29.6.5.2 Beginn der Befreiung und Weiterleitung an das Finanzamt
7763
Die Befreiung von der Abzugspflicht ist ab dem Zeitpunkt gegeben, ab dem die Befreiungserklärung – bei Wertpapieren für das auf Depot liegende Wertpapier – bei der Bank vorliegt, jedoch nur unter der Voraussetzung der unverzüglichen nachweislichen (zB Postausgangsbuch) Weiterleitung an das Finanzamt. Die Befreiungserklärung muss vollständig ausgefüllt sein. Die Identität des Steuerpflichtigen, der der Empfänger der Kapitaleinkünfte ist, muss nachgewiesen sein. Leitet die Bank die von einer derartigen Befreiungserklärung zu erstellende Gleichschrift (Durchschrift) aus von ihr zu vertretenden Gründen nicht dem Finanzamt weiter, so ist sie im Wege der Haftung in Anspruch zu nehmen. Die nachweisliche Weiterleitung hat an jenes Finanzamt zu erfolgen, bei dem der Steuerpflichtige mit der angegebenen Steuernummer erfasst ist oder – bei steuerfreien Anlegern – zu erfassen wäre.
Im Hinblick auf mögliche Haftungsfolgen für die Kreditinstitute bestehen keine Bedenken, wenn folgende Vorgangsweise eingehalten wird:
1.Wird von einer Körperschaft erstmalig bei einem Kreditinstitut ein Konto eröffnet, bestehen folgende Möglichkeiten:
a)Die Körperschaft gibt für dieses Konto und für jedes weitere in der Zukunft bei diesem Kreditinstitut eröffnete Konto (Subkonto, Sparbuch, Depot, usw.) eine gesonderte Befreiungserklärung ab.
b)Eine gesonderte Befreiungserklärung für alle nach der erstmaligen Konteneröffnung künftig zu eröffnenden Konten kann unterbleiben, wenn die Körperschaft das Kreditinstitut ermächtigt, der Finanzverwaltung im Bedarfsfall eine Auflistung (ohne Kontensalden) aller KESt-befreiten Konten (Subkonten, Sparbuch, Depots usw.) zu übermitteln. Das Kreditinstitut hat in diesem Fall diese Ermächtigung durch die Körperschaft mit der ersten Befreiungserklärung dem für die Körperschaft zuständigen Finanzamt zu übermitteln.
2.Wurden von Körperschaften Befreiungserklärungen abgegeben, die auch künftig zu eröffnende Konten, Subkonten, Sparbücher und Depots umfassen sollen, gelten diese Befreiungserklärungen nur für die bis zum 30. Juni 2006 eröffneten Konten, Subkonten, Sparbücher und Depots. Für alle ab 1. Juli 2006 eröffneten Konten usw. ist im Sinne des Punktes 1 vorzugehen: Entweder wird für alle ab 1. Juli 2006 eröffneten Konten jeweils eine eigene Befreiungserklärung an das zuständige Finanzamt übermittelt oder die Körperschaft erteilt die Ermächtigung, für alle nach dem 1. Juli 2006 eröffneten Konten der Finanzverwaltung im Bedarfsfall eine Auflistung (ohne Kontensalden) aller KESt-befreiten Konten, usw. zu übermitteln, die das Kreditinstitut an das zuständige Finanzamt weiterzuleiten hat.
Hat ein Kreditinstitut entsprechend organisatorisch vorgesorgt, dass die Gleichschriften (Durchschriften) der Befreiungserklärungen an das zuständige Finanzamt weitergeleitet werden und stellt sich heraus, dass eine Gleichschrift (Durchschrift) dennoch nicht dem zuständigen Finanzamt zugekommen ist, kann ersatzweise eine Kopie der betreffenden Befreiungserklärung an das Finanzamt weitergeleitet werden. Wurde die Befreiungserklärung nicht nachweislich unverzüglich an das Finanzamt weitergeleitet, ist die Befreiung erst mit der Weiterleitung einer Kopie der Befreiungserklärung an das Finanzamt gegeben. Im Übrigen ist das Kreditinstitut nicht verhalten, von sich aus zu überprüfen, ob die Angaben in der Befreiungserklärung zutreffen.
29.6.5.3 Gläubiger – Schuldneridentität
7764
Die Befreiung kommt auch in jenen Fällen zum Zug, in denen ein Kreditinstitut gleichzeitig Eigentümer eines Wertpapiers ist. In diesem Fall bedarf es nicht der Abgabe einer Befreiungserklärung bzw. der Weiterleitung einer Gleichschrift (Durchschrift) an das Finanzamt, die Kapitaleinkünfte bleiben jedenfalls aufgrund § 94 Z 1 EStG 1988 KESt-frei. Dies gilt auch für die aus Wertpapierpensionsgeschäften und Wertpapierleihegeschäften dem Kreditinstitut zukommenden Kapitaleinkünfte.
