15.2 Tierzucht- und Tierhaltungsbetriebe
5139
Landwirtschaftliche Tierhaltung bedeutet das Halten von Tieren unter Nutzung der Bodenbewirtschaftung (Verwertung von pflanzlichen Erzeugnissen als Futtermittel) zur Verwertung der von ihnen und/oder aus ihnen erzeugten Produkte (Milch, Samen, Fleisch), aber auch zu ihrer Verwendung zB als Zugtiere oder als Tiere für den Reitsport.
5140
Tierzucht bedeutet die Vermehrung und Züchtung von Tieren unter Nutzung der Bodenbewirtschaftung zur Verwendung für die eigene Zucht und Tierhaltung oder für den Verkauf. Daher ist auch das Halten und die Zucht von zB Fasanen, Straußen, Wachteln oder Lamas eine Tätigkeit innerhalb der Land- und Forstwirtschaft.
5141
Ein landwirtschaftlicher Hauptbetrieb liegt vor, wenn zur Tierzucht oder Tierhaltung überwiegend Erzeugnisse verwendet werden, die im eigenen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gewonnen wurden (§ 21 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 in Verbindung mit § 30 Abs. 3 BewG 1955). Die Erzeugnisse (insbesondere Futtermittel) müssen daher wertmäßig zu mehr als 50% aus der eigenen Bodenbewirtschaftung gewonnen werden.
5142
Tierzucht- und Tierhaltungsbetriebe, in denen zur Zucht oder Haltung der Tiere überwiegend zugekaufte Futtermittel verwendet werden, gelten aber noch als landwirtschaftliche Betriebe, wenn die im § 30 Abs. 5 bis 7 BewG 1955 angeführten Voraussetzungen (Vieheinheiten bezogen auf die reduzierte landwirtschaftliche Nutzfläche, wobei Flächen im Ausland unbeachtlich sind) vorliegen.
Einzeljahre, die auf Grund von Katastrophenereignissen (zB Hagel, Überschwemmung, Dürre usw.) einen überdurchschnittlichen Zukauf von Futtermitteln erfordern, können außer Betracht bleiben. Die genannten Gründe für den überdurchschnittlichen Zukauf sind glaubhaft zu machen.
5142a
Rechtslage bis Veranlagung 2019:
Die Schneckenzucht ist unter den in § 21 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 erfassten Tatbestand „Tierzucht- und Tierhaltung im Sinne des § 30 Abs. 3 bis 7 des Bewertungsgesetzes 1955“ zu subsumieren. Da für Schnecken keine Vieheinheiten existieren, ist die Schneckenzucht dem § 21 EStG 1988 zuzuordnen, wenn dazu überwiegend Erzeugnisse verwendet werden, die im eigenen Betrieb gewonnen werden. Entsprechendes gilt für die Zucht von Insekten als Nahrungsmittel (zB Heuschrecken; Mehlwürmer) oder Futtermittel (Soldatenfliegenlarven als Fischfutter).
Rechtslage ab Veranlagung 2020:
Die Schneckenzucht ist unter den in § 21 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 erfassten Tatbestand „Einkünfte aus übrigem land- und forstwirtschaftlichem Vermögen iSd § 50 des Bewertungsgesetzes 1955“ zu subsumieren. Einkünfte aus der Schneckenzucht sind daher dem § 21 EStG 1988 zuzuordnen, wenn das dazu verwendete Vermögen nach dem Bewertungsgesetz 1955 als land- und forstwirtschaftliches Vermögen einzustufen ist.
Entsprechendes gilt für die Zucht von Insekten als Nahrungsmittel (zB Heuschrecken; Mehlwürmer) oder Futtermittel (Soldatenfliegenlarven als Fischfutter).
5143
Die Vieheinheiten sind an Hand des Gesamttierbestandes zu beurteilen und nicht nach einzelnen Tierarten. Werden die Vieheinheiten überschritten, liegt ein landwirtschaftlicher Betrieb dennoch vor, wenn überwiegend Futtermittel aus der eigenen Landwirtschaft beigestellt werden.
5144
Wenn der für die Viehzucht notwendige Futtermittelbedarf nicht aus der eigenen Land- und Forstwirtschaft stammt (und den Voraussetzungen im § 30 Abs. 5 bis 7 BewG 1955 nicht entsprochen wird), ist die Viehzucht grundsätzlich ein von der Landwirtschaft abgesonderter selbständiger Gewerbebetrieb (VwGH 15.5.1959, 1424/58); dies ist nach dem gesamten Viehbestand und nicht nach einzelnen Tierarten zu beurteilen.
5145
Werden in der Landwirtschaft Pferde auch zu Fuhrleistungen sowie Kutschen- und Schlittenfahrten verwendet, wird die Pferdehaltung noch nicht zum Gewerbebetrieb (VwGH 18.05.1960, 2714/59), wenn es sich um Nebenleistungen handelt. Die Einkünfte aus diesen Tätigkeiten sind solche aus Nebenerwerb. Stellen die Kutschen- und Schlittenfahrten jedoch den Hauptzweck des Betriebes dar, liegen Einkünfte aus Gewerbebetrieb vor.
5146
Auch Viehmästereien, Abmelkställe und Geflügelfarmen fallen unter Tierzucht und Tierhaltung, nicht hingegen Tierhandelsbetriebe (VwGH 16.3.1989, 88/14/0226). Eine Ausnahme besteht für die von einer Landwirtschaftskammer anerkannten Geflügelvermehrungszuchtbetriebe (gilt für Haushühner, Hausenten, Hausgänse und Puten), die auch dann als landwirtschaftlicher Hauptbetrieb oder Nebenbetrieb gelten, wenn zur Tierzucht überwiegend fremde Erzeugnisse verwendet werden. Durch die Anerkennung einer Geflügelzucht als Vermehrungszuchtbetrieb (Abgabe einwandfreier Bruteier, Eintagskücken und Junghühner zur Verbesserung der ländlichen Hühnerhaltung) ist das einzige erforderliche Tatbestandsmerkmal erfüllt, um die Einkünfte aus diesem Betrieb als solche aus Land- und Forstwirtschaft werten zu können; für diese Qualifikation schadet nicht, wenn daneben auch eine Geflügelmast betrieben wird (VwGH 18.6.1969, 1268/68).
5147
Gewerbliche Einkünfte liegen vor, wenn die Urproduktion (Zucht von Tieren) im Vergleich zum Tierhandel von untergeordneter Bedeutung ist (VwGH 16.3.1989, 88/14/0226; VwGH 12.9.1996, 94/15/0071). Ebenso bleibt ein Viehhändler Gewerbetreibender, wenn er Vieh einstellt.
5148
Bei überwiegend eigenem Futtermitteleinsatz ist auch das Halten von Tieren im Wildgatter zum land- und forstwirtschaftlichen Betriebsbereich zu zählen. Tiergärten sind Gewerbebetriebe, weil die Tiere ohne natürliche Äsungsfläche gehalten werden und der Ertrag (überwiegend) aus Eintrittsgeldern erzielt wird.
15.3 Land- und forstwirtschaftliche Nebenbetriebe
5149
Als land- und forstwirtschaftlicher Nebenbetrieb gilt gemäß § 21 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 (und § 30 Abs. 8 BewG 1955) ein Betrieb, der einem land- und forstwirtschaftlichen Hauptbetrieb seiner Funktion nach zu dienen bestimmt ist. Näheres siehe Rz 4209 ff.
15.4 Land- und forstwirtschaftliche Nebenerwerbe und Nebentätigkeiten
5150
Eine land- und forstwirtschaftliche Nebentätigkeit ist eine an sich nicht land- und forstwirtschaftliche Tätigkeit, die wegen ihres engen Zusammenhanges mit der Haupttätigkeit und wegen ihrer untergeordneten Bedeutung gegenüber dieser Haupttätigkeit nach der Verkehrsauffassung in dieser gleichsam aufgeht, sodass die gesamte Tätigkeit des Land- und Forstwirts als land- und forstwirtschaftlich anzusehen ist (VwGH 21.7.1998, 93/14/0134). Näheres siehe Rz 4201 ff.
15.5 Verpachtung von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben und Betriebsteilen
5151
Entschädigungen, die im Falle der Verpachtung von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben oder Betriebsteilen für das Feldinventar und die stehende Ernte gezahlt werden, sind bei der Ermittlung des Gewinnes des Verpächters bzw. des Pächters zu berücksichtigen. Gleiches gilt auch bei Wechsel des Pächters oder einer Zurücknahme des land- und forstwirtschaftlichen (Teil)Betriebes in Eigenbewirtschaftung.
15.5.1 Betriebsverpachtung oder Betriebsaufgabe
5152
Auch bei einer Dauerverpachtung ist das Pachtentgelt den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft zuzuordnen, solange eine Bewertung als land- und forstwirtschaftliches Vermögen iSd § 29 BewG 1955 erfolgt. Dies gilt auch dann, wenn ein Erbe den Betrieb niemals selbst geführt hat, sondern dauernd verpachtet. Liegt Dauerverpachtung für nicht land- und forstwirtschaftliche Zwecke vor, sind die Pachtzinse Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Ein Landwirt gibt seinen Betrieb auf, wenn er sämtliche Flächen des Betriebes auf Dauer nicht mehr land- und forstwirtschaftlich nutzt, sondern zu betriebsfremden (nicht land- und forstwirtschaftlichen) Zwecken langfristig verpachtet.
5153
Für den Fall, dass eine Dauerverpachtung und somit eine Betriebsaufgabe anzunehmen ist, ist ein Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG 1988 vorzunehmen (falls der Gewinn bisher nach § 4 Abs. 3 EStG 1988 ermittelt wurde, ist ein Übergangsgewinn/verlust zu berechnen), wobei im Wesentlichen Betriebsgebäude, Vieh, Vorräte, stehende Ernte und stehendes Holz als Bewertungsposten in Frage kommen.
Zur bäuerlichen Hofübergabe siehe Rz 5572a.
15.5.2 Verträge zwischen nahen Angehörigen
5154
Wird der land- und forstwirtschaftliche (Teil)Betrieb unentgeltlich übergeben, liegt keine Betriebsaufgabe vor. Dazu zählen Schenkung, gemischte Schenkung (VwGH 23.10.1990, 90/14/0102), Betriebsübergabe gegen Versorgungsrente (VwGH 11.9.1989, 88/15/0129) oder Ausgedingsverpflichtungen (VwGH 19.10.1987, 86/15/0129). In Fällen der Voll- und Teilpauschalierung kann bei unterjähriger Übertragung des (Teil)Betriebes der Grundbetrag gemäß § 2 der LuF PauschVO zwischen Übergeber und Übernehmer monatsweise aliquotiert werden, während die in ihrer tatsächlichen Höhe zu erfassenden Betriebseinnahmen entsprechend dem Zuflussprinzip zuzuordnen sind. Die (pauschalen) Betriebsausgaben sind von den entsprechenden Betriebseinnahmen in Abzug zu bringen, wobei die pauschalen Betriebsausgaben von 5.000 Euro je ha Weinbaufläche und die Ausgedingslasten (700 Euro jährlich) monatsweise zu aliquotieren sind.
5155
Es widerspricht den steuerlich für die Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen geltenden Voraussetzungen (insbesondere der Fremdüblichkeit), wenn Minderjährige als Pächter eingesetzt werden oder wenn die Pächter keine einschlägigen Kenntnisse der Land- und/oder Forstwirtschaft aufweisen oder wegen anderer Betätigungen zeitlich kaum die Möglichkeit zur Bewirtschaftung der land- und/oder forstwirtschaftlichen Flächen haben.
5156
Bei der Verpachtung der Land- und/oder Forstwirtschaft an nahe Angehörige sind die Einkünfte daraus dem Pächter zuzurechnen, wenn dieser die Land- und/oder Forstwirtschaft im eigenen Namen und auf eigene Rechnung betreibt. Der Pachtzins stellt beim Verpächter eine Einnahme und beim Pächter eine Betriebsausgabe dar. Wird ein unangemessen niedriger Pachtzins vereinbart bzw. bezahlt, so wird darin eine steuerlich unbeachtliche Unterhaltsleistung oder Ausgedingsleistung zu erblicken sein und entweder eine unentgeltliche Nutzungsüberlassung oder unentgeltliche Betriebsübergabe, nicht aber eine Betriebsaufgabe anzunehmen sein.
15.5.3 Ermittlung der gemeinen Werte und der Buchwerte bei Betriebsveräußerungen
5157
Bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinnes ist jener Teil des Veräußerungsgewinnes gesondert zu ermitteln, der auf die Veräußerung bzw. Entnahme von Grundstücken im Sinne des § 30 Abs. 1 EStG 1988 entfällt; dabei sind jene Veräußerungskosten, die mit der Veräußerung von Grund und Boden im Zusammenhang stehen, außer Ansatz zu lassen. Bei der Veräußerungsgewinnermittlung ist auch zu beachten, dass die Entnahme von nackten Grund und Boden gemäß § 6 Z 4 EStG 1988 mit dem Buchwert zu erfolgen hat. Der auf die Veräußerung oder Entnahme von Grundstücken entfallende Veräußerungsgewinn ist mit dem besonderen Steuersatz gemäß § 30a Abs. 1 EStG 1988 zu versteuern. Andere Begünstigungen im Zusammenhang mit Betriebsveräußerungen sind auf diesen Teil des Veräußerungsgewinnes nicht anzuwenden. Auf die Bezeichnung der einzelnen Teile des Kaufpreises kommt es für ihre steuerliche Beurteilung nicht an.
5158
Der Tatbestand der Veräußerung ist nicht schon mit dem Abschluss des Rechtsgeschäftes (Verpflichtungsgeschäft), sondern erst mit dessen Erfüllung durch den Veräußerer verwirklicht. Die bewertungsrechtliche Zurechnung des gegenständlichen Grundbesitzes ist für die Einkommensbesteuerung belanglos (VwGH 21.10.1986, 86/14/0021).
