25.1 Privatstiftungen
Auf eigen- und gemischtnützige Stiftungen nach dem Privatstiftungsgesetz (PSG), BGBl. Nr. 694/1993, die nicht unter § 7 Abs. 3 KStG 1988 fallen, sind die Sondernormen des § 13 KStG 1988 anzuwenden. Zum Begriff und zur Besteuerung der Privatstiftungen siehe die StiftR 2009.
25.2 Kreditinstitute
25.2.1 Haftrücklage
25.2.1.1 Zuführungen zur Haftrücklage
Gemäß § 26a Abs. 2 KStG 1988 sind Zuführungen zur Haftrücklage in Wirtschaftsjahren, die nach dem 31. Dezember 1996 enden, steuerneutral.
25.2.1.2 Auflösungen der Haftrücklage
25.2.1.2.1 Bestimmungsgemäße Verwendung
Eine Auflösung der Haftrücklage kann gemäß § 23 Abs. 6 BWG nur insoweit erfolgen, als dies zur Erfüllung von Verpflichtungen im Rahmen der Einlagensicherung (§ 93 BWG) oder zur Deckung sonst im Jahresabschluss auszuweisender Verluste erforderlich ist. Dies ist dann der Fall, wenn das Kreditinstitut gezwungen wäre, im Jahresüberschuss Verluste auszuweisen, und nicht in der Lage wäre, diese Verluste durch andere bilanztechnische Maßnahmen abzudecken. Die Haftrücklage darf nur zur Deckung eines Bilanzverlustes herangezogen werden, der nicht durch Bildung freier Rücklagen entstanden ist. Eine Auflösung der Haftrücklage zur Verlustabdeckung ist auch im Bildungsjahr möglich.
Gemäß § 26a Abs. 2 KStG 1988 sind steuerwirksame Haftrücklagen, die für vor dem 1. Jänner 1997 endende Wirtschaftsjahre gebildet wurden, in den Jahren ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung nachzuversteuern. Bei der bestimmungsgemäßen Verwendung ist eine Aufteilung der Rücklagenauflösung auf den steuerwirksamen und den steuerunwirksamen Teil vorzunehmen; hierbei ist nach dem Verhältnis zwischen steuerwirksam und steuerunwirksam gebildeten Rücklagenteilen vor der bestimmungsgemäßen Verwendung auszugehen.
Zuordnungsbeispiele:
Als steuerneutral gebildete Rücklagenteile kommen insbesondere in Frage:
- Zuführungsteile, die wegen Überschreitens der 15%-Grenze gemäß § 14 Abs. 1 KStG 1988 idF BGBl. Nr. 818/1993 nicht abzugsfähig waren,
- Zuführungen, die in Einzelfällen aus besonderen Gründen nicht abzugsfähig waren,
- im Normalfall die Hälfte der Zuführungen in den Jahren 1994 und 1995,
- im Normalfall drei Viertel der Zuführung im Jahr 1996.
Die gemäß § 14 Abs. 2 KStG 1988 idF BGBl. Nr. 818/1993 nach steuerneutraler Verwendung erfolgte steuerneutrale Wiederauffüllung führt nicht zu einem steuerunwirksam gebildeten Teil der Haftrücklage; es wird vielmehr der vor der Verwendung bestehende Zustand wieder hergestellt.
Der aus der Sammelwertberichtigung stammende Teil der Haftrücklage ist normalerweise steuerwirksam gebildet worden.
25.2.1.2.2 Entfall der Bildungsverpflichtung dem Grunde nach
Die Verpflichtung zur Bildung der Haftrücklage dem Grunde nach entfällt, wenn der Status als Kreditinstitut im Sinne des BWG verloren geht. Praktische Anwendungsfälle sind zB
- der Verlust der Konzession,
- ein Wechsel in der Betätigung,
- die Änderung der gesetzlichen Vorschriften betreffend den Bankgeschäftskatalog oder die Liquidation des Unternehmens,
- die grenzüberschreitende Verschmelzung des Kreditinstituts auf den ausländischen in der EU ansässigen Hauptgesellschafter nach den Bestimmungen des EU-VerschG mit Entstehen einer Betriebsstätte.
Hinsichtlich der Auflösung der Haftrücklage bei Entfall der Bildungsverpflichtung dem Grunde nach enthält § 26a Abs. 2 KStG 1988 keine ausdrückliche Regelung. Die Übergangsbestimmungen betreffend die bestimmungsgemäße Verwendung der Haftrücklage sind aber analog auf die Auflösung der Haftrücklage infolge Entfalles der Bildungsverpflichtung dem Grunde nach anzuwenden. Steuerwirksame Haftrücklagen, die für Wirtschaftsjahre, die vor dem 1. Jänner 1997 enden, gebildet wurden, sind in dem Jahr des Entfalles der Bildungsverpflichtung nachzuversteuern. Dies ergibt sich schon nach dem allgemeinen Steuerrechtsgrundsatz, dass gewinnmindernd gebildete Passivposten mangels entgegenstehender ausdrücklicher Regelung im Fall ihres Wegfalles wiederum nur gewinnerhöhend aufzulösen sind.
Bezüglich der Vorgangsweise bei der Rücklagenauflösung wird auf die Ausführungen in den Rz 1332 bis 1335 verwiesen.
Es bestehen keine Bedenken, die mit der oben erwähnten verschmelzenden Umwandlung eines inländischen Kreditinstituts auf den ausländischen Hauptgesellschafter verbundene Auflösung des steuerwirksamen Teiles der seinerzeit gebildeten Haftrücklage gemäß § 14 KStG 1988 in Verbindung mit § 26a Abs. 2 KStG 1988 als Teil des Übergangsgewinnes im Sinne des § 9 Abs. 3 UmgrStG zu behandeln und die Möglichkeit der Dreijahresverteilung in Anspruch zu nehmen.
25.2.1.3 Wiederauffüllung der Haftrücklage
Die im § 57 Abs. 5 BWG geregelte Wiederauffüllung der Haftrücklage nach bestimmungsgemäßer Verwendung ist steuerneutral.
25.2.1.4 Gebundene Rücklagen gemäß § 130 AktG idF BGBl. Nr. 475/1990
Gemäß § 103 Z 12 lit. c BWG idF BGBl. Nr. 532/1993 ist eine zum letzten Bilanzstichtag vor dem 1. Jänner 1994 das Erfordernis gemäß § 23 Abs. 6 BWG idF BGBl. Nr. 532/1993 übersteigende Haftrücklage sowie die Sonderhaftrücklage gemäß Abschnitt I Artikel III Abs. 2 Z 2 lit. c KWG-Novelle 1986, BGBl. Nr. 325/1986, auf eine gebundene Rücklage im Sinne des § 130 AktG idF BGBl. Nr. 475/1990 zu übertragen. Gebundene Rücklagen dürfen gemäß § 130 Abs. 4 AktG idF BGBl. Nr. 475/1990 nur zum Ausgleich eines ansonsten auszuweisenden Bilanzverlustes aufgelöst werden.
Jene Teile der Haftrücklage, die das zum 1. Jänner 1994 gemäß § 23 Abs. 6 BWG idF BGBl. Nr. 532/1993 erforderliche Ausmaß überstiegen und daher in die gebundene Rücklage gemäß § 130 AktG idF BGBl. Nr. 475/1990 übertragen wurden, sind bei der Einkommensermittlung steuerwirksam zu berücksichtigen. Nicht steuerhängig sind nur die steuerunwirksam gebildeten Haftrücklagenteile. Die erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage des Finanzmarktanpassungsgesetzes 1993 zu § 103 Z 12 BWG, BGBl. Nr. 532/1993, setzen trotz der im BWG vorgesehenen Überführung in eine gebundene Rücklage für die weitere Anwendbarkeit des angesprochenen Steuertatbestandes eine Weiterführung und Fortentwicklung (Auflösung) der übersteigenden Haftrücklage für steuerliche Zwecke voraus.
Aufgrund der gesetzlichen Bestimmung in § 103 Z 12 lit. c BWG idF BGBl. Nr. 532/1993, dass Abschnitt V Artikel II Z 2 KWG-Novelle 1986, BGBl. Nr. 325/1986, weiter anzuwenden ist, ist die Sonderhaftrücklage in den Jahren der Auflösung nachzuversteuern. Der Teil der gebundenen Rücklage gemäß § 130 AktG idF BGBl. Nr. 475/1990, der einer übertragenen Sonderhaftrücklage entspricht, ist für steuerliche Zwecke als Sonderhaftrücklage weiterzuführen.