29.6.5.4 Ende der Befreiung
7765
Der Empfänger der Kapitaleinkünfte ist zu einer Widerrufserklärung verpflichtet, wenn die Kapitaleinkünfte nicht mehr zu seinen Betriebseinnahmen gehören. Die Freistellung der Kapitaleinkünfte vom Steuerabzug endet mit der Abgabe einer derartigen Widerrufserklärung oder – bei Wertpapieren – mit der Entnahme des Papiers und/oder des Kupons aus dem Depot. Weiters endet die KESt-Abzugsbefreiung mit der Zustellung eines Feststellungsbescheides an das Kreditinstitut, in dem die Unrichtigkeit der Befreiungserklärung ausgesprochen wird oder wenn aufgrund einer Änderung der Kontoinhaberschaft die für die Befreiung notwendigen Voraussetzungen wegfallen (zB Untergang der juristischen Person bei Umwandlungen auf natürliche Personen).
29.6.5.5 Wirkung unterjähriger Beginn/Beendigung der Abzugsbefreiung
7766
Wird unterjährig eine Befreiungserklärung oder eine Widerrufserklärung abgegeben bzw. ein Feststellungsbescheid, mit dem die Unrichtigkeit der Befreiungserklärung ausgesprochen wird, zugestellt, so ist bei Einlagen ein Kontoabschluss, bei Wertpapieren eine Veräußerung zu unterstellen.
Wird daher bei der Bank eine Befreiungserklärung abgegeben und fällt damit die KESt-Abzugspflicht weg, gilt der zwischen dem letzten Zinsenzufluss (Kupon) und dem Tage der Wirkung einer Befreiungserklärung entstandene Zinsenertrag gemäß § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 als zugeflossen bzw. gelten die Wertpapiere als veräußert und diese Vorgänge unterliegen gemäß § 95 Abs. 2 EStG 1988 der KESt. Bei nachfolgendem Zufluss der Kuponzinsen ist aufgrund der vorhandenen Befreiungserklärung kein KESt-Abzug vorzunehmen.
In gleicher Weise ist bei Wegfall der KESt-Befreiung vorzugehen. Mit dem Tag der Abgabe einer Widerrufserklärung oder dem Tag der Zustellung eines Feststellungsbescheides, mit dem die Unrichtigkeit der KESt-Befreiung ausgesprochen wird, gilt der seit dem letzten Kuponstichtag entstandene Zinsenertrag als zugeflossen bzw. gelten die Wertpapiere als veräußert. Bei nachfolgendem Zufluss der Kuponzinsen ist ein KESt-Abzug in voller Höhe vorzunehmen.
Beispiel:
jährlicher Zinskupon 4% p.a., Kuponfälligkeit per 31.12. Am 30.6.01 erfolgt bei der depotführenden Bank die Abgabe einer Befreiungserklärung.
Im Zeitpunkt der Abgabe der Befreiungserklärung gilt das Forderungswertpapier als veräußert, womit die vom 1.1.01 bis 30.6.01 entstandenen Zinsen von 20 Teil des Veräußerungserlöses sind; es ist KESt in Höhe von 5,5 (27,5% von 20) einzubehalten. Der tatsächliche Zufluss der Kuponzinsen für das Jahr 01 am 31.12.01 erfolgt KESt-frei.
Fortsetzung Beispiel:
Am 30.9.02 wird von der Körperschaft die Befreiungserklärung widerrufen.
Im Zeitpunkt des Widerrufs der Befreiungserklärung gilt das Forderungswertpapier als veräußert, womit die im Zeitraum seit dem letzten Kuponstichtag (1.1.02) bis zum Tag der Abgabe der Widerrufserklärung (30.9.02) entstandenen Zinsen in Höhe von 30 Teil des Veräußerungserlöses sind. Es hat zu diesem Zeitpunkt aufgrund der vorhandenen Befreiungserklärung kein KESt-Abzug zu erfolgen.
Bei Zufluss der Kuponzinsen für das gesamte Jahr 02 unterliegen diese zur Gänze der KESt.
7766a
Bei Einkünften gemäß § 27 Abs. 2 Z 1 lit. a bis c EStG 1988 aus ausländischen Beteiligungen kommt die Befreiung zur Anwendung, wenn deren Zufluss iSd § 95 Abs. 3 Z 1 EStG 1988 in Zeiträumen während aufrechter Befreiungserklärung erfolgt.
