11.4.4 Das Tatbestandsmerkmal „nicht dauernd getrennt lebend“
779
Das Tatbestandsmerkmal „nicht dauernd getrennt lebend“ stellt nicht auf die Anzahl der Wohnsitze eines der beiden (Ehe-)Partner oder dessen polizeiliche Meldung und auch nicht auf die Tragung der Kosten des Familienhaushalts ab. Voraussetzung ist vielmehr, dass derjenige, der den Alleinverdienerabsetzbetrag beansprucht, bei aufrechter Ehe oder eingetragener Partnerschaft bzw. bei Partnerschaft mit Kind tatsächlich in Gemeinschaft mit seinem (Ehe-)Partner lebt. Der Umstand einer – auch längeren – beruflich notwendigen Abwesenheit eines (Ehe-)Partners steht der Annahme einer ehelichen bzw. eheähnlichen Gemeinschaft nicht entgegen. Die berufliche Abwesenheit hebt das gemeinsame Wohnen in einer bestehenden Lebensgemeinschaft dann nicht auf, wenn beide (Ehe-)Partner außerhalb dieser beruflich notwendigen Abwesenheit miteinander in Gemeinschaft leben (vgl. VwGH 21.10.2003, 99/14/0224).
Ein dauerndes Getrenntleben ist anzunehmen, wenn ein (Ehe-)Partner die gemeinsame Wohnung verlässt und getrennt von seinem (Ehe-)Partner, ohne eine eheliche Gemeinschaft mit diesem wieder aufzunehmen, auf Dauer seinen Aufenthalt in einer anderen Wohnung nimmt. Gegenseitige Besuche rechtfertigen nicht die Annahme einer dauernden Gemeinschaft (vgl. VwGH 15.02.1984, 83/13/0153).
780
Auch wenn ein (Ehe-)Partner infolge einer Krankheit oder einer Behinderung in einem Pflegeheim nicht nur vorübergehend untergebracht ist, steht der Alleinverdienerabsetzbetrag unter den allgemeinen Voraussetzungen zu, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Ehegatten oder die eingetragenen Partner dauernd getrennt leben. Vielmehr liegt diesfalls nur eine räumliche Trennung infolge Krankheit vor. Wirtschaftlich gesehen bleibt der gemeinsame Haushalt bestehen.
781
Eine aufrechte Ehe spricht grundsätzlich gegen eine dauernd getrennte Lebensführung. Es ist allerdings möglich, diese Vermutung zu widerlegen. Maßgebend für das Tatbestandsmerkmal nicht dauernd getrennt zu leben ist nicht die Anzahl der Wohnsitze eines der beiden Ehegatten oder dessen polizeiliche Meldung, sondern ausschließlich die Sachverhaltsfrage, ob der Steuerpflichtige, der den Alleinverdienerabsetzbetrag beantragt, bei an sich aufrechter Ehe tatsächlich in Gemeinschaft mit seinem Ehegatten lebt oder nicht (VwGH 22.10.1997, 95/13/0161, 0164).
Ist ein Steuerpflichtiger zwar mit der Kindesmutter verheiratet, lebt er aber mit ihr in Scheidung und nächtigt – nach Bezug einer eigenen Wohnung – lediglich vereinzelt in der ehelichen Wohnung, so kann das bei der Mutter lebende Kind nicht beim Steuerpflichtigen als haushaltszugehörig angesehen werden. Daran ändert auch nichts, wenn die Ehegatten noch über ein gemeinsames Bankkonto verfügen. Der Umstand, dass die Geschlechtsgemeinschaft aufgehoben ist, steht hingegen einer gemeinsamen Haushaltsführung nicht entgegen (VwGH 18.3.1997, 96/14/0006).
11.4.5 Lebensgemeinschaft
782
Das Tatbestandsmerkmal einer eheähnlichen Gemeinschaft stellt auf das Zusammenleben in einer Lebensgemeinschaft ab, wozu im Allgemeinen eine Geschlechts-, Wohnungs- und Wirtschaftsgemeinschaft gehört. Dabei kann aber das eine oder andere dieser aufgezählten Merkmale fehlen. Das Wohnen in gemeinsamer Wohnung mit gemeinsamen Kind lässt auf das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft schließen (VwGH 23.10.1997, 96/15/0176, 0177).
