8.1 Allgemeine Grundsätze
8.1.1 Rückstellungsarten
Rückstellungen dienen dazu, Ausgaben, die erst in späteren Perioden konkret anfallen, der Periode ihres wirtschaftlichen Entstehens als Aufwand zuzuordnen. Ungeachtet der für rechnungslegungspflichtige Gewerbetreibende bestehenden unternehmensrechtlichen Rückstellungspflicht ist von einem eigenständigen steuerlichen Rückstellungsbegriff auszugehen (VwGH 26.5.2004, 2000/14/0181, siehe Rz 3302).
§ 198 Abs. 8 UGB unterscheidet in Verbindung mit den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung
- Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten (Verbindlichkeitsrückstellungen (§ 198 Abs. 8 Z 1 UGB),
- Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften (§ 198 Abs. 8 Z 1 UGB) und
- Aufwandsrückstellungen (§ 198 Abs. 8 Z 2 UGB).
Gemäß § 9 EStG 1988 können mit steuerlicher Wirkung nur
- Verbindlichkeitsrückstellungen (§ 9 Abs. 1 Z 1 bis Z 3 EStG 1988) und
- Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften (§ 9 Abs. 1 Z 4 EStG 1988)
gebildet werden. Die Bildung von Pauschalrückstellungen ist gemäß § 9 Abs. 3 EStG 1988 idF vor COVID-19-StMG steuerlich unzulässig (zur Einschränkung auf Einzelrückstellungen siehe Rz 3315). Mit dem COVID-19-StMG wurde das generelle Verbot zur Bildung von Pauschalrückstellungen ab 2021 aufgehoben. Gemäß § 9 Abs. 3 letzter Satz EStG 1988 idF COVID-19-StMG dürfen Rückstellungen im Sinne des § 9 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 (Rückstellungen für sonstige ungewisse Verbindlichkeiten) unter den Voraussetzungen des § 201 Abs. 2 Z 7 UGB in der Fassung BGBl. I Nr. 22/2015 pauschal gebildet werden (siehe dazu näher Rz 3315).
Einen Sonderfall stellen Rückstellungen im Zusammenhang mit vorbelasteten Einnahmen dar. Sind mit bestimmten Einnahmen eines Wirtschaftsjahres bestimmte künftige Ausgaben zwangsläufig in einer Weise verbunden, dass sie wirtschaftlich betrachtet bereits das Jahr der Einnahmen treffen, dann sind diese künftigen Ausgaben bereits für das Jahr, in dem die Einnahmen erzielt werden, zu passivieren (VwGH 10.10.1955, 1847/53; VwGH 26.11.1974, 1840/73; VwGH 21.10.1986, 86/14/0021). Voraussetzung ist, dass es sich ihrer Art nach um Verbindlichkeits- oder Drohverlustrückstellungen in der Form der Einzelrückstellung handelt (zB Rückstellung für Rekultivierungsaufwendungen, „Deponierückstellung“, Wiederaufforstungskosten); zur Bewertung solcher Rückstellungen siehe Rz 3309i.
8.1.2 Passivierungsgebote und Passivierungswahlrechte
Ermittelt der Steuerpflichtige seinen Gewinn nach § 5 EStG 1988, hat er die unternehmensrechtlich zu bildenden Rückstellungen aufgrund des Maßgeblichkeitsprinzips grundsätzlich auch für Zwecke der steuerlichen Gewinnermittlung anzusetzen (vgl. ua. VwGH 29.3.2017, Ra 2016/15/0005; 27.4.2020, Ra 2020/15/0014; 7.4.2022, Ro 2021/13/0009). Dies gilt insoweit nicht, als sich aus der taxativen Aufzählung des § 9 EStG 1988 ein Passivierungsverbot ergibt (zB für Aufwandsrückstellungen). Besteht unternehmensrechtlich ausnahmsweise ein Passivierungswahlrecht für Verbindlichkeitsrückstellungen (Rückstellungen für nicht wesentliche Beträge nach § 198 Abs. 8 Z 3 UGB), ist die Ausübung des Wahlrechtes in der UGB-Bilanz auch für die steuerliche Gewinnermittlung maßgeblich.
Ermittelt der Steuerpflichtige seinen Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG 1988, hat er im Rahmen der nach § 9 EStG 1988 steuerlich zulässigen Rückstellungen ein Passivierungswahlrecht. Macht der Steuerpflichtige vom Wahlrecht zur Rückstellungsbildung Gebrauch, ist die Rückstellung in der gleichen Höhe wie bei der Gewinnermittlung nach § 5 EStG 1988 zu bilden.
Bei der Rückstellungsbildung ist der Steuerpflichtige an den Grundsatz der Bewertungsstetigkeit gebunden (siehe Rz 2126 ff), weshalb eine Passivierungspflicht im Rahmen der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 1 EStG 1988 dann besteht, wenn der Steuerpflichtige mit der Rückstellungsbildung für bestimmte Schuldgründe begonnen hat. Die erstmalige Bildung einer Rückstellung für Schuldgründe, die ihrer Art nach bereits in der Vergangenheit in diesem Betrieb vorgelegen haben, stellt bei einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG 1988 keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Bewertungsstetigkeit dar. Das Nachholverbot ist zu beachten.
Randzahl 3306: derzeit frei
Da die Bildung von Rückstellungen eine Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich voraussetzt, können Steuerpflichtige, die den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG 1988 ermitteln, künftige Ausgaben nicht im Wege von Rückstellungen berücksichtigen (VwGH 11.5.1962, 0051/60).
8.1.3 Nachholverbot
Eine Rückstellung ist nur im Jahr des wirtschaftlichen Entstehens des Schuldgrundes zu bilden (siehe Rz 3313 ff). Eine unterlassene Rückstellung darf in einem späteren Jahr nicht nachgeholt werden (VwGH 25.2.1998, 97/14/0015; VwGH 1.7.2003, 98/13/0214; „Nachholverbot“). Vielmehr ist der Fehler an der Wurzel und somit im Jahr der wirtschaftlichen Entstehung des Schuldgrundes zu berichtigen (zur Passivierungspflicht im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG 1988 siehe Rz 3305). Betrifft der Fehler einen bereits verjährten Veranlagungszeitraum und kann aus diesem Grund die Berichtigung eines periodenübergreifenden Fehlers keine steuerliche Wirkung mehr entfalten, sind die Grundsätze der Bilanzberichtigung gemäß § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 zu beachten (siehe Rz 650 ff sowie Rz 3312). Wurden Rückstellungen dem Grunde nach richtig, aber trotz sorgfältiger Einschätzung des Erfüllungsbetrages oder des Erfüllungszeitpunktes der Höhe nach unrichtig gebildet, ist keine Berichtigung erforderlich (siehe Rz 3309g und Rz 3309h).
8.1.4 Rückstellungsbewertung
Für die Bewertung von Rückstellungen gelten grundsätzlich dieselben Bewertungsprinzipien wie für Verbindlichkeiten. Sie sind mit dem Teilwert anzusetzen. Dabei handelt es sich um jenen Betrag, der nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag voraussichtlich zur Erfüllung notwendig sein wird (voraussichtlicher Erfüllungsbetrag). Voraussichtliche Preis- und Kostensteigerungen (siehe Rz 3309a) sind folglich zu berücksichtigen. Im Rahmen der Gewinnermittlung gemäß § 5 Abs. 1 EStG 1988 sind Rückstellungen auch in der UGB-Bilanz mit dem Erfüllungsbetrag anzusetzen (§ 211 Abs. 1 UGB).
Gemäß § 9 Abs. 5 EStG 1988 sind Rückstellungen im Sinne des § 9 Abs. 1 Z 3 und Z 4 EStG 1988 mit ihrem Teilwert anzusetzen; dieser entspricht dem voraussichtlichen unabgezinsten Erfüllungsbetrag (Rz 3309; bestätigt durch VfGH 27.11.2020, G 307/2020). Künftige Preis- und Kostensteigerungen sind im Erfüllungsbetrag zu berücksichtigen, wenn ausreichend objektive Hinweise auf deren Eintritt schließen lassen. Davon ist auszugehen, wenn im jeweiligen Einzelfall künftige Preis- und Kostensteigerungen bereits feststehen (zB aufgrund einer Indexanpassung der Kosten) oder sich bereits abzeichnen (zB aufgrund verlässlicher statistisch aufbereiteter Erfahrungswerte der Vergangenheit).
Beträgt die Laufzeit von Rückstellungen im Sinne des § 9 Abs. 1 Z 3 und Z 4 EStG 1988 am Bilanzstichtag mehr als zwölf Monate, ist der voraussichtliche Erfüllungsbetrag mit einem einheitlichen Fixzinssatz von 3,5% über die Laufzeit abzuzinsen. Maßgebend für die Beurteilung der Zwölfmonatsfrist ist der Zeitpunkt des Wegfalls des Rückstellungsgrundes (regelmäßig der Zeitpunkt der Entstehung der Verbindlichkeit), nicht aber der Zeitpunkt des aus der Verbindlichkeit resultierenden Geldflusses. Es bestehen keine Bedenken, Rückstellungen für Verbindlichkeiten aus nicht konsumierten Urlauben (siehe Rz 3523) generell ungekürzt anzusetzen.
Bei Rückstellungen, denen ausnahmsweise bereits eine verzinste Verpflichtung zu Grunde liegt, bestehen keine Bedenken, von einer Abzinsung abzusehen.
Wie langfristige unverzinste oder nicht marktüblich verzinste Rückstellungen (Rz 3309b) sind auch langfristige, formal unverzinste oder nicht marktüblich verzinste Verbindlichkeiten abzuzinsen, wenn der Vorteil aus der fehlenden Verzinsung nicht durch andere wirtschaftliche Nachteile entsprechend kompensiert wird und der Verbindlichkeit zweiseitig verbindliche Verträge zu Grunde liegen („verdecktes Kreditgeschäft“ bei Kauf auf Ziel mit langfristiger „zinsloser“ Kaufpreisstundung oder „zinslosem“ Ratenkauf). Eine marktübliche Abzinsung ist auch dann vorzunehmen, wenn die Verbindlichkeit tatsächlich als unverzinst deklariert wird. An Stelle einer Abzinsung kann die Verbindlichkeit unabgezinst passiviert und in Höhe der Abzinsungsspanne ein Aktivposten gebildet werden.
Abzuzinsen ist mit einem marktüblichen Zinssatz; es bestehen aber keine Bedenken, aus Vereinfachungsgründen eine Abzinsung mit dem gemäß § 9 Abs. 5 EStG 1988 maßgeblichen Zinssatz von 3,5% vorzunehmen.
Wurden formal unverzinste Verbindlichkeiten in der Vergangenheit nicht abgezinst, gilt die Abzinsung für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2014 beginnen. Eine Abzinsung bereits marktüblich verzinster Verbindlichkeiten hat aber nicht zu erfolgen.
Die Beurteilung, ob eine Rückstellung abgezinst oder nicht abgezinst anzusetzen ist, ist für jede einzelne Rückstellung insgesamt anzustellen; eine Aufteilung in einen lang- und einen kurzfristigen Rückstellungsteil hat nicht zu erfolgen.
Beispiel:
In der Bilanz zum 31.12.X1 wird im Hinblick auf einen im Jahr X1 eingetretenen Gewährleistungsfall eine Rückstellung gebildet. Der voraussichtliche Erfüllungsbetrag (Teilwert) beträgt zum Bilanzstichtag X1 300.000 Euro. Teile der Mängel werden voraussichtlich bereits im Jahr X2 behoben; die Rückstellungshöhe zum 31.12.X2 wird daher voraussichtlich 150.000 Euro betragen. Da die Rückstellung dem Grunde nach am 31.12.X2 voraussichtlich noch besteht, ist der gesamte Rückstellungsbetrag zum 31.12.X1 abzuzinsen.
Die Abzinsung mit 3,5% ist für Rückstellungen vorzunehmen, deren Anlass für die erstmalige Bildung in Wirtschaftsjahren liegt, die nach dem 30.6.2014 enden („Neurückstellungen“). Für bereits davor erstmalig gebildete Rückstellungen kommt eine Übergangsregelung zur Anwendung (§ 124b Z 251 EStG 1988, dazu Rz 3309j).
Beispiel:
Im Wirtschaftsjahr 2014 verursacht das Unternehmen X eine Bodenkontamination (somit keine Ansammlungsrückstellung), deren Beseitigung erst in 10 Jahren zu erfolgen hat. Zum Bilanzstichtag 31.12.2014 wird dafür erstmals eine Rückstellung gebildet. Die Kosten zur Beseitigung der Bodenkontamination werden 100.000 Euro betragen; über die Laufzeit der Rückstellung ergibt sich kein Anpassungsbedarf des Erfüllungsbetrages.