Die steuerfrei gebildeten Rücklagen gemäß § 13 Abs. 4 und 5 Rekonstruktionsgesetz, BGBl. Nr. 183/1955, sind ebenfalls gemäß § 103 Z 12 lit. c BWG idF BGBl. Nr. 532/1993 auf eine gebundene Rücklage im Sinne des § 130 AktG idF BGBl. Nr. 475/1990 zu übertragen. Steuerpflicht tritt anlässlich der Auflösung der Rücklage nur dann ein, wenn eine solche nicht ausschließlich zum Ausgleich von Wertminderungen oder zur Deckung von sonstigen Verlusten erfolgt.
25.2.2 Bewertungsfragen bei Kreditinstituten
25.2.2.1 „Überpari“ begebene Wertpapiere
1344
Werden Wertpapiere „überpari“ begeben, hat jener Teil des Ausgabebetrages, der über dem Nennwert des Papiers liegt, eine regulierende Wirkung auf den Zinsertrag aus dem Papier. Die effektive Verzinsung liegt dadurch unter der nominellen Verzinsung. Im Sinne einer periodengerechten Erfassung des effektiven Zinssatzes ist der „Überparibetrag“ aktiv abzugrenzen und auf die Laufzeit des Papiers finanzmathematisch verteilt abzuschreiben. Davon getrennt sind die Anschaffungskosten des Papiers anzusetzen. Diese Anschaffungskosten sind auch Ausgangspunkt für die weitere Bewertung des Papiers.
1345
Wird ein „pari“ begebenes Wertpapier am Sekundärmarkt zu einem „Überparipreis“ erworben, handelt es sich beim „Überparibetrag“ nicht um ein regulierendes Instrument für den Zinsertrag, sondern um einen echten Bestandteil des Kaufpreises. Es ist daher der volle Betrag, der für den Erwerb des Papiers aufgewendet wurde, als Ausgangspunkt für die weitere Bewertung des Papiers zu nehmen. Sollte die Entwicklung des Teilwertes des Papiers nicht erheblich von jenem Ergebnis abweichen, das bei der Verteilung des „Überparibetrages“ nach Art einer Abgrenzung eintritt, bestehen gegen eine derartige Vorgangsweise keine Bedenken.
Wurde ein bereits überpari begebenes festverzinsliches Forderungswertpapier am Sekundärmarkt zu einem noch höheren Betrag (Agio, Überparibetrag) erworben, ist jener Überparibetrag, der bei Begebung bereits im Kaufpreis des Forderungswertpapiers enthalten war und dem Emittenten als Zinsregulativ gedient hat, weiterhin bis zur Tilgung finanzmathematisch verteilt abzuschreiben, der restliche Kaufpreis ist allerdings einheitlich als Anschaffungskosten des Forderungswertpapiers anzusehen (VwGH 26.7.2005, 2002/14/0039).
Beispiel:
Ein festverzinsliches Wertpapier mit einem Nominale von 100, das überpari zu 104 im Jahr 00 mit einer Laufzeit von 10 Jahren begeben wurde, wird durch eine Bank am Sekundärmarkt um 110 im Jahr 04 erworben. Restlaufzeit ist 5 Jahre. Der Überparibetrag von 4 hätte vom Veräußerer bereits finanzmathematisch abgegrenzt und auf 10 Jahre verteilt abgeschrieben werden müssen, sodass sich bei Veräußerung im fünften Jahr ein Restbetrag von 2,03 ergeben müsste. Aus dem Kaufpreis von 110 ist daher ein Betrag von 2,03 herauszuschälen und auf die Restlaufzeit von 5 Jahren verteilt abzuschreiben, 107,97 sind Anschaffungskosten für das Wertpapier und unterliegen der Teilwertbetrachtung. Wäre der Teilwert des Forderungswertpapiers im Jahr 06 106, käme es zu einer Teilwertabschreibung von 1,97.
25.2.2.2 Wertpapiere in fremder Währung
1346
Bei Wertpapieren, die auf eine ausländische Währung lauten, ist nicht zwischen einer Bewertung in der Originalwährung, auf die das Wertpapier lautet, und der Umrechnung in inländische Währung zu differenzieren, sondern es ist von einem einheitlichen umgerechneten Wert für die weitere Bewertung auszugehen. Die Umrechnung hat gemäß § 58 Abs. 1 BWG zwingend zum Mittelkurs am Bilanzstichtag zu erfolgen.
25.2.2.3 Einzelwertberichtigungen zu Ausleihungen
1347
Wertberichtigungen sind steuerlich nur anzuerkennen, wenn zum Bilanzstichtag konkrete Risiken bestehen, die einzelnen Forderungen direkt zugerechnet werden können und eine Einstellung von Kreditrückzahlungen vorliegt. Es muss mit großer Wahrscheinlichkeit zu rechnen sein, dass bestimmte Forderungen nicht mit dem vollen Nennbetrag eingehen werden. Solche konkrete Risiken können sein:
- Nichteinhaltung einer Ratenvereinbarung,
- dauernde Einstellung von Kreditrückzahlungen,
- schlechte Vermögens- und Liquiditätslage des Schuldners,
- Währungsverlust.
Ein unbesicherter Blankoanteil allein reicht keinesfalls für die Bildung einer Einzelwertberichtigung aus, da er als allgemeines Bankrisiko in der Bildung der Haftrücklage Berücksichtigung findet. Sicherheiten sind entsprechend zu berücksichtigen.
Nach dem Erkenntnis des VwGH 19.2.1991, 90/14/0242, liegt weder bei einem Tilgungsrückstand noch bei einer Kontoüberziehung allein eine vorübergehende oder dauernde Einstellung von Kreditrückzahlungen vor, die eine Einzelwertberichtigung rechtfertigt, da diese auch saisonbedingt sein kann oder auch andere ausreichende Sicherheiten vorliegen können.
25.2.2.4 Pauschale Einzelwertberichtigungen zu Ausleihungen
1348
Für Wirtschaftsjahre, die vor dem 1.1.2021 beginnen, gilt:
Pauschalwertberichtigungen, die einem allgemeinen Forderungs-, Kredit- oder Branchenrisiko Rechnung tragen, ohne dass eine Risikozuordnung zu bestimmten Forderungen vorgenommen werden kann, sind steuerlich nicht zulässig (§ 6 Z 2 lit. a EStG 1988 idF vor COVID-19-StMG; siehe EStR 2000 Rz 2372).
Laut Erkenntnis des VwGH 27.8.1998, 96/13/0165, ist es jedoch denkbar, dass eine Einzelwertberichtigung von verschiedenen Forderungen bei tatsächlich gleichartigem Sachverhalt im Wege einer Schätzung in gleichem Ausmaß vorgenommen wird.
Pauschal ermittelte Einzelwertberichtigungen sind in jenen Fällen zulässig, in denen ein vereinbarter Überziehungsrahmen überschritten wird, ohne dass mit dem Kontoinhaber ein entsprechender Kreditvertrag geschlossen wurde, oder wenn ein Rückstand von mehr als drei Kreditraten besteht und der Rückstand bei schriftlicher Krediteinräumung mehr als 15% des eingeräumten Kreditrahmens beträgt, ohne dass ausreichende Sicherheiten vorhanden sind. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob der Überziehungsrahmen schriftlich oder – wie bei Intern- und Disporahmen mündlich oder konkludent – eingeräumt wurde. In diesen Fällen bestehen keine Bedenken, eine pauschale Berichtigung in Höhe von bis zu 2,5% der jeweiligen unter den Gefährdungstatbestand fallenden Gruppensummen anzusetzen, sofern die Summe der gruppenweisen Einzelwertberichtigungen den durchschnittlichen Jahresbedarf an tatsächlichen Einzelwertberichtigungen in der einzelnen Gruppe innerhalb der letzten fünf Jahre nicht übersteigt. Sind, wenn auch nicht in vollem Umfang, Sicherheiten vorhanden, mindern diese die Bemessungsgrundlage der pauschal zu ermittelnden Einzelwertberichtigung. Siehe EStR 2000 Rz 2376.
1349
Für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2020 beginnen, gilt:
Aufgrund von § 6 Z 2 lit. a EStG 1988 idF COVID-19-StMG ist eine pauschale Wertberichtigung von Forderungen unter den Voraussetzungen des § 201 Abs. 2 Z 7 UGB idF BGBl. I Nr. 22/2015 zulässig. Danach muss die Bestimmung eines Wertes, die nur auf Basis von Schätzungen möglich ist, auf einer umsichtigen Beurteilung beruhen (allgemeiner Bewertungsgrundsatz der verlässlichen Schätzung). Liegen statistisch ermittelbare Erfahrungswerte aus gleichgelagerten Sachverhalten vor, sind diese gemäß § 201 Abs. 2 Z 7 UGB bei der umsichtigen Beurteilung zu berücksichtigen (zB statistisch ermittelte Ausfallswahrscheinlichkeiten), dh., sie müssen diesfalls in die Schätzung einfließen.