5159
Die Höhe der einzelnen gemeinen Werte für Grund und Boden, Holzbestand, stehende Ernte, Viehbestand, Jagd, Fischerei, Gebäude, Bodenschatz usw. sind nach anerkannten Bewertungsmethoden zu ermitteln. Die Wahl des Bewertungsverfahrens ist entsprechend zu begründen. Ein vorgelegtes Gutachten des Steuerpflichtigen unterliegt der freien Beweiswürdigung durch die Behörde.
15.5.3.1 Landwirtschaftliche Flächen
5160
Die Bewertung erfolgt vorwiegend nach dem Vergleichswertverfahren. Herangezogen werden Vergleichspreise bei landwirtschaftlichen Grundstücken. Aus vorhandenen glaubwürdigen Vergleichspreisen wird in Anpassung an die Widmung, Lage, Aufschließung, Bonitäten, Größe, Form und sonstigen Verhältnisse des Bewertungsgegenstandes der Verkehrswert des Grundstückes angesetzt.
15.5.3.2 Forstwirtschaftliche Flächen
5161
Grund und Boden, Holzbestand, Jagd, Fischerei, Gebäude, Bodenschatz usw. sind jeweils mit dem Verkehrswert zu bewerten. Diese Wertrelation bildet die Grundlage für die Aufteilung des Verkaufserlöses auf die einzelnen Wirtschaftsgüter. Der den einzelnen Wirtschaftsgütern beizumessende Wertansatz kann sich nur aus der Sicht einer objektiven Betrachtungsweise unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Veräußerung ergeben.
Als maßgebliche Umstände zur Bewertung des Waldbodens sind die Verkehrs- und Bringungslage, die natürlichen Ertragsbedingungen, die Geländeverhältnisse sowie die Einteilung der Betriebsklassen (Wirtschaftswald, Schutzwald in Ertrag, Schutzwald außer Ertrag) zu berücksichtigen.
15.5.3.3 Stehendes Holz
5162
Bei der Bestandesbewertung sind Baumarten, Altersklassenverteilung, Umtriebszeit, Kulturkostenstufe, Ertragsklassen, Hektarausmaß, Bestockungsgrad, Vorratsfestmeter/Hektar zur Umtriebszeit bzw. tatsächlicher Vorrat für über die Umtriebszeit liegende Bestände, Ernteverluste, erntekostenfreier Erlös pro fm (= Qualitätsziffer) und der Alterswertfaktor festzustellen.
5163
Unter dem Wert des stehenden Holzes ist die Summe aller Bestandeswerte – nicht nur der Wert des hiebsreifen Holzes – zu verstehen. Je nach Bestandesalter errechnet er sich
- für Kulturen und Jungbestände als Bestandeskostenwert (auf das jeweilige Alter prolongierte Kulturkosten),
- für mittelalte Bestände als Bestandeserwartungswert („Jetztwert der in Zukunft vom Bestand zu erwartenden Erlöse“, welcher näherungsweise durch Diskontierung des Abtriebsertrages auf das jeweilige Bestandesalter zu ermitteln ist) und
- für hiebsreife Bestände als Abtriebswert.
5164
Bei der Ermittlung des Abtriebswertes eines Holzbestandes sind die Kosten zu berücksichtigen, die unmittelbar mit der Holzernte im Zusammenhang stehen und sich auf Grund der Gelände- und Bringungsmerkmale für Schlägerung, Aufarbeitung und Rückung (Erdlieferung bzw. Schlepperrückung mit Seilzuzug) ergeben.
5165
Die Bewertung des Holzbestandes kann hilfsweise unter Zugrundelegung der im (Forst-)Operat ausgewiesenen und auf den Bewertungsstichtag fortgeschriebenen Waldgrunddaten erfolgen.
15.5.3.4 (Eigen-)Jagdrecht
5166
Wertrelevante Faktoren für die Bildung des Verkaufserlöses für die Eigenjagd sind insbesondere Wildarten, Abschussquoten laut Abschussplan, Qualität der Trophäen Arrondierung des Jagdgebietes, Erschlossenheit (Wege), Jagdeinrichtungen sowie der erzielbare Jagdpachtzins.
5167
Ob die Vertragspartner im Kaufvertrag einen Wertansatz für das Eigenjagdrecht gemacht haben, ist für die Notwendigkeit der Aufteilung des einheitlichen Kaufpreises auf die steuerrechtlich relevanten Komponenten ohne Bedeutung. Da das Eigenjagdrecht als selbständig bewertbares Wirtschaftsgut bei der Gewinnermittlung in Ansatz gebracht werden muss, ist die betreffende Komponente zu schätzen und der auf sie entfallende Teil des Kaufpreises durch Verhältnisrechnung zu ermitteln (VwGH 11.12.1990, 90/14/0199).
5168
Wird im Falle der Enteignung eines Grundstückes das Jagdrecht nicht gesondert entschädigt, sondern als den Wert von Grund und Boden erhöhend angesehen, so ist dies Ausfluss dessen, dass es im Fall des Eigentumsüberganges des Grundstückes kein selbständiges Schicksal haben kann. Dieser Umstand spricht aber nicht gegen die selbständige Bewertbarkeit des Jagdrechtes (VwGH 16.11.1993, 90/14/0077).
5169
Ist das Jagdgebiet (keine Eigenjagd) nicht unerheblich, kann der Jagdwert vom Jagdpachterlös aus dem Gemeindejagdrevier hergeleitet werden (Abzinsung und Gewinnabschlag). Stellt der Jagdwert wegen des geringen, in die Gemeindejagd eingegliederten Jagdgebietes keinen wertrelevanten Faktor der Kaufpreisbildung dar, kann auf die Bewertung als eigenes Wirtschaftsgut verzichtet werden.
15.6 Entschädigungen für Wirtschaftserschwernisse
5170
Entschädigungen für Wirtschaftserschwernisse stellen wirtschaftlich einen Ersatz der Mehraufwendungen dar, die dem Land- und Forstwirt infolge der erschwerten Bewirtschaftung in den folgenden Jahren erwachsen. Diese Entschädigungen stellen Betriebseinnahmen dar (VwGH 24.2.1961, 3045/58). Wirtschaftserschwernisse können sich dadurch ergeben, dass durch die Abgabe von Betriebsteilen der vorhandene Gebäude- und Inventarbestand über die Erfordernisse des Restbetriebes hinausgeht und der Überbestand sich als eine Belastung für den Betrieb darstellt oder dass sich durch die Abtrennung von Betriebsteilen die Bewirtschaftung des Betriebes verteuert.
Beispiel:
Eine Autobahn wird quer durch den Betrieb geführt. Da sie nur an wenigen Stellen einen Übergang zulässt, sind Umwege erforderlich, die höhere Kosten verursachen.
5171
Den Betriebseinnahmen steht die Wirtschaftserschwernis als Belastung gegenüber. Deshalb kann zum Ausgleich in die Vermögensübersicht am Schluss des betreffenden Wirtschaftsjahres ein Passivposten in Form eines Rechnungsabgrenzungspostens bis zur Höhe der erhaltenen Entschädigung eingesetzt werden, der gleichmäßig verteilt innerhalb eines Zeitraumes bis zu 20 Jahren zu Gunsten des Gewinnes aufzulösen ist (siehe dazu allgemein Rz 587). Bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG 1988 sind Entschädigungen für künftige Wirtschaftserschwernisse dem § 32 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 zuzuordnen; auf Antrag können die Entschädigungszahlungen gemäß § 37 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 gleichmäßig auf drei Jahre verteilt werden (die Bildung von Rechnungsabgrenzungsposten ist im Rahmen der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1988 unzulässig). Zur Vollpauschalierung siehe Rz 4182.
15.7 Einkünfte aus Anlass der Einräumung von Leitungsrechten
15.7.1 Steuerabzug bei Einkünften aus Anlass der Einräumung von Leitungsrechten (§ 107 EStG 1988)
5172
§ 107 EStG 1988 sieht vor, dass Einkünfte in Zusammenhang mit dem einem Infrastrukturbetreiber eingeräumten Recht, Grund und Boden zur Errichtung und zum Betrieb von ober- oder unterirdischen Leitungen im öffentlichen Interesse zu nutzen, bei Auszahlungen ab 2019 einer Abzugsteuer unterliegen. Mit dem Steuerabzug sind die erfassten Einkünfte endbesteuert, es sei denn, es wird die Regelbesteuerung beantragt. Zu § 107 EStG 1988 siehe die Rz 8207a ff.
15.7.2 Einkünfte aus Anlass der Einräumung von Leitungsrechten in der Veranlagung
5173
Einkünfte aus Anlass der Einräumung von Leitungsrechten sind in folgenden Fällen in der Veranlagung zu erfassen:
1.Veranlagungen bis 2017:
Die Einkünfte sind entsprechend den Rz 5174 bis Rz 5175c zu erfassen. Für Fälle, die von § 107 EStG 1988 erfasst sind (Einkünfte von Infrastrukturbetreibern, siehe dazu Rz 8207c), besteht eine Ausnahme in Fällen, in denen § 124b Z 334 EStG 1988 anzuwenden ist. Das sind zum 14.8.2018 nicht rechtskräftig veranlagte Fälle, in denen – wie bei der Veranlagung 2018 – bereits § 107 Abs. 11 EStG 1988 anzuwenden ist (siehe dazu Rz 8207s).
2.Veranlagung 2018:
a)Einkünfte, die von § 107 EStG 1988 erfasst sind (Einkünfte von Infrastrukturbetreibern, siehe dazu Rz 8207c): Die Bemessungsgrundlage ist (§ 124b Z 334 EStG 1988 iVm § 107 Abs. 11 EStG 1988):
-
- 33% des (Netto)Auszahlungsbetrages als pauschale Bemessungsgrundlage (siehe dazu Punkt 3 lit. a). Die Rz 5174 bis Rz 5175c sind nicht anzuwenden.
- Die vom Steuerpflichtigen durch ein Gutachten nachzuweisende Bemessungsgrundlage. Rz 5174, Rz 5175b und Rz 5175c sind anzuwenden. Die Pauschalsätze der Rz 5175a sind nicht anzuwenden. Anhang VI ist zu beachten.
b)Einkünfte, die von § 107 EStG 1988 nicht erfasst sind (zB Einkünfte von Auszahlern, die keine Infrastrukturbetreiber sind, siehe dazu Rz 8207d): Die Einkünfte sind entsprechend den Rz 5174 bis Rz 5175c zu erfassen.
3.Veranlagungen ab 2019:
a)Einkünfte, die von § 107 EStG 1988 erfasst sind (Einkünfte von Infrastrukturbetreibern, siehe dazu Rz 8207c): Die Einkommensteuer ist mit der Abzugsteuer gemäß § 107 EStG 1988 abgegolten. In die Veranlagung sind derartige Einkünfte nur mehr aufzunehmen, wenn die Regelbesteuerung beantragt wird (siehe Rz 8207p). In diesem Fall ist Bemessungsgrundlage:
-
- 33% des (Netto)Auszahlungsbetrages als pauschale Bemessungsgrundlage. Rz 5174 bis Rz 5175c sind nicht anzuwenden.
- Die vom Steuerpflichtigen durch ein Gutachten nachzuweisende Bemessungsgrundlage. Rz 5174, Rz 5175b und Rz 5175c sind anzuwenden. Die Pauschalsätze der Rz 5175a sind nicht anzuwenden. Anhang VI ist zu beachten.
b)Einkünfte, die von § 107 EStG 1988 nicht erfasst sind (zB Einkünfte von Auszahlern, die keine Infrastrukturbetreiber sind, siehe dazu Rz 8207d): Die Einkünfte sind entsprechend den Rz 5174 bis Rz 5175c zu erfassen.
15.7.3 Komponenten des Entgelts für die Einräumung eines Leitungsrechtes
5174
Im Entgelt für die Einräumung des Servituts sind meist mehrere Komponenten enthalten, insbesondere
- Entgelt für die Benützung des Grund und Bodens
- Entschädigung für die durch die Beeinträchtigung der Verfügungsmacht des Grundeigentümers entstandene Wertminderung der Vermögenssubstanz
- Entgelt für Ertragsausfall im land- und forstwirtschaftlichen Bereich.
a) Das Benützungsentgelt zählt
- zu den betrieblichen Einkünften, wenn die Leitungen auf oder im zum Betriebsvermögen gehörenden Grund und Boden verlegt werden,
- zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, wenn die Leitungen auf oder in Privatliegenschaften verlegt werden.
b) Zur Entschädigung für Bodenwertminderung siehe Rz 6409. Die Einräumung einer weiteren Servitut an einer bereits mit gleichartigen Servituten belasteten Liegenschaft führt nur in einem eingeschränkten Ausmaß zu einer weiteren Bodenwertminderung (VwGH 7.7.2011, 2008/15/0142, VwGH 29.7.2010, 2006/15/0317). Die Obergrenze der Wertminderung ist aber jedenfalls der gemeine Wert des Grund und Bodens vor Bekanntwerden der Absicht der Leitungsverlegung (vgl. dazu OGH 26.5.1983, 6 Ob 802/81). Diese Obergrenze wird in aller Regel nicht erreicht. Die Entschädigung für Bodenwertminderung ist gemäß § 3 Abs. 1 Z 33 EStG 1988 steuerfrei, wenn die Bodenwertminderung auf Grund einer Maßnahme im öffentlichen Interesse eintritt (siehe dazu Rz 1038, Rz 6653 und Rz 8207b).
c) Das Entgelt für Gewinnminderung (Ertragsausfall oder Wirtschaftserschwernis) ist grundsätzlich steuerpflichtig. Bei buchführenden Land- und Forstwirten kann eine Einmalentschädigung auf 20 Jahre verteilt werden (Rz 5171). Bei vollpauschalierten Land- und Forstwirten erhöht das Entgelt nur dann den pauschalierten Gewinn, wenn es aufgrund der Leitungsverlegung zu einer Verminderung des Einheitswertes gekommen ist (Rz 4182). Bei Teilpauschalierung sind 70% der Betriebseinnahmen vom Betriebsausgabenpauschale erfasst, sodass 30% als steuerpflichtiger Anteil verbleiben. Bei Voll- und Teilpauschalierung oder Einnahmen-Ausgaben-Rechnung kann ein steuerpflichtiges Einmalentgelt auf drei Jahre verteilt zum Normaltarif versteuert werden (Rz 7369).