Der Erfüllungsbetrag von 100.000 Euro ist mit 3,5% über die Laufzeit von 10 Jahren (Erfüllungsjahr wird zur Gänze berücksichtigt, siehe Rz 3309f) abzuzinsen. Die Rückstellung wird zum Bilanzstichtag 31.12.2014 folglich in Höhe von 70.892 Euro (100 000/1,03510) gebildet. In den Folgejahren entwickelt sich die Rückstellung wie folgt:
Restlaufzeit |
10 |
9 |
8 |
7 |
6 |
Bilanzstichtag |
31.12.2014 |
31.12.2015 |
31.12.2016 |
31.12.2017 |
31.12.2018 |
Dotierung |
-70.892 |
-2.481 |
-2.568 |
-2.658 |
-2.751 |
RSt-Ansatz |
70.892 |
73.373 |
75.941 |
78.599 |
81.350 |
Restlaufzeit |
5 |
4 |
3 |
2 |
1 |
0 |
Bilanzstichtag |
31.12.2019 |
31.12.2020 |
31.12.2021 |
31.12.2022 |
31.12.2023 |
31.12.2024 |
Dotierung |
-2.847 |
-2.947 |
-3.050 |
-3.157 |
-6.649 |
0 |
RSt-Ansatz |
84.197 |
87.144 |
90.194 |
93.351 |
100.000 |
0 |
Grundsätzlich hat die Schätzung des Erfüllungszeitpunktes so genau wie möglich zu erfolgen. Aus Vereinfachungsgründen bestehen jedoch insbesondere bei längerfristigen Rückstellungen keine Bedenken, eine jahresweise Abzinsung vorzunehmen, wobei das Erfüllungsjahr nur dann zu berücksichtigen ist, wenn der voraussichtliche Erfüllungszeitpunkt in der zweiten Hälfte des Wirtschaftsjahres liegt.
Wurde eine Rückstellung unabgezinst (abgezinst) angesetzt, weil sie nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag voraussichtlich weniger als zwölf Monate (mehr als zwölf Monate) bestehen wird, und stellt sich zum aktuellen Bilanzstichtag (nachträglich) heraus, dass diese Einschätzung zu Unrecht erfolgt ist, hat eine Berichtigung des ursprünglichen Bilanzansatzes nicht zu erfolgen, wenn die ursprüngliche Einschätzung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Unternehmers erfolgt ist. Der aktuelle Wissensstand ist aber für die Erstellung der aktuellen Bilanz jedenfalls zu berücksichtigen.
Rückstellungen sind auch in Folgejahren „fortzuführen“, solange die Gründe für deren erstmalige Bildung nicht weggefallen sind. Sie sind zu jedem Bilanzstichtag neu und unabhängig von einem früheren Bilanzansatz zu bilden. Da sich sowohl die Höhe des voraussichtlichen Erfüllungsbetrages als auch der voraussichtliche Erfüllungszeitpunkt einer Rückstellung von Bilanzstichtag zu Bilanzstichtag ändern können, sind der Erfüllungsbetrag sowie die Restlaufzeit einer Rückstellung zu jedem Bilanzstichtag neu und bestmöglich zu bestimmen.
Stellt sich zum aktuellen Bilanzstichtag (nachträglich) heraus, dass die Einschätzung über die Höhe des Erfüllungsbetrages oder des Erfüllungszeitpunktes unrichtig erfolgt ist, hat eine Berichtigung des ursprünglichen Bilanzansatzes nicht zu erfolgen, wenn die ursprüngliche Einschätzung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Unternehmers erfolgt ist. Der aktuelle Wissensstand ist aber für die Erstellung der aktuellen Bilanz jedenfalls zu berücksichtigen. Bleiben sowohl der Erfüllungsbetrag als auch die Restlaufzeit einer Rückstellung unverändert, verändert sich die Rückstellung im Vergleich zum vorherigen Bilanzstichtag lediglich hinsichtlich der verkürzten Abzinsungsdauer (siehe Rz 3309e).
Der Erfüllungsbetrag von Rückstellungen ist gleichmäßig über ihre Laufzeit anzusammeln, wenn für das Entstehen der zu Grunde liegenden Verpflichtung im wirtschaftlichen Sinne der laufende Betrieb ursächlich ist („Ansammlungsrückstellungen“; vgl. auch VwGH 30.4.2015, 2011/15/0198 zur Verpflichtung eines Seilbahnunternehmens zur Abtragung der Anlage und Rekultivierung des Skigebietes nach Ablauf der Betriebszeit). Eine „Ansammlung“ des Erfüllungsbetrages hat daher typischerweise für langfristige „Umweltrückstellungen“, Rekultivierungs-, Abwrack- oder Entsorgungsverpflichtungen zu erfolgen (zB Verpflichtung für die Beseitigung einer durch den laufenden Betrieb einer Anlage verursachten Bodenkontamination). Bei Ansammlungsrückstellungen ist der zum jeweiligen Bilanzstichtag angesammelte Erfüllungsbetrag mit 3,5% abzuzinsen (§ 9 Abs. 5 EStG 1988).
Gemäß § 9 Abs. 5 EStG 1988 idF vor AbgÄG 2014 waren langfristige Rückstellungen mit 80% ihres Teilwerts anzusetzen. Die Bestimmung ist letztmalig für Rückstellungen anzuwenden, die für Wirtschaftsjahre gebildet werden, die vor dem 1.7.2014 enden („Altrückstellungen“). Für die Bewertung dieser Rückstellungen in den folgenden Wirtschaftsjahren gilt Folgendes (§ 124b Z 251 lit. b EStG 1988):
- Ergibt sich bei der erstmaligen Abzinsung nach Maßgabe von § 9 Abs. 5 EStG 1988 idF AbgÄG 2014 ein geringerer Rückstellungsbetrag, ist die Rückstellung mit dem geringeren Betrag anzusetzen. Der in der Vergangenheit steuerwirksam zu hoch rückgestellte Betrag ist aufzulösen und – ausgenommen im Falle einer Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe – zu je einem Drittel auf das betreffende und die nachfolgenden beiden Wirtschaftsjahre zu verteilen. Dabei handelt es sich um eine „einmalige Vergleichsrechnung“; in den folgenden Wirtschaftsjahren ist bereits § 9 Abs. 5 EStG 1988 idF AbgÄG 2014 anzuwenden.
Beispiel 1:
Zum Bilanzstichtag 31.12.2013 wurde von Unternehmen X eine Rückstellung für die Beseitigung einer Bodenkontamination gebildet, die im Wirtschaftsjahr 2013 eingetreten ist (somit keine Ansammlungsrückstellung) und deren Beseitigung erst in 10 Jahren zu erfolgen hat. Es wurden Kosten in der Höhe von 100.000 Euro erwartet. Die Rückstellung wurde mit 80% ihres Teilwertes, somit in Höhe von 80.000 Euro gebildet. Über die Laufzeit der Rückstellung ergibt sich kein Anpassungsbedarf des Erfüllungsbetrages.
Zum Bilanzstichtag 31.12.2014 ergibt die erstmalige Abzinsung nach Maßgabe von § 9 Abs. 5 EStG 1988 idF AbgÄG 2014 einen geringeren Rückstellungsansatz in Höhe von 73.373 Euro (100.000/1,0359, abgezinst auf Laufzeit von 9 Jahren; Erfüllungsjahr wird zur Gänze berücksichtigt, siehe Rz 3309f); die Rückstellung ist in dieser Höhe zu bilden. Der in der Vergangenheit steuerwirksam zu hoch gebildete Unterschiedsbetrag in Höhe von 6.627 Euro (80.000 – 73.373 Euro) ist in diesem sowie in den beiden folgenden Wirtschaftsjahren zu je einem Drittel zu berücksichtigen (somit Erhöhung des steuerlichen Gewinns um je 2.209 Euro). Die Rückstellung entwickelt sich in den Folgejahren wie folgt:
Restlaufzeit |
9 |
8 |
7 |
6 |
5 |
Bilanzstichtag |
31.12.2014 |
31.12.2015 |
31.12.2016 |
31.12.2017 |
31.12.2018 |
Steuerwirksame Zuführung |
-2.568 |
-2.658 |
-2.751 |
-2.847 |
|
RSt-Ansatz |
73.373 |
75.941 |
78.599 |
81.350 |
84.144 |
Ertrag aus Verteilung des UB |
+2.209 |
+2.209 |
+2.209 |
Restlaufzeit |
4 |
3 |
2 |
1 |
0 |
Bilanzstichtag |
31.12.2019 |
31.12.2020 |
31.12.2021 |
31.12.2022 |
31.12.2023 |
Steuerwirksame Zuführung |
-2.947 |
-3.050 |
-3.157 |
-6.649 |
0 |
RSt-Ansatz |
87.144 |
90.194 |
93.351 |
100.000 |
0 |
Ertrag aus Verteilung des UB |
Entspricht das Wirtschaftsjahr nicht dem Kalenderjahr, erfolgt – je nach Bilanzstichtag – die Erfassung des in der Vergangenheit zu hoch angesetzten Unterschiedsbetrages zu jeweils einem Drittel im Rahmen der in den Steuererklärungen 2014 bis 2016 zu erfassenden Wirtschaftsjahre oder im Rahmen der in den Steuererklärungen 2015 bis 2017 zu erfassenden Wirtschaftsjahre.
Beispiel 2:
Zum Bilanzstichtag 31.5.2014 besteht bei Unternehmen X weiterhin der Grund für die Bildung einer schon im vorherigen Wirtschaftsjahr gebildeten Gewährleistungsrückstellung. Die Rückstellung ist zum Bilanzstichtag 31.5.2014 mit 80% des Teilwertes zu bilden (§ 124b Z 251 lit. b EStG 1988). Zum Bilanzstichtag 31.5.2015 ist der Grund für die Rückstellungsbildung nach wie vor aufrecht, weshalb zu diesem Bilanzstichtag die „einmalige Vergleichsrechnung“ durchzuführen ist. Da die erstmalige Abzinsung nach Maßgabe von § 9 Abs. 5 EStG 1988 idF AbgÄG 2014 einen geringeren Rückstellungsbetrag ergibt, ist die Rückstellung zum Bilanzstichtag 31.5.2015 mit dem geringeren Betrag anzusetzen. Der in der Vergangenheit steuerwirksam zu hoch rückgestellte Betrag ist aufzulösen und zu je einem Drittel im Wirtschaftsjahr 2014/2015 (Steuererklärung 2015), im Wirtschaftsjahr 2015/2016 (Steuererklärung 2016) und im Wirtschaftsjahr 2016/2017 (Steuererklärung 2017) zu erfassen.
Beispiel 3:
Zum Bilanzstichtag 30.9.2014 besteht bei Unternehmen X weiterhin der Grund für die Bildung einer schon im vorherigen Wirtschaftsjahr gebildeten Gewährleistungsrückstellung. Da die erstmalige Abzinsung nach Maßgabe von § 9 Abs. 5 EStG 1988 idF AbgÄG 2014 zu diesem Bilanzstichtag einen geringeren Rückstellungsbetrag ergibt, ist die Rückstellung zum Bilanzstichtag 30.9.2014 mit dem geringeren Betrag anzusetzen. Der in der Vergangenheit steuerwirksam zu hoch rückgestellte Betrag ist aufzulösen und zu je einem Drittel im Wirtschaftsjahr 2013/2014 (Steuererklärung 2014), im Wirtschaftsjahr 2014/2015 (Steuererklärung 2015) und im Wirtschaftsjahr 2015/2016 (Steuererklärung 2016) zu erfassen.
- Ergibt sich aufgrund der erstmaligen Abzinsung nach Maßgabe von § 9 Abs. 5 EStG 1988 idF AbgÄG 2014 ein höherer Rückstellungsbetrag, ist die Rückstellung weiterhin mit 80% ihres Teilwertes zu bilden, wenn deren Restlaufzeit mehr als ein Jahr beträgt.
Beispiel 4:
Zum Bilanzstichtag 31.12.2009 wurde eine Rückstellung für die Beseitigung einer Bodenkontamination gebildet, die im Wirtschaftsjahr 2009 eingetreten ist (somit keine Ansammlungsrückstellung) und deren Beseitigung in 10 Jahren zu erfolgen hat. Es wurden Kosten in Höhe von 100.000 Euro erwartet. Die Rückstellung wurde gemäß§ 9 Abs. 5 EStG 1988 idF vor AbgÄG 2014 mit 80% ihres Teilwertes, somit in Höhe von 80.000 Euro gebildet. Über die Laufzeit der Rückstellung ergibt sich kein Anpassungsbedarf des Erfüllungsbetrages.
Zum Bilanzstichtag 31.12.2014 ergibt die erstmalige Abzinsung einen (höheren) Rückstellungsansatz iHv 84.197 Euro (100 000/1,0355, abgezinst auf Laufzeit von 5 Jahren; Erfüllungsjahr wird zur Gänze berücksichtigt, siehe Rz 3309f). Die Rückstellung ist in den Folgejahren unverändert mit 80.000 Euro anzusetzen, solange die Restlaufzeit mehr als ein Jahr beträgt.