Zur Zulässigkeit pauschaler Wertberichtigungen von Forderungen gemäß § 6 Z 2 lit. a EStG 1988 idF COVID-19-StMG unter den Voraussetzungen des § 201 Abs. 2 Z 7 UGB sowie zur erstmaligen Anwendung der Neuregelung unter Berücksichtigung des über fünf Jahre zu verteilenden „Altbestandes“ (§ 124b Z 372 lit. a iVm lit. c EStG 1988) siehe EStR 2000 Rz 2373.
25.2.2.5 Zuschreibungsrücklage für Kreditinstitute bei Wechsel des Wertberichtigungssystems (§ 124b Z 270 lit. c EStG 1988)
1349a
Die Bestimmung des § 124b Z 270 lit. c EStG 1988 betrifft eine Besonderheit bei Kreditinstituten. Im Zuge der Bewertung von Forderungen wird zunehmend das System der Einzelwertberichtigung durch ein System von pauschalen Wertberichtigungen nach aufsichtsrechtlich anerkannten Methoden ersetzt. Diese Wertberichtigungen werden anhand von Bonitätsklassen nach Erfahrungssätzen aus der Vergangenheit ermittelt. Liegen bei der gebildeten Wertberichtigung die Voraussetzungen für eine steuerliche Anerkennung aufgrund von § 6 Z 2 lit. a EStG 1988 idF vor COVID-19-StMG nicht vor, hätte der Wechsel des Wertberichtigungssystems zu einer steuerlich wirksamen Auflösung der Einzelwertberichtigung einerseits und der steuerlich nicht abzugsfähigen Bildung der pauschalen Wertberichtigung andererseits geführt.
Beispiel:
Vom K-Kreditinstitut wurden insgesamt Einzelwertberichtigungen iHv 1.000.000 Euro steuerlich wirksam gebildet. Die Überführung in steuerlich aufgrund von § 6 Z 2 lit. a EStG 1988 idF vor COVID-19-StMG nicht anerkannte pauschale Wertberichtigungen in gleicher Höhe hat keine unternehmensrechtliche Erfolgsauswirkung; Auflösung und Zuführung heben einander auf. Steuerlich entsteht ein Gewinn von 1.000.000 Euro, weil der steuerwirksamen Auflösung die steuerneutrale Zuführung gegenübersteht.
1349b
Um diesen Effekt zu verhindern bzw. zu entschärfen, sieht die Übergangsbestimmung des § 124b Z 270 lit. c EStG 1988 vor, dass der Ertrag aus der Auflösung von Einzelwertberichtigungen, die durch eine pauschale Wertberichtigung ersetzt werden, einer speziellen Zuschreibungsrücklage zugeführt werden kann. Diese ist bis zur Veranlagung 2020 unverändert beizubehalten und ab der Veranlagung 2021 jährlich um ein Fünftel steuerwirksam aufzulösen (zur steuerwirksamen Auflösung der Zuschreibungsrücklage und der steuerlichen Anerkennung künftiger pauschaler Forderungswertberichtigungen aufgrund von § 6 Z 2 lit. a EStG 1988 idF COVID-19-StMG siehe Rz 1349e). Durch die Bildung einer Zuschreibungsrücklage wird die sofortige Erfassung des Auflösungsbetrages verhindert. Die Bestimmung ist auf Auflösungen anzuwenden, die im ersten Geschäftsjahr, das nach dem 31.12.2015 begonnen hat, erfolgen.
1349c
Die Höhe des Zuführungsbetrages ist dabei durch die Auflösung der bestehenden steuerwirksam gebildeten Einzelwertberichtigungen begrenzt.
Beispiel 1:
Vom K-Kreditinstitut wurden insgesamt Einzelwertberichtigungen iHv 1.000.000 Euro steuerlich wirksam gebildet. Diese werden aufgelöst und durch steuerlich aufgrund von § 6 Z 2 lit. a EStG 1988 idF vor COVID-19-StMG nicht abzugsfähige pauschale Wertberichtigungen iHv 1.200.000 Euro ersetzt.
Der gesamte Auflösungsbetrag iHv 1.000.000 Euro kann der Zuschreibungsrücklage gemäß § 124b Z 270 lit. c EStG 1988 zugeführt werden.
Beispiel 2:
Vom K-Kreditinstitut wurden insgesamt Einzelwertberichtigungen iHv 1.000.000 Euro steuerlich wirksam gebildet. Diese werden aufgelöst und durch steuerlich aufgrund von § 6 Z 2 lit. a EStG 1988 idF vor COVID-19-StMG nicht abzugsfähige pauschale Wertberichtigungen iHv 750.000 Euro ersetzt.
Der Auflösungsbetrag kann iHv 1.000.000 Euro der Zuschreibungsrücklage gemäß § 124b Z 270 lit. c EStG 1988 zugeführt werden.
1349d
Soweit die neugebildete Wertberichtigung steuerlich abzugsfähig ist, kann die Zuschreibungsrücklage nur in Höhe der steuerlich nicht abzugsfähigen Zuführung gebildet werden.
Beispiel:
Vom K-Kreditinstitut wurden insgesamt Einzelwertberichtigungen iHv 1.000.000 Euro steuerlich wirksam gebildet. Diese werden aufgelöst und durch Wertberichtigungen iHv 1.100.000 Euro ersetzt, davon sind 150.000 Euro als steuerlich abzugsfähige Einzelwertberichtigungen zu qualifizieren, die restlichen 950.000 Euro stellen steuerlich aufgrund von § 6 Z 2 lit. a EStG 1988 idF vor COVID-19-StMG nicht abzugsfähige pauschale Wertberichtigungen dar. Der Auflösungsbetrag kann iHv 950.000 Euro der Zuschreibungsrücklage gemäß § 124b Z 270 lit. c EStG 1988 zugeführt werden; insoweit wird anstelle einer bestehenden Einzelwertberichtigung eine pauschale Wertberichtigung gebildet.
1349e
Werden in der Folge pauschale Wertberichtigungen aufgelöst bzw. erhöht, sind diese Änderungen steuerlich unbeachtlich. Die Zuschreibungsrücklage bleibt unverändert; auch bei Ausscheiden der Forderung für die die Einzelwertberichtigung ursprünglich gebildet wurde. Die Zuschreibungsrücklage ist in der Steuerbilanz evident zu halten und ab der Veranlagung 2021 jährlich zu je einem Fünftel steuerwirksam zu verringern.
Aufgrund von § 6 Z 2 lit. a EStG 1988 idF COVID-19-StMG sind pauschale Forderungswertberichtigungen nach Maßgabe von § 201 Abs. 2 Z 7 UGB nunmehr auch steuerlich anerkannt. Die Bildung von pauschalen Wertberichtigungen nach diesen Voraussetzungen ist erstmals für nach dem 31.12.2020 beginnende Wirtschaftsjahre möglich, dh. im Falle eines Regelwirtschaftsjahres somit erstmalig zum 31.12.2021 (siehe Rz 1349 sowie EStR 2000 Rz 2373). Der mit der Veranlagung 2021 beginnenden steuerwirksamen Auflösung der Zuschreibungsrücklage steht folglich die steuerliche Anerkennung der nach Maßgabe von § 201 Abs. 2 Z 7 UGB gebildeten Pauschalwertberichtigungen von Forderungen gegenüber.
25.3 Versicherungsunternehmen und Pensionskassen
25.3.1 Versicherungstechnische Rückstellungen
25.3.1.1 Sondervorschriften für Versicherungsunternehmen
1350
Der Versicherungsschutz umfasst einerseits das Dienstleistungsgeschäft und andererseits ein Risikogeschäft. Im Bereich des Dienstleistungsgeschäfts sind die damit verbundenen Risiken, dh. die Erfolgsschwankungen, ähnlich denen anderer Geschäftszweige. Im Bereich des Risikogeschäfts, das den Kern eines Versicherungsgeschäfts (Produktion von Versicherungsschutz) darstellt, wird gegen Zahlung von Prämien die Wahrscheinlichkeitsverteilung von Schäden auf den Versicherer transferiert. Der Versicherer produziert damit Versicherungsschutz über mehrere Perioden. Durch die Zuführungen zu versicherungstechnischen Rückstellungen soll also der Geldbedarf gedeckt werden, der durch den Eintritt eines Versicherungsfalles (zB Schaden, Unfall, Krankheit, Erleben, Ableben) verursacht wird.