Dasselbe gilt für Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen aus Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988 und für Einkünfte aus Derivaten gemäß § 27 Abs. 4 EStG 1988. Demnach kann auch in diesen Fällen eine Aufteilung der Wertsteigerungen auf KESt-befreite und KESt-pflichtige Zeiträume unterbleiben und ist für den KESt-Abzug maßgeblich, ob der Zufluss dieser Einkünfte in Zeiträumen aufrechter Befreiungserklärung fällt oder nicht. Sind die für den KESt-Abzug erforderlichen Daten aus nicht-KESt-pflichtigen Zeiträumen, insbesondere die steuerlichen Anschaffungskosten, bei der depotführenden Stelle aus technischen Gründen nicht vorhanden, ist § 93 Abs. 4 EStG 1988 sinngemäß anzuwenden.
29.6.6 Befreiung für beschränkt steuerpflichtige Körperschaften (§ 94 Z 6 EStG 1988)
7767
Vom persönlichen Anwendungsbereich der Befreiung umfasst sind beschränkt steuerpflichtige Körperschaften iSd § 1 Abs. 3 Z 2 und 3 KStG 1988, somit inländische Körperschaften öffentlichen Rechts sowie Körperschaften, soweit sie gemäß § 5 KStG 1988 oder anderen Bundesgesetzen von der KSt-Pflicht befreit sind.
In sachlicher Hinsicht korrespondiert die KESt-Befreiung mit den KSt-Befreiungen gemäß § 21 Abs. 2 KStG 1988 für diese Steuerpflichtigen.
29.6.6.1 Beteiligungserträge gemäß § 10 KStG 1988
Siehe dazu KStR 2013 Rz 1151 bis 1248.
29.6.6.2 entfällt
29.6.6.3 Zinsen und sonstige Erträge aus Kapitalforderungen gemäß § 27 Abs. 2 Z 2, Einkünfte aus Wertsteigerungen gemäß § 27 Abs. 3, Einkünfte aus Derivaten gemäß § 27 Abs. 4 sowie Einkünfte aus Kryptowährungen gemäß § 27 Abs. 4a EStG 1988
7768
Sie sind von der KESt befreit, wenn sie nachweislich folgenden (beschränkt KSt-pflichtigen) Einrichtungen zugehen:
- einer Pensionskasse (§ 6 Abs. 1 KStG 1988) innerhalb einer Veranlagungs- und Risikogemeinschaft (siehe KStR 2013 Rz 185 bis Rz 192, 1505)
- einer Mitarbeitervorsorgekasse (§ 6 Abs. 5 KStG 1988) innerhalb einer Veranlagungs- und Risikogemeinschaft (siehe KStR 2013 Rz 195, 1505)
- einer Unterstützungskasse (§ 6 Abs. 2 KStG 1988; siehe KStR 2013 Rz 193, 1505)
- einer Arbeitnehmerförderungsstiftung iSd § 6 Abs. 4 KStG 1988 (siehe StiftR 2009 Rz 167 bis Rz 171, KStR 2013 Rz 1505)
- einer Versorgungs- und Unterstützungseinrichtung einer Körperschaft öffentlichen Rechts (siehe KStR 2013 Rz 1505 f)
- einer von der unbeschränkten Steuerpflicht befreiten Körperschaft im Rahmen eines ebenfalls steuerbefreiten Betriebes (zB unentbehrlicher Hilfsbetrieb iSd § 45 Abs. 2 BAO)
- einem Einlagensicherungsfonds im Sinne des § 18 des Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetzes oder dem Beitragsvermögen gemäß § 74 WAG 2018.