Siehe auch Beispiel Rz 10782.
Randzahl 783: derzeit frei
11.5 Alleinerzieherabsetzbetrag (§ 33 Abs. 4 Z 2 EStG 1988)
784
Einem Alleinerzieher steht ein Alleinerzieherabsetzbetrag zu. Alleinerzieher ist eine Person, die mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1 EStG 1988) mehr als sechs Monate nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner lebt (zB ledig, verwitwet, geschieden oder von seinem Ehegatten dauernd getrennt lebend). Wer mehr als sechs Monate im Kalenderjahr mit einem (neuen) Partner in einer Gemeinschaft lebt, ist kein Alleinerzieher.
Der Absetzbetrag beträgt:
- mit einem Kind im Sinne des § 106 Abs. 1 EStG 1988 – 494 Euro,
- mit zwei Kindern im Sinne des § 106 Abs. 1 EStG 1988 – 669 Euro,
- mit drei Kindern im Sinne des § 106 Abs. 1 EStG 1988 – 889 Euro,
- für jedes weitere Kind erhöht sich dieser Betrag von 889 Euro um 220 Euro.
Für Kinder in Mitgliedstaaten der Europäischen Union, Staaten des Europäischen Wirtschaftsraumes sowie der Schweiz wird der Alleinerzieherabsetzbetrag anhand der tatsächlichen Lebenshaltungskosten für Kinder indexiert. Als Berechnungsgrundlage für diese Werte werden die vom Statistischen Amt der Europäischen Union publizierten „Vergleichenden Preisniveaus des Endverbrauchs der privaten Haushalte einschließlich indirekter Steuern (EZ28=100)“ herangezogen. Diese Beträge werden alle zwei Jahre angepasst und mit Verordnung des Bundesministers für Finanzen festgelegt (Familienbonus Plus-Absetzbeträge-EU-Anpassungsverordnung).
Für Kinder außerhalb dieser Staaten steht kein Alleinerzieherabsetzbetrag zu.
Wechselt ein Kind unterjährig den Wohnsitzstaat, ist auf den überwiegenden Aufenthalt im Kalenderjahr abzustellen.
Steht der Alleinerzieherabsetzbetrag für mehrere Kinder zu und halten sich diese Kinder in unterschiedlichen Ländern auf, sind sie nach ihrem Alter zu reihen und zuerst das älteste anspruchsberechtigte Kind zu berücksichtigen (vgl. Rz 771).
11.6 Berücksichtigung von Alleinverdiener-, Alleinerzieherabsetzbetrag und Familienbonus Plus
785
Zur Berücksichtigung des Alleinverdiener- oder des Alleinerzieherabsetzbetrages und des Familienbonus Plus bei der laufenden Lohnverrechnung hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber auf einem amtlichen Vordruck (Formular E 30) eine Erklärung über das Vorliegen der Voraussetzungen abzugeben (§ 129 Abs. 1 EStG 1988). In dieser Erklärung sind zur Berücksichtigung des Alleinverdiener- oder des Alleinerzieherabsetzbetrages Name und Versicherungsnummer des (Ehe)Partners und von Kindern (§ 106 Abs. 1 EStG 1988), sowie der Wohnsitz der Kinder anzugeben. Der Arbeitgeber hat die Erklärung des Arbeitnehmers zum Lohnkonto zu nehmen. Die Erklärung für die Inanspruchnahme des Alleinverdiener- oder des Alleinerzieherabsetzbetrages darf gleichzeitig nur einem Arbeitgeber vorgelegt werden.
Siehe auch Beispiel Rz 10785.
786
Der Alleinverdiener- oder der Alleinerzieherabsetzbetrag stehen grundsätzlich von Amts wegen zu. Zur Berücksichtigung bei der Veranlagung ist aber die entsprechende Erklärung über das Vorliegen der Voraussetzungen in der Einkommensteuererklärung bzw. der Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung auszufüllen, und zwar auch dann, wenn der Alleinverdiener- bzw. Alleinerzieherabsetzbetrag durch den Arbeitgeber berücksichtigt wurde. Wurde der Alleinverdiener- oder der Alleinerzieherabsetzbetrag im Rahmen der Veranlagung nicht berücksichtigt, weil das Vorliegen der Voraussetzungen nicht bekannt war, ist bei einem Hervorkommen der Voraussetzungen eine Wiederaufnahme von Amts wegen vorzunehmen.
