1.2.2.2 Inländische beschränkt steuerpflichtige Körperschaften (§ 1 Abs. 3 Z 2 KStG 1988)
1.2.2.2.1 Allgemeines
136
- Die zweite Art der beschränkten Steuerpflicht trifft zunächst gemäß § 1 Abs. 3 Z 2 KStG 1988 die inländischen Körperschaften öffentlichen Rechts, die in ihrem Hoheitsbereich bzw. außerhalb von Betrieben gewerblicher Art (siehe Rz 64 bis 88) nicht unbeschränkt steuerpflichtig sind. Nach § 1 Abs. 3 Z 2 KStG 1988 sind politische Parteien wie Körperschaften des öffentlichen Rechts zu behandeln, wenn ihnen gemäß § 1 Abs. 4 des Parteiengesetzes 2012, BGBl. I Nr. 56/2012, Rechtspersönlichkeit zukommt (siehe Rz 56). Die Körperschaft öffentlichen Rechts ist diesbezüglich als solche beschränkt steuerpflichtig.
137
- Die zweite Art der beschränkten Steuerpflicht trifft weiters gemäß § 1 Abs. 3 Z 3 KStG 1988 die inländischen Körperschaften im Sinne des § 1 Abs. 2 KStG 1988, soweit sie nach dem KStG 1988 oder einem anderen Bundesgesetz von der Körperschaftsteuerpflicht befreit sind. Der persönliche Anwendungsbereich der beschränkten Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 3 Z 3 KStG 1988 erstreckt sich auch auf sämtliche, aufgrund von Sondergesetzen befreite Körperschaften (1. StabG 2012, BGBl. I Nr. 22/2012). Dies gilt auch dann, wenn diese umfassend von der Abgabenpflicht befreit sind. Ist daher eine Körperschaft aufgrund eines Sondergesetzes von sämtlichen Abgaben umfassend befreit (beispielsweise bei einer Befreiung „von den bundesgesetzlich geregelten Abgaben vom Einkommen, Ertrag und Vermögen“), unterliegt sie § 1 Abs. 3 Z 3 KStG 1988 zufolge dennoch der beschränkten Steuerpflicht. Die Erweiterung der beschränkten Steuerpflicht kommt ab dem 1.4.2012 zur Anwendung (§ 26c Z 31 KStG 1988).
- Zu den außerhalb des KStG 1988 befreiten Körperschaften zählen beispielsweise die Österreichische Studiengesellschaft für Atomenergie GmbH (BGBl. Nr. 73/1959), die Bürgschaftsfonds der Kleingewerbekreditaktion des Bundesministeriums für Handel, Gewerbe und Industrie GmbH (BGBl. Nr. 453/1969), verschiedene Straßenfinanzierungsgesellschaften (BGBl. Nr. 115/1969, BGBl. Nr. 479/1971, BGBl. Nr. 113/1973, BGBl. Nr. 442/1978, BGBl. Nr. 300/1981, BGBl. Nr. 591/1982, BGBl. Nr. 372/1985), der österreichische Filmförderungsfonds (BGBl. Nr. 557/1980).
Aus dem Gebrauch des Wortes „soweit“ ergibt sich, dass im Falle einer nur partiellen Befreiung die Körperschaft mit ihrem nicht befreiten Teil unbeschränkt und mit ihrem befreiten Teil beschränkt steuerpflichtig ist.
Eine generelle Ausnahme von der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht kommt nach wie vor für die Österreichische Bundesfinanzierungsagentur zum Tragen (§ 26c Z 31 KStG 1988).
Weiters bleibt eine umfassende, aufgrund von völkerrechtlichen Abkommen bestehende, persönliche Befreiung von der Abgabenpflicht (Rz 1510 ff) von der mit dem 1. StabG 2012 erfolgten Ausdehnung des Anwendungsbereichs von § 1 Abs. 3 Z 3 KStG 1988 unberührt. Die Befreiung aufgrund von völkerrechtlichen Abkommen geht § 1 Abs. 3 Z 3 KStG 1988 vor, sodass eine beschränkte Steuerpflicht in diesen Fällen bei Bestehen einer umfassenden Befreiung von der Abgabenpflicht nicht begründet wird. Ist in einem völkerrechtlichen Abkommen hingegen keine umfassende Befreiung von der Abgabenpflicht, sondern nur eine Befreiung von der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht vorgesehen, kommt die beschränkte Körperschaftsteuerpflicht zum Tragen.
