränkt, dem Kunden dabei zu helfen, unter verschiedenen Finanzprodukten diejenigen zu wählen, die seiner Situation und seinen Bedürfnissen am besten entsprechen.
Gleiches gilt, wenn eine einheitliche Vermittlungsleistung in für eine Vermittlung spezifische und wesentliche Teilleistungen aufgeteilt wird, von denen der eine Leistungsteil vom Hauptvertreter im Rahmen der Verhandlung mit den Kredit gebenden Finanzinstituten und der andere vom Untervertreter in seiner Eigenschaft als Vermögensberater im Rahmen der Verhandlung mit den Kreditnehmern erbracht wird (vgl. EuGH 21.06.2007, Rs C-453/05, „Ludwig“).
6.1.8.2. Kreditgewährung im Zusammenhang mit anderen Umsätzen
754
Die Einräumung eines Zahlungszieles im Zusammenhang mit einer erbrachten Lieferung oder sonstigen Leistung (Leistungskredit) ist als selbständiges Kreditgeschäft anzusehen (EuGH 27.10.1993, Rs C-281/91). Voraussetzung der Steuerfreiheit ist die eindeutige Trennung zwischen Liefergeschäft (bzw. sonstiger Leistung) und dem Kreditgeschäft. Dazu ist erforderlich, dass
- die Lieferung bzw. sonstige Leistung mit den dafür aufzuwendenden Entgelten und die Kreditgewährung bei Abschluss der Rechtsgeschäfte gesondert vereinbart worden sind und
- die Entgelte für beide Rechtsgeschäfte getrennt abgerechnet werden.
Das für ein Umsatzgeschäft vereinbarte Entgelt kann nicht nachträglich in ein Entgelt für eine Lieferung oder sonstige Leistung und für eine Kreditgewährung aufgeteilt werden.
755
Vereinbarte Zinsen sind weiters:
- Stundungszinsen: Sie werden berechnet, wenn dem Leistungsempfänger, der bei Fälligkeit die Kaufpreisforderung nicht bezahlen kann, gestattet wird, die Zahlung zu einem späteren Termin zu leisten.
- Zielzinsen: Sie werden erhoben, wenn dem Leistungsempfänger zur Wahl gestellt wird, entweder bei kurzfristiger Zahlung den Barpreis oder bei Inanspruchnahme des Zahlungszieles einen höheren Zielpreis (zusätzlich zum Barpreis Zinsen) für die Leistung zu entrichten. Für die Annahme einer Kreditleistung reicht die bloße Gegenüberstellung von Barpreis und Zielpreis nicht aus.
- Zinsen im Zusammenhang mit Abzahlungsgeschäften (Teilzahlungsgeschäfte, Ratengeschäfte).
- Zinsen im Zusammenhang mit Finanzierungsleasing, wenn der Leasinggegenstand dem Leasingnehmer zuzurechnen ist (Mietkauf).
756
Kontokorrentzinsen sind stets Entgelt für eine Kreditgewährung, wenn zwischen den beteiligten Unternehmern ein echtes Kontokorrentverhältnis im Sinne des § 355 UGB vereinbart worden ist, bei dem die gegenseitigen Forderungen aufgerechnet werden und bei dem der jeweilige Saldo anstelle der einzelnen Forderungen tritt. Besteht kein echtes Kontokorrentverhältnis, so sind die Zinsen, wenn entsprechende Vereinbarungen vorliegen, als Entgelt für eine Kreditgewährung zu behandeln.
Entgeltsminderungen, die sowohl auf steuerpflichtige Umsätze als auch auf die damit im Zusammenhang erbrachten steuerfreien Kreditgewährungen entfallen, sind anteilig dem jeweiligen Umsatz zuzuordnen.
Gesetzliche Verzugszinsen und Prozesszinsen für die verspätete Entrichtung des Kaufpreises stellen einen Schadenersatz dar und sind daher nicht umsatzsteuerbar (EuGH 01.07.1982, Rs C-222/81).
757
Beim Kreditkartengeschäft liegt zwischen Kreditkartenunternehmen und Kunden eine Kreditgewährung oder zumindest eine Kreditbereitschaft vor. Das Entgelt hierfür besteht in der Kartengebühr und allfälligen sonstigen Gegenleistungen.
Beim Factoring liegt auch dann keine steuerfreie Kreditgewährung des Unternehmers (Factors) an den Anschlusskunden vor, wenn der Unternehmer in der zugrunde liegenden Kaufpreisvereinbarung und in den Abrechnungen neben den Factoringgebühren getrennt ein Entgelt für die Vorfinanzierung ausweist (vgl. auch BFH 15.05.2012, XI R 28/10 zum Kauf von Honorarforderungen von Ärzten gegen Verrechnung von Factoringgebühren und Vorfinanzierungszinsen). Die mit der Factoringleistung einhergehende Kreditgewährung stellt eine unselbständige Nebenleistung dar und teilt als solche das Schicksal der Hauptleistung. Abweichend davon kann die Kreditgewährung jedoch dann als eigenständige und gemäß § 6 Abs. 1 Z 8 lit. a UStG 1994 steuerfreie Hauptleistung zu beurteilen sein, wenn sie eine eigene wirtschaftliche Bedeutung hat. Hiervon ist insbesondere auszugehen, wenn die gesamte Forderung nicht vor Ablauf eines Jahres nach der Übertragung fällig ist oder die Voraussetzungen der Rz 754 für das Vorliegen eines selbständigen Kreditgeschäftes erfüllt sind.
Hinsichtlich des Vorsteuerabzuges siehe Rz 1997.
758
Nach § 6 Abs. 2 UStG 1994 kann der Unternehmer eine an sich steuerfreie Kreditgewährung, bei der er dem Leistungsempfänger den Preis für eine Lieferung oder sonstige Leistung kreditiert, als steuerpflichtig behandeln (Option zur Steuerpflicht). Behandelt der Unternehmer die Kreditgewährung als steuerpflichtig, unterliegt sie dem Steuersatz, der für die Leistung anzuwenden ist, deren Leistungspreis kreditiert wird.
6.1.8.3. Umsätze von gesetzlichen Zahlungsmitteln
759
Die Befreiung des § 6 Abs. 1 Z 8 lit. b UStG 1994 ist eingeschränkt auf Umsätze (einschließlich der Vermittlung), die sich auf Zahlungsmittel beziehen, denen auch eine entsprechende Funktion zukommt. Die Befreiung gilt dann nicht mehr, wenn die gesetzlichen Zahlungsmittel wegen ihres Metallgehaltes oder ihres Sammlerwertes umgesetzt werden.
Auch der Umtausch konventioneller Währungen in Einheiten der Kryptowährung „Bitcoin“ und umgekehrt ist steuerfrei (siehe auch EuGH 22.10.2015, Rs C-264/14, Hedqvist). Die Erzeugung, die Überprüfung und Validierung (Mining und Forging), die Ausgabe (Zurverfügungstellung) und das Ändern für den Eigengebrauch solcher Kryptowährungen (siehe EuGH 22.10.2015, Rs C-264/14, Hedqvist) sind wie folgt zu behandeln:
- Werden diese Tätigkeiten unentgeltlich erbracht, zB über „Airdrops“, sind sie nicht steuerbar.