787
Den Wegfall der Voraussetzungen für den Alleinverdiener- oder Alleinerzieherabsetzbetrag muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber innerhalb eines Monats melden. Ab dem Zeitpunkt der Meldung über den Wegfall der Voraussetzungen hat der Arbeitgeber den Alleinverdiener- oder Alleinerzieherabsetzbetrag nicht mehr zu berücksichtigen. Erfolgt eine Aufrollung gemäß § 77 Abs. 3 oder 4 EStG 1988 sind dabei die auf Grund der Meldung bekannten Verhältnisse zu berücksichtigen.
788
Steht der Alleinverdiener- oder Alleinerzieherabsetzbetrag nicht zu, wurde er aber bei der laufenden Lohnverrechnung (auch während eines Teiles des Kalenderjahres) berücksichtigt, ist eine Pflichtveranlagung durchzuführen (§ 41 Abs. 1 Z 5 EStG 1988). Gemäß § 42 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 besteht Steuererklärungspflicht, und zwar auch dann, wenn der Alleinverdiener- oder Alleinerzieherabsetzbetrag während eines Teiles des Kalenderjahres zu Recht gewährt wurde, die Voraussetzungen aber weggefallen sind und das zu veranlagende Einkommen mehr als (12.000 Euro) betragen hat.
789
Gemäß § 33 Abs. 8 EStG 1988 sind sowohl der Alleinverdienerabsetzbetrag bei mindestens einem Kind gemäß § 106 Abs. 1 EStG 1988 als auch der Alleinerzieherabsetzbetrag gutzuschreiben, wenn infolge niedriger Einkünfte eine entsprechende Steuerleistung nicht vorliegt. Diese Gutschrift erfolgt im Veranlagungsverfahren. Der Kinderabsetzbetrag bleibt bei der Berechnung der Steuer außer Ansatz.
789a
Zur Berücksichtigung des Familienbonus Plus durch den Arbeitgeber hat der Arbeitnehmer auf dem amtlichen Vordruck (Formular E 30) folgende Daten anzugeben:
- Nachname und Vorname des Kindes
- Versicherungsnummer des Kindes
- Geburtsdatum des Kindes
- Wohnsitz des Kindes
- Ob der Arbeitnehmer der Familienbeihilfenberechtigte oder dessen (Ehe-)Partner ist bzw. ob er den gesetzlichen Unterhalt für ein nicht haushaltszugehöriges Kind leistet
- Ob der Familienbonus Plus zur Gänze oder zur Hälfte berücksichtigt werden soll
Weiters ist dem Arbeitgeber ein Nachweis über den Familienbeihilfenbezug, bzw. im Falle eines unterhaltszahlenden Elternteils der Nachweis über die Leistung des gesetzlichen Unterhalts vorzulegen. Dies kann beispielsweise hinsichtlich der tatsächlichen Leistungen etwa durch einen aktuellen Zahlungsnachweis erfolgen. Legt der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber einen Nachweis über die bisher erfolgte Unterhaltszahlung vor und wird diese zum Lohnkonto genommen, löst die spätere Säumigkeit des Unterhaltsverpflichteten keine Haftung des Arbeitgebers hinsichtlich des Familienbonus Plus aus.
Hat der Arbeitgeber die Lohnsteuer unter Berücksichtigung von Erklärungen des Arbeitnehmers richtig berechnet und einbehalten, führt eine nachträgliche Berichtigung – zB im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung – nicht zur Annahme einer unrichtigen Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer. Bei offensichtlich unrichtigen Angaben darf der Arbeitgeber den Familienbonus Plus nicht berücksichtigen.
Eine Haftung des Arbeitgebers wegen unrichtiger Angaben in der Erklärung des Arbeitnehmers besteht nur dann, wenn offensichtlich unrichtige Erklärungen des Arbeitnehmers beim Steuerabzug berücksichtigt wurden – folglich in Fällen von grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz. Dies gilt auch hinsichtlich der Berücksichtigung des Alleinverdiener- bzw. Alleinerzieherabsetzbetrages und des erhöhten Pensionistenabsetzbetrages.