1.2.2.2.2 Umfang der Steuerpflicht
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Der sachliche Umfang der beschränkten Steuerpflicht wird in § 21 Abs. 2 und 3 KStG 1988 geregelt (siehe Rz 1495 bis 1513) und ist bei den Körperschaften öffentlichen Rechts und bei den aufgrund des § 5 KStG 1988 oder nach anderen Bundesgesetzen befreiten juristischen Personen des privaten Rechts gleich.
Die (beschränkte) Steuerpflicht erstreckt sich zunächst auf steuerabzugspflichtige Einkünfte, wobei nach dem Normzweck die kapitalertragsteuerpflichtigen Einkünfte im Sinne des § 93 Abs. 1 EStG 1988, nicht aber steuerabzugspflichtige Einkünfte gemäß § 99 EStG 1988 gemeint sind. Ausgenommen von der beschränkten Steuerpflicht sind bestimmte, in § 21 Abs. 2 KStG 1988 taxativ aufgezählte Einkünfte (siehe Rz 1502 ff).
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Über die kapitalertragsteuerpflichtigen Einkünfte hinaus erweitert § 21 Abs. 3 KStG 1988 den sachlichen Umfang der beschränkten Steuerpflicht auf
- Kapitaleinkünfte im Ausland (siehe Rz 1498),
- nicht dem Sondersteuersatz unterliegende Kapitaleinkünfte (Rz 1499),
- Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Anteilen an Körperschaften (Rz 1500) und
- Einkünfte aus privaten Grundstückveräußerungen (Rz 1501).
1.2.3 Beginn und Ende der persönlichen Steuerpflicht (§ 4 KStG 1988)
140
In § 4 KStG 1988 sind der Beginn und das Ende der unbeschränkten Steuerpflicht normiert. Beginn und Ende der beschränkten Steuerpflicht sind aus § 1 Abs. 3 und § 21 KStG 1988 abzuleiten.
1.2.3.1 Beginn der Steuerpflicht (§ 4 Abs. 1 KStG 1988)
1.2.3.1.1 Beginn der zivilrechtlichen Rechtsfähigkeit
141
Zusätzlich zu den in § 1 Abs. 2 KStG 1988 genannten Voraussetzungen des Vorliegens von Geschäftsleitung oder Sitz der Körperschaften im Inland (Rz 4 bis 6) bedarf es in erster Linie einer unter § 1 Abs. 2 KStG 1988 subsumierbaren zivilrechtlichen Rechtsform. Diese können sein:
- Juristische Personen des privaten Rechts im Sinne des § 1 Abs. 2 Z 1 KStG 1988,
- Betriebe gewerblicher Art im Sinne des § 1 Abs. 2 Z 2 und § 2 KStG 1988 als Teil des Vermögens einer juristischen Person des öffentlichen Rechts und
- (ersatzweise) nichtrechtsfähige Personenvereinigungen, Anstalten, Stiftungen und andere Zweckvermögen im Sinne des § 1 Abs. 2 Z 3 und § 3 KStG 1988.
Zivilrechtliche Rechtsfähigkeit erlangen Kapitalgesellschaften (§ 34 AktG, § 2 GmbHG), große Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit (§ 35 ff VAG 2016), Genossenschaften (§ 8 GenG) und Privatstiftungen (§ 7 PSG) durch Eintragung in das Firmenbuch. Kleine Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit (§ 68 ff VAG 2016) entstehen mit Erteilung der Konzession (§ 69 Abs. 2 VAG 2016); sie können sich freiwillig ins Firmenbuch eintragen lassen. Zu welcher Kategorie der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit gehört, wird von der FMA entschieden. Ideelle Vereine werden nach Abwicklung des vereinsbehördlichen Verfahrens mit ihrer Konstituierung, Sparkassen mit Satzungsgenehmigung (§ 13 Abs. 4 SpG) rechtsfähig.
Zu Stiftungen, Fonds und Anstalten sowie andere zivilrechtsfähige Zweckvermögen siehe Rz 23 bis 29.