- Werden diese Tätigkeiten gegen ein Entgelt erbracht, das unmittelbar mit dem betreffenden Umsatz in Zusammenhang steht, sind sie steuerbar, aber nach § 6 Abs. 1 Z 8 lit. b, c oder e UStG 1994 steuerfrei. Ist beim „Bitcoin-Mining“ kein Leistungsempfänger identifizierbar, liegt ein nicht steuerbarer Umsatz vor.
Die Speicherung und Übertragung von solchen Kryptowährungen, wie sie über die digitalen Geldbörsen erfolgen, und der Umtausch von solchen Kryptowährungen gegen Fiatwährungen und umgekehrt werden als steuerbar behandelt, sind aber nach § 6 Abs. 1 Z 8 lit. b UStG 1994 steuerfrei (siehe auch EuGH 22.10.2015, Rs C-264/14, Hedqvist).
Der Verkauf von gesetzlichen Zahlungsmitteln (zB 500 Schilling-Silbergedenkmünzen) ist auch steuerfrei, wenn für die besondere Qualität der Münze (handgehoben, polierte Platte) und/oder für die Verpackung ein Preisaufschlag (Aufgeld) bis zu 20% des Nennwertes erhoben wird. Der Verkauf der Silbermünzen der Millenium- bzw. IOC-Serie, und zwar auch der Silbermünzen, die im Rahmen dieser Serien ab 1995 ausgegeben werden, ist gemäß § 6 Abs. 1 Z 8 lit. b UStG 1994 befreit.
Die Umsätze von außer Kurs gesetzten Scheidemünzen (Schilling- und Groschen-Münzen), die nach § 10 Abs. 4 des Scheidemünzengesetzes 1988 idF BGBl. I Nr. 72/2000 unbefristet bei der Münze Österreich AG und an den Schaltern der Oesterreichischen Nationalbank gegen gesetzliche Zahlungsmittel umgewechselt werden können, können nach § 6 Abs. 1 Z 8 lit. b UStG 1994 steuerfrei belassen werden, sofern der Verkaufspreis um nicht mehr als 20% über dem Nennwert liegt (gilt für Umsätze, die nach dem 28. Februar 2002 ausgeführt werden).
6.1.8.4. Umsätze im Geschäft mit Geldforderungen
760
Auch die Vermittlung der Umsätze von Geldforderungen (§ 6 Abs. 1 Z 8 lit. c UStG 1994) ist in die Steuerbefreiung einbezogen. Befreit sind ua. auch die Optionsgeschäfte mit Geldforderungen. Gegenstand dieser Optionsgeschäfte ist das Recht, bestimmte Geldforderungen innerhalb einer bestimmten Frist zu einem festen Kurs geltend zu machen oder veräußern zu können. Unter die Steuerbefreiung fallen auch die Optionsgeschäfte mit Devisen.
Von der Befreiung ausdrücklich ausgenommen sind die Umsätze aus der Einziehung von Forderungen, das sind finanzielle Transaktionen, die darauf gerichtet sind, die Erfüllung einer Geldschuld zu erwirken (EuGH 26.06.2003, Rs C-305/01, MKG-Kraftfahrzeuge-Factoring GmbH). Die Einziehung kann sich auch auf Forderungen beziehen, die noch nicht fällig sind, und muss nicht die Ergreifung von Zwangsmaßnahmen zum Zweck der Befriedigung der zu betreibenden Schulden umfassen (vgl. EuGH 28.10.2010, Rs C-175/09, AXA UK plc). Zur umsatzsteuerlichen Behandlung des Factoring siehe Rz 8 sowie Rz 757.
Mit der Forderungseinziehung untrennbar verbundene Dienstleistungen (zB Besorgung bestimmter Zahlungsdienstleistungen) stellen unselbstständige Nebenleistungen dar.
Überträgt eine Bank im Wege einer stillen Zession ihre Kreditforderungen im Innenverhältnis einem Dritten und betreibt sie in der Folge – gegen eine vom Dritten bezahlte Provision – weiterhin im eigenen Namen die Verwaltung und Einziehung dieser Kreditforderungen, so ist diese Provision nicht steuerbar (VwGH 29.02.2012, 2008/13/0068; siehe auch Rz 638g).
6.1.8.5. Umsätze von inländischen amtlichen Wertzeichen
761
Amtliche Wertzeichen sind auch Briefmarken, die von einem Universalpostdienstbetreiber aufgrund seiner Berechtigung gemäß § 18 Abs. 2 Postmarktgesetz, BGBl. I Nr. 123/2009, ausgegeben werden, die als Zeichen für die Entrichtung von Entgelten für Postdienste gelten und auf denen der Zusatz „Österreich“ oder „Republik Österreich“ angebracht ist. Der Verkauf derartiger Briefmarken zum aufgedruckten Wert ist nicht nur dann gemäß § 6 Abs. 1 Z 8 lit. d UStG 1994 steuerfrei, wenn er durch den Universaldienstbetreiber erfolgt, sondern auch bei Verkäufen durch andere Unternehmer, die Briefmarken im eigenen Namen verkaufen (zB Trafikanten).
Werden die Wertzeichen mit Aufschlägen zum aufgedruckten Wert gehandelt (Aufgeld), kommt die Befreiungsbestimmung des § 6 Abs. 1 Z 8 lit. d UStG 1994 nicht zur Anwendung; der Umsatz ist dann insgesamt (das gesamte Entgelt) steuerpflichtig. Werden die Briefmarken hingegen zu einem Preis veräußert, der unter ihrem aufgedruckten Wert liegt, so fallen diese Umsätze unter die angeführte Steuerbefreiung.
6.1.8.6. Umsätze im Einlagengeschäft und Kontokorrentverkehr
762
Die Befreiung gemäß § 6 Abs. 1 Z 8 lit. e UStG 1994 umfasst auch die Vermittlung der Umsätze.
6.1.8.6.1. Einlagengeschäft
763
Das Einlagengeschäft besteht nach § 1 Abs. 1 Z 1 Bankwesengesetz in der Entgegennahme fremder Gelder zur Verwaltung oder als Einlage. Zu den Umsätzen im Einlagengeschäft gehören ua. Überweisungsgebühren, Gebühren für Kontoabschriften und Kontoauszüge, Kontoauflösungsgebühr, Gebühren für Sperrungen und Stichworte oder für den Einzug von Spareinlagen, Verkauf von Heimsparbüchsen und sonstige mittelbar mit dem Einlagengeschäft zusammenhängende Umsätze.
6.1.8.6.2. Kontokorrentverkehr einschließlich Zahlungs- und Überweisungsverkehr
764
Die Anwendung der Befreiung setzt nicht voraus, dass die darunterfallenden Finanzgeschäfte von Banken oder Kreditinstituten erbracht werden müssen. Die Befreiung ist unabhängig vom Erbringer oder Empfänger der Leistung, sondern richtet sich vielmehr nach der Art der erbrachten Dienstleistungen (vgl. VwGH 20.2.2019, Ro 2018/13/0017; VwGH 22.3.2023, Ra 2022/13/0084, sowie EuGH 25.7.2018, Rs C-5/17, DPAS Ltd.).