Übersicht:
Von Voll- oder Teilpauschalierung erfasst | Einnahmen-Ausgabenrechnung oder Bilanzierung (§ 4/1) | |
Servitutsentgelt | stpfl | stpfl |
Optionsentgelt | stpfl | stpfl |
Bodenwertminderung im öffentlichen Interesse | steuerfrei | steuerfrei |
Ertragsausfälle und Wirtschaftserschwernisse (Rz 4182) | ||
Flurschäden | Ja | stpfl |
Randschäden | Ja | stpfl |
Hiebsunreife | Ja | stpfl |
Schlägerung zur Unzeit | Ja | stpfl |
Jagdbeeinträchtigung | Nein, gesondert anzusetzen | stpfl |
Bewirtschaftungs-erschwernisse | Ja | stpfl |
Schlägerungs- und Räumungskosten | Ja | stpfl |
Entschädigung Notzaun | Ja | stpfl |
luf Nutzungsentgang | Ja | stpfl |
Verlust von Arbeitseinkommen | Nein, gesondert anzusetzen | stpfl |
Abgeltung des Überhanges von Gebäuden und Maschinen | Nein, gesondert anzusetzen | stpfl |
Zur vereinfachten Ermittlung des steuerfreien Anteils siehe Rz 5175a.
Randzahl 5174a: entfällt
15.7.4 Optionsentgelt
5175
Wird ein Optionsvertrag abgeschlossen, der den Abschluss des Servitutsvertrages gewährleistet, und wird für die Einräumung der Option ein Entgelt bezahlt, ist das Optionsentgelt jedenfalls steuerpflichtig. Steht der Optionsvertrag im Zusammenhang mit Betriebsvermögen, führen die Einkünfte aus diesem Vertrag zu betrieblichen Einkünften; im Falle der Pauschalierung sind diese Einkünfte zusätzlich zum pauschalierten Gewinn zu erfassen. Steht der Optionsvertrag im Zusammenhang mit Privatvermögen, führen die Einkünfte aus diesem Vertrag zu Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 27 Abs. 4 EStG 1988. In beiden Fällen sind die Einkünfte zum Tarif gemäß § 33 EStG 1988 zu erfassen.
15.7.5 Zuordnung der Entschädigungssumme
5175a
Aus Gründen der Verwaltungsökonomie kann bei Entgelten aus Anlass der Einräumung von Leitungsrechten (insbesondere Wasser- und Telekomleitungen) bis zu einer jährlichen Gesamthöhe von 30.000 Euro sowie bei Einmalentgelten bis 50.000 Euro wie folgt vorgegangen werden:
1.Betrifft die gesamte Entschädigungszahlung nur landwirtschaftlich genutzte Flächen oder landwirtschaftlich und forstwirtschaftlich genutzte Flächen, wobei der Waldanteil 10% nicht übersteigt, gilt:
a.Befindet sich auf der Fläche kein Maststandort (zB Gasleitung, Stromleitung mit reiner Überspannung), kann der steuerpflichtige Anteil der Entschädigungszahlung mit 70% des jeweiligen Gesamtentgeltes angenommen werden (30% des Gesamtentgelts sind steuerfrei).
b.Befindet sich auf der Fläche ein Maststandort, kann der steuerpflichtige Anteil der Entschädigungszahlung mit 55% des jeweiligen Gesamtentgeltes angenommen werden (45% des Gesamtentgelts sind steuerfrei).
2.Betrifft die gesamte Entschädigungszahlung landwirtschaftlich und forstwirtschaftlich genutzte Flächen, wobei der Waldanteil 10%, nicht aber 70% übersteigt, kann der steuerpflichtige Anteil der Entschädigungszahlung mit 55% des jeweiligen Gesamtentgeltes angenommen werden (45% des Gesamtentgelts sind steuerfrei).
3.Betrifft die gesamte Entschädigungszahlung nur forstwirtschaftlich genutzte Flächen oder landwirtschaftlich und forstwirtschaftlich genutzte Flächen, wobei der Waldanteil 70% übersteigt, kann der steuerpflichtige Anteil der Entschädigungszahlung mit 40% des jeweiligen Gesamtentgeltes angenommen werden (60% des Gesamtentgelts sind steuerfrei).
Die in Punkt 1 bis 3 angesprochenen Flächenverhältnisse betreffen sämtliche durch den Servitutsvertrag erfassten Grundstücke (im Sinne eines Teiles einer Einlagezahl) eines Steuerpflichtigen.
Beispiel:
Erfasst der Vertrag zwei Grundstücke und befindet sich nur auf einem ein Mast, muss die Entschädigung nicht auf die Grundstücke aufgeteilt und unterschiedlich in Bodenwertminderung und Nutzungsentgelt aufgeteilt werden. Vielmehr ist das Entgelt einheitlich zu 45% steuerfrei (siehe oben Punkt 1b).
Die vom Servitutsvertrag nicht erfassten Grundstücke einer Einlagezahl sind nicht zu berücksichtigen.
Beispiel:
Eine EZ umfasst drei Grundstücke; vom Servitutsvertrag erfasst sind die Nr. 1 und 2, nicht jedoch die Nr. 3. Das Ausmaß des Waldes auf den Grundstücken 1 und 2 liegt unter 10% und es befindet sich kein Mast darauf. Der Anteil des Waldes an der gesamten Einlagezahl beträgt 15%. Die Entschädigung ist gemäß Punkt 1a zu 30% steuerfrei.
Selbiges gilt auch, wenn der Vertrag mehrere Einlagezahlen betrifft.
Bei laufend ausbezahlten Entgelten ist die Aufteilung in einen steuerfreien und steuerpflichtigen Teil für das jährlich zufließende Entgelt vorzunehmen.
Bei umsatzsteuerlich pauschalierten Landwirten (§ 22 UStG 1994) sind die pauschalen Prozentsätze von den Bruttoeinnahmen (einschl. USt) in Abzug zu bringen.
Die dargestellte Vorgangsweise kann auch bei einem Grundstück angewendet werden, das keinem land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen zuzurechnen ist. Voraussetzung ist aber, dass das Grundstück für land- und forstwirtschaftliche Zwecke genutzt wird (zB durch Verpachtung an einen Land- und Forstwirt).
Bei höheren Beträgen ist hinsichtlich der Ermittlung des steuerfreien Anteils grundsätzlich eine Feststellung im Einzelfall zu treffen. Es bestehen keine Bedenken, auch bei höheren Beträgen von einer Feststellung im Einzelfall abzusehen und jedenfalls einen Betrag steuerfrei zu belassen, der den oben angeführten steuerfreien Anteilen bezogen auf 30.000 Euro bzw. 50.000 Euro entspricht.
5175b
Soll von den in Rz 5175a angeführten Sätzen nach Ansicht des Steuerpflichtigen abgewichen werden, ist hinsichtlich der Ermittlung des steuerfreien Anteils eine Feststellung im Einzelfall zu treffen. Wird durch den Steuerpflichtigen ein Gutachten vorgelegt, ist dieses auf fachlicher Ebene zu überprüfen. Zu den Grundsätzen für die Ermittlung des steuerfreien Anteils aus einer Entschädigungssumme im Fall der Einräumung eines Leitungsrechtes siehe den Anhang VI.
Eine in Verträgen getroffene Zuordnung der Entschädigungssumme zu den einzelnen Komponenten ist für das Finanzamt nicht bindend (VwGH 1.6.2006, 2003/15/0093). Die Zuordnung selbst ist keine Rechtsfrage, sondern ein Teil der Sachverhaltsermittlung. Das Ergebnis sowie die Überlegungen, welche zu diesem Ergebnis führen, sind vom Abgabepflichtigen schlüssig zu begründen.
Die Behauptungs- und Beweislast für das Ausmaß der Entschädigung für die Bodenwertminderung trifft den Steuerpflichtigen (VwGH 1.6.2006, 2003/15/0093; BFG 17.6.2015, RV/7101511/2012). Das Ergebnis sowie die Überlegungen, welche zu dem Ergebnis führen, sind vom Abgabepflichtigen schlüssig zu begründen. Wird durch den Steuerpflichtigen hierfür ein Gutachten vorgelegt, ist dieses auf fachlicher Ebene zu überprüfen. Ein „Gutachten“, das die zu begutachtenden Tatsachen nicht ausreichend bezeichnet, keine klaren Aussagen zum maßgeblichen Sachverhalt trifft und überdies keinerlei ziffernmäßig nachvollziehbare Berechnung in Bezug auf die angeblich eingetretene Wertminderung enthält, ist als Beweismittel untauglich (BFG 17.6.2015, RV/7101511/2012).
Auch die bloße Aufzählung möglicher Wertminderungsgründe und Wertdifferenzen zu vergleichbaren Grundstücken alleine stellen keinen Nachweis für die Wertminderung dar. Es muss objektiv nachgewiesen werden, dass die Wertdifferenz alleine auf die Beeinträchtigung des Gesamtgrundstückes durch einen Servitutsstreifen zurückzuführen ist (BFG 22.12.2016, RV/7100119/2016).
Das BFG hat zum Ausdruck gebracht, dass dem Ansatz schätzungsweise ermittelter Sätze nach den EStR 2000 zuzustimmen ist, wenn ein Nachweis über ein abweichendes Aufteilungsverhältnis vom Steuerpflichtigen nicht erbracht wird (vgl. BFG 15.10.2015, RV/4100532/2013, betreffend Ansatz eines Betrages von 4.500 Euro als Bodenwertminderung sowie BFG 17.6.2015, RV/7101511/2012, betreffend Ansatz von 45% gemäß obiger Z 1 lit. b). Für die Bewertung sind stets die Verhältnisse am Tag des Vertragsabschlusses maßgebend. Künftige Verwendungsänderungen (zB Nutzung für Schotterabbau) sind nur zu berücksichtigen, wenn sie sich zum maßgeblichen Zeitpunkt bereits auf den Marktpreis auswirken und daher tatsächlich preisbestimmend sind (VwGH 31.1.2018, Ra 2017/15/0038). Eine durch einen Dienstbarkeitsvertrag wesentlich gestiegene Ertragsfähigkeit des Grundstückes ist zu berücksichtigen (VwGH 31.1.2018, Ro 2016/15/0034).
5175c
Die Landwirtschaftskammern der Bundesländer erstellen Richtsätze für die Entschädigungen in der Land- und Forstwirtschaft. Weiters werden zwischen Kammer und Leitungsbetreiber Rahmenverträge erstellt, in denen die Entschädigungszahlungen nach den einzelnen Komponenten aufgegliedert werden. Richtsätze und Aufgliederung sind Empfehlungen an die Kammermitglieder und entfalten keine Bindungswirkung für die Finanzverwaltung (VwGH 07.07.2011, 2008/15/0142). Bestehen im Einzelfall Zweifel an der Richtigkeit der gewählten Ansätze für Bodenwertminderung, Rechtseinräumung, Wirtschaftserschwernis, Ertragsentgang und dgl., so ist deren Richtigkeit zu überprüfen.
15.8 Ertragsteuerliche Behandlung von Entschädigungen für die Inanspruchnahme von land- und forstwirtschaftlichen Nutzflächen in Naturschutzgebieten und Nationalparks
15.8.1 Allgemeines
5176
Im Zusammenhang mit der Errichtung von Naturschutzgebieten und Nationalparks werden bisher land und forstwirtschaftlich genutzte Grundflächen nach Landesnaturschutz- und Landesnationalparkgesetzen durch Verordnung oder Bescheid in den Nationalpark einbezogen und mit absoluten Nutzungsverboten oder wesentlichen Nutzungsbeschränkungen belegt bzw. zur Nutzung für Zwecke des Nationalparks überlassen. Zur Abgeltung der entstehenden Vermögensnachteile wird idR aufgrund eines zwischen Grundeigentümer und Land (Nationalparkgesellschaft) abgeschlossenen Vergleiches eine einmalige oder jährliche Entschädigung geleistet.
15.8.2 Einheitswert
15.8.2.1 Naturschutz
5177
Bei der Ermittlung des Einheitswertes sind im Eigentum des Grundeigentümers verbleibende Grundflächen auch dann zu berücksichtigen, wenn deren Bewirtschaftung auf Grund naturschutzbehördlicher Auflagen eingeschränkt ist (§ 30 Abs. 1 Z 2, § 46 Abs. 2, § 50 Abs. 3 BewG 1955). Bei der Bewertung bleiben somit alle Komponenten, die mit der Einbringung in einen Nationalpark im Zusammenhang stehen, außer Betracht. Daher sind wesentliche Nutzungseinschränkungen oder absolute Nutzungsverbote, erhöhte Aufwendungen, Wirtschaftserschwernisse und allfällige Entschädigungen bei der Feststellung des Einheitswertes nicht zu berücksichtigen.
15.8.2.2 Betriebsaufgabe
5178
Im Hinblick auf die gesetzliche Regelung der Einheitsbewertung könnte eine Betriebsveräußerung bzw. -aufgabe wohl nur dann angenommen werden, wenn die unter Naturschutz gestellten land- und forstwirtschaftlichen Flächen die Merkmale eines (Teil)Betriebes aufweisen und im Zusammenhang mit der Entschädigung auch der Grund und Boden durch Einlösung in das Eigentum des Landes übernommen wird.