Restlaufzeit |
5 |
4 |
3 |
2 |
1 |
0 |
Bilanzstichtag |
31.12.2014 |
31.12.2015 |
31.12.2016 |
31.12.2017 |
31.12.2018 |
31.12.2019 |
Steuerwirksame Zuführung |
0 |
0 |
0 |
0 |
20.000 |
0 |
RSt-Ansatz |
80.000 |
80.000 |
80.000 |
80.000 |
100.000 |
0 |
- Sofern es im Wirtschaftsjahr, für das die „einmalige“ Vergleichsrechnung vorzunehmen ist, zu einer Änderung des Erfüllungsbetrages kommt, sind für Zwecke der Vergleichsrechnung zwischen dem bisher rückgestellten und dem nach neuer Rechtslage rückzustellenden Betrag zwischenzeitlich eingetretene Änderungen des Erfüllungsbetrages nicht zu berücksichtigen. Ergibt die einmalige Vergleichsrechnung eine Überführung der Rückstellung in das „Neurecht“ (siehe Beispiel 5), ist die Änderung des Erfüllungsbetrages bereits gemäß § 9 Abs. 5 EStG 1988 idF AbgÄG 2014 zu berücksichtigen. Ergibt die einmalige Vergleichsrechnung keine Überführung der Rückstellung in das „Neurecht“ (siehe Beispiel 6), ist die Änderung des Erfüllungsbetrages gemäß § 9 Abs. 5 EStG 1988 idF vor AbgÄG 2014 zu berücksichtigen.
Beispiel 5:
Zum Bilanzstichtag 31.12.2013 wurde von Unternehmen X eine Rückstellung für die Beseitigung einer Bodenkontamination gebildet, die im Wirtschaftsjahr 2013 eingetreten ist (somit keine Ansammlungsrückstellung) und deren Beseitigung erst in 10 Jahren zu erfolgen hat. Es wurden Kosten in der Höhe von 100.000 Euro erwartet. Die Rückstellung wurde mit 80% ihres Teilwertes, somit in Höhe von 80.000 Euro gebildet.
Zum Bilanzstichtag 31.12.2014 wird bekannt, dass die Beseitigungskosten voraussichtlich 130.000 Euro betragen werden. Für Zwecke der Vergleichsrechnung ist die im Jahr 2014 bekannt gewordene Kostensteigerung nicht zu berücksichtigen, sondern es ist der zum Bilanzstichtag 31.12.2013 erwartete Erfüllungsbetrag von 100.000 Euro abzuzinsen. Die erstmalige Abzinsung dieses Erfüllungsbetrages nach Maßgabe von § 9 Abs. 5 EStG 1988 idF AbgÄG 2014 ergibt einen geringeren Rückstellungsbetrag in Höhe von 73.373 Euro (100.000/1,0359, abgezinst auf Laufzeit von 9 Jahren; Erfüllungsjahr wird zur Gänze berücksichtigt, siehe Rz 3309f) als der bisher rückgestellte Betrag in Höhe von 80.000 Euro; auf diese Rückstellung ist daher § 9 Abs. 5 EStG 1988 idF AbgÄG 2014 zur Gänze anzuwenden. Der per 31.12.2014 erwartete Erfüllungsbetrag in Höhe von 130.000 Euro ist daher nach Maßgabe des § 9 Abs. 5 EStG 1988 idF AbgÄG 2014 mit 3,5% abgezinst auf die Laufzeit von 9 Jahren anzusetzen (§ 124b Z 251 lit. b EStG 1988). Die Rückstellung ist daher in Höhe von 95.385 Euro zu bilden (130.000/1,0359). Der in der Vergangenheit steuerwirksam zu hoch gebildete Unterschiedsbetrag in Höhe von 6.627 Euro (80.000 – 73.373 Euro) ist in diesem sowie in den beiden folgenden Wirtschaftsjahren zu je einem Drittel zu berücksichtigen (somit Erhöhung des steuerlichen Gewinns um je 2.209 Euro). Die Rückstellung entwickelt sich in den Folgejahren wie folgt:
Restlaufzeit |
9 |
8 |
7 |
6 |
5 |
Bilanzstichtag |
31.12.2014 |
31.12.2015 |
31.12.2016 |
31.12.2017 |
31.12.2018 |
Steuerwirksame Zuführung |
-22.012 |
-3.339 |
-3.455 |
-3.576 |
-3.702 |
RSt-Ansatz |
95.385 |
98.724 |
102.179 |
105.755 |
109.457 |
Ertrag aus Verteilung des UB |
+2.209 |
+2.209 |
+2.209 |
Restlaufzeit |
4 |
3 |
2 |
1 |
0 |
Bilanzstichtag |
31.12.2019 |
31.12.2020 |
31.12.2021 |
31.12.2022 |
31.12.2023 |
Steuerwirksame Zuführung |
-3.830 |
-3.966 |
-4.103 |
-8.644 |
0 |
RSt-Ansatz |
113.287 |
117.253 |
121.356 |
130.000 |
0 |
Ertrag aus Verteilung des UB |
Beispiel 6:
Zum Bilanzstichtag 31.12.2009 wurde von Unternehmen X eine Rückstellung für die Beseitigung einer Bodenkontamination gebildet, die im Wirtschaftsjahr 2009 eingetreten ist (somit keine Ansammlungsrückstellung) und deren Beseitigung erst in 10 Jahren zu erfolgen hat. Es wurden Kosten in der Höhe von 100.000 Euro erwartet. Die Rückstellung wurde mit 80% ihres Teilwertes, somit in Höhe von 80.000 Euro gebildet.
Zum Bilanzstichtag 31.12.2014 wird bekannt, dass die Beseitigungskosten voraussichtlich 130.000 Euro betragen werden. Für Zwecke der Vergleichsrechnung ist die im Jahr 2014 bekannt gewordene Kostensteigerung nicht zu berücksichtigen, sondern es ist der zum Bilanzstichtag 31.12.2013 erwartete Erfüllungsbetrag von 100.000 Euro abzuzinsen. Die erstmalige Abzinsung dieses Erfüllungsbetrages nach Maßgabe von § 9 Abs. 5 EStG 1988 idF AbgÄG 2014 ergibt einen höheren Rückstellungsbetrag von 84.197 Euro (100.000/1,0355, abgezinst auf Laufzeit von 5 Jahren; Erfüllungsjahr wird zur Gänze berücksichtigt, siehe Rz 3309f) als der bisher rückgestellte Betrag in Höhe von 80.000 Euro; diese Rückstellung ist daher weiterhin mit 80% ihres Teilwertes anzusetzen, wenn die Laufzeit der Rückstellung mehr als ein Jahr beträgt (§ 124b Z 251 lit. b EStG 1988). Der per 31.12.2014 erwartete Erfüllungsbetrag von 130.000 Euro ist daher mit 80% anzusetzen; die Rückstellung ist in Höhe von 104.000 Euro zu bilden (130.000*0,8) und entwickelt sich in den Folgejahren wie folgt:
Restlaufzeit |
5 |
4 |
3 |
2 |
1 |
0 |
Bilanzstichtag |
31.12.2014 |
31.12.2015 |
31.12.2016 |
31.12.2017 |
31.12.2018 |
31.12.2019 |
Steuerwirksame Zuführung |
24.000 |
0 |
0 |
0 |
26.000 |
0 |
RSt-Ansatz |
104.000 |
104.000 |
104.000 |
104.000 |
130.000 |
0 |
§ 9 Abs. 5 EStG 1988 unterscheidet im Hinblick auf den Bewertungsmaßstab (Erfüllungsbetrag) und die Abzinsung nicht zwischen Einzelrückstellungen und nach Maßgabe von § 9 Abs. 3 EStG 1988 idF COVID-19-StMG pauschal gebildeten Rückstellungen (siehe dazu näher Rz 3315 und Rz 3319). Bei Pauschalrückstellungen ist zunächst die wahrscheinlichste Höhe des künftigen Gesamterfüllungsbetrages (bezogen auf sämtliche Einzelverpflichtungen) zu bestimmen. Auch Pauschalrückstellungen sind in weiterer Folge abzuzinsen, wobei im Unterschied zu Einzelrückstellungen eine durchschnittliche Laufzeit der zu Grunde liegenden Einzelverpflichtungen zu bestimmen ist. Bei typischerweise kurzläufigen Verpflichtungen kann aus Vereinfachungsgründen von einer Abzinsung abgesehen werden; dies wird wiederum vom jeweiligen Unternehmensgegenstand abhängen.
Die Rückstellung ist in jenem Jahr aufzulösen, in dem
- der rückstellungsmaßgebende Umstand zwar noch gegeben bzw. der Eintritt des Ereignisses noch wahrscheinlich, aber die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme weggefallen ist,
- der rückstellungsmaßgebende Umstand endgültig weggefallen oder der Eintritt des Umstandes unwahrscheinlich geworden ist,
- die Unsicherheit dem Grunde und/oder der Höhe nach wegfällt und somit eine „echte“ Verbindlichkeit entsteht.
Randzahl 3311: derzeit frei
8.1.5 Bilanzberichtigung und Bilanzänderung
Eine nachträgliche Bildung von Rückstellungen oder die nachträgliche Änderung gebildeter Rückstellungen richtet sich nach den Regeln der Bilanzberichtigung (§ 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988) und der Bilanzänderung (§ 4 Abs. 2 Z 1 EStG 1988). Umstände, die eine Änderung der gebildeten Rückstellung erforderlich machen, sind sowohl bei der Gewinnermittlung nach § 5 EStG 1988 als auch nach § 4 Abs. 1 EStG 1988 im Wege einer Bilanzberichtigung geltend zu machen.
Unterblieb die Bildung einer Rückstellung, ist bei Passivierungspflicht eine Bilanzberichtigung durchzuführen; bei einem Passivierungswahlrecht kann es gegebenenfalls zu einer Bilanzänderung kommen.
Besteht bis zur Bilanzerstellung keine Wahrscheinlichkeit für das Entstehen einer Verbindlichkeit und ist die Rückstellungsbildung in dem Wirtschaftsjahr somit ausgeschlossen, ist selbst bei späterem Eintritt der Verbindlichkeit eine nachträgliche Rückstellungsbildung im ursprünglichen Jahr unzulässig (VwGH 27.01.2009, 2006/13/0062).
8.2 Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten
8.2.1 Wesen der Verbindlichkeitsrückstellungen
Bei den Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten muss eine Verpflichtung gegenüber Dritten gegeben sein. Verbindlichkeitsrückstellungen sind daher Rückstellungen, die gebildet werden auf Grund
- privatrechtlicher Verpflichtungen auf vertraglicher oder deliktischer Grundlage (zB Rechts- und Beratungskosten, Pfandverbindlichkeiten, drohende Inanspruchnahme aus Bürgschaften, vertraglich vereinbarte Miet- oder Pachterneuerungskosten, Gewährleistungsansprüche),
- öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen (Gesetz, Verordnung, Bescheid – zB Rückstellung für Umzugsräumungskosten, Baustellenräumungskosten – VwGH 25.2.1954, 2959/51, sonstige Entfernungs- und Entsorgungspflichten oder Berücksichtigung der Differenzbeträge iRd Feststellung der Kostenbasis für die nächsten Entgeltsperioden nach § 50 ElWOG 2010) sowie
- wirtschaftlicher Verpflichtungen (zB Rückstellungen für nicht einklagbare Kulanzfälle, für freiwillig gewährte zusätzliche Arbeitsentgelte).
Gemeinsames Merkmal aller Verpflichtungsarten ist, dass gegenüber Dritten eine Leistungsverpflichtung besteht, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Vermögensabfluss in der Zukunft führt. Die wirtschaftliche Verursachung der Verpflichtung muss im Abschlussjahr gelegen sein (vgl. VwGH 30.10.2003, 99/15/0261). Eine Verbindlichkeitsrückstellung darf nicht gebildet werden, wenn sich die ungewisse Verpflichtung auf aktivierungspflichtige Aufwendungen bezieht; künftige Abschreibungen dürfen nicht im Wege einer Rückstellung vorweggenommen werden (VwGH 21.10.1986, 86/14/0021; VwGH 26.5.2004, 99/14/0261).
Im Bereich von Abfertigungen, Pensionen und Jubiläumsgeldern ist eine steuerwirksame Rückstellungsbildung ausschließlich nach Maßgabe des § 14 EStG 1988 zulässig (siehe dazu Rz 3330 ff).
Eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung kann nur Gegenstand einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten sein, wenn die Verpflichtung nach ihrem Inhalt und insbesondere ihrem Entstehungszeitpunkt hinreichend konkretisiert ist. Dies ist dann anzunehmen, wenn die Verpflichtung unmittelbar auf dem Gesetz oder auf einem besonderen Verwaltungsakt beruht und wenn an die Verletzung der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung Sanktionen geknüpft sind. Ob die zuständige Behörde bereits ein Verfahren auf Geltendmachung der öffentlich-rechtlichen Leistungspflicht in die Wege geleitet hat, ist hingegen nicht entscheidend. Daher ist auch ein behördlicher Auftrag bei öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen nicht erforderlich. Es genügt vielmehr, dass die sachverhaltsmäßigen Voraussetzungen für die Geltendmachung der Pflicht der Behörde bekannt sind oder mit hoher Wahrscheinlichkeit bekannt werden (VwGH 10.10.1996, 94/15/0089).
8.2.2 Einschränkung auf Einzelrückstellungen
Die Bildung von Verbindlichkeitsrückstellungen ist gemäß § 9 Abs. 3 EStG 1988 nur zulässig, wenn konkrete Umstände nachgewiesen werden können, nach denen im jeweiligen Einzelfall mit dem Vorliegen oder dem Entstehen einer Verbindlichkeit (oder eines Verlustes, Rz 3320) ernsthaft zu rechnen ist.