Die Überweisung ist ein Vorgang, der in der Ausführung eines Auftrags zur Übertragung einer Geldsumme von einem Bankkonto auf ein anderes besteht und dadurch charakterisiert ist, dass sie zu einer Änderung der bestehenden rechtlichen und finanziellen Situation zwischen dem Auftraggeber und dem Empfänger auf der einen Seite und zwischen diesen und ihren jeweiligen Banken auf der anderen Seite sowie gegebenenfalls zwischen den Banken führt. Der Vorgang, der zu dieser Änderung führt, ist allein die Übertragung der Gelder zwischen den Konten, unabhängig von deren Grund. Da die Überweisung nur ein Mittel zur Übertragung der Gelder ist, sind die funktionellen Aspekte für die Frage entscheidend, ob ein Vorgang eine Überweisung im Sinne dieser Bestimmung darstellt. Eine Überweisung kann durch eine tatsächliche Übertragung von Geldern oder durch Buchungsvorgänge vorgenommen werden (VwGH 20.2.2019, Ro 2018/13/0017, mwV; VwGH 22.3.2023, Ra 2022/13/0084, mwV). Entscheidend ist, ob durch den betreffenden Umsatz tatsächlich oder potenziell das Eigentum an den in Rede stehenden Geldern übertragen wird oder ob er die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer solchen Übertragung erfüllt (VwGH 15.12.2022, Ro 2022/13/0001, Rn 44 mHa EuGH 3.10.2019, Rs C-42/18, Cardpoint, Rn 22). Da ein Überweisungsvorgang aus verschiedenen gesonderten Dienstleistungen bestehen kann, können auch Umsätze Dritter steuerfreie Umsätze im Überweisungsverkehr darstellen, wenn sie ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes sind, das die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer Überweisung erfüllt und damit die Übertragung von Geldern bewirkt und zu rechtlichen und finanziellen Änderungen führt (vgl. in diesem Sinne EuGH 5.6.1997, Rs C-2/95, SDC, Rn 66 bis 68, sowie EuGH 26.5.2016, Rs C-607/14, Bookit Ltd., Rn 40).
Nicht befreit sind Umsätze aus rein materiellen, administrativen oder technischen Leistungen, aus Beratungsleistungen oder aus Dienstleistungen, die in der Beschaffung und Weitergabe von Informationen bestehen, durch Unternehmer, die nicht unmittelbar die Übertragung der Gelder bewirken, auch wenn diese die Voraussetzung für eine spätere Zahlungsanordnung bzw. einen späteren Überweisungsvorgang schaffen (zu administrativen und technischen Leistungen von E-Geldbörsen siehe Rz 764c). Zur Abgrenzung zwischen steuerpflichtigen und steuerfreien Leistungen ist insbesondere der Umfang der Verantwortung bzw. Haftung des Dienstleistungserbringers (Beschränkung auf rein technische bzw. administrative Aspekte oder Erstreckung auf die spezifischen und wesentlichen Funktionen des Übertragungsprozesses der Gelder) entscheidend (vgl. VwGH 20.2.2019, Ro 2018/13/0017, mit Verweis auf EuGH 25.7.2018, Rs C-5/17, DPAS Ltd., Rn 36).
Ein Unternehmer, der Übertragungen oder die Verbuchung in den betreffenden Bankkonten nicht selbst vornimmt, sondern nur Kreditinstitute anweist, diese Übertragungen vorzunehmen, erbringt nur eine Vorstufe zum Umsatz im Überweisungs- oder Zahlungsverkehr (vgl. VwGH 20.2.2019, Ro 2018/13/0017, mit Verweis auf EuGH 25.7.2018, Rs C-5/17, DPAS Ltd., Rn 40 bis 42).
Leistungen eines Unternehmers, die darin bestehen, Funktionen, Arbeitsschritte und Prozesse umfassend zu erbringen, um den mit dem Kreditkartengeschäft einhergehenden Verarbeitungsprozess der Zahlungen und Überweisungen reibungslos abzuwickeln, mit denen aber nicht der Kernbereich des Überweisungsvorgangs (Ausführung des Auftrags zur Übertragung einer Geldsumme von einem Bankkonto auf ein anderes; unmittelbare Belastungen und/oder Gutschriften auf einem Konto oder Umbuchungen zwischen den Konten) erbracht wird, betreffen nicht die Vornahme der Zahlungen und Überweisungen selbst, sondern deren „Verarbeitungsprozess“. Da diese Leistungen aber nicht durch den Geldtransfer geprägt sind, sondern es sich vielmehr um Leistungen handelt, die der Übertragung einer Geldsumme von einem Konto auf ein anderes unter Änderung der bestehenden rechtlichen und finanziellen Situation vor- oder nachgelagert sind oder diesen Vorgang lediglich unterstützend begleiten, sind sie nicht von der Befreiungsbestimmung erfasst (vgl. VwGH 22.3.2023, Ra 2022/13/0084, Rn 51 bis 54).
Die gleichen Grundsätze gelten auch für Umsätze im Zahlungsverkehr.
Zu Zahlungsdienstleistungen als unselbstständige Nebenleistungen siehe Rz 348.
764a
Als steuerfreie Umsätze sind unter den in Rz 764 genannten Voraussetzungen anzusehen: Buchungsgebühren, Scheckgebühren, Gebühren für Kontoauszüge, Überweisungsgebühren, Bankomat- und Kreditkartengebühren, der Firmeneindruck auf Zahlungs- und Überweisungsvordrucken, Gebühren für Daueraufträge und Lastschriftanzeigen.
Unter den Zahlungs- und Überweisungsverkehr fällt ua. die Lieferung von Formularen, die Vornahme von Buchungen, die Entgegennahme von Barbeträgen und ihre Weiterleitung, die Weiterleitung von Geldbeträgen im Verrechnungsweg, die Verwaltung von Daueraufträgen und Abbuchungsaufträgen.