1.2.3.1.2 Beginn der unbeschränkten Steuerpflicht
142
Vor dem gesellschaftsrechtlichen Entstehen einer Körperschaft beginnt die unbeschränkte Steuerpflicht, sobald die Rechtsgrundlage wie Satzung, Gesellschaftsvertrag oder Stiftungsbrief festgestellt ist und sie erstmalig nach außen in Erscheinung tritt. Der Beginn der Steuerpflicht der Körperschaften im Sinne des § 1 Abs. 2 Z 2 und 3 KStG 1988 richtet sich nach den §§ 2 und 3 KStG 1988.
1.2.3.1.2.1 Vorgründungskörperschaft
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Einer Vorgründungskörperschaft bzw. -gesellschaft liegt die Verpflichtung von zwei (bei einer geplanten GmbH gegebenenfalls auch einer) oder mehreren Personen zu Grunde, eine Körperschaft bzw. Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit zu gründen. Auf sie finden die Vorschriften über den Vorvertrag im Sinne des § 936 ABGB Anwendung. Es gelten dieselben Formvorschriften wie für den nachfolgenden Hauptvertrag.
Bei wirtschaftlichem Tätigwerden liegt je nach der Geschäftstätigkeit entweder eine GesBR oder eine OG, grundsätzlich also eine Mitunternehmerschaft vor.
Nehmen Personen eine wirtschaftliche Geschäftstätigkeit auf, bevor sie einen (formgültigen) Vorgründungsvertrag oder Gesellschaftsvertrag abgeschlossen haben, kann diese dennoch der künftigen GmbH zugerechnet werden, wenn sie innerhalb eines Zeitraumes von etwa drei Monaten vor dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages erfolgte.
1.2.3.1.2.2 Vorkörperschaft
144
Zwei oder mehrere Personen (bei einer geplanten GmbH gegebenenfalls auch eine Person) schließen einen Gründungsvertrag für eine Körperschaft bzw. Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, der sie und die bestellten Gesellschaftsorgane verpflichtet, alles zum Entstehen der Gesellschaft Erforderliche zu unternehmen. Für den Beginn der unbeschränkten Steuerpflicht ist neben dem abgeschlossenen Gründungsvertrag notwendig, dass die Körperschaft bzw. Gesellschaft auch nach außen in Erscheinung tritt. Die Eröffnung eines Bankkontos (zB VwGH 4.3.1987, 84/13/0239) genügt dazu ebenso wie eine Geldtransaktion für die Körperschaft bzw. Gesellschaft (zB VwGH 8.6.1988, 84/13/0069) oder die Anmeldung der Registrierung im Firmenbuch. Körperschafts- bzw. gesellschaftsinterne Vorbereitungshandlungen sind hingegen nicht ausreichend.
145
Liegen beide Voraussetzungen vor, wird die Vorkörperschaft bzw. -gesellschaft körperschaftsteuerrechtlich nicht als Rechtsgebilde sui generis angesehen. Voraussetzung ist, dass die Eintragung planmäßig betrieben wird und innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes auch tatsächlich erfolgt. Die Anzeige der Vorkörperschaft hat in jedem Fall beim Finanzamt Österreich zu erfolgen (§ 60 Abs. 2 Z 5 lit. a BAO), unabhängig davon, welches Finanzamt für die Erhebung der Abgaben von der entstandenen Körperschaft oder Gesellschaft zuständig sein wird.
Das im Gründungsstadium anfallende Einkommen ist in diesem Fall der Körperschaft bzw. Kapitalgesellschaft zuzurechnen und im Wege der zutreffenden Einkünfte- bzw. Gewinnermittlung zu erfassen. Bei einer werdenden Kapitalgesellschaft ist daher bereits im Gründungsstadium der Gewinn gemäß § 5 Abs. 1 EStG 1988 zu ermitteln und ein im Gesellschaftsvertrag festgelegtes, vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr maßgebend.
Eine allenfalls bestehende unternehmensrechtliche Rechnungslegungspflicht ist bereits vor der Eintragung zu beachten.
146
Ein Gesellschafterwechsel in der Vorgesellschaft ändert an der Identität mit der späteren Körperschaft nichts, wenn die ausgeschiedenen Gesellschafter an den den Gesellschafterwechsel betreffenden Änderungen des Vertrages mitwirkten.