15.8.3 Entschädigungen
5179
Zu den Entschädigungen für eintretende wirtschaftliche Nachteile zählen insb. Entgelte für
- Servituts-(Dienstbarkeits-)einräumung
- Bodenwertminderung
- Wirtschaftserschwernisse
- Ertragsausfall, Ertragsminderung, Nutzungsentgang
- Jagdausübungsverbot, -beschränkung
- Fischereiausübungsverbot, -beschränkung
15.8.4 Einkommensteuerliche Beurteilung
15.8.4.1 Gutachten
5180
Die Beurteilung vorgelegter Gutachten und die Ermittlung der steuerpflichtigen und steuerfreien Teile der Entgelte obliegt den Finanzämtern im Rahmen der freien Beweiswürdigung. Wird durch den Steuerpflichtigen betreffend die Zuordnung ein Gutachten vorgelegt, ist dieses auf fachlicher Ebene zu überprüfen. Dabei sind sachkundige Mitarbeiter der Finanzverwaltung beizuziehen.
15.8.4.2 Entschädigungen für absolutes Nutzungsverbot auf Dauer des Bestehens des Nationalparks
5181
Der Land- und Forstwirt hat sich jeder Bewirtschaftungsmaßnahme zu enthalten.
15.8.4.2.1 Buchführende Land- und Forstwirte
15.8.4.2.1.1 Nutzungsüberlassung
5182
Die für die Überlassung von Grundflächen an den Nationalpark erhaltenen Zahlungen sind – mit Ausnahme des auf die Wertminderung des Grund und Bodens entfallenden Teiles – steuerpflichtige Betriebseinnahmen. Es bestehen keine Bedenken, für Einmalentschädigungen für die Überlassung an den Nationalpark, für Nutzungsentgang und Wirtschaftserschwernisse einen Passivposten anzusetzen und diesen auf 20 Jahre verteilt zu Gunsten des Gewinnes aufzulösen (EStR 2000 Rz 5010 und 5171).
15.8.4.2.1.2 Grund und Boden
5183
Die Entschädigung für eine Bodenwertminderung darf nicht höher sein als der gemeine Wert des Grund und Bodens vor Unterschutzstellung (vgl. OGH 26.5.1983, 6 Ob 802/81). Wird die durch die Unterschutzstellung eingetretene Wertminderung (Differenz zwischen dem gemeinen Wert vor und nach Bekanntwerden der Unterschutzstellung) abgegolten, bleibt diese Entschädigung gemäß § 3 Abs. 1 Z 33 EStG 1988 steuerfrei.
Beispiel:
Laut Vergleich wird für Flächen von 100 ha (= 1 Mio. m2) eine Entschädigung von 1,5 Mio. Euro gezahlt (1,5 Euro/m2), davon 1,05 Mio. Euro für Bodenwertminderung (1,05 Euro/m2) und 0,45 Mio. Euro (0,45 Euro/m2) für die Nutzungsüberlassung.
Der gemeine Wert des nackten Grund und Bodens vor Bekanntwerden der Unterschutzstellung beträgt 0,50 Euro/m2 und nach Unterschutzstellung 0,20 Euro/m2 (Wertminderung 0,30 Euro/m2). Der für die Bodenwertminderung gezahlte Betrag von 1,05 Mio. Euro (1,05 Euro/m2) ist in Höhe von 0,30 Euro/m2 (gesamt 0,30 Mio. Euro) steuerfrei, der Rest ist wirtschaftlich betrachtet keine Entschädigung für Bodenwertminderung und daher steuerpflichtig (0,75 Euro/m2, insgesamt 0,75 Mio. Euro).
Wird der Grund und Boden später in einem zweiten Verfahren durch Einlösung in das Eigentum des Landes übernommen (zB § 15 nöNationalparkG), lässt der Einlösungsbetrag unter Umständen Rückschlüsse auf den gemeinen Wert des Grund und Bodens nach Unterschutzstellung zu. Auch Veräußerungen von lagemäßig vergleichbaren Grundstücken vor und nach Unterschutzstellung lassen unter Umständen Rückschlüsse auf den gemeinen Wert nach Unterschutzstellung zu.
15.8.4.2.1.3 Jagd- und Fischereirecht
5184
Entschädigungen für Jagdausübungs- und Fischereiausübungsverbote sind steuerpflichtig. Wird im Vertrag oder Vergleich nicht auf eine Jagd- bzw. Fischereiausübung Bezug genommen, gilt Folgendes: Ist die Entschädigung für ein Jagdausübungs- bzw. Fischereiausübungsverbot in der Entschädigung für Wertminderung des Grund und Bodens enthalten, dann ist der auf die Jagd bzw. Fischerei entfallende Betrag herauszulösen und zu versteuern: als steuerpflichtiger Betrag kann ein Betrag in Höhe des durchschnittlichen Ertragswertes der Jagd bzw. Fischerei der letzten drei Jahre (durchschnittlicher Verpachtungszins; Reinerlös, wenn selbst betrieben) angesetzt werden. § 3 Abs. 1 Z 33 EStG 1988 ist nicht anzuwenden, weil es sich hier um von Grund und Boden verschiedene Wirtschaftsgüter handelt.
15.8.4.2.2 Vollpauschalierte Land- und Forstwirte
5185
Der Einheitswert ist gemäß PauschVO um den auf die Nutzungsüberlassung entfallenden Einheitswertanteil zu vermindern. Die Entschädigungen (Einmalbeträge, laufende Zahlungen) sind als Betriebseinnahmen zu erfassen. Steuerfrei bleibt nur der auf die Wertminderung des Grund und Bodens entfallende Teil (Rz 5183). Steuerpflichtige Einmalentschädigungen für die Überlassung an den Nationalpark, Einmalentschädigungen für Nutzungsentgang, für Wirtschaftserschwernisse sind über Antrag gleichmäßig auf drei Jahre verteilt zum Normaltarif zu versteuern (Rz 7369).
15.8.4.2.3 Teilpauschalierte Land- und Forstwirte
5186
Die für die Nutzungsüberlassung vereinnahmten Zahlungen erhöhen ohne Kürzung um pauschale Betriebsausgaben die Zwischensumme gemäß § 15 LuF-PauschVO 2015. Steuerfrei bleibt nur der auf die Wertminderung des Grund und Bodens entfallende Teil. Einmalentschädigungen für die Überlassung an den Nationalpark und für Nutzungsentgang sind über Antrag gleichmäßig auf drei Jahre verteilt zum Normaltarif zu versteuern (Rz 7369).
15.8.4.3 Wesentliche Nutzungseinschränkungen auf die Dauer des Bestehens des Nationalparks
5187
Grundstücke werden gegen Entgelt für Zwecke des Nationalparks überlassen, sodass eine landwirtschaftliche Hauptnutzung nahezu nicht mehr möglich ist. Dem Eigentümer bleiben lediglich einzelne Nebennutzungen, bspw. für Jagd- oder Fischereizwecke vorbehalten. Die einkommensteuerliche Beurteilung erfolgt wie beim absoluten Nutzungsverbot (Rz 5181 ff).
15.8.4.4 Agrargemeinschaften
5188
Entschädigungen für land- und forstwirtschaftliche Zwecke sind steuerfrei (Rz 5034). Entschädigungen für andere als land- und forstwirtschaftliche Zwecke sind steuerpflichtig (Rz 5033).
15.9 Photovoltaikanlagen in der Land- und Forstwirtschaft
15.9.1 Betrieb einer eigenen Photovoltaikanlage
5189
Durch Solarkraft gewonnene Energie ist kein Urprodukt im Sinne des § 21 EStG 1988; dementsprechend stellt die Energieerzeugung grundsätzlich keine land- und forstwirtschaftliche Tätigkeit dar.
Beim Betrieb einer eigenen Photovoltaikanlage findet der Erlass BMF-010219/0488-VI/4/2013 (Photovoltaikerlass) Anwendung.
15.9.2 Grundstücksüberlassung an Dritte für den Betrieb einer Photovoltaikanlage
5190
Werden (Teil-)Grundstücke Dritten gegen Entgelt für den Betrieb einer Photovoltaikanlage überlassen, ist zu prüfen, ob die betroffenen Grundflächen weiterhin Teil des land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögens sind.
Bejahendenfalls zählt das Entgelt für die Überlassung der Flächen zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft und es kann von einer landwirtschaftlichen Nutzung iSd § 30 BewG 1955 ausgegangen werden. Im Rahmen der Anwendung der LuF-PauschVO 2015 sind diese Einkünfte gesondert anzusetzen.
Die Überlassung von Dächern von land- und forstwirtschaftlichen Betriebsgebäuden zur Anbringung von Modulen führt stets zu Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft.
5191
Die Grundstücke stellen land- und forstwirtschaftliches Betriebsvermögen dar, wenn Flächen einem landwirtschaftlichen (Haupt-)Zweck dienen. Dazu gehören insbesondere:
1.Tierhaltungsbetriebe, welche die mit Modulen versehene Fläche nachhaltig und erwerbsorientiert (keine Hobbynutzung, zB als Geflügelweide) zur Urproduktion beweiden:
- Eine nachhaltige und erwerbsorientierte Beweidung liegt bei Geflügel jedenfalls vor, wenn mindestens 1.650 Stk. Junghennen bzw. Jungmasthühner, mindestens 660 Stk. Legehennen bzw. Mastputen, mindestens 1.460 Stk. Mastenten oder mindestens 100 Weidegänse je Hektar Photovoltaikfläche (umzäunte Fläche) auf dieser gehalten werden.
- Bei Haltung anderer Tiere wird man in der Regel (insbesondere bei Schafhaltung) nicht von jenen Reinerträgen aus der Urproduktion und Be- und/oder Verarbeitung ausgehen können, um den landwirtschaftlichen (Haupt-)Zweck zu begründen.
2.Flächen mit Sonderkulturen (zB Weinbau, Obstbau, Beerensträucher), bei denen die Module zB als Überdachung oder als Ersatz für Hagelnetze dienen.
3.Flächen mit unterfahrbaren Modulen, die so hoch (mind. 4,5 m Höhe) montiert sind, dass die gesamte darunterliegende Fläche weiterhin für in der Landwirtschaft verwendete Fahrzeuge gefahrlos benützbar und auf diese Weise für land- und forstwirtschaftliche Zwecke nutzbar ist.
4.Flächen, wo die Module in einer Höhe von mehr als 2 m (Unterkante) montiert oder vertikal (wie ein Zaun) angebracht sind und der Bereich zwischen den Modulreihen traktorbefahrbar ist (normale landwirtschaftliche Standardtechnik, Mindestbreite 6 m lichte Weite [dh. Weite zwischen den Modulflächen, nicht zwischen den Aufständerungen]).
5192
Sind die Module – abgesehen von den in Rz 5191 erfassten Fällen – in einer Höhe von höchstens 2 m montiert oder beträgt der Abstand weniger als 6 m lichte Weite, sind die Grundstücke nur dann land- und forstwirtschaftliches Betriebsvermögen, wenn die Modulfläche 25% der Fläche der Gesamtanlage (das ist die Modulfläche zuzüglich der Zwischenräume und einer geringfügigen „Umrandung“) nicht übersteigt. Bei nachgeführten (dem Sonnenstand folgenden) Anlagen ist auf die horizontale Stellung abzustellen.
5193
In den Fällen, die von Rz 5190 bis 5192 nicht erfasst sind, kommt es zu einer Entnahme der betroffenen Grundflächen aus dem land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen. § 6 Z 4 EStG 1988 ist anzuwenden. Das Entgelt für die Überlassung der Flächen führt zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Bewertungsrechtlich sind die Flächen als Grundvermögen zu bewerten.
Randzahlen 5194 bis 5200: derzeit frei
Anhang VI (zu Abschnitt 15.7)
Steuerliche Behandlung der Entschädigungen für die Einräumung von Leitungsrechten bei ober- und unterirdischen Leitungen
Ermittlung des ESt-pflichtigen Anteils an der Entschädigungssumme
Der vorliegende Bewertungsrahmen beinhaltet die Ansichten des BMF zur Frage, wie der auf die Bodenwertminderung und andere Komponenten (zB im Forst: Entschädigungen für Randschäden oder Entschädigungen für Hiebsunreife oder Nutzung zur Unzeit) entfallende Anteil aus einer Entschädigungsleistung zu ermitteln ist. Er betrifft Fälle der vertraglichen Einräumung eines Leitungsrechtes für eine ober- oder unterirdische Leitung (zB Stromleitungen, Rohrleitungen). Er ist für das gesamte Bundesgebiet anwendbar.
1. Allgemeines
1.1. Grundstück
Das Grundstück im gegenständlichen Sinn bezeichnet einen räumlich abgegrenzten Teil der Erdoberfläche, für den im Grundbuch eine eindeutige Bezeichnung durch Grundstücksnummer, Einlagezahl, Grundbuchnummer und Anschrift existiert.
Da das Grundstück der übliche Gegenstand des Grundverkehrs ist, hat auch die Bewertung auf Grundstücksebene entsprechend den regionalen Marktverhältnissen zu erfolgen.
Für die Ermittlung der Bodenwertminderung ist ausschließlich der gemeine Wert von Grund und Boden maßgeblich.
1.2. Leitungsrecht
Öffentliche und private Unternehmen zur Versorgung mit Elektrizität, Gas, Fernwärme und Wasser sowie zur Entsorgung von Abwasser sind vielfach darauf angewiesen, für die Verlegung ihrer Leitungen fremde Grundstücke in Anspruch zu nehmen. Dazu werden in der Regel Leitungsrechte eingeräumt oder Leitungsdienstbarkeiten im Grundbuch eingetragen.