764b
Nicht unter die Befreiung fallen insbesondere Umsätze aus der Erbringung
- von Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Geldausgabeautomaten, die darin bestehen, diese Automaten aufzustellen und zu warten, sie mit Bargeld zu befüllen und mit Hard- und Software zum Einlesen der Geldkartendaten auszustatten, Autorisierungsanfragen wegen Bargeldabhebungen an die Bank weiterzuleiten, die die verwendete Geldkarte ausgegeben hat, die gewünschte Bargeldauszahlung vorzunehmen und einen Datensatz über die Auszahlungen zu generieren (vgl. EuGH 3.10.2019, Rs C-42/18, Cardpoint GmbH),
- eines Bündels an Dienstleistungen iZm Kreditkartenzahlungen und Auszahlungen via Geldautomaten, die im Wesentlichen der Erstellung von den jeweiligen Vertragspartnern (Banken und Händlern) zur Verfügung gestellten Abrechnungsdateien dienen (vgl. VwGH 20.2.2019, Ro 2018/13/0017, sowie BFH 10.12.2020, V R 4/19, zu administrativen und organisatorischen sowie technischen Dienstleistungen im Kreditkartengeschäft),
- von Dienstleistungen iZm der Abwicklung von Zahlungen im Rahmen von „Zahnbehandlungsplänen“, die darin bestehen, dass der Unternehmer die betreffenden Kreditinstitute zum einen anweist, auf der Grundlage einer Einzugsermächtigung eine Geldsumme vom Bankkonto eines Patienten auf das des Unternehmers zu überweisen, und zum anderen, diese Summe anschließend nach Abzug der dem Unternehmer geschuldeten Vergütung von dessen Bankkonto auf die jeweiligen Bankkonten des Zahnarztes und des Versicherers des Patienten zu überweisen (vgl. EuGH 25.7.2018, Rs C-5/17, DPAS Ltd.),
- von Dienstleistungen zur lediglich technischen Bearbeitung von Schecks, Überweisungen und Lastschriften im Rahmen der Abwicklung des „beleghaften“ Zahlungs- und Überweisungsverkehrs durch ein Kreditinstitut im Auftrag eines anderen Kreditinstituts (maschinelle bzw. händische Erfassung der sich auf den übergebenen Überweisungsträgern befindlichen Daten, Kontrolle der erfassten Daten, ggf. Ergänzung und Korrektur bei unvollständiger oder fehlerhafter Erfassung und schließlich Weiterleitung an ein Rechenzentrum zur Weiterbearbeitung; bei auch nur möglichen inhaltlichen Fehlern Rückgabe der Belege an den Auftraggeber; vgl. BFH 16.11.2016, XI R 35/14),
- von bestimmten Informationsdienstleistungen zum Zwecke der Abwicklung von Debit- oder Kreditkartenzahlungen von Kinokarten (vgl. EuGH 26.5.2016, Rs C-607/14, Bookit Ltd.),
- von Dienstleistungen im Bereich der elektronischen Nachrichtenübermittlung, mit denen Zahlungsanweisungen in geschützter und zuverlässiger Weise von einem Finanzinstitut an das andere übermittelt werden und deren einziger Zweck in der Übertragung von Daten besteht (vgl. EuGH 28.7.2011, Rs C-350/10, Nordea Pankki Suomi).
764c
Ein „Anbieter von elektronischen Geldbörsen“ bzw. ein „E-Geld-Anbieter“ ist ein zugelassener, regulierter Rechtsträger, der sowohl für Händler als auch für deren Kunden sonstige Leistungen im Rahmen von Zahlungsvorgängen erbringt.
Als „E-Geld“ wird gemäß Art. 2 Nr. 2 RL 2009/110/EG jeder elektronisch – darunter auch magnetisch – gespeicherte monetäre Wert in Form einer Forderung gegenüber dem Emittenten, der gegen Zahlung eines Geldbetrags ausgestellt wird, um damit Zahlungsvorgänge im Sinne des Art. 4 Nr. 5 RL 2007/64/EG durchzuführen, und der auch von anderen natürlichen oder juristischen Personen als dem E-Geld-Emittenten angenommen wird, bezeichnet.
Ein Anbieter von elektronischen Geldbörsen, der in Ausführung eines Auftrags und gegen Entgelt direkt Last- und Gutschriften für E-Geld-Konten innerhalb seiner Infrastruktur veranlasst, um E-Geldbeträge vom E-Geld-Konto des Zahlers auf das E-Geld-Konto des Zahlungsempfängers zu übertragen, erbringt eine gemäß § 6 Abs. 1 Z 8 lit. c, e oder f UStG 1994 steuerfreie sonstige Leistung.
Ein Anbieter von elektronischen Geldbörsen, der in Ausführung eines Auftrags und gegen Entgelt ein E-Geld-Konto direkt belastet, um Geldbeträge von diesem Konto auf das Bankkonto desselben Inhabers zu überweisen, erbringt eine gemäß § 6 Abs. 1 Z 8 lit. e UStG 1994 steuerfreie sonstige Leistung.
Folgende Umsätze erfüllen nicht die spezifischen und wesentlichen Funktionen eines Umsatzes im Zahlungs- und Überweisungsverkehr im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 8 lit. e UStG 1994 und sind daher nicht steuerfrei:
- Dashboard-Dienstleistungen, Beratungsdienste und Dienstleistungen im Zusammenhang mit einer Anwendungsprogrammierschnittstelle (API), die einem Händler von einem Anbieter von elektronischen Geldbörsen oder einem anderen Unternehmer gegen Entgelt angeboten werden, da sie keine Übertragung von Geldern bewirken und nicht zu einer Änderung der rechtlichen und finanziellen Situation der Parteien führen.
- Sonstige Leistungen, die eine mobile Geldbörse gegen Entgelt für einen Händler erbringt und die es den Kunden des Händlers ermöglicht, ihre Zahlungsinformationen so zu speichern, dass ihre Daten bei der Bezahlung automatisch ausgefüllt werden, wenn sie diese Geldbörse als Zahlungsoption wählen, da sie als Verwaltungsdienstleistungen gelten.
Zahlungsdienstleiter, die im eigenen Namen Geldbeträge einziehen und verwahren
764d
Erbringen derartige Zahlungsdienstleister gegen Entgelt eine sonstige Leistung für einen Händler, die darin besteht, im Auftrag des Händlers mit mehreren Anbietern von Zahlungsmethoden Verträge zu schließen, Zahlungsdaten der Kunden des Händlers zu verarbeiten und zu übermitteln, im eigenen Namen Geldbeträge aus den Finanzierungsquellen dieser Kunden einzuziehen, sie in speziellen Konten zu konsolidieren und ihre anschließende Überweisung an den Händler zu veranlassen, gilt Folgendes:
Sofern diese sonstige Leistung als getrennt und unabhängig angesehen werden kann, ist sie kein gemäß § 6 Abs. 1 Z 8 lit. e UStG 1994 steuerfreier Umsatz im Zahlungs- und Überweisungsverkehr, wenn sich die Verantwortung des Anbieters darauf beschränkt, bei den betreffenden Finanzinstituten Zahlungsanträge einzureichen, wobei die Zahlungen letztlich von den Finanzinstituten ausgeführt werden. Durch die Aufforderung der betreffenden Finanzinstitute zur Ausführung solcher Übertragungen wird lediglich eine Tätigkeit ausgeübt, die einen Schritt vor den gemäß § 6 Abs. 1 Z 8 lit. e UStG 1994 befreiten Umsätzen im Zahlungs- und Überweisungsverkehr liegt.
Zur Einheitlichkeit der Leistung und zu unselbständigen Nebenleistungen siehe Rz 346 ff.
6.1.8.6.3. Inkasso von Handelspapieren
765
Handelspapiere sind Wechsel, Schecks, Quittungen oder ähnliche Dokumente im Sinne der „Einheitlichen Richtlinien für das Inkasso von Handelspapieren“ der Internationalen Handelskammer. Nicht als Handelspapiere gelten Karten, die die Inanspruchnahme einer bestimmten Anzahl von Waren oder Dienstleistungen zu Vorzugsbedingungen ermöglichen (EuGH 12.6.2014, Rs C-461/12, Granton Advertising BV). Für die Steuerfreiheit des Inkassogeschäftes ist es gleichgültig, ob die einzuziehende Forderung förmlich „abgetreten“ wird oder nur „zum Inkasso“ übergeben wird, ob also das Kreditinstitut im eigenen Namen oder im Namen des Inkassoauftraggebers einzieht.