1351
§ 15 Abs. 1 erster Satz KStG 1988 normiert, dass Zuführungen zu versicherungstechnischen Rückstellungen insoweit abzugsfähig sind, als deren Bildung im VAG 2016 oder den dazu ergangenen Verordnungen vorgeschrieben ist. Dies gilt dem Grunde nach allgemein für versicherungstechnische Rückstellungen. Es handelt sich dabei um die VO der FMA über die Rechnungslegung von Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen (VU-RLV) vom 21.10.2015, BGBl. II Nr. 316/2015 idF BGBl. II Nr. 323/2016, die VO der FMA über die Bildung einer Schwankungsrückstellung in der Schaden- und Unfallversicherung von Versicherungsunternehmen (Schwankungsrückstellungs-Verordnung 2016 – VU-SWRV 2016) vom 21.10.2015, BGBl. II Nr. 315/2015 idF BGBl. II Nr. 324/2016 , und die Versicherungsunternehmen-Höchstzinssatzverordnung der FMA vom 6.10.2015, BGBl. II Nr. 299/2015 idF BGBl. II Nr. 266/2016. Darüber hinausgehende versicherungstechnische Rückstellungen sind davon nicht betroffen.
1352
Durch den ersten Satz wird somit einerseits die Maßgeblichkeit der UGB-Bilanz für die steuerliche Gewinnermittlung unterstrichen. Eine versicherungstechnische Rückstellung lässt sich nicht eindeutig von dem Begriff Rücklage oder Reserve abgrenzen. Durch den Verweis auf das VAG 2016 soll klargestellt werden, welche versicherungstechnischen Rückstellungen zunächst dem Grunde nach zulässig sind.
1353
§ 15 Abs. 1 zweiter Satz KStG 1988 enthält einen Verweis auf die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung mit der steuerlichen Implikation, dass versicherungstechnische Rückstellungen den Betrag nicht übersteigen dürfen, der zur Sicherstellung der Verpflichtungen aus den am Bilanzstichtag bestehenden Versicherungsverträgen notwendig ist. In Vollziehung dieses Hinweises ist die Abgabenbehörde zur Prüfung der versicherungstechnischen Rückstellungen der Höhe nach verpflichtet.
25.3.1.2 Schwankungsrückstellung
1354
Die Schwankungsrückstellung ist nach den Vorschriften des VAG 2016 und der dazu ergangenen VO der FMA über die Bildung einer Schwankungsrückstellung in der Schaden- und Unfallversicherung von Versicherungsunternehmen (Schwankungsrückstellungs-Verordnung 2016 – VU-SWRV 2016) vom 21.10.2015, BGBl. II Nr. 315/2015 idF BGBl. II Nr. 324/2016, zu berechnen und zu bilden. Der Auftritt von Über- und Unterschäden unterliegt dem Zufall und ist das spezifische versicherungstechnische Risiko, das im Kollektiv und in der Zeit, das heißt über mehrere Perioden, ausgeglichen werden kann. Durch die Bildung einer Schwankungsrückstellung wird dieses Zufallsrisiko in der Bilanz abgebildet. Die Schwankungsrückstellung soll damit den Risikoausgleich in der Zeit gewährleisten (Ausgleichsfunktion) und hat außerdem die Aufgabe, durch Bereitstellung finanzieller Mittel die Überschäden zu decken, damit die Ruinwahrscheinlichkeit des Versicherers möglichst klein gehalten wird (Sicherheitsfunktion). Die Schwankungsrückstellung stellt somit eine Vorsorge für Unternehmerrisiken dar, wobei ihr aber auch Eigenkapitalcharakter zukommt.
1355
Für die steuerliche Abzugsfähigkeit einer Schwankungsrückstellung müssen insbesondere folgende in § 15 Abs. 2 KStG 1988 aufgezählte steuerliche Voraussetzungen gleichermaßen erfüllt sein:
- Es muss aufgrund der Erfahrungen, die durch statistisches Material belegt werden können, mit erheblichen Schwankungen des Jahresbedarfes (damit ist der Schadenbedarf gemeint) zu rechnen sein. Dies gilt für den jeweiligen Versicherungszweig und bedeutet eindeutig einen gesetzlichen Auftrag zur Überprüfung der Schwankungsrückstellung dem Grunde und der Höhe nach.
- Die Erheblichkeitsklausel ist ausdrücklich in der oben angeführten VO über die Schwankungsrückstellung definiert. Es ist danach von erheblichen Schwankungen auszugehen, wenn die Standardabweichung mindestens 5%-Punkte beträgt (§ 8 Z 2 der oben angeführten VO über die Schwankungsrückstellung).
- Eine weitere Voraussetzung für die Bildung stellt nach der VO die so genannte Bagatelleklausel dar. Eine Bildung kann nur dann erfolgen, wenn die durchschnittlichen abgegrenzten Eigenbehaltsprämien der letzten drei Geschäftsjahre (inklusive dem Bilanzjahr) 150.000 Euro übersteigen.
- Wenn die Schwankungen des Schadenbedarfs durch Prämien gedeckt werden, ist eine Voraussetzung für die Bildung einer Schwankungsrückstellung nicht erfüllt.
- Die Schwankungsrückstellung ist durch die Höhe des Sollbetrages gemäß § 10 der oben angeführten VO über die Schwankungsrückstellung am jeweiligen Bilanzstichtag nach oben hin begrenzt. Dieser Betrag stellt aus steuerrechtlicher Sicht die Höchstgrenze dar.
- Änderungen der Schwankungsrückstellung sind zur Hälfte steuerwirksam.
25.3.1.3 Steuerliche Abzugsfähigkeit
1356
Die Rückstellung für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle und die sonstigen Rückstellungen gemäß § 144 Abs. 3 D VII VAG 2016 sind mit 80% des Teilwertes anzusetzen. Zu den sonstigen versicherungstechnischen Rückstellungen zählen insbesondere
- die Stornorückstellung,
- die Rückstellung für Großschäden,
- die Rückstellung für Verluste aus dem indirekten Geschäft und
- die Rückstellung für drohende Verluste.
1358
Bei Rückstellungen mit einer Laufzeit von weniger als 12 Monaten wird keine Kürzung vorgenommen, wobei 70% der Rückstellung für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle kurzfristiger als 12 Monate angesehen werden.
25.3.1.4 Prämienüberträge
1359
Die Prämien werden den Versicherungsnehmern in der Regel im Vorhinein für die gesamte Versicherungsperiode oder bei unterjähriger Zahlungsweise für einen Teil der Versicherungsperiode vorgeschrieben. Aufgrund dieser Tatsache reichen die Prämienvorschreibungen mitunter über den Bilanzstichtag hinaus und sind durch Passivposten (Prämienüberträge) in den Bilanzen zu berücksichtigen (Hinweis auf § 151 VAG 2016). Diese Passivposten sind ihrem Wesen nach in erster Linie Rechnungsabgrenzungsposten. Sie sind grundsätzlich für jeden Versicherungsvertrag nach einer zeitanteiligen Einzelberechnung zu ermitteln.
1360
In der Lebensversicherung ist die Berechnung der Prämienüberträge in den Geschäftsplänen für die Lebensversicherung geregelt. In der Krankenversicherung werden überwiegend Monatsprämien vorgeschrieben, daher spielen Prämienüberträge kaum eine Rolle. Die größte Bedeutung haben die Prämienüberträge in der Schaden-Unfallversicherung.
25.3.1.5 Deckungsrückstellung
1361
Der Deckungsrückstellung kommt in den Bereichen Lebensversicherung und Krankenversicherung besondere Bedeutung zu. Sie ist aber auch für nach der Art der von Lebensversicherungen betriebenen Versicherungszweige (Unfallversicherung) zu bilden. Grundsätzlich ist eine Einzelberechnung zu fordern, wobei ua. mathematisch-statistische Methoden insoweit zulässig sind, als sie zu einem annähernd gleichen Ergebnis führen.
1362
In der Lebensversicherung ist es das primäre Ziel, die Deckung eines einzelnen ungewissen, insgesamt geschätzten Mittelbedarfs auf der Grundlage des Risikoausgleichs im Kollektiv und in der Zeit zu gewährleisten. Dazu sind nach versicherungsmathematischen Grundsätzen Kapitalansammlungen zu berechnen, wobei als Grundlage der technische Geschäftsplan des Unternehmens dient. In die Berechnung fließen insbesondere die Sterblichkeitsrate, der Rechnungszinsfuß, Kosten und die Stornowahrscheinlichkeit ein. Zur Deckung der rechnungsmäßigen Abschlusskosten gibt es ein eigenes Verfahren, wobei zu beachten ist, dass negatives Deckungskapital immer auf Null aufgefüllt werden muss.
1363
Die Deckungsrückstellung in der Lebensversicherung enthält einen Sparvorgang (laut Vertrag). Dadurch entsteht ein individuelles Guthaben, das aus den Sparteilen der geleisteten Nettoprämien angesammelt wird und in seiner jeweiligen Höhe dem Berechtigten aus dem Versicherungsvertrag zufließen muss.