1.2.3.1.2.3 Unechte Vorkörperschaft
147
Eine unechte Vorkörperschaft bzw. -gesellschaft liegt vor, wenn
- die Gründer von Beginn an keine Registrierung anstreben,
- der Eintragungsantrag nicht ernsthaft weiterbetrieben wird (Nichtbeseitigung von Eintragungshindernissen oder Nichtbeschaffung von Eintragungsunterlagen) oder
- nach Ablehnung des Eintragungsantrages eine Auseinandersetzung unter den Gesellschaftern nicht erfolgt.
Die unechte Vorgesellschaft ist bei wirtschaftlicher Betätigung steuerlich als Mitunternehmerschaft anzusehen.
1.2.3.1.2.4 Weitere Fälle
148
- Für ein Gruppenmitglied und seinen Gruppenträger besteht jeweils eine eigenständige Steuerpflicht. Liegen die Voraussetzungen für die Aufnahme einer Körperschaft in die Unternehmensgruppe bereits vor der Protokollierung dieser Körperschaft vor, ist ihre steuerliche Einbeziehung in die Unternehmensgruppe bereits zu diesem Zeitpunkt (vor Protokollierung) möglich. Eine vertragliche Rückbeziehung der Errichtung einer Gesellschaft ist – von den Regelungen im UmgrStG abgesehen – steuerlich bedeutungslos.
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- Für den Beginn der unbeschränkten Steuerpflicht von Betrieben gewerblicher Art in ihren Erscheinungsformen Betrieb, Gewerbebetrieb und Versorgungsbetrieb ist das Vorliegen der in § 2 Abs. 1 KStG 1988 genannten Voraussetzungen erforderlich. Dies wird in der Regel dann der Fall sein, wenn der Gewerbebetrieb erkennbar seine werbende Tätigkeit durch ein konkretes Leistungsangebot und Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr ausübt. Vorbereitungshandlungen können bereits die Aufnahme der Tätigkeit bedeuten. Mit dem Zeitpunkt des Tätigwerdens im Außenverhältnis beginnt die Steuerpflicht. Für die zeitliche Zurechnung gelten grundsätzlich die allgemeinen steuerlichen Regeln für den Betriebserwerb und die Betriebsveräußerung (§ 24 EStG 1988).
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- Bei Beteiligungserwerb (§ 2 Abs. 2 Z 1 KStG 1988) und der entgeltlichen Betriebsüberlassung eines vorher nicht aktiv geführten Betriebes (§ 2 Abs. 2 Z 2 KStG 1988) beginnt die unbeschränkte Steuerpflicht in dem Zeitpunkt, in dem das Rechtsgeschäft über den Erwerb einer Beteiligung oder die Überlassung eines Gewerbebetriebes rechtsverbindlich zustande gekommen ist.
151
- Die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht von nichtrechtsfähigen Personenvereinigungen, Anstalten, Stiftungen und anderen Zweckvermögen resultiert aus dem Umstand, dass steuerpflichtiges Einkommen weder nach dem KStG 1988 noch nach dem EStG 1988 unmittelbar einer anderen Person zuzurechnen ist. Die Steuerpflicht beginnt in dem Zeitpunkt, in dem ein ertragbringender Vermögensgegenstand nur wirtschaftlich, nicht jedoch rechtlich aus dem Vermögen einer Person ausscheidet und nicht in das wirtschaftliche Eigentum einer anderen Person übergeht.
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- Ausländische Körperschaften können unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig sein, wenn sie im Inland über Sitz oder Geschäftsleitung verfügen. Voraussetzung für den Beginn der Steuerpflicht ist die Verlegung des Sitzes oder der Geschäftsleitung in das Inland. Voraussetzung für eine Verlegung ist ein entsprechender Beschluss der dafür zuständigen Organe der Körperschaft. Dieser Beschluss führt bei Einhaltung der Gründungsvorschriften für Kapitalgesellschaften zu einer Firmenbucheintragung oder einem behördlichen Anerkennungsverfahren (zB Konzession). Die Steuerpflicht beginnt mit dem Beschluss über die Sitzverlegung. Wird nur die Geschäftsleitung der Körperschaft in das Inland verlegt, entsteht die Steuerpflicht mit der (rechtzeitigen) Mitteilung an eine zuständige österreichische Behörde (zB Finanzamt, Gewerbebehörde, Kammern), jedenfalls aber mit den Handlungen, die die tatsächliche Verlegung erkennen lassen.