6.1.8.7. Wertpapiere
6.1.8.7.1. Umfang der Befreiung
766
Umsätze im Geschäft mit Wertpapieren iSd § 6 Abs. 1 Z 8 lit. f UStG 1994 sind sämtliche Umsätze einschließlich der Vermittlung, die sich auf Wertpapiere beziehen, ausgenommen die Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren. Von der Befreiung sind somit die Umsätze erfasst, die geeignet sind, Rechte und Pflichten der Parteien in Bezug auf Wertpapiere zu begründen, zu ändern oder zum Erlöschen zu bringen, sofern es sich nicht um rein materielle, technische oder administrative Leistungen handelt, die nicht zu Änderungen in rechtlicher oder finanzieller Hinsicht führen (vgl. EuGH 13.12.2001, Rs C-235/00, CSC Financial Services). Nicht befreit sind demnach auch:
- eigenständige Informationstätigkeiten im finanzwirtschaftlichen Bereich;
- entscheidungsunterstützende Beratungsleistungen, durch welche nicht unmittelbar Rechte und Pflichten in Bezug auf Wertpapiere begründet, geändert oder zum Erlöschen gebracht werden;
- Karten, die die Inanspruchnahme einer bestimmten Anzahl von Waren oder Dienstleistungen zu Vorzugsbedingungen ermöglichen (EuGH 12.6.2014, Rs C-461/12, Granton Advertising BV).
Die Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren ist gemäß § 6 Abs. 1 Z 8 lit. f UStG 1994 nicht befreit.
Zu den Umsätzen im Geschäft mit Wertpapieren gehören auch die Optionsgeschäfte mit Wertpapieren. Gegenstand dieser Optionsgeschäfte ist das Recht, eine bestimmte Anzahl von Wertpapieren innerhalb einer bestimmten Frist jederzeit zu einem festen Preis fordern (Kaufoption) oder liefern (Verkaufsoption) zu können. Die Steuerbefreiung umfasst sowohl den Abschluss von Optionsgeschäften als auch die Übertragung von Optionsrechten.
Zu den Umsätzen im Geschäft mit Wertpapieren gehören auch die sonstigen Leistungen im Emissionsgeschäft, zB die Übernahme und Platzierung von Neuemissionen und die Börseneinführung von Wertpapieren.
Unter die Steuerbefreiung fallen weiters die Umsätze im Geschäft mit Investmentfondsanteilen und mit Immobilien-Investmentfondsanteilen sowie die Provisionen für die (Sub-)Vermittlung derartiger Umsätze (VwGH 22.04.2009, 2007/15/0099). Die Verwaltung der genannten Sondervermögen ist jedoch nur bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Z 8 lit. i UStG 1994 steuerfrei (vgl. Rz 772a).
Steuerfrei ist auch die entgeltliche Abgabe von Übernahmegarantien durch Kreditinstitute an Emittenten anlässlich der Ausgabe von Wertpapieren (vgl. EuGH 10.03.2011, Rs C-540/09, Skandinaviska Enskilda Banken AB Momsgrupp).
Führt ein Vertriebs- bzw. Vermittlungsunternehmer im Zusammenhang mit der Einführung neuer Finanzprodukte für den Emittenten gegen gesondertes Entgelt eigenständige Marketingaktivitäten und Werbeaktivitäten durch, die der allgemeinen Produktinformation dienen (zB die Gestaltung der Emissionsprospekte, die Imagewerbung und die Kontaktpflege zu Journalisten und Verlagen sowie die Information und Schulung von Anlageberatern), liegt diesbezüglich mangels Handelns gegenüber individuellen Vertragsinteressenten keine steuerfreie Vermittlung und – wegen des eigenständigen Charakters derartiger Dienstleistungen – auch keine unselbstständige Nebenleistung zu einer (späteren) Vermittlung vor (vgl. BFH 06.12.2007, V R 66/05).
766a
Zur Vermittlung bzw. Subvermittlung von Umsätzen im Geschäft mit Wertpapieren sowie zur Beratungsleistung als unselbstständige Nebenleistung der Vermittlung gelten die Ausführungen zur Kreditvermittlung sinngemäß (vgl. Rz 753a und Rz 753b).
Bestandsprovisionen für den dauerhaften Vermittlungserfolg können als Entgelt für eine steuerfreie Vermittlungsleistung angesehen werden, wenn derartige Zahlungen weiterhin einen unmittelbaren Zusammenhang mit der eigentlichen Vermittlungsleistung aufweisen und nicht an eine darüber hinausgehende Leistungsverpflichtung gebunden sind (vgl. BFH 19.4.2007, V R 31/05). Kommt es zur Übertragung durch Depotübergänge, können Bestandsprovisionen nur dann als Entgelt für eine steuerfreie Vermittlung gelten, wenn
- die Bestandsprovision ausschließlich auf der Grundlage der zwischen Emittent und aufnehmendem Kreditinstitut/Finanzdienstleister abgeschlossenen Vertriebsvereinbarung gezahlt wird,
- neben der Vertriebsleistung keine weitere Leistung zwischen Emittent und aufnehmendem Kreditinstitut/Finanzdienstleister erbracht wird,
- der Emittent auch nach Depotüberträgen bezogen auf den gesamten Bestand die gleiche Höhe an Bestandsprovisionen an die Kreditinstitute/Finanzdienstleister zahlt, mit denen eine Vertriebsvereinbarung besteht und
- der Zahlung der Bestandsprovisionen immer eine zuvor getätigte Vertriebsleistung eines Kreditinstituts/Finanzdienstleisters vorausgeht.
Nicht steuerfrei sind Bestandsprovisionen für „after sales“-Leistungen (zB laufende Betreuung und Beratung), da diese beim aufnehmenden Kreditinstitut/Finanzdienstleister keine unselbständige Nebenleistung zur vorangegangenen Vermittlungsleistung darstellen.
Drittprovisionen für bestimmte qualitätsverbessernde Maßnahmen des Finanzdienstleisters gegenüber den Kunden gemäß § 51 Abs. 3 Z 1 in Verbindung mit § 52 WAG 2018, BGBl. I Nr. 107/2017, sind steuerfrei, wenn diese Leistungen nach ihrer jeweiligen vertraglichen und tatsächlichen Ausgestaltung lediglich unselbständige Nebenleistungen zu der als Hauptleistung erbrachten Vermittlungsleistung sind. Erforderlich ist jedenfalls, dass die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer Vermittlung neben der Qualitätsverbesserung für den Kunden (weiterhin) erfüllt werden.
6.1.8.7.2. Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren
767
Die Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren sind Leistungen iSd § 3a Abs. 14 Z 7 UStG 1994. Zur Bestimmung des Leistungsortes siehe Rz 642d (bis 31.12.2009: § 3a Abs. 9 iVm Abs. 10 Z 7 UStG 1994). Das gilt auch für die nachfolgend angeführten Bankumsätze.