Voraussetzung für die Befreiungen ist, dass die Kapitalanlagen, aus denen die Einkünfte resultieren, den genannten Teilbereichen bzw. den steuerbefreiten Betrieben einer Körperschaft im Sinne einer Zweckbindung (Widmung) zuzurechnen sind. Es muss somit von vornherein eine tatsächliche und ausschließliche Bindung des veranlagten Kapitals für den begünstigten Zweck sichergestellt sein (VwGH 8.9.2022, Ro 2022/15/0013). Eine solche nachweisliche Zurechnung kann zudem nur dann angenommen werden, wenn eine entsprechende Dokumentation etwa in Form eines Rechnungskreises eingerichtet wird, aus dem eine klare Abgrenzung des dem begünstigten Zweck zugeordneten Vermögens zum anderen Vermögen ersichtlich ist, dh. Verwendung und Erfolg der Finanzmittel müssen jederzeit abgrenzbar und nachvollziehbar sein. Die Erfüllung der Voraussetzung der Steuerbefreiung muss bereits beim Anfallen der Kapitalerträge feststehen. Die Tatsache der Zugehörigkeit der Kapitalanlage zu einem steuerbefreiten Teilbereich oder Betrieb (zB unentbehrlicher Hilfsbetrieb iSd § 45 Abs. 2 BAO) ist dem Kreditinstitut zur Kenntnis zu bringen. Soweit trotz Zugehörigkeit der Kapitaleinkünfte zu einem steuerbefreiten Teilbereich oder Betrieb ein Abzug der KESt erfolgte, kann auf Antrag deren Erstattung gemäß § 240 Abs. 3 BAO erfolgen. Der Bereich der Vermögensverwaltung einer Körperschaft ist nicht von der KESt-Befreiung umfasst. Zu den Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Befreiung siehe KStR 2013 Rz 1506.
29.6.6.4 Humanitäre Spendengelder von Körperschaften öffentlichen Rechts
7769
Für Kapitalerträge von Körperschaften öffentlichen Rechts aus veranlagten humanitären Spendengeldern findet die Kapitalertragsteuer-Abzugsbefreiung des § 94 Z 6 EStG 1988 sinngemäß Anwendung. Voraussetzung dafür ist, dass die Kapitalerträge aus den veranlagten Spendengeldern sowie die Spendengelder bestimmungsgemäß für humanitäre Zwecke eingesetzt werden, die Kapitalanlagen in einem eigenen Rechnungskreis zusammengefasst und die Erträge nachweislich nur für humanitäre Zwecke verwendet werden.
29.6.6.5 Einkünfte einer Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft
7770
Einkünfte einer Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft sind nach Maßgabe des § 5 Z 14 KStG 1988 befreit (siehe dazu KStR 2013 Rz 300).
29.6.6.6 Zuwendungen von Stiftungen
7771
Zuwendungen von nicht unter § 5 Z 6 KStG 1988 fallenden Privatstiftungen sowie vergleichbaren ausländischen Privatstiftungen und Vermögensmassen sind KESt-frei, wenn sie
- beim Empfänger gemäß § 3 EStG 1988 von der Einkommensteuer befreit sind oder
- wenn sie an eine der in § 4a EStG 1988 genannten Personen geleistet werden.
Für die KESt-Freiheit der Zuwendung ist es daher erforderlich, dass es sich beim Empfänger um eine inländische gemäß § 1 Abs. 3 Z 2 oder Z 3 KStG 1988 beschränkt steuerpflichtige Person handelt, bei der die Zuwendung gemäß § 3 EStG 1988 steuerfrei ist oder sie in § 4a EStG 1988 genannt ist (Zuwendung einer steuerlich anerkannten Spende).
29.6.7 KESt-Befreiung bei Entstrickung (§ 94 Z 7 EStG 1988)
Siehe dazu Abschnitt 29.3.2.2.
29.6.8 Kapitalerträge aus Forderungswertpapieren gemäß § 93 Abs. 3 EStG 1988 idF vor Budgetbegleitgesetz 2011 von internationalen Finanzinstitutionen (nunmehr § 124b Z 186 EStG 1988)
7772
Die KESt-Befreiung betrifft Schuldverschreibungen und andere Forderungswertpapiere, die von internationalen Organisationen vor dem 1.10.1992 begeben wurden. Als internationale Finanzinstitutionen gelten dabei die auf Basis völkerrechtlicher Vereinbarungen gegründeten Gesellschaften, die internationale Finanzierungen unter Inanspruchnahme der internationalen Kapitalmärkte durchführen (zB Weltbank, Afrikanische Entwicklungsbank, …).
29.6.9 Ausgabe von Anteilsrechten aufgrund einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln gemäß § 3 Abs. 1 Z 29 EStG 1988 (§ 94 Z 9 EStG 1988)
7773
Zur Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln gemäß § 3 Abs. 1 Z 29 EStG 1988 siehe Rz 306 bis 313 und § 4 Kapitalmaßnahmen-VO.
29.6.10 Befreiung für Investmentfonds und § 40 oder § 42 des Immobilien-Investmentfondsgesetzes unterliegende Gebilde (§ 94 Z 10 EStG 1988)
7774
Ein Investmentfonds/§ 40 oder § 42 des Immobilien-Investmentfondsgesetzes unterliegendes Gebilde stellt kein eigenes Steuersubjekt dar, sondern sind die Erträge daraus direkt beim Anleger steuerlich zu erfassen (Durchgriffsprinzip).