1.2.3.2 Ende der Steuerpflicht (§ 4 Abs. 2 KStG 1988)
153
Das Ende der unbeschränkten Steuerpflicht ist in der Regel mit dem Erlöschen der Rechtspersönlichkeit einer juristischen Person oder dem faktischen Untergang eines Rechtsgebildes im Sinne des § 1 Abs. 2 Z 2 und 3 KStG 1988 verbunden.
Ebenso wie bei der Begründung der Steuerpflicht gilt auch für die Beendigung der Steuerpflicht die wirtschaftliche Betrachtungsweise.
§ 4 Abs. 2 KStG 1988 regelt nicht die Grenzen der beschränkten Steuerpflicht (siehe hiezu Rz 1495 bis 1513).
1.2.3.2.1 Juristische Personen des privaten Rechts
154
Frühestmöglicher Zeitpunkt für das Ende der unbeschränkten Steuerpflicht einer juristischen Person des privaten Rechts ist ihre Löschung aus dem Firmenbuch, weil davor die Rechtspersönlichkeit im Außenverhältnis noch nicht untergegangen ist. Wird die Verteilung des Vermögens jedoch erst nach der Löschung im Firmenbuch abgeschlossen, endet die unbeschränkte Steuerpflicht zu jenem Zeitpunkt, in dem das gesamte Vermögen auf andere übergegangen ist. Ist bereits vor der Löschung im Firmenbuch das gesamte Vermögen auf andere übergegangen, so endet die unbeschränkte Steuerpflicht dennoch erst mit der Löschung aus dem Firmenbuch.
Anderes gilt, wenn die Löschung aus dem Firmenbuch von Amts wegen erfolgt, weil ihr in solchen Fällen nur deklaratorische Wirkung zukommt. Die Rechtspersönlichkeit der juristischen Person des privaten Rechts und somit ihre unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht kann in solchen Fällen bereits früher enden (siehe Rz 157).
155
Da § 4 Abs. 2 KStG 1988 die Steuerpflicht bis zu jenem Zeitpunkt aufrecht erhält, zu dem das gesamte Vermögen auf andere Personen übergegangen ist, fallen auch Nachtragsliquidationen noch in die Steuerpflicht. Darunter ist die Neueröffnung des Abwicklungsverfahrens nach der Löschung einer Kapitalgesellschaft zu verstehen (vgl. § 214 Abs. 4 AktG; § 93 Abs. 5 GmbHG). Die Mindestkörperschaftsteuerpflicht lebt allerdings nur für den Zeitraum der Nachtragsliquidation wieder auf (siehe Rz 1559).
156
Die Einstellung der (laufenden) Geschäftstätigkeit einer Kapitalgesellschaft führt noch nicht zu einer Beendigung ihrer Körperschaftsteuerpflicht. Auch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen bewirkt noch kein Ende der unbeschränkten Steuerpflicht, da die Rechtspersönlichkeit der Kapitalgesellschaft nicht untergeht und auch nicht ihr gesamtes Vermögen auf andere Personen übergeht (VwGH 22.2.1995, 95/15/0016).
157
Wird ein Insolvenzverfahren mangels kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet oder aufgehoben, ist gemäß § 39 Firmenbuchgesetz jede in das Firmenbuch einzutragende Gesellschaft außer den in anderen Gesetzen genannten Fällen (bereits) mit Rechtskraft des Beschlusses aufgelöst. Die Auflösung der Gesellschaft ist von Amts wegen in das Firmenbuch einzutragen, hat aber nur mehr deklaratorische Wirkung. Die unbeschränkte Steuerpflicht der Gesellschaft endet somit bereits mit Rechtskraft des Beschlusses.