Für die steuerliche Beurteilung ist die Unterscheidung zwischen Leitungsrecht und Leitungsdienstbarkeit ohne Relevanz.
Leitungsrechte sind im Allgemeinen mit Bau- und Nutzungsbeschränkungen für den Grundstückseigentümer verbunden, zudem kann das Grundstück im festgelegten Umfang zum Zweck des Betriebes der Leitungsanlage betreten werden. Deshalb sind bei der Wertermittlung folgende Aspekte zu berücksichtigen:
- Leitungsart bzw. die damit verbundenen Beschränkungen;
- Größe und Lage der belasteten Fläche (Servitutsstreifen);
- der Grad der Beeinträchtigung auf der belasteten (Teil)Fläche;
- bei Belastungen von Teilflächen gegebenenfalls auch eine Auswirkung auf das Gesamtgrundstück;
- eine mögliche Änderung der Grundstücksqualität;
- die jeweilige Nutzung des Grundstücks und die Änderung der Nutzungsmöglichkeiten;
- Wertminderung durch „Verschmutzung des Grundbuchs“;
- eine gegebenenfalls vereinbarte Rente und deren Anpassungsmöglichkeit.
Üblich ist eine einmalige Entschädigung für die Einräumung des Rechts. Vereinbart werden im Einzelfall aber auch jährlich zu zahlende Renten, die in der Regel an den aktuellen Bodenwert angepasst werden (aus der Literatur Seiser/Kainz, Der Wert von Immobilien; 1. Auflage 2011; S. 720 ff).
1.3. Gemeiner Wert
Der gemeine Wert wird durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Dabei sind alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen. Ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse sind nicht zu berücksichtigen (§ 10 Abs. 2 BewG 1955).
Der gemeine Wert bildet den Ausgangspunkt für die Ermittlung der Wertminderung.
1.4. Bodenwert
Bodenwert ist der gemeine Wert des Grund und Bodens zum maßgeblichen Stichtag.
1.4.1. Vergleichswertverfahren
Die brauchbarste Grundlage für die Feststellung des gemeinen Wertes eines Grundstücks sind in der Regel die tatsächlich gezahlten Preise für Vergleichsliegenschaften.
Für die Ableitung des gemeinen Wertes taugliche Vergleichspreise liegen dann vor, wenn die Wertfaktoren des zu bewertenden Grundstücks und der Vergleichsgrundstücke in den wesentlichen preisbestimmenden Merkmalen übereinstimmen, wozu insbesondere Größe, Form, Lage und Beschaffenheit eines Grundstücks gehören, oder, obwohl eine solche Übereinstimmung nicht hinsichtlich aller wesentlichen preisbestimmenden Merkmale besteht, immerhin noch eine zuverlässige Wertableitung aus den Vergleichspreisen möglich ist. Unter Bedachtnahme auf die preisbildenden Faktoren kann der gemeine Wert durch Vornahme von Ab- und Zuschlägen ermittelt werden.
Bei der Auswahl von Vergleichspreisen ist zunächst zu beachten, dass zur Ableitung des gemeinen Wertes in erster Linie solche Verkäufe in Betracht kommen, die in unmittelbarer zeitlicher Nähe zum Feststellungszeitpunkt stattgefunden haben. Zwar ist es auch möglich auf Verkäufe zurückzugreifen, die zeitlich in größerer Entfernung vor oder nach dem Feststellungszeitpunkt liegen; in einem solchen Fall muss jedoch geprüft werden, ob in der Zwischenzeit auf dem Grundstücksmarkt nennenswerte Schwankungen im Preisniveau eingetreten sind. Eingetretene Preisschwankungen infolge veränderter Marktverhältnisse oder Veränderungen des Geldwertes sind sodann durch Zu- oder Abschläge auszugleichen. Verkaufsfälle, bei denen der zeitliche Abstand zum Feststellungszeitpunkt zu groß ist, können keinen Vergleichsmaßstab bilden. Ob einem Vergleichspreis wegen des zeitlichen Abstandes des Vertragsabschlusses zum Feststellungszeitpunkt noch Aussagekraft für die Wertableitung zukommt, ist nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen.
Für die Ableitung des gemeinen Wertes sind mehrere Vergleichsverkäufe zu erheben. Bei Vorliegen einer unzureichenden Anzahl vergleichbarer Liegenschaftstransaktionen können zur Feststellung des Bodenwertes auch taugliche Verkaufspreise der weiteren Umgebung herangezogen werden.
Es dürfen nur solche Vergleichspreise berücksichtigt werden, die im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks bei einer Veräußerung zu erzielen wären, wobei ungewöhnliche und persönliche Verhältnisse nicht zu berücksichtigen sind.
Dabei sind die rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften zum maßgeblichen Stichtag zugrunde zu legen. Umstände, die nach dem maßgeblichen Stichtag eingetreten sind, aber zum Stichtag mit hinreichender Sicherheit vorhersehbar waren und den Wert beeinflusst haben, sind zu berücksichtigen, wenn sie konkret nachgewiesen werden.
Weicht der bei einer Veräußerung eines ansonsten vergleichbaren Grundstücks erzielte Preis in besonders auffälliger Art und Weise (nach oben oder nach unten) von dem durch Heranziehung einer Mehrzahl von Vergleichspreisen ermittelten Preisgefüge ab, indiziert dies das Vorliegen ungewöhnlicher oder persönlicher Verhältnisse; ein solcher Preis ist nur zu berücksichtigen, wenn das Vorliegen ungewöhnlicher oder persönlicher Verhältnisse auf Grund einer den Vergleichsfall betreffenden besonderen Prüfung ausgeschlossen werden kann.
1.4.2. Preisgebiete
Innerhalb von Regionen und Nutzungen unterscheiden sich die Bodenpreise aufgrund der Lage und Nachfrage oft wesentlich, daher sind entlang von Leitungstrassen Preisgebiete für die einzelnen Nutzungen festzulegen. Die der Entschädigung zugrunde liegenden Vergleichspreise sind der Finanzverwaltung auf Nachfrage offenzulegen.
Beispiele für Preisgebiete:
Acker, Grünland, ländliche Gebiete, Umgebung von zentralen Orten, städtische Gebiete, Tallagen, Berglagen, touristisch erschlossene Gebiete
Unterschiede lassen sich anhand von Ausreißertests bei der Vergleichspreisanalyse erkennen. Kommt es zu einer Häufung von Ausreißern von Vergleichspreisen, die 35% über oder unter dem arithmetischen Mittelwert des Preisgebietes liegen und besteht ein räumlicher Zusammenhang der Kauffälle, ist davon auszugehen, dass diese jeweils ein eigenes Preisgebiet bilden (Faustregelprüfung, Mag. (FH) Gerald Stocker; Mathematische Grundlagen, Aktueller Stand: 2012; Liegenschaftsbewertungsakademie GmbH, Center of Valuation and Certification Griesgasse 10 / III; A 8020 Graz; Seite 117 Abs. 361).
1.4.3. Zusammensetzung des Bodenwertes
Der Bodenwert setzt sich aus dem
- produktionswirtschaftlichen Anteil und dem
- nichtproduktionswirtschaftlichen Anteil
zusammen.
Der produktionswirtschaftliche Wert leitet sich aus der Ertragsfähigkeit von Grund und Boden ab:
Rohertrag | ||
– | Aufwand ohne Ausgedingelasten, Schuld- und Pachtzinsen | |
= | Reinertrag | |
x Kapitalisierungsfaktor => produktionswirtschaftlicher Anteil |
Der nichtproduktionswirtschaftliche Anteil am Bodenwert ist der in nicht exakt messbaren ökonomischen Motiven begründete Wert. Dazu zählen beispielsweise Geldanlage, Belehnbarkeit, Besitz, Lage, Prestige, Freizeit, Erholung.
Wertminderungsgründe durch ein vorhandenes Leitungsrecht sind ua.: Grundbenutzung durch Dritte, Einschränkung der Dispositionsfreiheit, höherer Verwaltungsaufwand, mögliches Unbehagen, Leitungsmaste und sichtbarer Leitungsverlauf über die belasteten Grundstücksflächen, Pflichten und Lasten für den Rechtsnachfolger, Einschränkung von Umwidmungen usw.
Die Höhe des nichtproduktionswirtschaftlichen Anteils ergibt sich aus der Differenz zwischen dem gemeinen Wert des Grund und Bodens und dem produktionswirtschaftlichen Wert.
Wert des Grundstücks (Gemeiner Wert ermittelt aus Vergleichspreisen) | |
– | produktionswirtschaftlicher Wert |
= | Wert des nichtproduktionswirtschaftlichen Anteils |
Ist der produktionswirtschaftliche Wert in verschiedenen Preisgebieten gleich, beeinflusst dieser den Wert umso weniger, je höher der gesamte Bodenwert ist. Wertverhältnisse von unproduktiven Flächen bilden die Untergrenze des verbleibenden Bodenwertes.
1.4.4. Nutzungsform
Die Durchführung des Vergleichswertverfahrens ist insbesondere für folgende auf einer konkreten Leitungstrasse vorgefundene Nutzungen durchzuführen:
- Landwirtschaftlich genutzte Flächen
- Alpen
- Wald
- unproduktive bzw. minderwertige Flächen
- hochalpine Geröll- bzw. Gesteinsflächen
- Bauland
1.5. Stichtag
Stichtag für die Ermittlung des Bodenwertes ist grundsätzlich der 1.1. des Jahres, in dem der Servitutsvertrag bzw. Optionsvertrag unterzeichnet wurde. Zum Bauland siehe Abschnitt 4.1.
1.6. Bodenwertminderung
Die Bodenwertminderung ist die Differenz zwischen dem gemeinen Wert des Grundstücks vor Bekanntwerden der Projektabsicht und ab Eintritt der Belastung (Fertigstellung der Leitung). Sie ist der ausschließliche objektive Substanzverlust (Schaden) am durch die Servitutseinräumung betroffenen Grundstück.
1.7. Entschädigung
Für die Ermittlung der Höhe der Entschädigung bei einer Rechtseinräumung, insbesondere im öffentlichen Interesse, ist meistens das Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetz (EisbEG), BGBl. Nr. 71/1954, maßgebend.
Gemäß § 4 Abs. 1 EisbEG besteht die Verpflichtung, den Enteigneten für alle durch die Enteignung verursachten vermögensrechtlichen Nachteile gemäß § 365 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) schadlos zu halten.
Wird nur ein Teil eines Grundbesitzes enteignet, so ist gemäß § 6 EisbEG bei der Ermittlung der Entschädigung nicht nur auf den Wert des abzutretenden Grundstücks Rücksicht zu nehmen, sondern auch auf die Verminderung des Wertes, die der zurückbleibende Teil des Grundbesitzes erleidet.
1.8. Steuerliche Beurteilung
Siehe dazu die Rz 5172 ff.
Die Abgeltung von Wertminderungen von Grundstücken im Sinne des § 30 Abs. 1 EStG 1988 auf Grund von Maßnahmen im öffentlichen Interesse ist gemäß § 3 Abs. 1 Z 33 EStG 1988 steuerfrei. Voraussetzung für die Steuerfreiheit des auf die Bodenwertminderung entfallenden Anteils an der Entschädigungsleistung ist, dass das Leitungsrecht zeitlich unbeschränkt und unwiderruflich eingeräumt wird (vgl. Rz 5172 und Rz 6409).
Die Obergrenze der Wertminderung ist aber jedenfalls der gemeine Wert des Grund und Bodens vor Bekanntwerden der Absicht der Leitungsverlegung (vgl. dazu OGH 26.5.1983, 6 Ob 802/81). Diese Obergrenze wird in aller Regel nicht erreicht (Rz 5172).
2. Grundsätze für die Ermittlung der Bodenwertminderung
2.1. Oberirdische Leitungen
Die Wertminderung der betroffenen Grundstücke wird einerseits durch die Überspannung und andererseits durch Leitungsmaste verursacht.
Bei reiner Überspannung ist überwiegend davon auszugehen, dass die rein landwirtschaftliche Nutzung dadurch nicht wesentlich eingeschränkt wird.
Bei einer Überspannung ist der Leitungsverlauf über die betroffenen Grundstücke entscheidend. Zur höchsten Wertminderung kommt es bei diagonaler Überspannung.
Steht ein Leitungsmast auf dem Grundstück, verursacht dies regelmäßig eine im Vergleich zur reinen Überspannung deutlich höhere Wertminderung.
2.2. Unterirdische Leitungen
Dabei handelt es sich um Leitungen, die im Boden verlegt werden. In Abhängigkeit von den zu transportierenden Medien können es Kabel (Einzelstrang, Mehrfachstränge in Verrohrungen usw.) oder Leitungsrohre sein.
Im Unterschied zu oberirdischen Leitungen kommt es bei unterirdischen Leitungen zu einem Eingriff in den Boden und damit zu einer Veränderung der Bodenstruktur. Eine Verlegung kann einerseits relativ schonend mittels Kabelpflug oder andererseits durch umfangreiche Grabungsarbeiten erfolgen.
Für die Ermittlung des Ausmaßes der Wertminderung sind der Verlauf der Leitung auf dem Grundstück und das Flächenausmaß der beanspruchten Servitutsfläche maßgebend. Davon ausgehend ist ein Prozentsatz für die Wertminderung zu ermitteln. Sodann sind gegebenenfalls weitere Einflussfaktoren zu berücksichtigen.
2.3. Bezugsgröße Servitutsstreifen
Der Servitutsstreifen umfasst die Fläche, die von der Eigentumsbeschränkung durch das Leitungsrecht betroffen ist. Insbesondere bei Leitungen die im Erdboden verlegt werden, gibt es teilweise noch zusätzlich einen technischen Schutzstreifen, für den besondere Auflagen gelten.Beiderseits des eigentlichen Servitutsstreifens kann zusätzlich auch ein sog. Arbeitsstreifen anschließen. |
Die Ermittlung der Bodenwertminderung erfolgt auf Basis des Servitutsstreifens.