Gebühren im Zusammenhang mit der Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren fallen nicht unter die Steuerbefreiung. Darunter fallen insbesondere Gebühren für
- Inkasso von Kupons/Tilgungserlöse,
- Besorgung von Zins- und Erträgnisscheinen (Bogenerneuerung),
- Verlosungskontrolle,
- Beschaffung von Ersatzurkunden,
- Ausstellung von Lieferbarkeitsbescheinigungen,
- Erlag, Behebung, Übertrag inkl. Versand, Versicherung, allfällige Namensumschreibung,
- Bearbeitung von Verlustfällen, Aufgebot, Sperren usw.,
- Depotprovision inklusive Evidenzgebühr für § 12-Depotgesetz-Geschäft,
- Erstellung von Depotauszügen, sonstige Übersichten und Aufstellungen, Erträgnisaufstellungen,
- Umschreiben von Namensaktien,
- sonstige Bearbeitungsgebühren, Gerichtssperren, Sperren zugunsten Dritter, Notariatsanfragen, Kosten im Zusammenhang mit KESt-Abgrenzung und -Aufrollung und ausländischen Quellensteuern, Finanzamtsbescheinigungen,
- Besorgung von Stimm-, Besucher-, Teilnehmerkarten,
- Ausbuchung wertlos gewordener Werte, Optionsscheine, Bezugsrechte, Nonvaleurs,
- Duplikatsbelege.
767a
Portfolioverwaltung:
Eine steuerpflichtige Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren liegt auch bei einer entgeltlichen Tätigkeit eines Unternehmers vor, der aufgrund eigenen Ermessens, dh. ohne vorhergehende Weisung des Kunden, über den Kauf und Verkauf von Wertpapieren entscheidet und diese Entscheidung durch den Kauf und Verkauf der Wertpapiere vollzieht (EuGH 19.07.2012, Rs C-44/11, Deutsche Bank AG). Dies gilt auch dann, wenn die Analyse und Beaufsichtigung des Vermögens sowie die durchgeführten Transaktionen jeweils getrennt abgerechnet werden.
Entscheidet der Kunde, ob und welche konkreten Transaktionen durchgeführt werden, liegen mehrere selbständige Hauptleistungen vor, die umsatzsteuerlich gesondert zu beurteilen sind.
Zum Leistungsort siehe Rz 642d.
768
Steuerfrei sind jedenfalls Gebühren im Zusammenhang mit
- dem Kauf/Verkauf von Wertpapieren (Börsespesen, Ordergebühren, Ausländerprovisionen, Lieferspesen, Devisenprovisionen, Ausübung von Bezugsrechten, Wandel- und Optionsrechten usw.),
- Optionsgeschäft mit Wertpapieren (in- und ausländische Börsespesen, Ordergebühr, Evidenz- bzw. Sperrgebühr für gedeckte Calls usw.),
- Ankauf fälliger Kupons/Stücke im Schaltergeschäft,
- Zahlungsprovision für Überweisungen ausländischer Erträge/Tilgungserlöse, Zahlstellenprovision.
Hievon ausgenommen sind Entgelte für Transaktionen im Rahmen einer Portfolioverwaltung iSd Rz 767a.
769
Nebenkosten (zB Kopien, Übersetzungen, Gutachten) und weiterbelastete Fremdkosten (zB Porti, fremde Gebühren) sind der jeweiligen Leistung zuzuordnen und umsatzsteuerlich in gleicher Weise zu behandeln.
Bei der Vielzahl der im Wertpapierbereich existierenden Gebühren und Kostenarten kann bei der Unterscheidung, ob ein steuerfreies oder steuerpflichtiges (Depotgeschäft) Leistungsentgelt vorliegt, grundsätzlich darauf abgestellt werden, wem gegenüber die Entgeltsabrechnung erfolgt. Erfolgt die Entgeltsabrechnung gegenüber dem Emittenten kann davon ausgegangen werden, dass es sich um (allenfalls Folge-)Leistungen im Zusammenhang mit der Emission handelt, die als solche von der USt befreit ist.
Erfolgt die Entgeltsabrechnung gegenüber dem Kunden, so kann – ausgenommen es handelt sich um Kosten im Zusammenhang mit dem Erwerb oder der Veräußerung von Wertpapieren – im Regelfall davon ausgegangen werden, dass es sich um Leistungen im Depotgeschäft handelt. Dies gilt bei Leistungen im Rahmen einer Portfolioverwaltung iSd Rz 767a auch für die Transaktionskosten.
770
Die Ausgabe von Genussscheinen durch Beteiligungsfondsgesellschaften stellt einen steuerfreien Wertpapierumsatz dar. Die treuhändige Übernahme und Verwaltung von Unternehmensbeteiligungen durch diese Gesellschaften (die Beteiligungen werden durch die Gesellschaft im eigenen Namen erworben und sind daher umsatzsteuerrechtlich dem Treuhänder zuzurechnen, solange sich kein weiterer Übertragungsakt an den Treugeber anschließt) ist steuerpflichtig.
6.1.8.8. Gesellschaftsanteile
771
Die Befreiung gemäß § 6 Abs. 1 Z 8 lit. g UStG 1994 erfasst auch Optionsgeschäfte mit Gesellschaftsanteilen sowie die Vermittlung der Umsätze von Anteilen. Unter diese Steuerbefreiung fallen zB die entgeltliche Übertragung von Anteilen an Kapitalgesellschaften, Personenhandelsgesellschaften, Gesellschaften bürgerlichen Rechts, Erwerbsgesellschaften, Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, Vereinen und Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit. Auch Umsätze im Rahmen des Kapitalfinanzierungsgeschäftes (§ 1 Abs. 1 Z 15 BWG, BGBl. Nr. 532/1993) durch hierfür konzessionierte Unternehmer sowie die Veräußerung von Beteiligungen durch Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften iSd § 6b KStG 1988 idgF oder Kommanditgesellschaften, die als „Investitionsplattformen“ genützt werden, sind steuerfrei. Zur Gesellschaftsgründung und Aufnahme neuer Gesellschafter siehe Rz 36.
Die bloße Beschaffung von Informationen (zB über die Höhe der erforderlichen Bietersumme für den Erwerb von Geschäftsanteilen), mögen dafür auch umfangreiche Vorbereitungshandlungen notwendig gewesen sein, stellt keine steuerfreie Vermittlungsleistung dar (vgl. VwGH 2.10.2019, Ro 2016/13/0019). Erwirbt jemand treuhänderisch Gesellschaftsanteile und verwaltet diese gegen Entgelt, ist diese Tätigkeit grundsätzlich steuerpflichtig (BFH 29.1.1998, V R 67/96).
6.1.8.9. Übernahme von Verbindlichkeiten
772
Gemäß § 6 Abs. 1 Z 8 lit. h UStG 1994 ist auch die Vermittlung der Umsätze befreit.
Unter die Befreiung fallen – sofern nicht in der Übernahme eine Entgeltszahlung zu sehen ist – zB Schuldübernahmen, die Übernahme von Pensions- und Rentenverpflichtungen, von Einlagen bei der Zusammenlegung von Kreditinstituten und von Verbindlichkeiten aus Versicherungsverträgen. Auch Garantieverpflichtungen, Scheck- und Wechselbürgschaften sowie Zinsenhöchstbetragsgarantien fallen unter die Steuerbefreiung.
Die Übernahme von Verbindlichkeiten, die keinen Finanzcharakter haben (zB die Verpflichtung eine Immobilie zu renovieren), fällt nicht unter die Steuerbefreiung (EuGH 19.4.2007, Rs C-455/05).