Die Befreiung umfasst folgende Kapitaleinkünfte, die dem Vermögen eines in- und ausländischen Investmentfonds iSd InvFG 2011 oder einem § 40 oder § 42 des Immobilien-Investmentfondsgesetzes unterliegenden Gebilde zugehen:
- Beteiligungserträge gemäß § 27 Abs. 2 Z 1 lit. a bis c EStG 1988, aus Gesellschaften, die im Inland weder Sitz noch Geschäftsleitung haben, Zinsen gemäß § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 (einschließlich Einkünfte, die gemäß § 27 Abs. 5 EStG 1988 als solche gelten) sowie Einkünfte aus Wertsteigerungen von Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988, Einkünfte aus Derivaten gemäß § 27 Abs. 4 EStG 1988 und Einkünfte aus Kryptowährungen gemäß § 27 Abs. 4a EStG 1988.
- Weiters sind KESt-befreit auch Ausschüttungen an ein inländisches § 40 oder § 42 des Immobilien-Investmentfondsgesetzes unterliegendes Gebilde aus einer Grundstücksgesellschaft iSd §§ 23 ff ImmoInvFG, soweit die Ausschüttungen auf Veräußerungsgewinne aus Immobilienveräußerungen zurückzuführen sind.
Beteiligungserträge gemäß § 27 Abs. 2 Z 1 lit. a bis c EStG 1988 aus inländischen Gesellschaften, die dem Vermögen eines inländischen Kapitalanlagefonds oder inländischen § 40 oder § 42 des Immobilien-Investmentfondsgesetzes unterliegenden Gebilden zugehen, sind nicht von der Befreiung umfasst, sie unterliegen daher bereits bei der Ausschüttung durch die Kapitalgesellschaft dem KESt-Abzug.
29.6.11 Ausschüttungen und ausschüttungsgleiche Erträge aus inländischen Kapitalanlagefonds und inländischen § 40 oder § 42 des Immobilien-Investmentfondsgesetzes unterliegenden Gebilden (§ 94 Z 11 EStG 1988)
7775
Die Befreiung umfasst in sachlicher Hinsicht Ausschüttungen sowie ausschüttungsgleiche Erträge aus in- und ausländischen Investmentfonds und § 40 oder § 42 des Immobilien-Investmentfondsgesetzes unterliegenden Gebilden, soweit die Erträge aus Beteiligungserträgen iSd § 27 Abs. 2 Z 1 lit. a bis c EStG 1988 bestehen, deren Schuldner seine Geschäftsleitung oder den Sitz im Inland hat. Die Befreiung der Ausschüttung bzw. ausschüttungsgleichen Erträge, soweit sie auf inländische Beteiligungserträge entfallen, ist erforderlich, um insoweit eine doppelte Besteuerung zu vermeiden, da ein KESt-Abzug bereits bei der Ausschüttung an den Kapitalanlagefonds bzw. das § 40 oder § 42 des Immobilien-Investmentfondsgesetzes unterliegende Gebilde erfolgte.
29.6.12 Befreiung von Kapitaleinkünften bei Privatstiftungen (§ 94 Z 12 EStG 1988)
7776
In sachlicher Hinsicht umfasst die Befreiung
- inländische und ausländische Beteiligungserträge iSd § 27 Abs. 2 Z 1 lit. a bis c EStG 1988
- Zinsen und Erträge aus Kapitalforderungen gemäß § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988
- Entgelte und Vorteile, die neben Einkünften aus der Überlassung von Kapital iSd § 27 Abs. 2 EStG 1988 gewährt werden
- Eine vom Abzugsverpflichteten oder einem Dritten übernommene KESt
- Ausgleichszahlungen und Leihegebühren, die eine Privatstiftung als Verleiher oder Pensionsgeber vom Entleiher oder Pensionsnehmer erhält
- Einkünfte aus Wertsteigerungen von Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988
- Einkünfte aus Derivaten gemäß § 27 Abs. 4 EStG 1988
- Einkünfte aus Kryptowährungen gemäß § 27 Abs. 4a EStG 1988.
Die Befreiung umfasst in persönlicher Hinsicht Privatstiftungen, die nicht unter § 5 Z 6 KStG 1988 (keine Privatstiftungen, die gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen) und nicht unter § 7 Abs. 3 KStG 1988 fallen.