Dies ist aus folgenden Gründen ein bewährter Ansatz:
- Allgemeine österreichweite Verwaltungsübung in Entschädigungsverfahren, zB nach Entschädigungsrichtlinien der Kammern (KRl).
- Vergleichbarkeit und gleichmäßige Behandlung aller betroffenen Grundstückseigentümer.
- Nachvollziehbarkeit.
- Unabhängigkeit von der Grundstücksgröße.
- Tatsächlich betroffene Fläche (Servitutsstreifen) ist ausschlaggebend.
2.3.1. Servitutsstreifenbreite
Die Breite des Servitutsstreifens wird von der Verlegungstiefe, dem Leitungsdurchmesser sowie dem für den Betrieb der Leitung erforderlichen Ausmaß bestimmt.
Werte aus Literatur und Richtlinien sind beispielsweise:
- R. Kröll 2004; 5 m – 1,5 m Tiefe und 7,5 m bis 10 m über 1,5 m Tiefe
- Datenleitungen: 1 m – 4,5 m Kammerrichtlinien (KRl)
- Wasser: 3 m – 5 m, KRl Oberösterreich (OÖ), Kärnten (K)
- Kanal: 3 m – 8 m Richtlinien der Landwirtschaftskammern für Oberösterreich und Kärnten
- Gasleitungen TAG: 12,5 m
- 14 m bei 20 kV-Freileitung KRl Kärnten (K)
- rund 50 m bei 380/110 kV-Freileitung Steiermark
- 1 m bei 20 kV-Erdkabel
Das Ausmaß der Dienstbarkeitsfläche ist üblicherweise Vertragsinhalt. Sollte die Flächenangabe fehlen, so ist die Breite (Leitungsbreite plus Kabelschwingungsamplitude) entsprechend den Anforderungen an das Projekt, aus anderen ähnlichen Leitungsprojekten oder der Literatur anzunehmen.
2.4. Vorbelastung durch Leitungsrechte
Ist auf dem Grundstück bereits ein eingetragenes Leitungsrecht vorhanden, liegt eine sog. „Verschmutzung des Grundbuchs“ vor. Die Wertminderung, die aus der zusätzlichen neuen Leitung resultiert, ist daher geringer als jene, die bereits eine erstmalige „Verschmutzung des Grundbuchs“ begründet.
In Analogie zu Tunnelservituten, bei denen im Wesentlichen ähnlich gelagerte Gründe für eine Wertminderung vorliegen, ist bei einem schon vorhandenen Leitungsrecht bei weitgehend ähnlichem Verlauf und ähnlicher beanspruchter Fläche eine Verringerung der Bodenwertminderung um 2,5% abzuleiten.
Es ist daher aus dem Grundbuch zu erheben, ob das zu bewertende Grundstück bereits mit Leitungsservituten vorbelastet ist.
2.5. Erforderliche Unterlagen und Informationen
Folgende Informationen und Dokumente sind für die Ermittlung zu erheben:
- Beschreibung der Leitung (Kapazität, Ölleitung, Gasleitung, Stromleitung, Spannung, Rohre, Kabel usw.)
- Zusätzliche Anlagen (Leitungsmaste, Riechrohre usw.)
- Lageplan
- Auszüge aus dem Grundbuch und Kataster
- Servitutsvertrag
- Vergleichspreise
- Leitungslänge und -lage
- Breite des Servitutsstreifens
- jährliche bzw. laufende Entschädigungszahlungen für Ertragsausfälle durch den Leitungsbetrieb
- Umweltverträglichkeitserklärung (UVE) bzw. -prüfungsauflagen (UVP)
- Rahmenübereinkommen, Rahmenvertrag uä.
2.6. Kriterien für die Ermittlung
Für die Ermittlung sind folgende Kriterien maßgeblich:
- Bodenwert
- Servitutsfläche (Länge und Breite des Servitutsstreifens)
- Fläche des Grundstücks
- Lage bzw. Verlauf des Servitutsstreifens
- Bodenklimazahl des landwirtschaftlich genutzten Grundstücks [= EMZ (Ertragsmesszahl) / Fläche in Ar]
- Vorbelastung durch Leitungsservitute: Ja/Nein
- Allfällige Vereinbarungen jährlicher Entschädigungen für Auswirkungen aus dem Betrieb der Leitung (zB Ertragsausfälle)
- Sonstige Vereinbarungen (zB künftige Leitungskapazitätserweiterungen usw.)
- Oberirdische Leitungen:
- Maststandorte
- Kapazität (kV)
- Unterirdische Leitungen
- Kabel/Rohre
- Leitungsdurchmesser
- Verlegungstiefe
- Bodenerwärmung
- Künettenbreite
- Leitungseinbaumethode (zB Kabelpflug, Künette)
3. Bodenwertminderung bei landwirtschaftlich genutzten Flächen und Alpen
3.1. Bandbreite der Bodenwertminderung
Die Bandbreite der Bodenwertminderung wird in der deutschen Fachliteratur bei landwirtschaftlich genutzten Grundstücken mit 10% bis zu 20%, immer bezogen auf die Servitutsfläche, angenommen (Kleiber-Simon-Weyers, Verkehrswertermittlung von Grundstücken, 4. Auflage 2002, 2003 Bundesanzeiger VerlagsGesmbH Köln Seite 2319 – 2321; Klaus B. Gablenz, Rechte und Belastungen in der Grundstücksbewertung, 3. Auflage, Düsseldorf 2003, Seite 119 – 122).
Für Österreich wird diesbezüglich von ähnlichen Wertansätzen im Bereich von 5% bis 25% für landwirtschaftlich genutzte Grundstücke ausgegangen (2012/2013 Vortragsreihe von HR DI Friedrich Bauer, Liegenschaftsbewertungsakademie GmbH Center of Valuation and Certification, Griesgasse 10 / III; A 8020 Graz).
Die Höhe der Bodenwertminderung wird überdies von den regionalen Bodenwerten insofern bestimmt, als mit zunehmender Höhe des Wertes die prozentuelle Wertminderung sinkt (siehe Abschnitt 1.4.3.).
3.2. Bodenwert
Zur Ermittlung des Bodenwertes wird praxisüblich das Vergleichswertverfahren gemäß § 4 Liegenschaftsbewertungsgesetz (LBG) angewandt. Als Vergleichsfaktoren können beispielsweise die Bodenbonität (Bodenklimazahl), Grundstücksgröße, Nutzung (zB Acker, Grünland), Lage, Geländeneigung usw. herangezogen werden.
3.2.1. Bonitätsklassen
Bei landwirtschaftlich genutzten Flächen ist zu prüfen, ob die Bodenwerte mit der Bodenbonität in Beziehung stehen.
Ergibt die Analyse keinen Zusammenhang, sind regionale Bodenwerte nach den ortsüblichen Nutzungen Grünland, Ackerland, Hutweiden, Streuwiesen, Bergmähder, Alpen anzunehmen.
Besteht ein Zusammenhang mit der Bonität, ist eine Preisanalyse unter Bezugnahme auf die Bodenklimazahl (= EMZ/Grundstücksfläche in Ar) und eine Aufteilung der Bodenwerte in mindestens vier Klassen vorzunehmen:
- Sehr gute Bonität,
- gute Bonität,
- mittlere Bonität,
- niedrige Bonität, das sind insbesondere Hutweiden, Streuwiesen und Steilflächen.
Alternativ kann, sofern sich dies aus der Analyse der Kauffälle mittels Regressionsanalyse ableiten lässt, anhand der vorgefundenen Preisverhältnisse eine entsprechende lineare oder logarithmische Funktion aufgestellt und für die Ermittlung der Bodenwerte herangezogen werden.
Für Alpflächen ist, sofern eine genügend große Anzahl an Vergleichswerten vorliegt, eine Aufteilung der Bodenwerte je nach den vorliegenden Gegebenheiten auf mindestens zwei bis drei Gruppen vorzunehmen:
- Gute Bonität,
- mittlere (durchschnittliche) Bonität,
- niedrige Bonität und Verwachsungsflächen.
3.2.2. Beispiel einer Vergleichspreisanalyse für landwirtschaftlich genutzte Grundstücke
Übersicht landwirtschaftlicher Grundstückstransaktionen im Bereich des Trassenverlaufes des Projektes einer 380 kV-Leitung:
KG | Gst.Nr. | m² | BKZ | €/m² |
XX304 | 173/3 | 2.097 | 33,0 | 2,00 |
XX115 | 1067/2 | 9.000 | 33,3 | 3,33 |
XX244 | 237/1 ua | 14.729 | 36,7 | 2,05 |
XX274 | 1168/4 ua | 3.971 | 37,4 | 2,01 |
XX119 | 949/2 | 6.312 | 38,9 | 2,12 |
XX119 | 910/1 ua | 6.389 | 41,8 | 2,19 |
XX110 | 317 ua | 6.871 | 42,2 | 2,80 |
XX101 | 336/2 | 12.719 | 43,2 | 2,36 |
XX431 | 653, 654 | 5.647 | 43,7 | 3,90 |
XX104 | 411 | 13.743 | 44,1 | 2,40 |
XX120 | 327/3 | 17.416 | 44,2 | 2,30 |
XX152 | 110/1 | 8.398 | 44,3 | 2,20 |
XX120 | 605/2 ua | 12.523 | 44,9 | 2,16 |
XX424 | 208 ua | 23.999 | 45,3 | 3,00 |
XX319 | 1317/3 ua | 8.188 | 46,0 | 3,05 |
XX247 | 1302/3 ua | 11.034 | 46,7 | 1,90 |
XX430 | 2731 | 3.314 | 46,8 | 1,81 |
XX112 | 7/1 | 8.911 | 47,2 | 2,02 |
XX103 | 1797 | 8.251 | 47,3 | 2,50 |
XX105 | 363/2 | 10.238 | 47,5 | 3,25 |
XX157 | 320/1 | 1.176 | 48,5 | 1,70 |
XX107 | 358 | 6.907 | 50,3 | 2,00 |
XX214 | 3101 | 16.811 | 50,5 | 2,08 |
XX103 | 1803 ua | 16.178 | 51,5 | 2,50 |
XX129 | 1265 ua | 17.840 | 52,4 | 2,38 |
62157 | 379/4 | 3.431 | 53,3 | 4,37 |
XX214 | 3011 | 23.267 | 53,4 | 2,40 |
XX411 | 88/1, 88/2 | 26.695 | 53,4 | 4,00 |
XX274 | 608/9 ua | 17.801 | 56,7 | 4,60 |
XX430 | 2311,2312 | 32.922 | 65,1 | 3,95 |
Arithmetisches Mittel | 46,3 | 2,64 | ||
Anzahl | 30,0 | 30,00 | ||
Standardabweichung | 6,7 | 0,79 | ||
Varianz | 46,9 | 0,7 | ||
Irrtumswahrscheinlichkeit | 0,062 | 0,035 |
3.2.2.1. Korrelation Bodenwert/Bodenklimazahl (BKZ)
Als Basispreis für landwirtschaftliche Flächen wurde in dem Beispiel aus 30 Vergleichswerten ein arithmetisches Mittel von gerundet 2,65 Euro je m² bei einer Bodenklimazahl von 46,3 Punkten errechnet.
Durch die Korrelation von Bodenklimazahl und Bodenwert ergeben sich für Flächen geringer Ertragsfähigkeit Vergleichswerte unter 1,00 Euro und für gute Ackerstandorte Vergleichswerte von bis zu 5,00 Euro.
Für jeden Entschädigungsfall kann anhand der durchschnittlichen Bodenklimazahl des betroffenen Grundstücks der jeweilige individuelle Bodenwert errechnet werden.
BKZ | Wert |
00-19,99 | 0,75 |
20-29,99 | 1,53 |
30-39,99 | 2,05 |
40-49,99 | 2,57 |
50-59,99 | 3,09 |
60-69,99 | 3,62 |
70-79,99 | 4,14 |
80-89,99 | 4,66 |
90-100 | 5,18 |
3.3. Oberirdische Leitungen
3.3.1. Überspannung
Der Verlauf und der Flächenanteil des Servitutsstreifens haben den größten Einfluss auf das Ausmaß der Wertminderung des Grundstücks und damit auf die Bodenwertminderung.
Bei reiner Überspannung ist überwiegend anzunehmen, dass es keine wesentlichen Einschränkungen bei der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung gegenüber der bisherigen Nutzung gibt (siehe Abschnitt 2.1.).
In der folgenden Tabelle werden die Kriterien sowie die Bodenwertminderungssätze für die reine Überspannung in Abhängigkeit von der Klassifizierung in vier Bodenwertstufen (nieder, mittel, hoch, sehr hoch) dargestellt:
Im Zweifel ist grundsätzlich der nach den Bewertungskriterien ungünstigere Fall für die Einstufung der Beeinträchtigung maßgebend.
Ist die Beeinträchtigung derart schwerwiegend, dass infolge der Leitung die Nutzung des Grundstücks nur noch eingeschränkt möglich ist, ist eine Beurteilung im Einzelfall zu treffen.
3.3.2. Maststandorte
Die Bodenwertminderung durch Maststandorte setzt sich aus folgenden Komponenten zusammen:
- Behinderungsfläche
- Ertragsausfall durch das Mastfundament
3.3.2.1. Behinderungsfläche
Bei Maststandorten müssen folgende Komponenten berücksichtigt werden:
Mastaufstandsfläche MA (m²) = a² | Bodenwertminderung 100 % |
Mastumgebungsfläche MU (m²) = (b²-a²)+c*b | Bodenwertminderung für die MU beträgt 50% für die Behinderung durch den Mast. |
Die Bodenwertminderung des produktionswirtschaftlichen Anteils ist aufgrund des zusätzlichen durchschnittlichen Aufwandes je m² Behinderungsfläche und Jahr zu veranschlagen (zB Südoststeiermark im Jahr 2007: 0,12 Euro je m²).