Beim Kreditkartengeschäft erbringt das Kreditkarteninstitut dem angeschlossenen Händler gegenüber eine Zahlungsgarantie (EuGH 25.5.1993, Rs C-18/92, Slg. I-2871). Nach § 6 Abs. 2 UStG 1994 kann der Kreditkartenunternehmer diesen Umsatz als steuerpflichtig behandeln.
6.1.8.10. Verwaltung von Sondervermögen
772a
Die Steuerbefreiung für die Verwaltung von Sondervermögen soll den Zugang von Kleinanlegern zum Wertpapiermarkt fördern (vgl. EuGH 17.6.2021, Rs C-58/20 und C-59/20, K und DBKAG). Ziel der Befreiung der Umsätze im Zusammenhang mit der Verwaltung von Sondervermögen durch Kapitalanlagegesellschaften ist es, die steuerliche Neutralität in Bezug auf die Wahl zwischen unmittelbarer Geldanlage in Wertpapieren und derjenigen zu gewährleisten, die durch Einschaltung von Organismen für gemeinsame Anlagen erfolgt (EuGH 4.5.2006, Rs C-169/04, Abbey National plc/Inscape Investment Fund).
Begriff Sondervermögen
Sondervermögen iSd § 6 Abs. 1 Z 8 lit. i UStG 1994 sind Fonds, die dem ausschließlichen Zweck dienen, beim Publikum beschaffte Gelder für gemeinsame Rechnung in Wertpapieren anzulegen, das sind insbesondere Fonds, die Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren im Sinne der Richtlinie 2009/65/EG, zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) darstellen. Davon umfasst sind OGAW iSd § 2 Investmentfondsgesetz 2011 (InvFG 2011), BGBl. I Nr. 77/2011, Immobilienfonds iSd § 1 Immobilien-Investmentfondsgesetz, BGBl. I Nr. 80/2003, Alternative Investmentfonds (AIF) iSd Alternative Investmentfonds Manager-Gesetzes (AIFMG), BGBl. I Nr. 135/2013, die die Voraussetzungen gemäß § 3 Abs. 2 Z 31 InvFG 2011 erfüllen, sowie von anderen Mitgliedstaaten als solche definierte Sondervermögen. Dies gilt auch für Wagniskapitalfonds iSd Wagniskapitalfondsgesetzes (WKFG), BGBl. I Nr. 111/2023, da diese gemäß § 3 WKFG jedenfalls ein AIF im Sinne des AIFMG sind. Zum begünstigten Sondervermögen gehört darüber hinaus jedes einem ausländischen Recht unterstehende Vermögen, das ungeachtet der Rechtsform nach dem Gesetz, der Satzung oder der tatsächlichen Übung nach den Grundsätzen der Risikostreuung angelegt ist, sofern derartige Fonds dieselben Merkmale aufweisen wie Organismen für gemeinsame Anlagen im Sinne der OGAW-Richtlinie, 2009/65/EG, und somit dieselben Umsätze tätigen oder diesen zumindest soweit ähnlich sind, dass sie mit ihnen im Wettbewerb stehen (vgl. EuGH 7.3.2013, Rs C-424/11, Wheels u.a., Rn 24 mVa, EuGH 4.5.2006, Rs C-169/04, Abbey National plc/Inscape Investment Fund, Rn 53 bis 56, sowie EuGH 28.6.2007, Rs C-363/05, J.P. Morgan, Rn 48 bis 51). Als Sondervermögen gelten nur solche Fonds, die von Gesellschaften verwaltet werden, die einer besonderen staatlichen Aufsicht unterliegen, die die Zulassung (Konzessionierung) und die Kontrolle der Verwaltungsgesellschaft durch die zuständige Aufsichtsbehörde insbesondere zum Schutz der Anleger umfasst (vgl. EuGH 9.12.2015, Rs C-595/13, Fiscale Eenheid X NV cs).
Ein Investmentfonds, in dem das Kapitalvermögen eines Altersversorgungssystems zusammengeführt wird, fällt nicht unter den Begriff „Sondervermögen“, wenn die Mitglieder nicht die mit der Verwaltung dieses Fonds zusammenhängenden Risiken tragen und die Beiträge, die der Arbeitgeber an das Altersversorgungsystem zahlt, für ihn ein Mittel darstellen, seinen gesetzlichen Verpflichtungen gegenüber seinen Angestellten nachzukommen (vgl. EuGH 7.3.2013, Rs C-424/11, Wheels ua.). Wird hingegen ein solches Sondervermögen von den anspruchsberechtigten Arbeitnehmern bzw. in deren Namen und für deren Rechnung vom Arbeitgeber finanziert, werden die Einzahlungen nach dem Grundsatz der Risikostreuung angelegt und wird das Anlagerisiko von den Arbeitnehmern getragen, kann die Befreiung gemäß § 6 Abs. 1 Z 8 lit. i UStG 1994 zur Anwendung gelangen. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die Beiträge auf kollektiven Vereinbarungen zwischen den Organisationen der Sozialpartner beruhen oder die wirtschaftlichen Modalitäten der Rückgewähr der Ersparnisse verschiedener Art sind (vgl. EuGH 13.3.2014, Rs C-464/12, ATP PensionService A/S).
Ausgelagerte Umsätze
Bei der Verwaltung von Sondervermögen kommt es gemäß EuGH 4.5.2006, Rs C-169/04, Abbey National plc/Inscape Investment Fund, weder auf die Person des Leistenden, noch auf die Person des Leistungsempfängers an. Es können daher auch die Leistungen eines außenstehenden Verwalters befreit sein, ungeachtet dessen, ob die Übertragung der Aufgaben gemäß § 28 Abs. 1 Investmentfondsgesetz 2011, BGBl. I Nr. 77/2011, oder gemäß § 3 Abs. 3 Immobilien-Investmentfondsgesetz, BGBl. I Nr. 80/2003, erfolgt und die dort angeführten Voraussetzungen erfüllt werden (vgl. auch EuGH 7.3.2013, Rs C-275/11, GfBK, zu Beratungsdienstleistungen für Wertpapieranlagen, die durch Dritte an eine Kapitalanlagegesellschaft erbracht werden). Dienstleistungen eines außenstehenden Verwalters fallen jedoch nur dann unter die Steuerbefreiung, wenn sie
- ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes bilden („Eigenständigkeit“) und
- für die Verwaltung dieser Sondervermögen spezifisch und wesentlich
sind (EuGH 4.5.2006, Rs C-169/04, Abbey National plc/Inscape Investment Fund; EuGH 2.7.2020, Rs C-231/19, BlackRock Investment Management (UK) Ltd; EuGH 17.6.2021, verb. Rs C-58/20 und C-59/20, K und DBKAG).
Das Kriterium der „Eigenständigkeit“ erfordert nicht, dass die Tätigkeit vollständig ausgelagert sein muss (EuGH 17.6.2021, verb. Rs C-58/20 und C-59/20, K und DBKAG).