7776a
Nicht unter § 5 Z 6 KStG 1988 fallende Privatstiftungen unterliegen mit Beteiligungserträgen gemäß § 27 Abs. 2 Z 1 lit. a bis c EStG 1988 der Beteiligungsertragsbefreiung gemäß § 10 KStG 1988. Mit Zinsen und sonstigen Erträgen aus Kapitalforderungen gemäß § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 sowie Wertsteigerungen aus Kapitalanlagen gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988, Einkünften aus Derivaten gemäß § 27 Abs. 4 EStG 1988 sowie Einkünften aus Kryptowährungen gemäß § 27 Abs. 4a EStG 1988 unterliegen sie der Zwischenbesteuerung gemäß § 13 Abs. 3 KStG 1988.
Auch steuerpflichtige Depotübertragungen von Wertpapieren an den Begünstigten können unter die Befreiung fallen, weshalb ein KESt-Abzug nicht stattzufinden hat. Da es sich bei diesen Sachzuwendungen um entgeltliche Vorgänge handelt, sind die Wertpapiere mit den fiktiven Anschaffungskosten gemäß § 15 Abs. 3 Z 2 lit. a EStG 1988 zu bewerten. Diese sind vom Depotinhaber der depotführenden Stelle nachzuweisen (siehe Rz 7723).
29.6.13 Befreiung für beschränkt Steuerpflichtige gemäß § 98 EStG 1988 bzw. § 1 Abs. 3 Z 1 KStG 1988 (§ 94 Z 13 EStG 1988)
7777
Personen, die gemäß § 98 EStG 1988 bzw. gemäß § 1 Abs. 3 Z 1 KStG 1988 der beschränkten Steuerpflicht unterliegen (Personen, die im Inland weder Wohnsitz, noch gewöhnlichen Aufenthalt bzw. Geschäftsleitung oder Sitz haben bzw. von der Zweitwohnsitzverordnung, BGBl. II Nr. 528/2003, Gebrauch gemacht haben) sind von der KESt befreit
- mit Kapitaleinkünften, die nicht von der beschränkten Steuerpflicht gemäß § 98 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 umfasst sind, wie Zinsen (ausgenommen § 98 Abs. 1 Z 5 lit. b EStG 1988), realisierte Wertsteigerungen, Einkünfte aus Derivaten und aus Kryptowährungen;
- mit Einkünften aus der Veräußerung einer Beteiligung an einer inländischen Kapitalgesellschaft, an der der Steuerpflichtige oder im Fall eines unentgeltlichen Erwerbes sein Rechtsvorgänger innerhalb der letzten fünf Jahre vor Veräußerung zu mindestens 1% beteiligt war. Einkünfte aus der Veräußerung einer derartigen Beteiligung sind durch den beschränkt Steuerpflichtigen stets im Wege der Veranlagung zu versteuern.
Wurde in diesen Fällen ein KESt-Abzug vorgenommen, erfolgte dieser zu Unrecht und der Steuerpflichtige kann die Rückerstattung der KESt mittels Antrag gemäß § 240 Abs. 3 BAO beantragen. Ab 1.1.2021 ist für die KESt-Rückerstattung das Finanzamt für Großbetriebe zuständig.
29.7 Abgeltungswirkung
7778
Der Begriff „Steuerabgeltung“ bedeutet im Anwendungsbereich des BBG 2011 lediglich, dass die davon erfassten, dem Kapitalertragsteuerabzug unterliegenden Einkünfte – von der Regelbesteuerungsoption nach § 27a Abs. 5 EStG 1988 und der Verlustausgleichsoption nach § 97 Abs. 2 EStG 1988 abgesehen – grundsätzlich nicht in der Steuererklärung zu deklarieren sind. Dass die den besonderen Steuersätzen unterliegenden Einkünfte bei der Berechnung der Einkommensteuer weder beim Gesamtbetrag der Einkünfte noch beim Einkommen zu berücksichtigen sind, ergibt sich bereits aus § 27a Abs. 1 EStG 1988.
7778a
Die Steuerabgeltungswirkung umfasst dabei grundsätzlich neben den Einkünften aus der Überlassung von Kapital auch die Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen, die Einkünfte aus Derivaten sowie die Einkünfte aus Kryptowährungen. Die Steuerabgeltung erstreckt sich weiters auf ausschüttungsgleiche Erträge aus Investmentfonds im Sinne des Investmentfondsgesetzes 2011 (einschließlich pauschal ermittelte ausschüttungsgleiche Erträge aus Nichtmeldefonds) sowie auf jene aus § 40 oder § 42 des Immobilien-Investmentfondsgesetzes unterliegenden Gebilden.