158
Bei Vermögenslosigkeit können Kapitalgesellschaften gemäß § 40 FBG und Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften gemäß § 40 iVm § 42 FBG auf Antrag der nach dem Sitz der Gesellschaft zuständigen gesetzlichen Interessenvertretung bzw. bei Genossenschaften, die einem Revisionsverband angeschlossen sind, auf Antrag des Revisionsverbandes oder auf Antrag der zuständigen Steuerbehörde oder von Amts wegen gelöscht werden. Mit der Löschung gilt die Gesellschaft als aufgelöst. Eine Abwicklung findet nicht statt. Die unbeschränkte Steuerpflicht endet somit mit der Löschung im Firmenbuch.
Eine Kapitalgesellschaft gilt bis zum Beweis des Gegenteils auch dann als vermögenslos, sofern das Vorhandensein von Vermögen nicht offenkundig ist, wenn sie trotz Aufforderung durch das Gericht die Jahresabschlüsse und gegebenenfalls die Lageberichte von zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren nicht vollständig vorlegt (§§ 277 ff UGB).
Stellt sich nach der Löschung das Vorhandensein von Vermögen heraus, das der Verteilung unterliegt, findet eine Nachtragsliquidation statt. Die unbeschränkte Steuerpflicht endet in diesen Fällen zu dem Zeitpunkt, zu dem die Nachtragsliquidation abgeschlossen und das gesamte Vermögen auf andere übergegangen ist.
159
Bei Kapitalgesellschaften und Genossenschaften endet die Steuerpflicht ferner durch Verschmelzung, bei Kapitalgesellschaften auch durch übertragende (verschmelzende, errichtende) Umwandlung nach dem UmwG oder die Aufspaltung nach dem SpaltG. Ende der Steuerpflicht ist diesfalls sowohl in Fällen der Geltung des UmgrStG als auch außerhalb desselben nach § 20 Abs. 2 Z 1 KStG 1988 der Ablauf des Umgründungsstichtages (Rz 1454 bis 1473).
160
Sobald eine inländische Kapitalgesellschaft weder über einen Sitz noch über einen Ort der Geschäftsleitung im Inland verfügt, unterliegt sie nicht mehr der unbeschränkten Steuerpflicht. Die unbeschränkte Steuerpflicht endet zu dem Zeitpunkt, in dem die Verlegung in das Ausland abgeschlossen wird. Auf eine Vermögensverlagerung in das Ausland ist § 6 Z 6 EStG 1988 anzuwenden. Soweit nach der Verlegung in das Ausland noch inländische Einkünfte bezogen werden, tritt ein Wechsel zur beschränkten Steuerpflicht ein.
161
Bei der Unternehmensgruppe (§ 9 KStG 1988, Rz 1004 bis Rz 1150) bleibt die subjektive Körperschaftsteuerpflicht des Gruppenmitglieds bestehen. Es wird lediglich das gemäß § 9 Abs. 6 in Verbindung mit § 24a Abs. 1 Z 1 KStG 1988 bescheidmäßig festgestellte Ergebnis des Gruppenmitglieds der beteiligten Körperschaft bzw. dem Gruppenträger zugerechnet.
162
Im Fall des Mantelkaufs im Sinne des § 8 Abs. 4 Z 2 KStG 1988 bleibt die zivilrechtliche Identität der Körperschaft und damit auch ihre Steuerpflicht bestehen.
163
Zur Mindestkörperschaftsteuerpflicht siehe Rz 1549 bis 1568.
1.2.3.2.2 Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts
164
Für Betriebe gewerblicher Art (§ 2 KStG 1988) endet die unbeschränkte Steuerpflicht durch Veräußerung, Aufgabe, unentgeltliche Übertragung, Einbringung oder durch Vereinigung eines Betriebes gewerblicher Art mit einem anderen Betrieb; sie endet außerdem dann, wenn sonst die Voraussetzungen des § 2 KStG 1988 nicht mehr erfüllt sind.
1.2.3.2.3 Nichtrechtsfähige Personenvereinigungen, Anstalten, Stiftungen und Zweckvermögen
165
Bei diesen Steuerrechtssubjekten im Sinne des § 1 Abs. 2 Z 3 KStG 1988 endet die Steuerpflicht in dem Zeitpunkt, in dem kein Einkommen und Vermögen mehr vorhanden ist bzw. es nach allgemeinen Besteuerungsregeln einem anderen Rechtssubjekt zuzurechnen ist.