Für Wirtschaftsjahre, die vor dem 1.1.2021 beginnen, gilt:
Unzulässig ist aufgrund von § 9 Abs. 3 EStG 1988 idF vor COVID-19-StMG die Bildung von Pauschalrückstellungen (siehe dazu näher Rz 3319). Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten dürfen daher nur gebildet werden, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
- Es müssen konkrete Umstände nachgewiesen werden können (dh. Nachweis darüber, dass ein „Schaden“ bis zum Bilanzstichtag tatsächlich entstanden ist; keine bloße Vermutung),
- nach denen im jeweiligen Einzelfall,
- mit dem Vorliegen oder dem Entstehen einer Verbindlichkeit (eines Verlustes) ernsthaft zu rechnen ist.
Die pauschale Berechnung gruppenweiser zusammengefasster Einzelrückstellungen nach einem einheitlichen Satz ist in solchen Fällen zulässig (pauschal berechnete steuerlich zulässige Einzelrückstellung, siehe Rz 3319 Beispiel 2).
Für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2020 beginnen, gilt:
Die Bildung von Verbindlichkeitsrückstellungen (nicht hingegen Drohverlustrückstellungen, siehe Rz 3320) ist gemäß § 9 Abs. 3 EStG 1988 idF COVID-19-StMG unter den Voraussetzungen des § 201 Abs. 2 Z 7 UGB idF BGBl. I Nr. 22/2015 jedoch auch pauschal möglich. Die Zulässigkeit der Bildung pauschaler Rückstellungen ist an deren unternehmensrechtliche Zulässigkeit geknüpft: Gemäß § 201 Abs. 2 Z 7 UGB muss die Bestimmung eines Wertes, die nur auf Basis von Schätzungen möglich ist, auf einer umsichtigen Beurteilung beruhen. Liegen statistisch ermittelbare Erfahrungswerte aus gleichgelagerten Sachverhalten vor, sind diese zu berücksichtigen. Der pauschale Prozentsatz ist kaufmännisch auf zwei Nachkommastellen zu runden. Verpflichtungen, für die bereits im Wege einer Einzelrückstellung vorgesorgt wurde, sind keiner pauschalen Rückstellungsbildung zugänglich.
Im Rahmen der Gewinnermittlung gemäß § 5 Abs. 1 EStG 1988 besteht im Falle der unternehmensrechtlichen Bildung pauschaler Rückstellungen aufgrund der Maßgeblichkeit eine Pflicht, die pauschale Rückstellungsbildung auch für steuerliche Zwecke vorzunehmen; im Rahmen der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 1 EStG 1988 besteht hingegen ein Wahlrecht zur Bildung pauschaler Rückstellungen nach (abstrakter) Maßgabe der unternehmensrechtlichen Voraussetzungen des § 201 Abs. 2 Z 7 UGB.
Stimmt das Wirtschaftsjahr mit dem Kalenderjahr überein, kann die Bildung pauschaler Rückstellungen erstmals zum Bilanzstichtag 31.12.2021 erfolgen. Dabei ist zu beachten, dass auch „Altrückstellungen“ einer pauschalen Rückstellungsbildung zugänglich sind, dh. solche Rückstellungen, bei denen der Anlass für deren erstmalige Bildung in früheren Wirtschaftsjahren liegt (§ 124b Z 372 lit. b EStG 1988 idF AbgÄG 2022, BGBl. I Nr. 108/2022; dies gilt somit auch bei einem abweichenden Wirtschaftsjahr 2020/2021). Die steuerwirksame Nachholung dieser Rückstellungsbeträge hat über fünf Jahre verteilt zu erfolgen (§ 124b Z 372 lit. c EStG 1988). Zur rechnerischen Ermittlung des „Rückstellungsaltbestandes“ siehe sinngemäß die Ausführungen in Rz 2373.
Die bloße Möglichkeit der Inanspruchnahme reicht für die Bildung einer Einzelrückstellung bzw. einer Pauschalrückstellung (aufgrund von § 9 Abs. 3 EStG 1988 idF vor COVID-19-StMG, Rz 3315) nicht aus. Der Abgabepflichtige muss vielmehr entweder ausdrücklich mit einer Inanspruchnahme konfrontiert werden (zB schriftliche Inanspruchnahme einer Gewährleistungs- oder Garantieverpflichtung, behördlicher Auftrag zur Beseitigung eines Umweltschadens) oder selbst Schritte zur Sanierung eines eingetretenen Schadens gesetzt haben, die eine schriftliche Inanspruchnahme im Einzelfall erübrigen.
Beispiel 1:
Die schriftliche Inanspruchnahme einer Gewährleistungsverpflichtung durch den Berechtigten ist ein konkreter Umstand, nach dem im jeweiligen Einzelfall mit dem Entstehen einer Verbindlichkeit ernsthaft zu rechnen ist.
Beispiel 2:
Mit dem Nachweis eines innerbetrieblichen Beschlusses eine Rückholaktion durchzuführen, liegt ein konkreter Umstand vor, nach dem im jeweiligen Einzelfall mit dem Entstehen einer Verbindlichkeit ernsthaft zu rechnen ist.
Die Gründe für eine künftige Inanspruchnahme müssen gewichtiger sein als jene Gründe, die dagegen sprechen. Dies ist nach objektiv erkennbaren Tatsachen zu beurteilen.
Aus der Formulierung des § 9 Abs. 3 EStG 1988 ergibt sich, dass es sich bei diesen Voraussetzungen um Beurteilungskriterien handelt, die dem Grunde nach bereits zum Bilanzstichtag vorliegen müssen (keine Frage der Werterhellung). Es bestehen jedoch keine Bedenken, in jenen Fällen mit steuerlicher Wirksamkeit Rückstellungen zu bilden, in denen der Abgabepflichtige innerhalb von drei Monaten nach dem Bilanzstichtag, jedenfalls aber vor dem Bilanzerstellungstag, vom Vorliegen dieser Umstände zum Bilanzstichtag Kenntnis erlangt hat. Derjenige, der den Anspruch geltend macht, muss nachweislich bis zum Bilanzstichtag des Abgabepflichtigen Kenntnis von den Umständen erlangt haben, auf die er seinen Anspruch gründet.
Beispiel:
Ein Bauunternehmen erzielt 2014 einen garantierelevanten (von konkreten Gewährleistungsansprüchen unbelasteten) Umsatz von 10 Millionen Euro. Bilanzstichtag ist der 31.12.2014, Bilanzerstellungszeitpunkt der 10.5.2015. Bis 31.3.2015 sind Mängelrügen (Kenntnisstand 31.12.2014) mit einem Aufwandsvolumen von 300.000 Euro erhoben worden, bis 10.5.2015 weitere Mängelrügen mit einem Volumen von 100.000 Euro. Steuerlich ist zum Bilanzstichtag 31.12.2014 die Bildung von Einzelrückstellungen hinsichtlich eines Aufwandsvolumens von 300.000 Euro zulässig. Gegebenenfalls hat eine Abzinsung dieser Einzelrückstellungen zu erfolgen (siehe Rz 3309b).
8.2.3 Abgrenzung zur Pauschalrückstellung
Für Wirtschaftsjahre, die vor dem 1.1.2021 beginnen, gilt:
Steuerlich unzulässige Pauschalrückstellungen gemäß § 9 Abs. 3 EStG 1988 idF vor COVID-19-StMG sind Rückstellungen, bei denen die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme durch Dritte gegeben ist, ohne dass bereits konkrete Umstände im jeweiligen Einzelfall eine Verbindlichkeit (Verpflichtung) erwarten lassen. Sie werden dem Grunde nach anhand von Erfahrungswerten angesetzt. Dazu zählen bestimmte Arten dem Grunde nach pauschal gebildeter Verbindlichkeitsrückstellungen (zB vom Umsatz abgeleitete Rückstellungen für Gewährleistungen, Garantiepflichten, Kulanzfälle, Produkthaftung, Umwelthaftung). Es handelt sich auch dann um eine unzulässige Pauschalrückstellung, wenn gleichartige Einzelrückstellungen dem Grunde nach gruppenweise aufgrund von Erfahrungswerten der Vergangenheit zusammengefasst werden (VwGH 20.10.2010, 2007/13/0085).
Beispiel 1:
Bei einem Autohändler gibt es nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre bei 10% der verkauften Neuwagen Inanspruchnahmen aus der Gewährleistung. Dies berechtigt den Autohändler nicht zur steuerwirksamen Bildung einer Rückstellung für Gewährleistungen (steuerlich unzulässige Pauschalrückstellung dem Grunde nach).
Beispiel 2:
Ein bestimmtes Modell eines Autoherstellers ist von einem Serienmangel betroffen. Da ein Teil dieser Mängel bereits geltend gemacht wurde, wird in den Medien eine Rückholaktion bekannt gegeben. In diesem Fall kann eine Rückstellung nicht nur für die Mängel, die bereits geltend gemacht wurden, sondern für alle zu erwartenden Ansprüche gebildet werden (pauschal berechnete steuerliche zulässige Einzelrückstellung).
Für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2020 beginnen, gilt:
Die Bildung von Verbindlichkeitsrückstellungen ist nicht mehr nur dann möglich, wenn im jeweiligen Einzelfall mit dem Vorliegen oder dem Entstehen einer Verbindlichkeit ernsthaft zu rechnen ist. Die Bildung von Verbindlichkeitsrückstellungen kann gemäß § 9 Abs. 3 EStG 1988 idF COVID-19-StMG nach den Voraussetzungen des § 201 Abs. 2 Z 7 UGB auch pauschal erfolgen (siehe Rz 3315). Danach muss der Ansatz von Pauschalrückstellungen auf einer umsichtigen Beurteilung (Schätzung) beruhen; liegen statistisch ermittelbare Erfahrungswerte aus gleichgelagerten Sachverhalten vor, sind diese zu berücksichtigen.
Beispiel:
Der bilanzierende Einzelunternehmer A (§ 5 Abs. 1 EStG 1988; Bilanzstichtag 31.12.) ist seit vielen Jahren in der Massenproduktion von Dachziegeln tätig. Aufgrund von statistischem Datenmaterial, das auf Erfahrungswerten der Vergangenheit beruht, kann A davon ausgehen, dass rd. 2% der von ihm im Wirtschaftsjahr X1 produzierten und veräußerten Dachziegel mangelhaft sind und dafür auch in diesem Geschäftsjahr erneut mit der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen durch seine Kunden von insgesamt 100.000 zu rechnen ist. A möchte dafür im Wege einer Pauschalrückstellung sowohl unternehmens- als auch steuerrechtlich vorsorgen. Gemäß § 201 Abs. 2 Z 7 UGB iVm § 9 Abs. 3 EStG 1988 idF COVID-19-StMG sind dabei die ihm vorliegenden Erfahrungswerte der Vergangenheit zu berücksichtigen. A bildet unter Heranziehung dieser Erfahrungswerte zum 31.12.X1 für die zu erwartenden Garantiefälle pauschal – bezogen auf alle voraussichtlich mangelhaften Produkte – eine Rückstellung auch für steuerliche Zwecke.
8.3 Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften
8.3.1 Wesen der Drohverlustrückstellungen
Übersteigt am Bilanzstichtag der Wert der Leistungsverpflichtung aus einem Vertragsverhältnis den Wert der Gegenleistung, droht also aus dem Geschäft ein Verlust, so ist dieser im Wege einer Rückstellung jener Periode zuzuweisen, in welcher sich die Unausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung einstellt (VwGH 15.7.1998, 97/13/0190; 27.4.2020, Ra 2020/15/0014; 7.4.2022, Ro 2021/13/0009). Für die Beurteilung, ob eine Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften in der Bilanz anzusetzen ist, sind jene Verhältnisse maßgeblich, die am Bilanzstichtag bestanden haben (vgl. VwGH 16.5.2007, 2006/14/0019; 27.4.2020, Ra 2020/15/0014).
Voraussetzung einer Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften ist, dass der Vertrag bereits abgeschlossen oder zumindest ein bindendes Vertragsangebot vom Rückstellungsbildenden gestellt worden ist. Für die Frage, ob ein Verlust „droht“, sind die allgemeinen Grundsätze der Rückstellungsbildung heranzuziehen. Die Grundsätze für die Bildung von Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten gelten auch für Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften; allerdings können Verbindlichkeitsrückstellungen aufgrund von § 9 Abs. 3 EStG 1988 idF COVID-19-StMG pauschal gebildet werden (siehe Rz 3315 sowie 3319), während für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften unverändert nur die Bildung von Einzelrückstellungen zulässig ist.
Auch die Grundsätze für die Bewertung von Rückstellungen gelten für Verbindlichkeitsrückstellungen und Drohverlustrückstellungen gleichermaßen: § 9 Abs. 5 EStG 1988 sieht den Ansatz von Rückstellungen mit dem Teilwert (bzw. dem mit 3,5% abgezinsten Teilwert) vor. Der Teilwert ist ein Bewertungsmaßstab auf Vollkostenbasis. Folglich sind (Droh)verlustrückstellungen wie Verbindlichkeitsrückstellungen steuerlich auf Vollkostenbasis zu bewerten.