Für die Ermittlung des zusätzlichen Aufwands ist eine ortsübliche Fruchtfolge mit folgenden zusätzlichen jährlichen Aufwendungen zu berücksichtigen:
- Maschinenaufwand,
- Arbeitsaufwand,
- Unkrautbekämpfung,
- Hangneigung (erschwertes Befahren).
Für die Berechnung des Aufwandes je m² Behinderungsfläche ist die Summe der ermittelten jährlichen Aufwendungen je m² als unendlich kapitalisierte nachschüssige Rente zu kapitalisieren. Wesentlich dafür ist die laut Fachliteratur anzuwendende Methode für die Herleitung des Liegenschaftszinssatzes bei Landwirtschaft zum jeweiligen Stichtag.
Beispiel:
Durchschnittlicher erhöhter jährlicher Aufwand für die Behinderungsfläche: | 0,12 € / m² |
Liegenschaftszinssatz Landwirtschaft: 3,5% -> Kapitalisierungsfaktor: | 28,57142857 |
zusätzlicher Aufwand/m² = 0,12 € * 28,57142857 = 3,43 €/m².
3.3.2.2. Ertragsausfall durch das Mastfundament
Da auf der Fundamentfläche und im Nahbereich von Masten bei Maschineneinsatz kein Anbau und somit keine Erträge möglich sind, ist bei der Bodenwertminderung des produktionswirtschaftlichen Anteils der Ertragsausfall (E) der ortsüblich unterstellten Fruchtfolge je m² zusätzlich zu berücksichtigen.
Beispiel:
Ertrag aus der ortsüblichen Fruchtfolge: | 0,28 €/m²/Jahr |
Liegenschaftszinssatz: | 3,5% |
E = 0,28 €/m²/Jahr * 28,57142857 = 8,00 €/m²
Die Ertragsausfallsfläche (AE) in m² wird aufgrund der Dimension des Mastfundamentes wie folgt berechnet:
a = Seitenlänge a des Fundamentes in m
AE= Ertragsausfallsfläche in m²
AE = (a + 5)²
Ertragsausfall = AE * E in EURO
3.3.3. Zusammenfassung des Ermittlungsablaufes
Die Bodenwertminderung der landwirtschaftlichen Flächen wird folgendermaßen ermittelt:
1.Ermittlung des Bodenwertes des Grundstücks anhand der Bodenklimazahl.
2.Feststellung der Beeinträchtigung (Lage und Flächenanteil des Servitutsstreifens am Grundstück).
3.Prüfung, ob bereits Leitungsrechte auf den betroffenen Grundstücken vorhanden sind.
4.Berechnung der Bodenwertminderung durch Überspannung bezogen auf die Servitutsstreifenfläche (Prozentrechnung).
5.Berechnung der Bodenwertminderung für Maststandorte.
3.3.4. Berechnungsbeispiel, 380 kV-Leitung
3.3.4.1. Ermittlung Bodenwert
3.3.4.2. Überspannung
3.3.4.2.1. Bodenwertminderung für Überspannung
3.3.4.3. Mast
3.3.4.3.1. Flächenberechnung
3.3.4.3.2. Bodenwertminderung, Wirtschaftserschwernis
3.3.4.4. Auswertung, Zusammenfassung
1) Die Aufteilung des 50.000 € übersteigenden Betrages von 28.933,13 € erfolgt entsprechend dem ermittelten Aufteilungsprozentsatz von 38% bzw. 62%. Dementsprechend ist ein Betrag von 10.994,59 € (38%) steuerfrei und ein Betrag von 17.938,54 (62%) steuerpflichtig.
3.4. Unterirdische Leitungen
3.4.1. Beeinträchtigungsgrade aufgrund des Leitungsverlaufs
In den Verträgen sind nicht nur die betroffenen Grundstücke anzuführen, sondern es ist auch der Plan mit dem Verlauf der Leitung beizulegen.
Die Beeinträchtigungsgrade können direkt aus dem Servitutsstreifenverlauf und aus dem Verhältnis Servitutsfläche zur Grundstücksgröße abgeleitet werden. Der ungünstigere Beeinträchtigungsgrad ist für die Bodenwertminderungsberechnung heranzuziehen.
Da die Breiten der Servitutsflächen von unterirdischen Leitungen in der Regel wesentlich geringer, die Belastungen auf der Servitutsfläche jedoch differenzierter sind, werden vier Beeinträchtigungsgrade je Bodenwertstufe unterschieden:
3.4.2. Weitere Einflüsse – Korrekturfaktoren
Durch Korrekturfaktoren sollen folgende Einflüsse auf die Bodenwertminderung sachgerecht berücksichtigt werden:
- Leitungsdurchmesser
- Thermische Auswirkungen auf die Leitungsumgebung
- Bodenbonität – Bodenklimazahl des Grundstücks (= EMZ/Fläche in Ar)
- Vorbelastung durch ein Leitungsrecht (Berücksichtigung eines Abschlages von 2,5% gemäß Abschnitt 2.4.)
3.4.2.1. Leitungsdurchmesser
Da Leitungen unterschiedliche Dimensionen haben und verschiedenste Stoffe transportieren, können technische Maßnahmen erforderlich sein, die neben der Verlegung der Leitung selbst und der Einräumung des Leitungsrechtes darüber hinausgehende Auswirkungen auf die Umgebung haben.
Alle Gasleitungen oder andere Rohrleitungen mit einem Rohrdurchmesser von 1 Meter und mehr erfordern eine entsprechend tiefe Verlegung und damit massivere Eingriffe in die Bodenstruktur sowie Verwendung von entsprechend schweren Baumaschinen, weshalb die Beeinträchtigung oft über die eigentliche Servitutsfläche hinausgeht. Überdies können Leit- bzw. Sperreffekte und andere nicht vorhersehbare Auswirkungen im Boden auftreten. Daher werden die Bodenwertminderungsansätze in diesen Fällen mit dem Faktor 1,5 multipliziert.
Davon bestehen folgende Ausnahmen, in denen kein derartiger Korrekturfaktur zu berücksichtigen ist:
- Leitungen, bei denen die Servitutsfläche auch einen zusätzlich frei zu haltenden Arbeitsstreifen umfasst.
- Die Gesamtbreite des Servitutsstreifens überschreitet den dreizehnfachen Wert des Rohrleitungsdurchmessers.
In beiden Fällen wirkt sich eine höhere Belastung bereits durch die Ausmessung der größeren Servitutsfläche aus.
3.4.2.2. Thermische Auswirkungen auf die Leitungsumgebung
Leitungen können aufgrund technischer Erfordernisse eine wesentliche Wärme- oder Kälteabstrahlung verursachen, die zusätzliche Auswirkungen auf den Boden haben. Zu diesem Leitungstyp gehören Gashochdruckleitungen. Das bedeutet auch einen weiteren meist auch an der Oberfläche erkennbaren Mangel, der eine zusätzliche Wertminderung für das belastete Grundstück bedeutet.
Daher ist bei Leitungen, die eine wesentliche Wärme- bzw. Kälteabstrahlung an den umgebenden Boden verursachen, die Bodenwertminderung bzw. das Produkt aus Bodenwertminderung und Leitungsdurchmesser mit 1,1 zu vervielfachen.
Ausgenommen davon sind Leitungen, bei denen die Schäden durch thermische Einflüsse von den Leitungsbetreibern laufend (meist jährlich) abgegolten werden. In diesen Fällen liegt keine dauerhafte Ertragswertminderung vor.
Unter Berücksichtigung des Korrekturfaktors für Leitungsdurchmesser und/oder für thermische Auswirkungen ergibt sich ein korrigierter Bodenwertminderungssatz als Ausgangsgröße für die allfällige Berücksichtigung weiterer Korrekturfaktoren.
3.4.2.3. Bodenklimazahl des Grundstücks (= EMZ/Fläche in Ar)
Ein wesentlicher Teil des produktionswirtschaftlichen Anteils am Bodenwert wird durch die Ertragsfähigkeit des Bodens bestimmt. Inwieweit die Grabungsarbeiten bei der Leitungsverlegung einen wesentlichen Einfluss auf den Boden haben, ist insbesondere von der Breite und Tiefe der Künette abhängig. Dazu zählen Gasleitungen sowie Leitungen mit Künettenbreiten ab 2 m und -tiefe ab 1,5 m oder wenn die Rohrdurchmesser 0,5 m und mehr betragen.
Störungen des Bodenprofils bedeuten mit zunehmender Bodenbonität eine stärkere Beeinträchtigung der Ertragsfähigkeit gegenüber dem Urzustand. Um diese Tatsache zu berücksichtigen, wird durch Korrekturfaktoren in Abhängigkeit von der Bodenklimazahl des betroffenen Grundstücks, nach allfälliger Berücksichtigung der zuvor genannten Faktoren, der Bodenwertminderungsfaktor mit folgenden Korrekturfaktoren vervielfacht:
Voraussetzungen:
- Gasleitung
- durchschnittlicher Leitungsrohrdurchmesser ≥ 0,50 m
- oder durchschnittliche Künettenbreite mindestens 2 Meter und Tiefe ≥ 1,5 m
Bodenklimazahl | Korrekturfaktor | |
von | bis | |
0,1 | 19,99 | 1,00 |
20 | 39,99 | 1,10 |
40 | 59,99 | 1,20 |
60 | 79,99 | 1,30 |
80 | 100 | 1,40 |
3.4.3. Zusammenfassung des Ermittlungsablaufs für landwirtschaftliche Grundstücke
Folgende Schritte sind bei der Berechnung der Bodenwertminderung eines landwirtschaftlichen Grundstücks durchzuführen:
1)Ermittlung des Bodenwertes zum Stichtag
2)Prüfung der wertrelevanten Faktoren, zB Grundstückgröße, Bonität (Bodenklimazahl)
3)Erhebung des Beeinträchtigungsgrades durch die Erhebung des Verlaufs und des Flächenanteils des Servitutsstreifens an der Grundstücksfläche
4)Berücksichtigung von Korrekturfaktoren hinsichtlich:
a)Leitungsdurchmesser
b)thermische Auswirkungen
c)Bodenklimazahl
5)Vorbelastung durch Leitungsrecht (Abschlag von 2,5%).
6)Berechnung der Summe der prozentuellen Bodenwertminderung für die Servitutsfläche
7)Berechnung der Bodenwertminderung (%-Satz der Bodenwertminderung x Bodenwert der Servitutsfläche)
3.4.4. Berechnungsbeispiel für eine Gasleitung
4. Bodenwertminderung bei Bauland
Bei Bauland (Wohn-, Gewerbe-, Industriegebiete usw.) besteht die Wertminderung der Liegenschaft durch ober- und unterirdische Leitungen insbesondere durch die damit verbundene Einschränkung der Bebaubarkeit.
4.1. Bodenwert
Als Bodenwert für Bauland (Wohn-, Gewerbe-, Industriegebiete usw.) ist stets der gemeine Wert zum Zeitpunkt des Verpflichtungsgeschäftes zugrunde zu legen.
Abweichend vom Abschnitt 1.5. sind die rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften zum maßgeblichen Stichtag (Zeitpunkt des Verpflichtungsgeschäftes) zugrunde zu legen. Bei konkretem Nachweis sind die rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, die zum maßgeblichen Stichtag mit hinreichender Sicherheit vorhersehbar waren, zu berücksichtigen.
4.2. Bodenwertminderung durch eine ober- oder unterirdische Leitung
Für Wohngebiete werden die angesetzten Prozentsätze der Bodenwertminderung nach Tabelle von Bauer 2012/2013 (Vortragsreihe von HR DI Friedrich Bauer, Liegenschaftsbewertungsakademie GmbH Center of Valuation and Certification, Griesgasse 10 / III; A 8020 Graz) verdreifacht und für Industrie- und Gewerbegebiete verdoppelt.
Für Hochspannungsleitungen über 110 kV ist überdies der Korrekturfaktor 1,5 anzuwenden.
Der Beeinträchtigungsgrad für eine Leitung ist entsprechend der Verkehrswertstufe und Verlauf des Leitungsservitutes auf dem belasteten Grundstück mittels untenstehender Tabelle (DI Friedrich Bauer 2012/2013) einzuschätzen.
4.3. Berechnungsbeispiel einer Bodenwertminderung von Bauland (Gewerbegebiet)
Servitutsfläche einer 380 kV-Leitung: 200 m²
Bodenwert: 30,00 €/m² (= niedrige Verkehrswertstufe)
5. Forstwirtschaftlich genutzte Flächen
5.1. Bodenwert
Für den Bodenwert von forstwirtschaftlich genutzten Liegenschaften ist der gemeine Wert zugrunde zu legen (siehe Abschnitt 1.3.).
Der Wert des Waldbodens ist von folgenden Faktoren abhängig:
- Bonität (Ertragsfähigkeit des Standorts)
- Bringungsverhältnisse, welche sich in den Bringungskosten niederschlagen
- Neigung
- Geländeform
- Bringungsdistanz
- Lokales Preisniveau
Der Bodenwert forstwirtschaftlich genutzter Liegenschaften zu einem Stichtag ist in der Regel über die tatsächlich gezahlten Preise für Vergleichsliegenschaften zu ermitteln (siehe dazu auch Abschnitt 1.4. sowie 1.4.2.).