7778b
Aufgrund der Anknüpfung von § 97 Abs. 1 EStG 1988 an den Kapitalertragsteuerabzug, und dem in § 93 Abs. 1 EStG 1988 enthaltenen Ausschluss von Einkünften, auf die der besondere Steuersatz gemäß § 27a Abs. 2 EStG 1988 nicht anwendbar ist, entfaltet der Kapitalertragsteuerabzug sowohl bei natürlichen Personen als auch bei Körperschaften grundsätzlich Abgeltungswirkung. Dabei gelten folgende Ausnahmen:
- Bei Körperschaften, die dem § 7 Abs. 3 KStG 1988 unterliegen, entfaltet der Kapitalertragsteuerabzug niemals Abgeltungswirkung.
- Soweit Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen (§ 27 Abs. 3 EStG 1988), aus Derivaten (§ 27 Abs. 4 EStG 1988) und aus Kryptowährungen (§ 27 Abs. 4a EStG 1988) im Rahmen der Einkünfte iSd § 2 Abs. 3 Z 1 bis 4 EStG 1988 (insbesondere betriebliche Einkunftsarten) erzielt werden, besteht keine Abgeltungswirkung. Es bleibt zwar der 27,5-prozentige (bis 31.12.2015 25-prozentige) Steuersatz nach § 27a Abs. 1 EStG 1988 erhalten, eine Veranlagung ist aber allein aufgrund der weiterhin bestehenden Möglichkeit, Teilwertabschreibungen vorzunehmen, notwendig. Weiters ist eine Veranlagung zur Berücksichtigung von Anschaffungsnebenkosten geboten, weil der Kapitalertragsteuerabzug stets auf Basis der für Privatvermögen geltenden Regelungen erfolgt (siehe Abschnitt 29.5.2.1; zur generellen Berücksichtigung von Anschaffungsnebenkosten bei Kryptowährungen siehe Rz 6105a).
- Kapitalvermögen, dessen Anschaffungskosten pauschal nach § 93 Abs. 4 EStG 1988 oder § 93 Abs. 4a Z 2 EStG 1988 angesetzt wurden, ist von der Abgeltungswirkung ausgeschlossen (siehe Abschnitt 29.5.1.1.4). Es hat daher stets eine Veranlagung zum besonderen Steuersatz zu erfolgen. Dagegen ist Kapitalvermögen, dessen Anschaffungskosten im Übergangszeitraum gemäß § 124b Z 185 lit. a EStG 1988 iVm der Wertpapier-Anschaffungskosten-VO vom gemeinen Wert abgeleitet wurden, grundsätzlich von der Abgeltungswirkung umfasst.
- Soweit eine der in § 93 Abs. 5 EStG 1988 enthaltenen, ausschließlich für den Kapitalertragsteuerabzug maßgeblichen Fiktionen (siehe Abschnitt 29.5.2) angewendet wurde, und diese nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht, entfaltet der Kapitalertragsteuerabzug keine Abgeltungswirkung.
- Soweit beim Verlustausgleich durch einen Abzugsverpflichteten nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechende Angaben des Steuerpflichtigen im Sinne des § 93 Abs. 6 Z 4 lit. a und b EStG 1988 (betreffend treuhändig bzw. für betriebliche Zwecke gehaltene Depots) berücksichtigt wurden, entfaltet der Kapitalertragsteuerabzug keine Abgeltungswirkung.
- Soweit dem Kapitalertragsteuerabzug bei Einkünften aus Kryptowährungen nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechende Angaben des Steuerpflichtigen gemäß § 93 Abs. 4a Z 1 EStG 1988 zu Grunde liegen.
29.8 Völkerrechtlich privilegierte Anleger
29.8.1 Diplomaten
29.8.1.1 Allgemeines
7779
Mit diplomatischen, berufskonsularischen oder vergleichbaren Vorrechten ausgestattete Personen werden in Österreich nur nach den Regeln der beschränkten Steuerpflicht einer Besteuerung unterzogen (VwGH 29.1.1965, 0202/63).
29.8.1.2 Unter „Diplomaten“ fallender Personenkreis
7780
Der solcherart begünstigte Personenkreis umfasst nicht nur im Diplomatenrang oder berufskonsularischen Rang stehende Beamte der in Österreich errichteten Botschaften, Konsulate und ständigen Vertretungen bei internationalen Organisationen (Art. 34 der Wiener Diplomatenkonvention, BGBl. Nr. 66/1966, und Art. 49 Abs. 1 der Wiener Konsularkonvention, BGBl. Nr. 318/1969), sondern auch das nach Österreich entsandte administrative und technische Personal der Botschaften (Art. 37 Abs. 2 der Wiener Diplomatenkonvention), der Berufskonsulate sowie die im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienmitglieder (Art. 37 Abs. 1 der Wiener Diplomatenkonvention, Art. 49 Abs. 1 der Wiener Konsularkonvention).