Versicherungsunternehmen haben in der Lebensversicherung eine Zinszusatzrückstellung als Deckungsrückstellung zu bilden (§ 3 Versicherungsunternehmen-Höchstzinssatzverordnung vom 6.10.2015, BGBl. II Nr. 299/2015 idF BGBl. II Nr. 266/2016). Die Bildung der Zinszusatzrückstellung ist trotz des pauschalen Charakters (§ 3 Abs. 3 der Verordnung) dem Grunde nach gemäß § 15 Abs. 1 KStG 1988 steuerlich abzugsfähig, die Höhe unterliegt entsprechend der Einschränkung des § 15 Abs. 1 KStG 1988 der Überprüfung durch die Abgabenbehörde.
Die aufsichtsrechtliche Mindestbildung ist steuerlich abzugsfähig. Eine darüber hinausgehende Dotierung ist steuerlich wirksam, wenn das Erfordernis iSd § 15 Abs. 1 zweiter Satz KStG 1988 durch eine Einzelberechnung der Deckungsrückstellung aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten des Versicherungsunternehmens nachgewiesen wird.
1364
In der Krankenversicherung ist die Prämie auf Basis des für die gesamte voraussichtliche Laufzeit zu erwartenden Morbiditätsrisikos derart kalkuliert, dass konstante Prämien einem altersbedingt steigenden Erkrankungsrisiko gegenüberstehen. Der Ausgleich erfolgt über die Deckungsrückstellung (auch Alterungsrückstellung genannt). In ihr werden also Teile der anfänglich im Verhältnis zum Risiko überhöhten Prämien angesammelt, verzinst und später zur Auffüllung der nicht mehr ausreichenden Prämien wieder aufgelöst.
1365
Die Alterungsrückstellung stellt keinen Sparvorgang im herkömmlichen Sinn dar (im Unterschied zu Lebensversicherungen bei gemischten Tarifen). Bei Auflösung des Vertrages hat daher der Versicherungsnehmer per Vertragsklausel keinen Anspruch auf die bisher angesammelte Alterungsrückstellung. In die Berechnung der Deckungsrückstellung bei der Krankenversicherung fließen insbesondere die Sterblichkeitsrate, die Schadenhäufigkeit, die Kostenhöhe und die Stornowahrscheinlichkeit ein.
25.3.1.6 Rückstellung für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle
1366
Gemäß § 153 VAG 2016 sind Rückstellungen für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle für die dem Grunde und der Höhe nach noch nicht feststehenden Leistungsverpflichtungen aus bis zum Bilanzstichtag eingetretenen Versicherungsfällen sowie für sämtliche nach dem Bilanzstichtag voraussichtlich anfallenden Schadenregulierungsaufwendungen zu bilden. Grundsätzlich ist bei der Bildung der Rückstellung vom Einzelbewertungsprinzip auszugehen. Eine Ausnahme besteht, wenn die Eigenart eines Versicherungszweiges einer Einzelermittlung entgegensteht. Aufsichtsrechtlich liegt eine vorsichtige Bewertung „(…) jedenfalls vor, wenn bei einer mehrjährigen Betrachtung pro Versicherungszweig die Rückstellung (…) einen durchschnittlichen Abwicklungsgewinn von mindestens 10% aufweist.“ (§ 12 Abs. 6 VO der FMA über die Rechnungslegung von Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen (VU-RLV) vom 21.10.2015, BGBl. II Nr. 316/2015 idF BGBl. II Nr. 323/2016). Steuerlich handelt es sich dabei auf Grund der Einschränkung des § 15 Abs. 1 zweiter Satz KStG 1988 um eine Höchstgrenze. Auf Grund der vergangenheitsbezogenen Ermittlung des Abwicklungsgewinnes im Rahmen einer mehrjährigen Betrachtung sind Abwicklungsgewinne bis zu 15% in einzelnen Versicherungszweigen dann steuerlich unbedenklich, wenn die – entsprechend den aufsichtsrechtlichen Vorgaben ermittelte – Grenze von 10% nur in einzelnen Jahren und nicht dauerhaft überschritten wird.
25.3.1.6.1 Rückstellung für Schadenregulierungsaufwendungen
1367
Die Rückstellung für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle hat gemäß § 153 VAG 2016 auch sämtliche Regulierungsaufwendungen, die für die Erledigung der reservierten Versicherungsfälle nach dem Bilanzstichtag anfallen, abzudecken. Da das VAG 2016 keine genaue Definition des Begriffes Schadenregulierung trifft, ist eine Interpretation aufgrund des § 66 Abs. 1 Versicherungsvertragsgesetz 1958 durchzuführen.
25.3.1.6.2 Auswirkung des § 15 Abs. 3 KStG 1988
1368
Rückstellungen für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle (inkl. der Rückstellung für Schadenregulierungsaufwendungen) sind gemäß § 15 Abs. 3 in Verbindung mit § 26a Abs. 12 KStG 1988 mit 80% des Teilwertes anzusetzen. Bei Rückstellungen mit einer Laufzeit von weniger als 12 Monaten ist keine Kürzung vorzunehmen. Es ist davon auszugehen, dass bei 70% der Summe dieser Rückstellungen die Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als 12 Monate beträgt.
25.3.1.7 Sonstige versicherungstechnische Rückstellungen
1369
Zu den sonstigen versicherungstechnischen Rückstellungen gehören insbesondere:
25.3.1.7.1 Stornorückstellung
1370
Die Rückstellung für Storni von noch nicht bezahlten Prämien ist eine Wertberichtigung zu den Prämienaußenständen.
25.3.1.7.2 Rückstellung für Großschäden
1371
Bei einer Rückstellung für Großschäden handelt es sich in der Regel um Großrisiken, für die keine Erfahrungswerte für den Schadensverlauf vorliegen. Beispiele für Großrisiken sind unter anderem die Atomrisiken, Pharmarisiken und Umwelthaftpflichtrisiken. Diese Rückstellung für Großschäden ist nur ausnahmsweise anstelle einer Schwankungsrückstellung zu bilden, wenn kein ausreichend großes Kollektiv vorliegt.
Terrorrisiken, die in Versicherungsverträgen enthalten sind, werden im „Versicherungspool zur Deckung von Terrorrisiken“ gebündelt; der Pool erbringt im Schadenfall die Leistung an den Versicherungsnehmer. Die Poolmitglieder müssen dafür eine Rückstellung für Terrorrisiken bilden. Die Zuführung zu dieser Rückstellung ist steuerwirksam, wenn die Bildung entsprechend den Vorgaben der FMA erfolgt. Zu beachten ist auch hier, dass die von der FMA geforderte Mindestdotierung die steuerlich zulässige Höchstgrenze darstellt.
25.3.1.7.3 Rückstellung für Verluste aus dem indirekten Geschäft
1372
Diese Rückstellung kommt in der Regel dann vor, wenn Erträge und Aufwendungen aus dem indirekten Geschäft ein Jahr zeitversetzt in die Gewinn- und Verlustrechnung aufgenommen werden, und aufgrund von Mitteilungen der Zedenten oder nach der Erfahrung damit gerechnet werden muss, dass aus den Abrechnungen ein Verlust resultieren wird.
25.3.1.7.4 Rückstellung für drohende Verluste
1373
Eine Rückstellung für drohende Verluste ist in solchen Sparten zu bilden, in denen anzunehmen ist, dass die Prämien in den kommenden Jahren zur Deckung der Schäden und laufenden Kosten nicht ausreichen, die Verträge vom Versicherungsunternehmen erst bei Ablauf aufgelöst und keine Prämienanpassungen vorgenommen werden können.
25.3.2 Prämienrückerstattungen
25.3.2.1 Allgemeines
1374
Das Wesen der Prämienrückerstattung besteht darin, dass dem Versicherungsnehmer jene Prämienteile rückerstattet werden, die zur Deckung der mit der Leistung der Versicherungsunternehmen verbundenen Aufwendungen nicht benötigt werden (Rückerstattung „überhobener“ Beiträge).
25.3.2.2 Prämienrückerstattungen
1375
Gemäß § 17 Abs. 1 KStG 1988 sind Prämienrückerstattungen, die auf Grund des Ergebnisses des direkten Versicherungsgeschäftes im Eigenbehalt gewährt werden, abzugsfähig.
1376
Die im Gesetz angeführten Worte „für erfolgsabhängige Prämienrückerstattungen“ (Gewinnbeteiligungen) stellen klar, dass es sich hierbei sachlich um eine Rückerstattung von zu hohen Prämien handeln müsse und andere Überschüsse hierbei auszuscheiden haben. Damit soll die Grenze zwischen (abzugsfähiger) Prämienrückerstattung und (zu versteuernder) Gewinnverwendung klar gezogen werden.