8.3.2 Grundsatz der Einzelbewertung und verknüpfte Geschäfte
Aus dem Grundsatz der Einzelbewertung ergibt sich die Verpflichtung, jedes einzelne schwebende Geschäft für sich daraufhin zu prüfen, ob daraus ein Verlust droht. Eine Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften ist nur dann anzuerkennen, wenn die dem Unternehmen zufließenden wirtschaftlichen Vorteile hinter den aus dem Vertrag erfließenden Verpflichtungen zurückbleiben; diese Verhältnisse bedürfen der konkreten Feststellung (VwGH 17.3.1994, 91/14/0001).
Es ist keine Saldierung mit Gewinn bringenden gleichartigen schwebenden Geschäften vorzunehmen. Erfolgsmäßig miteinander verknüpfte Geschäfte sind aber als Einheit zu bewerten. Mehrere Verträge sind somit dann vom Saldierungsbereich umfasst, wenn ein Geschäft das andere ursächlich bedingt, dh. wenn ein sachlicher Zusammenhang zwischen den Geschäften besteht. Werden beispielsweise verlustbringende Geschäfte mit einer Firma in Kauf genommen, um andere Gewinn abwerfende Geschäfte mit dieser Firma nicht zu gefährden, ist eine Saldierung vorzunehmen.
Beispiel:
Mietet ein Apotheker Ordinationsräume, um sie einem Arzt verbilligt weiter zu vermieten, dann kann für den Mietverlust keine Rückstellung gebildet werden, soweit nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten der Fehlbetrag durch andere mit dem Leistungsaustausch zusammenhängende Erträge (Einkäufe der Patienten des Arztes) auszugleichen ist.
Eine Qualifizierung mehrerer Rechtsgeschäfte als einheitliches Rechtsgeschäft ist jedenfalls dann geboten, wenn ein unmittelbarer zeitlicher (und betraglicher) Zusammenhang zwischen den einzelnen Rechtsgeschäften besteht, sie in unmittelbarem Zusammenhang zueinander bereits im Vorhinein vereinbart wurden und somit hinsichtlich ihrer späteren Abwicklung keine weiteren Dispositionen möglich waren (vgl. VwGH 19.10.2016, Ro 2014/15/0014; 27.4.2020, Ra 2020/15/0014). Einheitlich zu beurteilen sind insbesondere jene Geschäfte, die unmittelbar aufeinander bezogen abgeschlossen wurden (vgl. VwGH 27.4.2020, Ra 2020/15/0014). Im Falle einer Zinsswap-Vereinbarung zur Absicherung gegen das Risiko einer Zinssatzänderung (Tausch von variabler Verzinsung gegen fixe Verzinsung) als Maßnahme der Planungssicherheit ist aufgrund des Zusammenhangs zwischen dem Grundgeschäft (Kreditvertrag) und dem Sicherungsgeschäft (Zinsswap-Vereinbarung) für die Frage der Bildung einer Drohverlustrückstellung bei wirtschaftlicher Betrachtung von einem einheitlichen Geschäft auszugehen (weiter Saldierungsbereich; vgl. VwGH 27.4.2020, Ra 2020/15/0014). Folglich kann nicht schon deshalb eine Drohverlustrückstellung gebildet werden, weil aufgrund des Absinkens des marktüblichen Zinsniveaus der fixe Zinssatz über dem variablen Zinssatz liegt und ohne die Zinsswap-Vereinbarung lediglich der niedrigere variable Marktzins zu entrichten gewesen wäre.
8.3.3 Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Absatzgeschäften
Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Absatzgeschäften sind zu bilden, wenn der Wert der Leistungsverpflichtung (eigene Anschaffungs- oder Herstellungskosten) höher ist als der Wert des Entgeltanspruches. Bei zu erwartendem Verkauf über Buchwert – aber unter Verkehrswert – darf keine Rückstellung für entgehenden Gewinn gebildet werden. Gegenüberzustellen sind der Wert (in der Regel Nennwert, unter Umständen auch Teilwert, wenn zweifelhaft) der Forderung auf das Entgelt einerseits und andererseits die Vollkosten (Anschaffungs- oder Herstellungskosten).
Beispiel:
Der Ölgroßhändler verkauft an die Raffinerie Öl, das er noch nicht beschafft hat, zum Preis von 100 Euro je Barrel. Wenn die bereits zum Preis von 100 Euro je Barrel verkaufte Ware nun um 110 Euro je Barrel beschafft werden muss, dann ist in Höhe der Differenz von 10 Euro je Barrel vom Ölgroßhändler eine Rückstellung zu bilden.
8.3.4 Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Beschaffungsgeschäften
Bei schwebenden Beschaffungsgeschäften liegt ein drohender Verlust vor, wenn der Teilwert der angeschafften, aber noch nicht gelieferten Wirtschaftsgüter am Bilanzstichtag niedriger ist als die Kaufpreisschuld. Es handelt sich daher um eine Art vorweggenommene Teilwertabschreibung. Bei einer Leistungsverpflichtung ergibt sich der rückstellungsfähige Verlust aus der Differenz der Leistungsverpflichtung (Absatzgeschäft) und dem Beschaffungsgeschäft. Da die Bewertung von Handelswaren sowohl anschaffungs- als auch absatzorientiert ist, ist auch bei der Rückstellungsbildung für Beschaffungsgeschäfte von Handelswaren darauf Bedacht zu nehmen. Sinken daher die Wiederbeschaffungskosten für die betreffenden Waren, ist aber mit Sicherheit davon auszugehen, dass die Absatzpreise kostendeckend sind, so ist keine Rückstellung zu bilden.
Beispiel:
Ein Ölgroßhändler kauft Öl vom Produzenten zu einem Preis von 100 Euro je Barrel; das Öl ist am Bilanzstichtag noch nicht geliefert. Der Wiederbeschaffungspreis (Weltmarktpreis) für Öl sinkt zum Bilanzstichtag unter den vereinbarten Preis von 100 Euro je Barrel. Wenn auf Grund des gesunkenen Weltmarktpreises der Absatzpreis in Höhe von 80 Euro je Barrel nicht mehr kostendeckend ist, dann ist eine Rückstellung von 20 Euro je Barrel zu bilden.
8.3.5 Rückstellungen für drohende Verluste aus absatzorientierten Dauerrechtsverhältnissen
Rückstellungen für drohende Verluste aus absatzorientierten Dauerrechtsverhältnissen sind zu bilden, wenn der Anspruch auf das (Nutzungs-)Entgelt geringer zu bewerten ist als die Aufwendungen (Vollkosten) im Zusammenhang mit der Erfüllung der Dauerschuld. Es ist eine Rückstellung für drohende Verluste zB aus Mietverträgen zu bilden, wenn die Aufwendungen des Vermieters in der vereinbarten Miete keine Deckung finden. Unmaßgeblich bleibt, ob das Rechtsverhältnis über seine Gesamtlaufzeit ausgeglichen ist (Ganzheitsbetrachtung). Die verbleibende Laufzeit des Schuldverhältnisses muss einen Verlust erwarten lassen (Restwertbetrachtung).
8.3.6 Rückstellungen für drohende Verluste aus beschaffungsorientierten Dauerrechtsverhältnissen
Bei beschaffungsorientierten Dauerrechtsverhältnissen (wie zB bei beschaffungsseitigen Mietverträgen) ist der Wert der Mietzinszahlung dem Wert des Sachleistungsanspruches gegenüberzustellen, den die Mietsache zum Erfolg oder Misserfolg des Unternehmens leistet. Rückstellungen für drohende Verluste aus beschaffungsorientierten Dauerrechtsverhältnissen sind jedoch idR unzulässig, weil der Beitrag des Dauerrechtsverhältnisses (Wert des Sachleistungsanspruches) zum Unternehmenserfolg nicht eindeutig quantifizierbar und bewertbar ist (vgl. VwGH 17.3.1994, 91/14/0001; VwGH 7.4.2022, Ro 2021/13/0009). Eine Ausnahme kommt nur in Betracht, wenn der Sach- oder Dienstleistungsanspruch des Unternehmers für den Betrieb keinen Wert mehr hat („Fehlmaßnahme“, vgl. VwGH 7.4.2022, Ro 2021/13/0009 unter Verweis auf BFH 23.6.1997, GrS 2/93, „Apothekerfall“). Dies ist der Fall, wenn eine Mietsache im Betrieb nicht mehr genutzt werden kann, dh. diese weder vom Unternehmen selbst genutzt noch untervermietet werden kann. Diesfalls ist für die Verpflichtung zur Zahlung des Mietzinses eine Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften zu bilden (vgl. VwGH 7.4.2022, Ro 2021/13/0009 zu bereits geschlossenen Filialen im Lebensmitteleinzelhandel). Wird eine Mietsache hingegen nach wie vor im Betrieb genutzt, ist eine Reduktion des Wertes des Sachleistungsanspruchs nicht erkennbar, weshalb die Bildung einer Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften im Hinblick auf die weiterhin genutzte Mietsache unzulässig ist (vgl. VwGH 7.4.2022, Ro 2021/13/0009 zu vom Unternehmen nach wie vor betriebenen „verlustträchtigen“ Filialen im Lebensmitteleinzelhandel). Im Hinblick auf die weiterhin genutzten Filialen gilt dies auch dann, wenn bereits die variablen Kosten die Erlöse übersteigen (negativer Deckungsbeitrag).
8.4 Aufwandsrückstellungen
8.4.1 Wesen der Aufwandsrückstellungen
Bei Aufwandsrückstellungen ist kein Verpflichtungscharakter gegenüber Dritten gegeben (zB Rückstellungen für unterlassene Instandsetzungen). Sie sind von der Aufzählung in § 9 EStG 1988 nicht erfasst, weshalb ihre Bildung und Auflösung steuerlich unwirksam ist.
8.4.2 Beispiele für Aufwandsrückstellungen
Zu den Aufwandsrückstellungen zählen Rückstellungen für
- unterlassene Instandhaltung,
- Entsorgungsmaßnahmen, sofern nicht Entsorgungspflicht gegeben ist, siehe ABC der Rückstellung
- Aufräumungsarbeiten nach Katastrophenschäden,
- freiwillige Rekultivierung,
- unterlassenen Forschungs- und Reklameaufwand,
- Substanzerhaltung bei steigenden Wiederbeschaffungskosten,
- freiwillige Abraumbeseitigung,
- Selbstversicherung bei nicht versicherten Schadensfällen.
8.4.3 Abgrenzung Aufwandsrückstellungen zur Rechnungsabgrenzung
Vorgänge des abgelaufenen Wirtschaftsjahres, die nach Art einer Rechnungsabgrenzung sowohl zu aktiv- als auch zu passivseitigen Positionen führen können (zB die Behandlung des Abraumes im Bergbau und für rückständige Urlaubsansprüche) sind jedenfalls zu passivieren.
Die Bildung einer Abfertigungsrückstellung nach § 14 Abs. 1 EStG 1988 ist nur zulässig
- für gesetzliche oder kollektivvertragliche Abfertigungsansprüche
- für Abfertigungsansprüche, die den gesetzlichen (kollektivvertraglichen) Abfertigungsansprüchen dem Ausmaß nach entsprechen, die aber ganz oder zum Teil auf einer freiwilligen Anrechnung von Vordienstzeiten durch den Arbeitgeber beruhen
- auf Grund schriftlicher und rechtsverbindlicher Zusagen an Arbeitnehmer oder andere Personen, wenn der Gesamtbetrag der zugesagten Abfertigung einer gesetzlichen oder dem Dienst- bzw. Anstellungsverhältnis entsprechenden kollektivvertraglichen Abfertigung nachgebildet ist, wobei in beiden Fällen Beschäftigungszeiten (Vordienstzeiten) angerechnet werden können (ab Veranlagung 2004).
Für alle Arbeitsverträge, die laut Arbeitsvertrag nach dem 31. Dezember 2002 beginnen, besteht grundsätzlich kein Direktanspruch des Arbeitnehmers auf Abfertigung gegenüber dem Arbeitgeber. Abfertigungsrückstellungen können nur insoweit gebildet werden, als sich auf Grund des § 46 Abs. 3 oder des § 48 Abs. 2 Bundesgesetz über die betriebliche Mitarbeitervorsorge BGBl. I Nr. 100/2002 (BMVG) idF BGBl. I Nr. 155/2002 bei derartigen Dienstverhältnissen weiterhin Direktansprüche gegenüber dem Arbeitgeber ergeben.