Die Problematik von Vergleichswerten bei forstwirtschaftlich genutzten Grundstücken besteht darin, dass im Regelfall keine ausreichende Anzahl von Vergleichswerten von unbestockten Waldbodenflächen vorhanden ist, aus denen unmittelbar Bodenwerte abgeleitet werden können (Bewertungskatalog für Ziviltechniker [2005] Bewertungsgrundsatz F-1.1-05). Daher haben sich folgende Verfahren für die Ermittlung von Waldbodenwerten aus Vergleichspreisen etabliert:
5.1.1. Vergleichswerte forstwirtschaftlich genutzter Liegenschaften
Bei Vorliegen einer ausreichenden Anzahl (das Konfidenzintervall ist abhängig von erforderlicher Genauigkeit, Mittelwert, Standardabweichung und Stichprobenumfang) von Waldvergleichswerten innerhalb einer Region ist es zulässig, den durchschnittlichen Waldbodenwert mit 50% der Waldvergleichswerte festzulegen.
5.1.2. Vergleichswerte landwirtschaftlich genutzter Liegenschaften
Liegen keine Waldvergleichspreise in ausreichender Anzahl und Qualität in einer Region vor, kann von folgender Relation der Bodenpreise ausgegangen werden: Waldboden : Wiese : Acker = 1 : 2 : 3 (in landwirtschaftlich intensiv genutzten Gebieten kann das Verhältnis allerdings wesentlich weiter auseinander liegen). Das bedeutet, dass der Waldboden mit vergleichbarer Bodenqualität und Lage zu landwirtschaftlichen Böden in der Regel mit der Hälfte des ortsüblichen Preises für mittlere Wiesen oder bis zu einem Drittel des Preises für Ackerland zu bewerten ist.
Da bei Waldböden in der Regel geringere Bodengüte und Lagenachteile gegenüber landwirtschaftlich genutzten Flächen gegeben sind, müssen Abschläge für geringere Bodenbonitäten und Bringungserschwernisse aufgrund Steilheit des Geländes und sonstige ungünstige Bringungsverhältnisse bei der Anwendung von Preisrelationen zu landwirtschaftlich genutzten Flächen berücksichtigt werden.
5.2. Bodenwertminderung forstlich genutzter Liegenschaften
5.2.1. Oberirdische Einbauten
Oberirdische Einbauten sind insbesondere Masten, Servicezugänge zu Rohren und Tunneln und dergleichen. Bei Strommasten ist die Aufstandsfläche des Mastes maßgebend.
Die Bodenwertminderung beträgt für die aufgrund oberirdischer Einbauten in Anspruch genommene Waldfläche 100% des anzuwendenden Bodenwertes für Waldboden. Übersteigt eine Entschädigungszahlung für oberirdische Einbauten 100% des gemeinen Wertes der in Anspruch genommene Waldfläche, wird mit dem übersteigenden Anteil keine Bodenwertminderung mehr abgegolten; dieser Anteil ist daher steuerpflichtig.
5.2.2. Servitutsflächen mit weiterhin uneingeschränkter Holznutzung auf dem Servitutsstreifen
Bei Servitutsflächen mit weiterhin uneingeschränkter Holznutzung auf dem Servitutsstreifen ist die Bodenwertminderung entsprechend Abschnitt 3.3.1. und Abschnitt 2.4. zu ermitteln. Übersteigt eine Entschädigungszahlung für eine Waldbodenfläche mit weiterhin uneingeschränkter Holznutzung den gemäß Abschnitt 3.3.1. und Abschnitt 2.4. ermittelten Wert der Bodenwertminderung, ist der übersteigende Anteil der Entschädigungszahlung steuerpflichtig.
5.2.3. Servitutsflächen ohne weitere mögliche Holznutzung auf dem Servitutsstreifen
Bei Servitutsflächen ohne weitere mögliche Holznutzung auf dem Servitutsstreifen sind die doppelten Wertminderungssätze der entsprechend Abschnitt 5.2.2. ermittelten Bodenwertminderung zugrunde zu legen. Übersteigt eine Entschädigungszahlung für eine Waldbodenfläche ohne weitere mögliche Holznutzung diesen Wert, ist der übersteigende Anteil steuerpflichtig.
5.3. Ertragsausfälle und Wirtschaftserschwernisse im Forst
Gemäß Rz 4182 sind bei voll- und teilpauschalierten Betrieben Entschädigungen für Ertragsausfälle und Wirtschaftserschwernisse, soweit sie nicht das laufende Jahr betreffen und in einem Betrag zufließen, grundsätzlich dann gesondert anzusetzen, wenn es aus diesem Grund zu einer Neuberechnung des (land- und forstwirtschaftlichen) Einheitswertes gekommen ist (vgl. VwGH 19.03.1970, 1120/68). Davon sind im forstlichen Bereich insbesondere betroffen:
- Entschädigungen im Zusammenhang mit der Errichtung von (Leitungs-)Trassen (Randschäden vermindern den Zuwachs)
- Entschädigungen für die „Hiebsunreife“ (VwGH 28.09.1962, 0588/63)
- Entschädigung für die Schlägerung zur Unzeit und Verblauung
5.3.1. Grundlagen zur Bewertung von Bestandesschäden
Die Verfahren zur Ermittlung von wertrelevanten Bestandesmerkmalen müssen dem Stand der Technik und forstfachlichen Genauigkeitskriterien entsprechen.
Der Bewertungsstichtag für Bestandesschäden ist bei freiwilliger Rechtseinräumung der Zeitpunkt der Unterzeichnung der Entschädigungsvereinbarung, bei zwangsweiser Rechtseinräumung der Zeitpunkt der Rechtskraft der entsprechenden Entscheidung.
5.3.2. Holzerlöse
Die Holzerlöse zum Bewertungsstichtag sind sortimentsscharf zu berechnen. Dabei kann auf Publikationen und Marktberichte zurückgegriffen werden.
5.3.3. Holzerntekosten
Die ortsüblichen Holzerntekosten zum Bewertungsstichtag sind getrennt nach Endnutzung und Vornutzung in Abhängigkeit vom Bestandesalter zu ermitteln. Dabei sind regionaltypische Besonderheiten (insbesondere Preisniveau von Facharbeitskräften) zu berücksichtigen.
5.4. Grundsätze zur Beurteilung einzelner Entschädigungskomponenten
5.4.1. Randschäden
Randschäden sind Schäden im verbleibenden Bestand entlang des Servitutsstreifens, welche zu einer Minderung des Bestandeswertes bei benachbarten Beständen führen.
Für eine pauschale Bewertung von Randschäden ist einmalig ein Bestandeswertverlust in Höhe von 20% durch Qualitätsverluste am verbleibenden Bestandesrand auf einer Wirkungstiefe von 25 m je Seite gerechtfertigt (dies ist ca. die 1-fache Baumlänge eines Durchschnittsbestandes). Bei beidseitigen Bestandesrändern können Randschäden auf einer Fläche von 50 m² je lfm Servitutsstreifen berücksichtigt werden.
Da im Regelfall bei Dienstbarkeits- und Nutzungsübereinkommen geregelt ist, dass der Leitungseigentümer bzw. der Leitungsbetreiber für Windbruch- oder sonstige als Folge des Trassenfreihiebes bedingte Randschäden schadenersatzpflichtig ist, sind Schäden, welche die pauschal angesetzte Bestandeswertminderung überschreiten, nachzuweisen und unterliegen einer individuellen Beurteilung durch die Finanzverwaltung.
Für Randschäden geleistete Zahlungen unterliegen bis zu einem Betrag von 20% des Bestandeswertes der von Randschäden betroffenen Bestände der Voll- bzw. Teilpauschalierung. Bei übersteigenden Beträgen müssen die Randschäden individuell nachgewiesen werden, um im Rahmen der Voll- bzw. Teilpauschalierung behandelt werden zu können. Beträge, die über das Ausmaß einer Schadensvergütung hinausgehen, sind steuerpflichtig. Außerhalb der Pauschalierung sind derartige Entschädigungen jedenfalls steuerpflichtig (vgl. Rz 5174).
5.4.2. Hiebsunreife – Abtriebswert
Die Hiebsunreife ergibt sich aus der Differenz von Bestandeswert und aktuellem Abtriebswert auf der Servitutsfläche und ist nach forstfachlichen Kriterien im Einzelfall zu ermitteln. Unter dem Titel der Hiebsunreife geleistete Zahlungen sind in dem Umfang von der Voll- bzw. Teilpauschalierung erfasst, als sie entsprechend forstfachlicher Beurteilung eine Schadensabgeltung darstellen. Beträge, die über dieses Ausmaß hinausgehen, sind steuerpflichtig. Außerhalb der Pauschalierung sind derartige Entschädigungen jedenfalls steuerpflichtig (vgl. Rz 5174).
5.4.3. Nutzung zur Unzeit
Eine Nutzung zur Unzeit ist dann gegeben, wenn Holzwertminderungen auftreten, weil projektbedingt Nutzungen auf dem Servitutsstreifen außerhalb der Saftruhe erfolgen mussten.
Erfahrungsgemäß ist im Zusammenhang mit Servitutsbelastungen eine Nutzung zur Unzeit nicht gegeben, da im Regelfall für die Durchführung der Nutzung ausreichend Vorlaufzeiten vorhanden sind. Die sachliche Rechtfertigung für die Leistung einer Entschädigung aus dem Titel der Nutzungen zur Unzeit muss individuell nachgewiesen werden können, um im Rahmen der Voll- bzw. Teilpauschalierung erfasst werden zu können. Soweit ein Schaden aus der Nutzung zur Unzeit nicht gegeben ist, ist eine allfällig unter diesem Titel geleistete Zahlung steuerpflichtig. Außerhalb der Pauschalierung sind derartige Entschädigungen jedenfalls steuerpflichtig (vgl. Rz 5174).
5.4.4. Bewirtschaftungserschwernisse
Die sachliche Rechtfertigung für die Leistung einer Entschädigung aus dem Titel von Bewirtschaftungserschwernissen muss individuell nachgewiesen werden können, um im Rahmen der Voll- bzw. Teilpauschalierung erfasst werden zu können. Soweit eine Beeinträchtigung nicht gegeben ist, ist eine allfällig unter diesem Titel geleistet Zahlung bei Voll- und Teilpauschalierung nicht steuerfrei. Außerhalb der Pauschalierung sind derartige Entschädigungen jedenfalls steuerpflichtig (vgl. Rz 5174).
5.4.5. Schlägerungs- und Räumungskosten
Der Ersatz von Schlägerungs- und Räumungskosten ist jedenfalls steuerpflichtig (vgl. Rz 5174), sodass sich eine gesonderte Ermittlung erübrigt.
5.4.6. Dauernder Nutzungsentgang
Der dauernde Nutzungsentgang besteht aus der Differenz des Ertragswertes zwischen den jeweiligen Bestandesverhältnissen mit ihren spezifischen Nutzungspotentialen und dem vollständigen Nutzungsentgang bei Entfall der Holzzuwachspotentiale auf dem Servitutsstreifen. Erfahrungsgemäß kann der Durchschnittswert des dauernden Nutzungsentgangs mit 50% des durchschnittlichen gemeinen Wertes von Wald bzw. mit 100% des gemeinen Wertes des Waldbodens auf dem Servitutsstreifen festgesetzt werden. Übersteigt eine Entschädigung aus dem Titel dauernder Nutzungsentgang diesen Wert, muss, der Wert des dauernden Nutzungsentgangs individuell nachgewiesen werden, um im Rahmen der Voll- bzw. Teilpauschalierung erfasst werden zu können. Bei einer Entschädigung für dauernden Nutzungsentgang außerhalb der Pauschalierung sind derartige Entschädigungen jedenfalls steuerpflichtig (vgl. Rz 5174).
6. Literatur
- Bienert, Funk (HRSG), Immobilienbewertung Österreich Edition ÖVI Immobilienakademie- ÖVI Immobilienakademie Betriebs-GmbH 1040 Wien, Juli 2010
- Univ.-Prof. Dr. Ferdinand Kerschner, Funktion der Liegenschaftsbewertung bei der Bemessung der Enteignungsentschädigung (Der Sachverständige, Heft 3/2006)
- Heimo Kranewitter, Liegenschaftsbewertung, 5. Auflage 2007
- Manfred Köhne, Landwirtschaftliche Taxationslehre, 4. Auflage, Stuttgart 2007
- Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen und Bundesministerium der Finanzen in der Bundesrepublik Deutschland, Musterrichtlinie über Bodenrichtwerte 2000
- Gutachterausschüsse für Grundstückswerte in Hessen, Generalisierte Bodenwerte für den Bereich des Wetteraukreises zum Stichtag 01.01.2010
- Ralf Kröll, Rechte und Belastungen bei der Verkehrswertermittlung von Grundstücken, 2. Auflage 2004
- Klaus B. Gablenz, Rechte und Belastungen in der Grundstücksbewertung, 3. Auflage 2003
- Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Helmut Haimböck; Ermittlung des Kapitalisierungsfaktors für das Jahr 2014; Datenzeitraum: letzte 30 Jahre; Der Sachverständige, Heft 3/2014
- Kleiber Simon, Verkehrswertermittlung von Grundstücken, 6. Auflage 2010
- Rössler/Langer fortgeführt von Simon, Kleiber, Joerts, Simon, Schätzung und Ermittlung von Grundstückswerten, 8. Auflage 2004
- Ergänzende Empfehlung des Hauptverbandes der allgemein beeideten gerichtlichen Sachverständigen Österreichs zum Kapitalisierungszinsfuß; Der Sachverständige, Heft 2/1997
- Stabentheiner, Liegenschaftsbewertungsgesetz (LBG), Manz Sonderausgabe 78, 1992
- Liegenschaftsbewertungsakademie 2012/2013, Vortragsreihe von HR DI Friedrich Bauer, Wertermittlung von Rechten und Lasten, Enteignung und Entschädigung, Allgemeine Grundlagen der Liegenschaftsbewertung, Besondere bewertungsrelevante Rechtsnormen; Liegenschaftsbewertungsakademie GmbH Center of Valuation and Certification Griesgasse 10 / III; A 8020 Graz