1377
Da auf das Ergebnis des direkten Versicherungsgeschäftes im Eigenbehalt hingewiesen wird, scheiden das indirekte Versicherungsgeschäft und das Rückversicherungsgeschäft aus der Betrachtung aus.
1378
In § 17 Abs. 1 Z 2 KStG 1988 wird in anderen Versicherungszweigen als dem Lebens-, Kranken- und Unfallversicherungsgeschäft die Ermittlung des Ergebnisses vorgeschrieben, wobei auch die Nettoerträge der Kapitalanlagen, die den versicherungstechnischen Rückstellungen und Rückstellungen für Prämienrückerstattungen zuzuordnen sind, in die Berechnung des Überschusses einzubeziehen sind.
1379
Betreibt ein Versicherungsunternehmen ausschließlich das Rückversicherungsgeschäft, ist das Rückversicherungsgeschäft dem direkten Versicherungsgeschäft gleichzuhalten.
25.3.2.3 Rückstellungen für Prämienrückerstattungen
25.3.2.3.1 Allgemeines
1380
Infolge eines günstigeren Geschäftsverlaufes, anders als bei der Kalkulation der Prämien angenommen, kommt es auf Grund des Ergebnisses des direkten Versicherungsgeschäftes zu Überschüssen. In die Rückstellung für Prämienrückerstattung werden jene Teile der Überschüsse eingestellt, die nach der Satzung, nach den Versicherungsbedingungen oder auf Grund eines Vorstandsbeschlusses bei der Erstellung des Jahresabschlusses für die Gewinnbeteiligung der Versicherungsnehmer gewidmet werden. Im Interesse einer gerechten und gleichmäßigen Ausschüttungspolitik werden die Überschüsse nicht sofort ausbezahlt bzw. dem einzelnen Vertrag zugewiesen, sondern zunächst vorgetragen. Die Ausschüttung (Verwendung) der Rückstellung erfolgt in Übereinstimmung mit den im Versicherungsvertrag eingegangen Verpflichtungen durch Beschluss der zuständigen Organe (bei einer Aktiengesellschaft in der Regel der Vorstand, bei Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit die Mitgliedervertretung).
1381
Bei Veränderungen des steuerlichen Gewinnes von Versicherungsunternehmen durch die Veranlagung oder Betriebsprüfung kommt es zu keiner steuerlichen Anpassung der Rückstellung für Prämienrückerstattung. Laut § 17 KStG 1988 ist das Ergebnis des direkten Versicherungsgeschäftes im Eigenbehalt die Grundlage für die Zuweisung der Rückstellung für Gewinnbeteiligung und erst wenn die durch die Finanzverwaltung vorgenommenen Gewinnadaptierungen Eingang in die UGB-Bilanz und damit in das Ergebnis des direkten Versicherungsgeschäftes gefunden haben, kann von den zuständigen Organen des Unternehmens unter Einhaltung der dafür vorgesehenen Formvorschriften über diese Beträge entschieden werden. In den steuerlichen Vorschriften ist jedoch keine Adaptierung dieses Ergebnisses an steuerliche Veränderungen im gleichen Bilanzjahr vorgesehen.
25.3.2.3.2 Rückstellungen für Prämienrückerstattung in der Lebensversicherung
1382
Bei Feststellung des Jahresabschlusses werden üblicherweise 80% – 90% des Gewinnes der Rückstellung für Prämienrückerstattung zugewiesen. Die Höhe der Zuführung richtet sich nach versicherungsmathematischen Grundlagen und nach den in den Versicherungsbedingungen (Geschäftsplan) festgelegten Grenzen über das Ausmaß und die Form der Gewinnzuteilung an die Versicherungsnehmer. Insofern wird hiermit ein Betrag bestimmt, der durch die bilanzmäßige Darstellung bekanntgemacht wird (erklärte Gewinnanteile).
1383
Verbleibt nach dieser Berechnung ein rückstellungsfähiger Gewinn, wird dieser der Rückstellung zugeführt, ohne dafür eine bestimmte Verfügung zu treffen. Diese zusätzliche Zuführung (Rückstellung für künftige Verwendung) ist in begrenztem Umfang steuerlich abzugsfähig, wobei auf eine Obergrenze für die gesamte Rückstellung für Beitragsrückerstattung abzustellen ist. Die Obergrenze ergibt sich aus der Summe der im Bilanzjahr innerhalb der Deckungsrückstellung erfolgten Übertragung auf die zugeteilten Gewinnanteile, den erklärten Gewinnanteilen des Bilanzjahres sowie den gemäß § 5 Lebensversicherung-Gewinnbeteiligungsverordnung – LV-GBV vom 6.10.2015, BGBl. II Nr. 292/2015 idF BGBl. II Nr. 322/2016, zwingend für Schlussgewinnanteile rückzustellenden Beträgen.
25.3.2.3.3 Rückstellungen für Prämienrückerstattung in der Krankenversicherung, Schadenversicherung und Unfallversicherung
1384
Die Höhe der Rückstellung wird versicherungsmathematisch nach den vertraglichen Verpflichtungen des Versicherungsunternehmens berechnet. Darüber hinaus kann eine Rückstellung für künftige Gewinnverwendung innerhalb der Rückstellung für Prämienrückerstattung beschlossen werden. Der steuerlich abzugsfähige Höchstbetrag dieser Rückstellung für künftige Gewinnverwendung ist mit der Summe der Ausschüttung des Bilanzjahres und den beiden vorangegangenen Jahren begrenzt.
25.3.2.4 Mindestbesteuerung gemäß § 17 Abs. 3 KStG 1988
1385
§ 17 Abs. 3 KStG 1988 bestimmt, dass Versicherungsunternehmen mindestens 20% des nach den Vorschriften des EStG 1988 jeweils ermittelten Gewinnes aus verschiedenen Versicherungszweigen zu versteuern haben, von dem der für die Versicherten bestimmte Anteil (Rückstellung für Prämienrückerstattung) noch nicht abgezogen ist (Mindestgewinn). Die Regelung ist verfassungskonform (VfGH 11.10.2000, B 787/99).
1386
In die Berechnung ist nur die erfolgsabhängige Rückstellung für Prämienrückerstattung einzubeziehen, nachdem nur diese im § 17 KStG 1988 geregelt ist. Zu beachten ist, dass alle für den Versicherungsnehmer bestimmten Gewinnanteile von der Regelung umfasst sind; zB direkt in die Deckungsrückstellung übertragene Gewinnanteile und direkt an den Versicherungsnehmer ausbezahlte Gewinnanteile.
1387
Die erfolgsunabhängige Rückstellung für Prämienrückerstattung ist vom Schadensverlauf des einzelnen Versicherungsvertrages abhängig und innerhalb des allgemeinen Steuerrechts geregelt.
1388
Die Berechnung des Mindestgewinnes hat für jeden der im Gesetz angeführten Teilbereiche gesondert zu erfolgen. Dabei ist auf die sachgerechte Zuordnung der einzelnen Aufwendungen und Erträge in den entsprechenden Teilbereichen zu achten.
Beispiel:
Berechnung der Mindeststeuer | ||||
Sparten | Lebens-versicherung | Kranken-versicherung | Unfall-versicherung | Gesamt |
Gewinn laut UGB-Bilanz | 2.000 | 0 | -200 | 1.800 |
steuerliche Zurechnungsposten | 500 | 100 | 250 | 850 |
steuerliche Abrechnungsposten | -400 | -200 | -150 | -750 |
Zwischensumme = vorläufiger steuerpflichtiger Gewinn | 2.100 | -100 | -100 | 1.900 |
Zuführung zur Rückstellung für Prämienrückerstattung | 5.000 | 50 | 200 | 5.250 |
Zwischensumme | 7.100 | -50 | 100 | 7.150 |
davon 20% (Mindestgewinnanteil) | 1.420 | -10 | 20 | 1.430 |
Daher Zurechnung gemäß § 17 Abs. 3 KStG 1988 | 0 | 0 | 120 | 120 |
Der steuerpflichtige Gewinn | 2.100 | -100 | 20 | 2.020 |
(Zwischensumme plus Zurechnung) |
1389
Die rückwirkend angeordnete Befreiung für Beteiligungserträge (BBG 2009, siehe dazu Rz 1160) kann bei Anwendbarkeit der Mindestbesteuerung zu einem steuerlich schlechteren Ergebnis für das Versicherungsunternehmen führen, wenn bislang die ausländische anrechenbare Steuer in voller Höhe angerechnet wurde und sich die Beteiligungsertragsbefreiung nur zu 20% auswirkt. In diesen Fällen kann bis zur Veranlagung 2008 die Steuer angerechnet werden, die ausschließlich durch die rückwirkende Anwendung der Befreiungsbestimmung entfällt.