8.5 Vorsorge für Abfertigungen
8.5.1 Allgemeines
8.5.1.1 Abfertigungsverpflichtungen und Vordienstzeiten
Die Bildung einer Abfertigungsrückstellung nach § 14 Abs. 1 EStG 1988 ist nur zulässig
- für gesetzliche oder kollektivvertragliche Abfertigungsansprüche
- für Abfertigungsansprüche, die den gesetzlichen (kollektivvertraglichen) Abfertigungsansprüchen dem Ausmaß nach entsprechen, die aber ganz oder zum Teil auf einer freiwilligen Anrechnung von Vordienstzeiten durch den Arbeitgeber beruhen
- auf Grund schriftlicher und rechtsverbindlicher Zusagen an Arbeitnehmer oder andere Personen, wenn der Gesamtbetrag der zugesagten Abfertigung einer gesetzlichen oder dem Dienst- bzw. Anstellungsverhältnis entsprechenden kollektivvertraglichen Abfertigung nachgebildet ist, wobei in beiden Fällen Beschäftigungszeiten (Vordienstzeiten) angerechnet werden können (ab Veranlagung 2004).
Für alle Arbeitsverträge, die laut Arbeitsvertrag nach dem 31. Dezember 2002 beginnen, besteht grundsätzlich kein Direktanspruch des Arbeitnehmers auf Abfertigung gegenüber dem Arbeitgeber. Abfertigungsrückstellungen können nur insoweit gebildet werden, als sich auf Grund des § 46 Abs. 3 oder des § 48 Abs. 2 Bundesgesetz über die betriebliche Mitarbeitervorsorge BGBl. I Nr. 100/2002 (BMVG) idF BGBl. I Nr. 155/2002 bei derartigen Dienstverhältnissen weiterhin Direktansprüche gegenüber dem Arbeitgeber ergeben.
Zur Anrechnung von Beschäftigungs- bzw Vordienstzeiten gilt Folgendes:
Als Beschäftigungs- bzw. Vordienstzeiten anrechenbar sind Zeiten, während der die Beschäftigung einen (einzelvertraglichen, kollektivvertraglichen oder gesetzlichen) Abfertigungsanspruch vermittelt hat. Dementsprechend gilt:
1. Vordienstzeitenanrechnung bei (arbeitsrechtlichen) Dienstnehmern:
Bei den Vordienstzeiten muss es sich um Beschäftigungszeiten handeln, die der Arbeitnehmer entweder beim selben Arbeitgeber (zB bei Übernahme vom Arbeiter- in das Angestelltenverhältnis) oder bei einem oder mehreren in- oder ausländischen früheren Arbeitgebern tatsächlich verbracht hat. Als Beschäftigungszeiten anrechenbar sind auch Zeiträume, in denen ein Arbeitnehmer auf Grund einer einzelvertraglichen schriftlichen und rechtsverbindlichen Abfertigungszusage Ansprüche auf eine einer gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Abfertigung nachgebildete Abfertigung erworben hat.
Angerechnet können nur tatsächliche Beschäftigungszeiten werden. Da Präsenzdienst und Karenzzeit ein arbeitsrechtliches Dienstverhältnis nicht unterbrechen, sind sie als anrechenbare Vordienstzeiten anzusehen.
Zeiten, in denen jemand selbständig erwerbstätig war, zB auch als Kommanditist, kommen als Vordienstzeiten nicht in Betracht, selbst wenn der Kommanditist arbeitsrechtlich Dienstnehmer war (VwGH 6.12.1983, 83/14/1961, VwGH 15.12.1994, 92/15/0019).
Ein zeitlicher Zusammenhang der Vordienstzeitenanrechnung mit einem Wechsel im Dienstverhältnis ist nicht erforderlich. Erfolgt eine (spätere) Vordienstzeitenanrechnung und hat der Steuerpflichtige eine Abfertigungsrückstellung gebildet, so sind die auf Grund der Vordienstzeitenanrechnung gestiegenen Abfertigungsansprüche bei Bildung der Abfertigungsrückstellung zwingend zu berücksichtigen; ein Wahlrecht besteht nicht (VwGH 6.12.1983, 83/14/1961). Erfolgt die Anrechnung zu Beginn des Dienstverhältnisses, so ist dies bei der Rückstellungsberechnung sofort zu berücksichtigen.
2. Anrechnung von Beschäftigungszeiten (Vordienstzeiten) bei „anderen Personen“ iSd § 14 Abs. 1 Z 3 EStG 1988
Eine Anrechnung von Beschäftigungszeiten (Vordienstzeiten) kann gemäß § 14 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 auch bei arbeitsrechtlichen „Nicht-Dienstnehmern“ (vgl. Rz 3334) erfolgen. Dabei können für die Rückstellungsbildung aber nur Beschäftigungszeiten angerechnet werden, die der nunmehrige „Nicht-Dienstnehmer“ zuvor (beim selben Betrieb oder bei einem anderen Betrieb, zB einem anderen Mitglied einer Konzerngruppe) als Dienstnehmer oder als nach § 14 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 abfertigungsberechtigter „Nicht-Dienstnehmer“ abgeleistet hat.
Für andere, freiwillig eingegangene Abfertigungsverpflichtungen, die über die gesetzlichen (kollektivvertraglichen) Abfertigungsverpflichtungen hinausgehen, besteht weder die Möglichkeit der steuerfreien Bildung einer Rücklage (VwGH 29.4.1966, 0211/66) noch die Möglichkeit der Bildung einer „allgemeinen“ Verbindlichkeitsrückstellung gemäß § 9 Abs. 1 Z 3 EStG 1988. Gleiches gilt für Abfertigungszusagen, die über das vergleichbare Ausmaß einer gesetzlichen oder einer dem Dienst- bzw. Anstellungsverhältnis entsprechenden kollektivvertraglichen Abfertigung hinausgehen.
Wurde hingegen ein Dienstverhältnis zum Bilanzstichtag bereits gekündigt und ist lediglich die Kündigungsfrist abzuwarten, so ist die konkretisierte Abfertigungsverpflichtung rückstellbar (VwGH 20.6.1990, 86/13/0003, VwGH 5.7.1994, 91/14/0110). Dabei handelt es sich um keine Rückstellung des § 14 EStG 1988. Daher sind die Vorschriften betreffend Aufbau, Höhe und Wertpapierdeckung nicht anzuwenden.
Gemäß § 14 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 erstreckt sich die Rückstellungsbildung auch auf Abfertigungen, die auf Grund gesetzlicher Anordnung an Personen gezahlt werden müssen, denen steuerrechtlich keine Arbeitnehmereigenschaft zukommt. Unter den Personenkreis des § 14 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 fallen insbesondere wesentlich Beteiligte iSd § 22 Z 2 EStG 1988, wenn sie arbeitsrechtlich als Dienstnehmer (Angestellte iSd Angestelltengesetzes) anzusehen sind.
Keine Dienstnehmer im arbeitsrechtlichen Sinn sind Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft sowie Gesellschafter-Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ab einer Beteiligung von 50 Prozent bzw. einer ihnen eingeräumten Sperrminorität. Für Abfertigungszusagen an diese Personen ist ab Veranlagung 2004 – bei Beachtung des Nachholverbotes (Rz 3308) – die Bildung einer Abfertigungsrückstellung nur auf Grund schriftlicher und rechtsverbindlicher Zusagen zulässig, wenn der Gesamtbetrag der zugesagten Abfertigung einer gesetzlichen oder dem Dienst- bzw. Anstellungsverhältnis entsprechenden kollektivvertraglichen Abfertigung nachgebildet ist, wobei Beschäftigungszeiten (Vordienstzeiten) angerechnet werden können (§ 14 Abs. 1 Z 3 EStG 1988). Dies gilt nicht in Fällen, in denen 2002 oder 2003 die Abfertigungsrückstellung steuerfrei aufgelöst worden ist (§ 124 b Z 68 lit. b EStG 1988).
Wurden in der Vergangenheit bereits Abfertigungsrückstellungen gemäß § 9 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 gebildet, sind diese im Veranlagungsjahr 2004 an die neue Rechtslage mit folgender Maßgabe anzupassen: Übersteigt die nach § 9 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 steuerwirksam gebildete Rückstellung jene nach § 14 Abs. 1 Z 3 EStG 1988, ist der Unterschiedsbetrag in einen eigenen Passivposten einzustellen, der mit späteren Zuführungen zur Rückstellung gewinnneutral zu verrechnen ist.
Wird ein Dienstnehmer oder Gesellschafter-Geschäftsführer zum Kommanditisten oder atypisch stillen Gesellschafter, besteht aber das arbeitsrechtliche Dienst- bzw. Anstellungsverhältnis (wenn auch ruhend) weiter, ist auch die Abfertigungsrückstellung weiterzuführen und erst aufzulösen, wenn das arbeitsrechtliche Dienst- bzw. Anstellungsverhältnis beendet wird.
8.5.1.2 Ausweis der Rückstellung
Ist der Steuerpflichtige zur Bildung einer Abfertigungsrückstellung verpflichtet oder hat er sich zu einer solchen entschieden, so ist die Rückstellung in jedem Wirtschaftsjahr zu errechnen und in der Bilanz gesondert auszuweisen. Der Unterschiedsbetrag zwischen der Rückstellung des Wirtschaftsjahres und der Rückstellung des Vorjahres wirkt sich als Aufwand oder Ertrag auf den Gewinn aus. Die Abfertigungszahlungen sowie die zum Bilanzstichtag bereits geschuldeten Abfertigungen sind zur Gänze laufender Aufwand.
8.5.2 Bildung und Fortführung der Rückstellung
8.5.2.1 Berechnungsmethode
Die Berechnung der Rückstellung hat ausschließlich nach der in § 14 Abs. 1 EStG 1988 festgelegten Methode zu erfolgen. Die Bildung einer versicherungsmathematisch oder durch Abzinsung errechneten Rückstellung für Abfertigungsansprüche ist unzulässig.
8.5.2.2 Erstmalige Bildung einer Abfertigungsrückstellung
8.5.2.2.1 Ausmaß der Rückstellung
Im ersten Jahr der Bildung der Rückstellung wird das prozentuelle Ausmaß der Rückstellungsbildung festgelegt. Das maximale steuerliche Ausmaß beträgt grundsätzlich 50%, für ältere Arbeitnehmer 60% (siehe Rz 3342 ff). Das bei der erstmaligen Bildung festgelegte Ausmaß ist beizubehalten (§ 14 Abs. 3 EStG 1988). Entstehen in späteren Wirtschaftsjahren für einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern Abfertigungsansprüche, so sind diese in die Rückstellung mit jenem prozentuellen Ausmaß aufzunehmen, welches für die bereits vorher anspruchsberechtigten Arbeitnehmer maßgebend ist. Eine Verteilung des Aufstockungsbetrages auf mehrere Jahre ist sohin unzulässig.
Wurde keine Erklärung über das gewählte Ausmaß abgegeben, jedoch in der Bilanz eine Rückstellung gebildet, ist das gewählte Ausmaß der Rückstellung im steuerlichen Ermittlungsverfahren festzustellen.
Eine Abfertigungsrückstellung kann
- für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2001 enden, im Ausmaß bis zu 47,5%, und
- für folgende Wirtschaftsjahre im Ausmaß bis zu 45% der am Bilanzstichtag bestehenden fiktiven Abfertigungsansprüche
steuerlich geltend gemacht werden. Für ältere (über 50jährige) Arbeitnehmer bleibt das Ausmaß von 60% aufrecht. Von der Zurücknahme des Ausmaßes steuerlich wirksam gebildeter Abfertigungsrückstellungen sind auch jene betroffen, die bereits am 31. Dezember 2001 bzw. zum Bilanzstichtag des folgenden Wirtschaftsjahres bestanden haben. Zur steuerlichen Erfassung von Auflösungsgewinnen aus der Absenkung des Rückstellungsausmaßes siehe Rz 3351b.
Für Abfertigungsrückstellungen, die für Wirtschaftsjahre gebildet werden, die nach dem 28.2.2014 enden, gilt:
Eine Rückstellung für zukünftige Abfertigungsansprüche darf mit steuerlicher Wirkung nur insoweit gebildet werden, als die zukünftigen Abfertigungsansprüche steuerlich abzugsfähig sind. Die Bildung der Rückstellung ist somit insoweit nicht zulässig, als der Rückstellungsbildung Abfertigungsansprüche zu Grunde liegen, die beim Empfänger nicht mit dem Steuersatz von 6% zu versteuern sind (Näheres zur Steuerbegünstigung von Abfertigungen siehe LStR 2002 Rz 1070 ff und Rz 11070).
Für bestehende Abfertigungsrückstellungen, die für Wirtschaftsjahre gebildet wurden, die vor dem 1.3.2014 enden, gilt:
Ergibt sich aus der Anwendung des § 20 Abs. 1 Z 8 EStG 1988 ein geringerer als der bisher rückgestellte Betrag, ist der Unterschiedsbetrag nicht gewinnerhöhend aufzulösen. Eine steuerwirksame Zuführung zu diesen Rückstellungen darf erst dann vorgenommen werden, wenn die Höhe der Abfertigungsansprüche unter Berücksichtigung des § 20 Abs. 1 Z 8 EStG 1988 eine Rückstellungsbildung über den bisher rückgestellten Betrag hinaus zulässt.