7781
Begünstigt sind ferner alle Beamten (einschließlich der im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienmitglieder) der in Österreich errichteten internationalen Organisationen, die nach Maßgabe der bestehenden Amtssitzabkommen wie beschränkt Steuerpflichtige zu behandeln sind (Beamte, die nicht mit ihren Auslandseinkünften und -vermögenswerten besteuert werden dürfen).
29.8.1.3 Nachweis des Diplomatenstatus
7782
Die Steuerfreistellung setzt eine entsprechende Nachweisführung voraus, die durch Festhalten der entsprechenden Nummern der vom Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten ausgestellten Legitimationskarten und Überprüfung des Vorliegens eines ausländischen Reisepasses erfüllt werden kann.
29.8.2 Diplomatische und berufskonsularische Vertretungsbehörden
29.8.2.1 Allgemeines
7783
Diplomatische und berufskonsularische Vertretungsbehörden sind nach Völkergewohnheitsrecht insoweit körperschaftsteuerfrei, als sie nur im Rahmen ihres amtlichen Aufgabenkreises in Österreich tätig sind. Sie unterliegen insoweit auch nicht der Kapitalertragsteuerabzugspflicht. Gleiches gilt für die ständigen Vertretungen ausländischer Staaten bei den in Österreich errichteten internationalen Organisationen.
29.8.2.2 Amtlicher Aufgabenkreis einer ausländischen Vertretungsbehörde
7784
Der Kapitalertragsteuerabzug kann unterbleiben, wenn der Leiter der Vertretungsbehörde schriftlich bestätigt, dass die die steuerbefreiten Erträge abwerfenden Kapitalanlagen für den amtlichen Aufgabenkreis der Vertretungsbehörde benötigt werden (vgl. Abschnitt 3 Abs. 5 des Erlasses des BMF vom 7. März 1989, 13 5911/1-IV/13/89, AÖF Nr. 142/1989).
29.8.2.3 Privilegierung anderer Einrichtungen ausländischer Staaten in Österreich
7785
Andere Einrichtungen ausländischer Staaten in Österreich sind im Allgemeinen nicht begünstigt, es sei denn, dass solchen Einrichtungen Privilegien auf Grund besonderer Vorschriften gewährt wurden, wie etwa dem Französischen Kulturinstitut (BGBl. Nr. 220/1947), dem Lycée Français (BGBl. Nr. 44/1983) und der Amerikanischen Internationalen Schule (BGBl. Nr. 665/1991).
29.8.3 Internationale Organisationen
29.8.3.1 Allgemeines
7786
Internationale Organisationen sind nach Maßgabe der in Betracht kommenden völkerrechtlichen Privilegienabkommen persönlich von der Körperschaftsteuer befreit. Diese Befreiung betrifft auch den Kapitalertragsteuerabzug. Gleiches gilt für internationale Organisationen, die unter das Bundesgesetz über die Einräumung von Privilegien und Immunitäten an internationale Organisationen, BGBl. Nr. 677/1977, fallen, soweit ein solches Privileg durch eine auf der genannten gesetzlichen Ermächtigung beruhende diesbezügliche Regierungsverordnung zuerkannt worden ist.
29.8.3.2 Amtlicher Aufgabenbereich einer internationalen Organisation
7787
Nach Maßgabe von Abschnitt 3 Abs. 4 des Erlasses des BMF vom 7. März 1989, 13 5911/1-IV/13/89, AÖF Nr. 142/1989, kann der Kapitalertragsteuerabzug unterbleiben, wenn die über die Kapitalanlagen verfügungsberechtigten zwei Organisationsbeamten schriftlich bestätigen, dass die die steuerbefreiten Erträge abwerfenden Kapitalanlagen für den amtlichen Aufgabenkreis der privilegierten Einrichtung benötigt werden.
29.9 Nachversteuerung von nicht bestimmungsgemäß verwendeten Anteilen an einer Zukunftsvorsorgeeinrichtung
7788
Ist gemäß § 108g Abs. 5 EStG 1988 eine Nachversteuerung von Anteilen an einer Zukunftsvorsorgeeinrichtung (Rz 7019b) vorzunehmen, haftet für die Einbehaltung und Abfuhr der nachzuerhebenden Steuer die jeweilige Versicherung oder Mitarbeitervorsorgekasse.
Randzahlen 7789 bis 7900: derzeit frei