25.3.3 Risikorücklage
1390
Versicherungsunternehmen müssen eine gemäß § 143 Abs. 1 VAG 2016 in der Bilanz gesondert auszuweisende Risikorücklage bilden. Die Risikorücklage dient der Sicherung der Existenz der Versicherungsgesellschaft. Insbesondere dient sie damit der Abdeckung des allgemeinen Unternehmerrisikos, welches sich bei Versicherungen aus dem Risiko des versicherungstechnischen Geschäfts, dem Kapitalanlagerisiko und dem Dienstleistungsrisiko inklusive allgemeiner Geschäftsrisiken zusammensetzt.
1391
Gemäß § 143 Abs. 2 VAG 2016 sind 0,6% der um die Rückversicherungsabgabe verminderten abgegrenzten Prämien des inländischen Geschäfts, das sind das direkte und das indirekte Geschäft, eines Bilanzjahres zuzuführen (Zuführungsgebot). Die Bildung der Rücklage ist mit 4% dieser Prämien beschränkt (§ 143 Abs. 2 VAG 2016).
1392
Die Risikorücklage ist nur zur Deckung von sonst in der Bilanz auszuweisenden Verlusten und erst nach Auflösung aller sonstigen satzungsmäßigen und freien Rücklagen zu verwenden (Verwendungsbeschränkung). Eine Auflösung wegen der Überschreitung der 4%-Grenze (siehe Rz 1391) ist nicht vorzunehmen (VwGH 3.9.2008, 2004/13/0022).
1393
Die Zuführung und Auflösung der Risikorücklage ist ab der Veranlagung 1997 zur Gänze steuerneutral. Soweit für Veranlagungen vor 1997 steuerwirksame Risikorücklagen gebildet wurden, sind sie in den Jahren ihrer bestimmungsmäßigen Verwendung nachzuversteuern. Bei einer Veranlagung ab 1996 sind daher steuerneutral gebildete Teile der Risikorücklage im Fall ihrer Verwendung auch steuerneutral aufzulösen.
1394
Dies bedeutet:
- Erfolgte die Dotierung steuerwirksam, ist sowohl eine Verwendung als auch eine Auflösung steuerwirksam,
- Erfolgte die Dotierung steuerneutral, ist sowohl eine Verwendung als auch eine Auflösung steuerneutral,
- erfolgten Teile der Dotierung steuerwirksam und der Rest steuerneutral, ist eine Aufteilung der Rücklagenauflösung in einen steuerwirksamen und einen steuerneutralen Teil in jenem Verhältnis vorzunehmen, das sich aus dem Verhältnis des steuerwirksam zum steuerneutral gebildeten Risikorücklagenteils ergibt.
25.3.4 Verwaltungskostenrückstellung bei Pensionskassen
1395
Durch Art. II des Steuerreformgesetzes 2000, BGBl. I Nr. 106/1999, wurde klarstellend auch für Pensionskassen eine Art Maßgeblichkeit der Erfordernisse zur Rückstellungsbildung für den Bereich der steuerlichen Gewinnermittlung vorgesehen. Durch die Klarstellung wird zum Ausdruck gebracht, dass die durch Gesetz bzw. Verordnung vorgesehene geschäftsplanmäßige Rückstellung für nach Pensionsbeginn anfallende Verwaltungskosten schon vor dem Inkrafttreten der neuen Bestimmung dem Grunde und der Höhe nach als abzugsfähige Betriebsausgabe anzuerkennen ist. Die Bildung hat entsprechend der VO der FMA zu erfolgen (Verwaltungskostenrückstellungsverordnung 2013 – VKRStV 2013 vom 28.11.2013, BGBl. II Nr. 381/2013 idF BGBl. II Nr. 92/2017).
25.4 Genossenschaften
1396
Im Hinblick auf die Gewinnbesteuerung bei unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Genossenschaften gemäß § 1 Abs. 2 Z 1 KStG 1988 ist vorrangig die Frage zu klären, ob die Zuwendungen der Genossenschaft an ihre Mitglieder aus dem Mitgliedergeschäft Gewinnverteilung (Einkommensverwendung) oder gewinnmindernde Betriebsausgaben darstellen. Zuwendungen aus dem Nichtmitgliederzweckgeschäft stellen auf alle Fälle Einkommensverwendung dar und sind somit der Körperschaftsteuer zu unterziehen (vgl. § 5 Z 9 lit. a und b KStG 1988).
1397
Insbesonders ist für die steuerliche Qualifizierung eine Unterscheidung zwischen den einzelnen Arten von Genossenschaften notwendig:
- Landwirtschaftliche und forstwirtschaftliche Verwertungsgenossenschaften und Nutzungsgenossenschaften: Diese Genossenschaften (zB Molkereigenossenschaften, Winzergenossenschaften einerseits und Zuchtgenossenschaften, Weidegenossenschaften, Maschinengenossenschaften andererseits) sind vorrangig im Absatzgeschäft der von den Mitgliedern übernommenen Produkte tätig bzw. auf die Nutzung landwirtschaftlicher und forstwirtschaftlicher Betriebseinrichtungen oder Betriebsgegenstände durch ihre Mitglieder ausgerichtet. Die Geschäftstätigkeit beschränkt sich fast ausschließlich auf den Ankauf und die anschließende Bearbeitung oder Verwertung der von den Mitgliedern produzierten, angelieferten Waren (zB Wein, Milch, Holz). Gemäß § 5 Z 9 lit. a und b KStG 1988 sind Befreiungen für bestimmte Genossenschaften (landwirtschaftliche Nutzungsgenossenschaften und Winzergenossenschaften) vorgesehen, wenn sich die Geschäftstätigkeit nur auf das Mitgliedergeschäft beschränkt (siehe Rz 200, 201 und 1399 bis 1402) Die Problematik, ob Warenrückvergütungen, Kaufpreisnachzahlungen und Geschäftsanteilverzinsung Betriebsausgabe oder Einkommensverwendung darstellen, ist bei den befreiten Erwerbsgenossenschaften und Wirtschaftsgenossenschaften nicht von Bedeutung.
- Verbrauchergenossenschaften: Diese sind ausschließlich im Bezugsgeschäft tätige Genossenschaften (zB Konsumgenossenschaften), in dem sie Waren an ihre Mitglieder (und Nichtmitglieder) verkaufen. Auf die Aufhebung (VfGH 5.10.1994, G 252/93) der Sondervorschriften für Erwerbsgenossenschaften und Wirtschaftsgenossenschaften gemäß § 13 KStG 1988 (aufgehoben durch VfGH gemäß BGBl. Nr. 922/1994) und § 8 Abs. 3 Z 2 zweiter Satz KStG 1988 (aufgehoben durch VfGH gemäß BGBl. Nr. 922/1994, wirksam ab 25. November 1994) und § 11 Abs. 1 Z 2 KStG 1988 (aufgehoben durch BGBl. Nr. 201/1996, wirksam ab 1. Mai 1996) wird verwiesen.
- Landwirtschaftliche Einkaufsgenossenschaften und Verkaufsgenossenschaften bzw. Warengenossenschaften: Diese Art der Erwerbsgenossenschaften und Wirtschaftsgenossenschaften (zB Raiffeisenlagerhäuser) ist für ihre Mitglieder sowohl im Absatzgeschäft (Ankauf der von den Mitgliedern angelieferten landwirtschaftlichen Produkte und anschließenden Verkauf am freien Markt) als auch im Bezugsgeschäft (Verkauf von Produkten an ihre Mitglieder) tätig. Zusätzlich sind diese Genossenschaften verstärkt im Dienstleistungsbereich (zB Baumärkte, Installationen, Werkstätten) im zunehmenden Ausmaß auch gegenüber Nichtmitgliedern tätig.
1398
Auf Grund des Förderungsauftrages (§ 1 GenG) hat die Genossenschaft ihre Mitglieder zu fördern, die Gewinnerzielungsabsicht sollte daher nicht im Vordergrund stehen. Die Genossenschaft soll lediglich eine Hilfseinrichtung für ihre Mitglieder darstellen. Steuerrechtlich muss trotzdem an die rechtliche Selbständigkeit einer Genossenschaft (als Körperschaftsteuersubjekt vergleichbar mit Kapitalgesellschaften) und den damit verbundenen Folgen angeknüpft werden (siehe VfGH 4.10.1991, B 1408/90). Das Genossenschaftsmitglied tritt der Genossenschaft als Anteilseigner in gesellschaftsrechtlicher Beziehung, und als Kunde bzw. Lieferant in Lieferverträgen gegenüber.
25.4.1 Steuerpflichtiger Bereich bei befreiten Genossenschaften
1399
Zu den im Zusammenhang mit dem Übergang der steuerbefreiten Genossenschaften in die Steuerpflicht (bzw. Übergang von der Steuerpflicht in die Steuerbefreiung) entstehenden Abgrenzungsfragen siehe Rz 1415 bis 1423.