Spezifisch und wesentlich sind im Lichte des Ziels der Befreiungsbestimmung die Verwaltungstätigkeiten, die nur mit einer mittelbaren, nicht aber auch mit einer unmittelbaren Geldanlage verbunden sind (zB bei der Fondsverwaltung das einzuhaltende Erfordernis der Rechnungslegung, der Führung des Anteilsinhaberregisters und der Ausgabe und Rückgabe von Anteilen). Spezifisch sind neben den Aufgaben der Anlageverwaltung die administrativen Aufgaben der Organismen für gemeinsame Anlagen selbst, wie sie in Anhang II der Richtlinie 2009/65/EG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) unter der Überschrift „Administrative Tätigkeiten“ aufgeführt sind (zB Rechnungslegungsdienstleistungen, Bewertung von Fondsvermögen, Festsetzung der Ausgabepreise von Fondsanteilen, Überwachung der Einhaltung der Rechtsvorschriften, Beantwortung von Kundenanfragen).
Folgende Tätigkeiten sind spezifisch für die Verwaltung von Sondervermögen, vorausgesetzt sie weisen eine enge Verbindung mit der der Verwaltungsgesellschaft eigenen Tätigkeit auf und werden ausschließlich für Zwecke der Verwaltung von Sondervermögen erbracht:
- die Einräumung eines Nutzungsrechts an einer Software, die ausschließlich der Durchführung von für das Risikomanagement und die Performancemessung wesentlichen Berechnungen dient (vgl. EuGH 17.6.2021, verb. Rs C-58/20 und C-59/20, K und DBKAG)
- sowie – jedenfalls ab 1.1.2022 – die Übernahme steuerlicher Arbeiten, die die Besteuerung der Fondseinkünfte der Anteilsinhaber gemäß dem nationalen Recht sicherstellen (vgl. EuGH 17.6.2021, verb. Rs C-58/20 und C-59/20, K und DBKAG). Das sind ausgelagerte Dienstleistungen iZm der Meldung der steuerrelevanten Daten an die Österreichische Kontrollbank (ÖKB) gemäß § 186 Abs. 2 Z 2 lit. a InvFG 2011 sowie § 40 Abs. 2 Z 1 lit. a ImmoInvFG jeweils iVm der Fonds-Melde-Verordnung 2015, BGBl. II Nr. 167/2015.
Nicht spezifisch für die Verwaltung von Sondervermögen sind hingegen folgende Tätigkeiten:
- die tatsächliche Bewirtschaftung der in einem Immobilien-Investmentfonds gehaltenen Immobilien zum Zweck der Erhaltung und Vermehrung des angelegten Vermögens (vgl. EuGH 9.12.2015, Rs C-595/13, Fiscale Eenheid X NV cs, Rn 78). Dies betrifft zB die Hausverwaltung.
- Verwaltungsdienstleistungen, die durch die Softwareplattform eines Dritten an eine Fondsverwaltungsgesellschaft erbracht werden, wenn diese zum Zweck der Verwaltung von Anlagen unterschiedlicher Art konzipiert worden ist und gleichermaßen für die Verwaltung von Sondervermögen und die Verwaltung anderer Fonds verwendet wird. Dies gilt selbst dann, wenn die Softwareplattform überwiegend begünstigtes Sondervermögen verwaltet (vgl. EuGH 2.7.2020, Rs C-231/19, Blackrock Investment Management (UK) Ltd);
- Due Diligence Tätigkeiten für Kapitalanlagegesellschaften;
- die steuerliche Vertretung bzw. Beratung der Kapitalanlagegesellschaften;
- die Wirtschaftsprüfung von Kapitalanlagegesellschaften;
- Arbeiten iZm der Besteuerung von Fondseinkünften an andere Leistungsempfänger, beispielsweise direkt im Auftrag der Anteilseigner.
Sonstiges
Zur Bestimmung des Leistungsortes bei Katalogleistungen siehe Rz 641q.
Umsätze aus Portfoliomanagementleistungen eines in Österreich ansässigen Wertpapierdienstleistungsunternehmens für Sondervermögen im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 8 lit. i UStG 1994 mit Sitz im Drittland sind in Österreich nicht steuerbar und berechtigen gemäß § 12 Abs. 3 Z 3 UStG 1994 auch nicht zum Vorsteuerabzug.
6.1.8.11. Steuerbefreiung für Anlagegold
772b
Mit Verordnung des BM für Finanzen wird jährlich bekannt gegeben, welche Goldmünzen die Kriterien für Anlagegold iSd § 6 Abs. 1 Z 8 lit. j sublit. bb UStG 1994 jedenfalls erfüllen.
Sind Münzen in diesem Verzeichnis angeführt, ist davon auszugehen, dass während des gesamten Zeitraumes, für den das Verzeichnis gilt, die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit erfüllt sind. Die Aufzählung in dem Verzeichnis ist nicht abschließend. Ist eine Münze nicht in der Liste genannt, erfüllt sie aber nachweislich die oben angeführten Voraussetzungen, ist die Steuerbefreiung ebenfalls anwendbar.
Bei der Veräußerung
- von ideellen Miteigentumsanteilen an einem Bestand an Anlagegold,
- von Gewichtsguthaben an einem Goldbarrenbestand,
- von Anlagegoldzertifikaten, oder
- (Abtretung) von Ansprüchen auf Lieferung von Anlagegold,
- von Golddarlehen und Goldswaps, durch die ein Eigentumsrecht an Anlagegold oder ein schuldrechtlicher Anspruch auf Anlagegold begründet wird, und
- von Terminkontrakten und im Freiverkehr getätigten Terminabschlüssen mit Anlagegold, die zur Übertragung eines Eigentumsrechtes an Anlagegold oder eines schuldrechtlichen Anspruchs auf Anlagegold führen,
handelt es sich ebenfalls um Lieferungen, die unter die Befreiung fallen können, und nicht um sonstige Leistungen.
In diesen Fällen bestimmt sich der Ort der Lieferung gemäß § 3 Abs. 7 UStG 1994 danach, wo sich das Anlagegold im Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet.
Die Einfuhr und der innergemeinschaftliche Erwerb von Anlagegold sind steuerfrei (vgl. Rz 1024 und Rz 3941).
Da die Lieferung von Anlagegold im Inland unecht steuerfrei ist, kann kein Vorsteuerabzug vorgenommen werden.
Behandeln Unternehmer, die
- Anlagegold herstellen oder Gold in Anlagegold umwandeln, oder
- im Rahmen ihrer Tätigkeit üblicherweise Gold zu gewerblichen Zwecken liefern,
eine gemäß § 6 Abs. 1 Z 8 lit. j UStG 1994 steuerfreie Lieferung von Anlagegold an einen anderen Unternehmer als steuerpflichtig (Option zur Steuerpflicht; § 24a Abs. 5 und Abs. 6 UStG 1994), ist der Leistungsempfänger abweichend von § 12 Abs. 3 UStG 1994 zum Vorsteuerabzug berechtigt (§ 24a Abs. 1 lit. a UStG 1994).
Zu Umsätzen im Zusammenhang mit Anlagegold und einem allfälligen Vorsteuerabzug siehe auch § 24a Abs. 1 und Abs. 2 UStG 1994.
Bei Ausfuhrlieferungen und innergemeinschaftlichen Lieferungen von Anlagegold hat die unechte Steuerbefreiung Vorrang vor der echten Steuerbefreiung (siehe hierzu auch Rz 3986).