789b
Die gewählte Aufteilung des Familienbonus Plus (dh. zur Gänze oder zur Hälfte) kann von den Steuerpflichtigen während eines Kalenderjahres nur bei einer Änderung der maßgebenden Verhältnisse verändert werden. Änderungen der Verhältnisse hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber innerhalb eines Monats zu melden (Formular E 31). Beim Familienbonus Plus sind dem Arbeitgeber beispielsweise folgende Änderungen bekannt zu geben:
- Wegfall der Familienbeihilfe
- Änderung des Wohnsitzstaates des Kindes
- Wechsel des Familienbeihilfeberechtigten
- Wegfall des Anspruches auf den Unterhaltsabsetzbetrag
Der Arbeitgeber hat ab dem Zeitpunkt der Meldung über die Änderung der Verhältnisse den Familienbonus Plus, beginnend mit dem von der Änderung betroffenen Monat, nicht mehr oder in geänderter Höhe zu berücksichtigen (§ 129 Abs. 4 EStG 1988). Dies kann eine Aufrollung erforderlich machen.
789c
Sobald das Kind das 18. Lebensjahr vollendet hat, darf der Arbeitgeber den Familienbonus Plus ab dem Folgemonat nicht mehr berücksichtigen (zB 18. Geburtstag am 2. März, keine Berücksichtigung mehr im April). Erst wenn der Arbeitnehmer eine neuerliche Erklärung (Formular E 30) und einen Nachweis über das Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen vorlegt, kann der Familienbonus Plus (in geringerer Höhe) weiter berücksichtigt werden. Sobald die Familienbeihilfe wegfällt, ist aber jedenfalls kein Familienbonus Plus mehr zu berücksichtigen.
11.7 Kinderabsetzbetrag (§ 33 Abs. 3 EStG 1988)
11.7.1 Allgemeines
790
Gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 steht einem Steuerpflichtigen, dem auf Grund des FLAG 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu.
791
Die Auszahlung erfolgt in allen Fällen gleichzeitig mit der Auszahlung (Überweisung) der Familienbeihilfe. Der Kinderabsetzbetrag ist nicht teilbar. Für ein Kind steht nur einer Person – der auch die Familienbeihilfe ausgezahlt wird – der Kinderabsetzbetrag zu. Der Kinderabsetzbetrag beeinflusst weder die laufende Lohnverrechnung noch die Ermittlung der Lohn- und Einkommensteuer im Veranlagungsverfahren, wohl aber die Höhe einer erstattungsfähigen Kapitalertragsteuer gemäß § 97 Abs. 4 EStG 1988.
Randzahl 791a: entfällt
11.7.2 Kinder, die sich im EU/EWR-Raum und Schweiz aufhalten
792
Auf Grund der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen betreffend Familienleistungen sind die Kinderlasten bei steuerpflichtigen EU/EWR-Bürgern mit im EU/EWR-Raum aufhältigen Kindern wie folgt zu berücksichtigen:
Auf Grund des Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (Text von Bedeutung für den EWR und die Schweiz) und der dazu ergangenen Rechtsprechung des EuGH gilt der Kinderabsetzbetrag als „Familienleistung“. In Österreich beschäftigte EU-Bürger, Bürger der EWR-Mitgliedstaaten (Island, Liechtenstein und Norwegen) und Bürger aus der Schweiz, deren Kinder sich ständig in einem Mitgliedstaat der EU/EWR oder der Schweiz aufhalten, haben daher bei Anspruch auf Familienbeihilfe auch Anspruch auf den Kinderabsetzbetrag.
Für Kinder, die sich ständig außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz aufhalten, steht grundsätzlich kein Kinderabsetzbetrag zu. Dies gilt nicht für Kinder, für die Familienbeihilfe bezogen wird und die sich nur vorübergehend zur Berufsausbildung außerhalb der oben genannten Staaten aufhalten.
Zur Möglichkeit, Unterhaltsleistungen für außerhalb des EU/EWR-Raumes oder der Schweiz lebende minderjährige Kinder ausnahmsweise als außergewöhnliche Belastung geltend machen zu können, siehe Rz 866.