8.5.2.2.2 Bildung einer Abfertigungsrückstellung bei der Gewinnermittlung nach § 5 EStG 1988
Bei der Gewinnermittlung nach § 5 EStG 1988 muss der Steuerpflichtige eine Abfertigungsrückstellung in der Steuerbilanz bilden, sofern er eine solche bereits in der UGB-Bilanz gebildet hat. Hinsichtlich der Höhe kann er sich – unabhängig vom unternehmensrechtlichen Prozentsatz – innerhalb der Grenzen des § 14 Abs. 1 EStG 1988 auf ein Ausmaß festlegen. Hat er unternehmensrechtlich keine Abfertigungsrückstellung gebildet, so darf er dies auch steuerlich nicht tun (Maßgeblichkeit hinsichtlich des Ansatzes dem Grunde nach).
Beispiel:
Die Höhe der unternehmensrechtlichen Abfertigungsrückstellung in Relation zu den unternehmensrechtlichen Abfertigungsansprüchen beträgt bei der erstmaligen Bildung im Jahr 2001 35%. Der Betrieb beschäftigt keine älteren Arbeitnehmer. Das prozentuelle Höchstausmaß der für Zwecke der Steuerbilanz zu bildenden Abfertigungsrückstellung kann bis zu 50% frei gewählt werden.
8.5.2.2.3 Bildung einer Abfertigungsrückstellung bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG 1988
Bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG 1988 kann sich der Steuerpflichtige zunächst dem Grunde nach für die Bildung einer Abfertigungsrückstellung entscheiden; hinsichtlich der Höhe kann er sich innerhalb der Grenzen des § 14 Abs. 1 EStG 1988 auf ein Ausmaß festlegen.
8.5.2.2.4 Ermittlung des Ausmaßes bei der Zusammenführung von Betrieben
Werden zwei oder mehrere Betriebe zu einem einheitlichen Betrieb zusammengeführt und war die Vorgangsweise bezüglich der Bildung von Abfertigungsrückstellungen in den einzelnen zusammengeführten Betrieben vor der Zusammenführung uneinheitlich – sei es, dass einzelne Betriebe überhaupt keine Abfertigungsrückstellung gebildet hatten, sei es, dass die Bildung der Abfertigungsrückstellung mit unterschiedlichen Prozentsätzen erfolgte -, dann ist nach der Zusammenführung bezüglich der Bildung und Fortführung der Abfertigungsrückstellung einheitlich vorzugehen. Dabei ist für das Rückstellungsausmaß der höchste Prozentsatz maßgebend, mit dem die Abfertigungsrückstellung in einem der Betriebe vor der Zusammenführung zulässigerweise gebildet wurde.
Wird in einem Betrieb die Abfertigungsrückstellung steuerfrei aufgelöst (Rz 3351a) oder „eingefroren“ (Rz 3351c) und in anderem Betrieb die Abfertigungsrückstellung weitergeführt (Rz 3351b), ist nach Zusammenführung der Betriebe hinsichtlich der Abfertigungsvorsorge jeweils getrennt vorzugehen.
8.5.2.2.5 Gleichmäßige Verteilung
Das gewählte Ausmaß ist gleichmäßig auf fünf aufeinander folgende Wirtschaftsjahre verteilt zu erreichen. Der Steuerpflichtige ist auch in den Folgejahren an das gewählte prozentuelle Ausmaß gebunden.
Beispiel:
a) Ein Steuerpflichtiger entschließt sich im Jahr 1998 zur Rückstellungsbildung im Ausmaß von 50%. Die Abfertigungsansprüche und die jeweilige Rückstellung betragen zu den Bilanzstichtagen (umgerechnet für alle Jahre in Euro):
1998 |
100.000 Euro |
davon 10% |
= |
10.000 Euro |
1999 |
120.000 Euro |
davon 20% |
= |
24.000 Euro |
2000 |
110.000 Euro |
davon 30% |
= |
33.000 Euro |
2001 |
130.000 Euro |
davon 40% |
= |
52.000 Euro |
2002 |
140.000 Euro |
davon 50% |
= |
70.000 Euro |
Nach Ablauf des Aufstockungszeitraumes können die neuen oder erhöhten Abfertigungsverpflichtungen sofort in voller Höhe im gewählten Prozentsatz rückgestellt werden.
b) Ein Steuerpflichtiger entschließt sich im Jahr 1999 zur Rückstellungsbildung im Ausmaß von 50%. Die Abfertigungsansprüche und die jeweilige Rückstellung betragen unter Berücksichtigung der Reduzierung des Ausmaßes ab 2002 zu den Bilanzstichtagen (umgerechnet für alle Jahre in Euro):
1999 |
100.000 Euro |
davon 10% |
= |
10.000 Euro |
2000 |
120.000 Euro |
davon 20% |
= |
24.000 Euro |
2001 |
110.000 Euro |
davon 30% |
= |
33.000 Euro |
2002 |
130.000 Euro |
davon 38% (47,5% x 80%) |
= |
49.400 Euro |
2003 |
140.000 Euro |
davon 45% |
= |
63.000 Euro |
8.5.2.3 Anhebung des Höchstausmaßes für ältere Arbeitnehmer
8.5.2.3.1 Prozentsatz
Das steuerliche Höchstausmaß der Abfertigungsrückstellung von 50% wurde mit dem Steuerreformgesetz 1993, BGBl. Nr. 818/1993, für Personen, die am Bilanzstichtag das 50. Lebensjahr vollendet haben, auf 60% angehoben, wobei dieses Höchstausmaß in einer fünfjährigen Übergangsphase ab 1994 erreicht werden konnte.
Ab dem Wirtschaftsjahr 1998 kann bzw. muss (in Bezug auf das sonst verlorene Wahlrecht) bei erstmaligem Überschreiten des 50. Lebensjahres auch nur eines Dienstnehmers der Prozentsatz sofort im gewählten Höchstausmaß (mit maximal 60%) angenommen werden.
8.5.2.3.2 Anhebung des Höchstausmaßes
Sowohl bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG 1988 als auch bei der Gewinnermittlung nach § 5 EStG 1988 steht ein Wahlrecht bei der Inanspruchnahme des erhöhten Rückstellungsausmaßes zu. Diese Wahl bezieht sich jedoch grundsätzlich nur auf die Höhe des Rückstellungsausmaßes (zwischen 50% bzw. 47,5% / 45% und 60%), nicht jedoch auf den Zeitpunkt. Bestehen daher in einem Wirtschaftsjahr erstmalig Abfertigungsrückstellungen für Anwartschaftsberechtigte über 50 Lebensjahren, so muss in diesem Jahr auf das gewählte Rückstellungsausmaß angehoben werden, andernfalls davon auszugehen ist, dass vom Wahlrecht nicht Gebrauch gemacht wurde.
Der Steuerpflichtige kann sich auch nur einheitlich für ein Herabsetzen der Obergrenzen entscheiden. Nimmt er daher bei Rückstellungen für anwartschaftsberechtigte Personen unter 50 Jahren einen geringeren Prozentsatz als 50% bzw. 47,5% / 45% in Anspruch, so kann er auch für Personen über 50 Jahren nur das verhältnismäßige Höchstmaß bilden.
Beispiel:
Ein Unternehmer hatte bisher die Abfertigungsrückstellungen im Höchstmaß von 40% (das sind 80% vom Höchstausmaß von 50%) gebildet. Der Dienstnehmer C ist am 3.5.1949 geboren. Die fiktiven Abfertigungsansprüche und die Abfertigungsrückstellungen betragen:
Dienstnehmer C
31. 12. 1999 |
520.000 S |
x |
48% (= 80% von 60%) |
= |
249.600 S |
8.5.2.4 Betriebsübertragung und Betriebsaufgabe
8.5.2.4.1 Entgeltliche Betriebsübertragung
Gehen die Abfertigungsverpflichtungen im Falle einer entgeltlichen Betriebsübertragung auf den Erwerber über, ist für Zwecke der Ermittlung des Veräußerungsgewinnes nur der Betrag der Rückstellung als Passivposten zu behandeln (vgl. VwGH 2.4.1965, 2126/64). Der Erwerber hat die Rückstellung gemäß § 14 Abs. 4 EStG 1988 weiterzuführen (mit dem vom Vorgänger gewählten Prozentsatz).
Werden die Abfertigungsverpflichtungen in der Kaufvereinbarung mit einem höheren Wert angesetzt als dem Betrag der Rückstellung entspricht, kürzt dies beim Veräußerer den Veräußerungsgewinn. Ist die Abfertigungsrückstellung steuerneutral aufgelöst worden (§ 124b Z 68 EStG 1988), erhöht die Übernahme der Abfertigungsverpflichtung (im vereinbarten betraglichen Ausmaß) hingegen zunächst den Veräußerungsgewinn. Der Betrag für die Übernahme der Abfertigungsverpflichtung ist beim Veräußerer aber wirtschaftlich einer Abfertigungszahlung entsprechend auf fünf Jahre verteilt abzusetzen (analog § 124b Z 68 lit. c EStG 1988). Im Falle der Veräußerung des ganzen Betriebes liegen nachträgliche negative Einkünfte iSd § 32 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 vor (Rz 3351a).
Beispiel:
Schlussbilanz Veräußerer 31.12.2003 |
|||
Aktiva |
320 |
Kapital |
320 |
(Teilwert inkl. Firmenwert |
500) |
Die Abfertigungsrückstellung ist vom Veräußerer 2002 steuerneutral auf das Kapitalkonto übertragen worden. Im Zuge der Betriebsveräußerung zum 31.12.2003 werden Abfertigungsverpflichtungen in Höhe von 60 mitübernommen, der Barkaufpreis beträgt daher statt 500 nur 440. Der Veräußerungsgewinn iSd § 24 EStG 1988 beträgt (500 – 320=) 180. In den Jahren 2003 bis 2007 sind jeweils 12 als (nachträgliche) Betriebsausgabe absetzbar.
Der Erwerber hat in der ersten Eröffnungsbilanz für den Unterschiedsbetrag zwischen dem Rückstellungsbetrag und dem in der Kaufvereinbarung angesetzten Wert einen Passivposten einzustellen. Sofern beim Übertragenden (insbesondere wegen steuerneutraler Auflösung in 2002 oder 2003) keine Abfertigungsrückstellung bestanden hat, ist der gesamte für die Übernahme der Abfertigungsverpflichtung errechnete Betrag als Passivposten auszuweisen. In den Folgejahren ist eine Aufstockung der Rückstellung jeweils (gewinnneutral) gegen den Passivposten zu verrechnen. In Wirtschaftsjahren, in denen die Abfertigungsrückstellung sinkt, ist der Passivposten unverändert weiterzuführen. Fallen die Abfertigungsverpflichtungen hingegen zur Gänze weg, ist der Passivposten gemeinsam mit der Rückstellung gewinnerhöhend aufzulösen. Im Fall einer steuerfreien Auflösung der Rückstellung (Rz 3351a) ist der Passivposten weiterzuführen und im Zeitpunkt des Entstehens der Abfertigungsverpflichtung gewinnerhöhend aufzulösen. Im Fall einer Vollübertragung der Abfertigungsansprüche an eine Mitarbeitervorsorgekasse ist der Passivposten gewinnerhöhend aufzulösen. Im Fall des „Einfrierens der Abfertigungsrückstellung“ (Rz 3351c) ist der Passivposten weiterzuführen und im Zeitpunkt des Entstehens der Abfertigungsverpflichtung gewinnerhöhend aufzulösen.
Werden Abfertigungsverpflichtungen im Rahmen einer Betriebsübertragung übernommen und hat der Erwerber von der steuerfreien Auflösung der Abfertigungsrückstellung Gebrauch gemacht, sind die übernommenen Verpflichtungen zu passivieren. Dieser Passivposten ist im Zeitpunkt des Entstehens der Abfertigungsverpflichtung gewinnerhöhend aufzulösen.
Wurde die Abfertigungsrückstellung steuerneutral aufgelöst, hat der Erwerber eines (Teil-)Betriebes, der mit diesem die Abfertigungsverpflichtungen übernimmt, den Betrag der übernommenen Verpflichtung zu passivieren. Im Fall des Schlagendwerdens der Abfertigungsansprüche ist der Passivposten gewinnerhöhend aufzulösen. Die Aufwendungen (Ausgaben) aus der Zahlung der Abfertigung sind nicht zu fünfteln.
Wird ein Betrieb entgeltlich übertragen und gehen die Abfertigungsverpflichtungen nicht auf den Erwerber über, ist die Abfertigungsrückstellung im Falle des Geltendmachens von Abfertigungsansprüchen zu Gunsten des laufenden Gewinnes aufzulösen.
Erlöschen Abfertigungsverpflichtungen im Zuge einer Betriebsveräußerung, erhöht die Auflösung der Abfertigungsrückstellung den Veräußerungsgewinn. Die vorstehenden Ausführungen gelten sinngemäß in den Fällen der Betriebsaufgabe.
8.5.2.4.2 Unentgeltliche Betriebsübertragung und Betriebsverpachtung
Übernimmt im Falle der steuerneutralen Übertragung eines Betriebes mit Buchwertfortführung der Rechtsnachfolger die Abfertigungsverpflichtungen, ist die Rückstellung beim Rechtsnachfolger gemäß § 14 Abs. 4 EStG 1988 fortzuführen. Wurde in einem derartigen Fall die Abfertigungsrückstellung vom Rechtsvorgänger steuerneutral aufgelöst, sind die Aufwendungen (Ausgaben) aus der Zahlung der Abfertigung vom Rechtsnachfolger zu fünfteln (§ 124b Z 68 lit. c EStG 1988).
Werden die Abfertigungsverpflichtungen vom Rechtsnachfolger nicht übernommen oder fallen die Abfertigungsverpflichtungen anlässlich der steuerneutralen Übertragung des Betriebes mit Buchwertfortführung weg, ist die Abfertigungsrückstellung vom Übergeber zu Gunsten des laufenden Gewinnes aufzulösen.
Werden bei einer Betriebsverpachtung, die als Betriebsaufgabe zu beurteilen ist, vom Rechtsnachfolger die Abfertigungsverpflichtungen aus Vordienstzeiten beim Vorgänger übernommen und hat der Rechtsvorgänger (Verkäufer, Verpächter) in der Folge die Abfertigungen aus den bei ihm verbrachten Vordienstzeiten zu übernehmen (aus Vertrag oder Gesetz), so hat er die geschuldete Vergütung zu passivieren. Gleichzeitig fällt die Rückstellung weg. Der Passivposten ist bis zum Wegfall dem Betriebsvermögen zuzurechnen. Der Rechtsnachfolger hat die Abfertigungsrückstellung weiterzuführen und zwar in Höhe der vom Vorgänger geschuldeten Vergütungen, höchstens jedoch im Ausmaß des § 14 Abs. 1 EStG 1988. Der Vergütungsanspruch ist vom Rechtsnachfolger zu aktivieren. In Höhe der Differenz zwischen Vergütungsanspruch und Rückstellung ist ein Passivposten einzustellen. In den Folgejahren ist eine Aufstockung der Rückstellung jeweils gewinnneutral gegen den Passivposten zu verrechnen.
Geht ein Betrieb unentgeltlich an einen bisherigen Dienstnehmer über, dann ist eine für diesen als Arbeitnehmer gebildete Abfertigungsrückstellung beim Übergeber des Betriebes gewinnerhöhend aufzulösen. Abfertigungszahlungen sind nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig (siehe Rz 1167 und Rz 1458).
8.5.2.4.3 Umgründungsfälle
Die in Rz 3340 und 3348 ff dargestellte Vorgangsweise gilt auch für die unter das Umgründungssteuergesetz fallenden Tatbestände der Verschmelzung, der Umwandlung, der Einbringung, des Zusammenschlusses, der Realteilung und der Spaltung. Die Abfertigungsrückstellung ist dabei in der zum Umgründungsstichtag zu erstellenden Bilanz (Schlussbilanz, Jahres- oder Zwischenabschluss) nach den allgemeinen Grundsätzen des § 14 EStG 1988 zu bilden. Die Vorgangsweise gilt auch bei gesetzlich vorgesehenen Ausgliederungen und/oder Umstrukturierungen, sofern keine Regelungen in Sondergesetzen vorgesehen sind. Veräußerer ist jede natürliche oder juristische Person, die als Inhaber ausscheidet, Erwerber ist jede natürliche oder juristische Person, die als Inhaber in den Betrieb eintritt.
8.5.2.4.4 Entgeltliche Übernahme von Dienstnehmern
Bei der Übernahme von Dienstnehmern unter Anrechnung von Vordienstzeiten gegen eine Entschädigung ist iSd Rz 3345 ff vorzugehen.
8.5.2.5 Steuerliche Behandlung der Abfertigungsrückstellung ab 2002
8.5.2.5.1 Steuerfreie Auflösung der Abfertigungsrückstellung 2002 oder 2003
Im Wirtschaftsjahr 2002 konnte erstmals der Gesamtbetrag der Abfertigungsrückstellung nach steuerwirksamer Verrechnung der wegfallenden Abfertigungsansprüche (im Wirtschaftsjahr 2002 entstandene Abfertigungsansprüche, unabhängig vom Auszahlungszeitpunkt) auf das Kapitalkonto oder auf eine als versteuert geltende Rücklage übertragen werden. Wurde im Wirtschaftsjahr 2002 von der Möglichkeit der Übertragung nicht Gebrauch gemacht, konnte der Gesamtbetrag der Abfertigungsrückstellung auch im Wirtschaftsjahr 2003 nach steuerwirksamer Verrechnung der wegfallenden Abfertigungsansprüche (im Wirtschaftsjahr 2003 entstandene Abfertigungsansprüche, unabhängig vom Auszahlungszeitpunkt) auf das Kapitalkonto oder auf eine als versteuert geltende Rücklage übertragen werden. Dies galt insoweit, als die Ansprüche nicht vorher oder gleichzeitig an eine Mitarbeitervorsorgekasse oder ein Versicherungsunternehmen (Rz 3369a) übertragen worden sind.
Die Auflösung war nur hinsichtlich der gesamten Rückstellung (nach oben dargestellten Verrechnungsmodalitäten) möglich, andernfalls war die Rückstellung fortzuführen.
Eine steuerfreie Auflösung des Gesamtbetrages der Abfertigungsrückstellung war nur zum Bilanzstichtag zulässig, allerdings vor Neubewertung (vor Rückstellungszuführung bzw. Abstockung auf 47,5% / 45%).
Die steuerrechtliche Auflösungsbestimmung galt unabhängig davon, dass Rückstellungen für Abfertigungen in der UGB-Bilanz fortgeführt werden. Die steuerfreie Auflösung war in einer Beilage zur Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuererklärung zu dokumentieren. Wurde von der Möglichkeit der steuerfreien Auflösung der Abfertigungsrückstellung Gebrauch gemacht, sind später anfallende Abfertigungsansprüche und Übertragungsbeträge an eine betriebliche Vorsorgekasse steuerlich gleichmäßig auf fünf Jahre verteilt abzusetzen.
Im Fall einer Betriebsveräußerung oder -aufgabe sind noch nicht abgesetzte Fünftelbeträge im Rahmen des Veräußerungs-/Aufgabegewinnes zu berücksichtigen (vgl. UFS 20.08.2010, RV/0041-F/09). Im Fall einer Liquidation iSd § 19 KStG 1988 sind offene Fünftelbeträge in einem Betrag abzusetzen. Scheidet ein Mitunternehmer aus einer Mitunternehmerschaft aus, verbleibt der auf diesen Mitunternehmer entfallende Anteil an den offenen Fünftelbeträgen nicht bei der Mitunternehmerschaft; beim ausscheidende Mitunternehmer sind die noch nicht abgesetzten anteiligen Fünftelbeträge im Rahmen des Veräußerungs-/Aufgabegewinnes zu berücksichtigen. Im Fall von Betriebsübertragungen mit Buchwertfortführung (unentgeltliche Übertragung, Umgründungen) setzt der Rechtsnachfolger die Fünftelabsetzung fort.
Beispiel:
Der Arbeitgeber beschäftigt ausschließlich Arbeitnehmer, die noch nicht das 50. Lebensjahr vollendet haben, deren Arbeitsverhältnis gemäß Arbeitsvertrag vor dem 1.1.2003 begonnen hat und für die bereits eine Abfertigungsrückstellung (50%) dotiert worden ist.
Die Abfertigungsrückstellung beträgt zum 31.12.2001 10.000. Der Arbeitgeber kündigt 2002 den Arbeitnehmer A, wobei auf ihn eine Abfertigungsrückstellung von 2.000 entfällt. Der Arbeitnehmer C (auf ihn entfällt eine Abfertigungsrückstellung von 1.500) kündigt 2002 selbst und erhält keine Abfertigung. Der Arbeitgeber kündigt 2003 den Arbeitnehmer B, wobei auf ihn eine Abfertigungsrückstellung von 1.000 entfällt.
a) Der Arbeitgeber macht 2002 von der Möglichkeit der steuerfreien Auflösung der Abfertigungsrückstellung Gebrauch. Die Ansprüche steigen im Jahr 2002 nach Berücksichtigung des Ausscheidens des Arbeitnehmers C um 1.000. Im Jahr 2003 überträgt er an eine betriebliche Mitarbeitervorsorgekasse (MVK) Ansprüche in der Höhe von 15.000 (inklusive Steigerung von 1.000 im Jahr 2003).
|
Abfertigungsanspruch |
Abfertigungsrückstellung |
Ausmaß |
|
31.12.2001 |
20.000,00 |
10.000,00 |
50,00% |
|
Neudotierung steuerlich 2002 |
1.000,00 |
0,00 |
0,00% |
|
Verrechnung Abfertigung A |
4.000,00 |
– 2.000,00 |
|
|
verbleiben |
|
8.000,00 |
|
|
davon steuerfreier Auflösungsbetrag 2002 |
8.000,00 |
|
||
steuerwirksamer Abfertigungsbetrag 2002 (keine Fünftelverteilung) |
2.000,00 |
|
||
Abfertigungsanspruch |
steuerwirksam |
Ausmaß |
||
Anspruchszuwachs 2003 |
1.000,00 |
0,00 |
0,00% |
|
Steuerwirksamer Abfertigungsbetrag 2003 an B* |
2.000,00 |
400,00 |
20,00% |
|
Übertragung der Ansprüche an MVK 2003** |
15.000,00 |
3.000,00 |
20,00% |
* Die Aufwendungen aus der Abfertigungsverpflichtung an den Arbeitnehmer B sind im Wirtschaftsjahr 2003 und den folgenden 4 Wirtschaftsjahren jeweils mit einem Fünftel, das sind 400 absetzbar.
** Der Übertragungsbetrag an die MVK ist 2003 und in den folgenden 4 Wirtschaftsjahren steuerlich mit jeweils einem Fünftel, das sind 3.000, absetzbar.
b) Der Arbeitgeber macht 2003 von der Möglichkeit der steuerfreien Auflösung der Abfertigungsrückstellung Gebrauch. Die Ansprüche steigen im Jahr 2002 nach Berücksichtigung des Ausscheidens des Arbeitnehmers C um 1.000. Im Jahr 2003 überträgt er an die MVK Ansprüche in der Höhe von 10.000.
Abfertigungsanspruch |
Abfertigungsrückstellung |
Ausmaß |
|
31.12.2001 |
20.000,00 |
10.000,00 |
50,00% |
Verrechnung Abfertigung A |
4.000,00 |
– 2.000,00 |
50,00% |
vorläufig vor Neubewertung |
16.000,00 |
8.000,00 |
50,00% |
Neubewertung |
16.000,00 |
7.600,00 |
47,50% |
Neudotierung steuerlich 2002 |
1.000,00 |
+ 475,00 |
47,50% |
Rückstellung 31.12.2002 |
17.000,00 |
8.075,00 |
47,50% |
steuerwirksamer Abfertigungsbetrag 2002 |
2.000,00 |
||
Abfertigungsanspruch |
steuerwirksam |
Ausmaß |
|
Rückstellung 31.12.2002 |
17.000,00 |
8.075,00 |
47,50% |
Verrechnung Abfertigung B |
2.000,00 |
– 950,00 |
47,50% |
Übertragung der Ansprüche an MVK 2003 |
10.000,00 |
– 4.750,00 |
47,50% |
31.12.2003 vorläufig |
5.000,00 |
2.375,00 |
47,50% |
steuerfreier Auflösungsbetrag 2003 |
2.375,00 |
||
Rückstellung übersteigender Übertragungsbetrag (10.000 – 4.750) |
5.250,00 |
||
davon steuerwirksam 2003* |
1.050,00 |
20,00% |
|
steuerwirksamer Abfertigungsbetrag 2003 (2.000 – 950) |
1.050,00 |
* Der die Rückstellung übersteigende Übertragungsbetrag an die MVK ist im Jahr 2003 und den folgenden vier Wirtschaftsjahren zu einem Fünftel, das sind 1.050, absetzbar.
Nach steuerfreier Auflösung der Abfertigungsrückstellung besteht ein steuerliches Verbot der Neubildung von Abfertigungsrückstellungen. Dies gilt sowohl für Abfertigungsansprüche aus der aufgelösten Rückstellung als auch für Abfertigungsansprüche von Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis gemäß Arbeitsvertrag vor dem 1. Jänner 2003 begonnen hat, für die aber erst nach steuerlicher Auflösung der Abfertigungsrückstellung erstmals eine Abfertigungsrückstellung zu bilden wäre, weiters für Abfertigungsansprüche, die nach § 48 Abs. 2 BMVG für ein nach dem 31. Dezember 2002 abgeschlossenes Dienstverhältnis entstehen.
Beispiel:
Der Arbeitgeber (Bilanzstichtag 31.12.) beschäftigt ausschließlich Arbeitnehmer, die noch nicht das 50. Lebensjahr vollendet haben und deren Arbeitsverhältnis gemäß Arbeitsvertrag vor dem 1.1.2003 begonnen hat. Der Arbeitnehmer A hat laut Arbeitsvertrag sein Dienstverhältnis am 1.10.2002 begonnen. Nach einer Dauer des Dienstverhältnisses von 3 Jahren hat er Anspruch auf eine Abfertigung von 2 Monatsentgelten. Im Kalenderjahr 2005 ist jedoch keine steuerliche Rückstellungsbildung möglich, wenn sich der Arbeitgeber zur steuerfreien Auflösung der Abfertigungsrückstellung im Jahr 2002 oder 2003 entschlossen hat.