25.4.1.1 Nach § 5 Z 5 KStG 1988 befreite Genossenschaften
1400
Für Agrargemeinschaften und andere in § 5 Z 5 KStG 1988 genannten Körperschaften ist auch die Rechtsform der Genossenschaft möglich. Diese Genossenschaften sind insoweit steuerpflichtig, als sie
- einen Gewerbebetrieb unterhalten, der über den Umfang eines Nebenbetriebes hinausgeht, oder
- einen solchen Gewerbebetrieb verpachten, oder
- Grundstücke entgeltlich für andere als landwirtschaftliche und forstwirtschaftliche Zwecke zur Nutzung überlassen.
Siehe auch Rz 174 bis 176 und 121 bis 130.
25.4.1.2 Befreite Genossenschaften nach § 5 Z 9 KStG 1988
1401
Die Voraussetzungen für die Steuerbefreiungen (siehe Rz 198 bis 209) müssen im gesamten Besteuerungszeitraum vollständig vorliegen. Bei Nichterfüllung der Voraussetzung geht die Steuerbefreiung grundsätzlich zur Gänze verloren.
1402
Eine Ausnahme von dieser Grundregel bilden die so genannten zwangsweisen Nichtmitgliedergeschäfte. Dabei handelt es sich um solche Geschäfte, die auf Grund von Gesetzen, Verordnungen, oder behördlichen Anordnungen auch mit Nichtmitgliedern getätigt werden müssen.
Nur der Gewinn aus diesen Nichtmitgliedergeschäften ist steuerpflichtig.
Beispiele:
Eine Maschinengenossenschaft erhält aus öffentlichen Mitteln eine Subvention zum Ankauf einer Maschine mit der Auflage, diese Maschine allen Landwirten ihres Bereiches leihweise zu überlassen.
Eine Genossenschaft betreibt eine Brückenwaage mit Öffentlichkeitspflicht.
25.4.2 Aktive Preispolitik
1403
Darunter ist eine unangemessene, dem Fremdvergleich nicht standhaltende Preisgestaltung der Genossenschaft gegenüber ihren Mitgliedern zu verstehen. Durch die beim Geschäftsabschluss (Einkauf oder Verkauf) unmittelbare Weitergabe von Preisvorteilen an die Mitglieder wird das Entstehen von Gewinnen bei der Genossenschaft verhindert. Die Vorteilszuwendungen im Rahmen der „aktiven Preispolitik“ sind als verdeckte Ausschüttung zu behandeln. Die „aktive Preispolitik“ kann in folgenden Bereichen auftreten:
- im Absatzgeschäft: durch Verrechnung von überhöhten Übernahmspreisen für die angelieferten Produkte an die Genossenschaft, und
- im Bezugsgeschäft: durch Verrechnung von Unterpreisen beim Verkauf von Waren und Artikeln an die Mitglieder, und
- im Leistungsbereich: durch Verrechnung von Unkostenbeiträgen (bzw. Verrechnung von Zuschlägen) ausschließlich an Nichtmitglieder bei Inanspruchnahme von genossenschaftlichen Anlagen
Beispiel 1:
Preisvorteile an die Mitglieder in Höhe von 5% bis 10% vom fremdüblichen Marktpreis der angelieferten bzw. verkauften Produkte an die Mitglieder erscheinen nicht angemessen und halten dem Fremdvergleich nicht stand. Diese Beträge stellen bei der Genossenschaft Einkommensverwendung dar und sind als verdeckte Ausschüttung zu behandeln.
Beispiel 2:
Die Weitergabe von Preisvorteilen im Bezugsgeschäft, die durch größere Einkaufseinheiten von Lieferanten generell an Kunden (Mitglieder und Nichtmitglieder) in gleicher Höhe weitergegeben werden, ist als Betriebsausgabe (Rabatt) abzugsfähig.
Beispiel 3:
Wenn Genossenschaften im Zuge der Getreideübernahme nur den Nichtmitgliedern Anlagenbenützungsgebühren, Zuschläge bei den Trocknungsgebühren oder höhere Regiezuschläge in den Werkstätten verrechnen, stellen diese Preisvorteile auf Grund der Konditionendifferenzierungen bei den Mitgliedern verdeckte Ausschüttungen dar.
Bezüglich steuerlicher Behandlung der offenen und verdeckten Ausschüttung bei der Genossenschaft bzw. bei den Mitgliedern siehe Rz 1404 bis 1413.
25.4.3 Warenrückvergütungen und Geschäftsanteilverzinsung
25.4.3.1 Warenrückvergütungen
1404
Warenrückvergütungen sind Rückzahlungen von Überschüssen aus dem Mitgliedergeschäft an die Genossenschafter. Sie sind nach Jahreserfolg und Jahresumsatz aus den Mitgliedergeschäften abhängige Vergütungen (Umsatzdividenden), die nach Maßgabe der Häufigkeit der Inanspruchnahme der Genossenschaft durch die einzelnen Mitglieder für die getätigten Umsätze im Bezugsgeschäft und Absatzgeschäft im Nachhinein bezahlt werden, unabhängig von der Kapitalbeteiligung.
1405
Gemäß § 8 Abs. 3 Z 2 KStG 1988 sind Rückvergütungen, die von Erwerbsgenossenschaften und Wirtschaftsgenossenschaften gewährt werden und aus dem Mitgliedergeschäft erwirtschaftet wurden, generell als Einkommensverwendung bzw. offene Ausschüttung anzusehen und stellen trotz des Förderungsauftrages gemäß § 1 GenG keine gewinnmindernden Betriebsausgaben dar, unabhängig davon, ob die Vergütungen bereits am Beginn des Wirtschaftsjahres dem Grunde und der Höhe nach feststehen oder erst am Ende des Wirtschaftsjahres beschlossen werden. Der Zusatz „Mitgliedergeschäft“ dient nur zur Klarstellung, denn die Überschussverteilung aus dem „Nichtmitgliedergeschäft“ stellt ohne Zweifel Einkommensverwendung dar. In diesem Zusammenhang wird auch auf die Judikatur des VfGH (VfGH 5.10.1994, G 252/93) verwiesen, dem zufolge zwischen den Einkaufsgenossenschaften und Verkaufsgenossenschaften und den Verbrauchergenossenschaften keine steuerlichen Unterschiede zu erkennen sind und die Sondervorschriften für Erwerbsgenossenschaften und Wirtschaftsgenossenschaften gemäß § 13 KStG 1988 als verfassungswidrig aufgehoben wurden. Die rückbezahlten Beträge an die Genossenschaftsmitglieder sind daher bei allen Erwerbsgenossenschaften und Wirtschaftsgenossenschaften (auch bei den Verbrauchergenossenschaften) der Körperschaftsteuer zu unterziehen und als offene Ausschüttung bzw. als verdeckte Ausschüttung (falls diese Beträge von der Genossenschaft als Betriebsausgaben abgezogen wurden) an die Genossenschaftsmitglieder zu behandeln.
1406
Bei den empfangenden Genossenschaftern (Landwirte und Forstwirte, Privatpersonen) unterliegen die Rückvergütungen (wie auch die restlichen Gewinnanteile eines Genossenschaftsanteiles) unabhängig von der Zugehörigkeit der Genossenschaftsanteile zum Betriebs- oder Privatvermögen als Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 27 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988) der Abgeltungswirkung durch Einbehaltung der Kapitalertragsteuer durch die Genossenschaft, die für die Abfuhr der Kapitalertragsteuer haftet (vgl. § 93 Abs. 2 Z 1 und § 95 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG 1988).
1407
Bei Körperschaften als Genossenschaftsmitgliedern sind derartige Beteiligungserträge aus Rückvergütungen (Kaufpreisrückvergütungen und Kaufpreisnachzahlungen) von inländischen Erwerbsgenossenschaften und Wirtschaftsgenossenschaften gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 KStG 1988 befreit. Gemäß § 94 Z 2 EStG 1988 kann ein Kapitalertragsteuerabzug unterbleiben, wenn die Beteiligung an der Genossenschaft mindestens 10% beträgt. Unter die Beteiligungsertragsbefreiung fallen gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 KStG 1988 weiters Gewinnanteile jeder Art (Geschäftsanteilverzinsung, Ausschüttung von Dividenden) auf Grund eines Genossenschaftsanteiles (siehe Rz 1162).
1408
Rückvergütungen der Erwerbsgenossenschaften und Wirtschaftsgenossenschaften an ihre Genossenschaftsmitglieder können in folgender Form nach Schluss des Wirtschaftsjahres geleistet werden:
- Kaufpreisrückvergütungen: Warenrückvergütungen, Warenrabatte für Produkte und Artikel, welche die Mitglieder zu überhöhten Preisen im Bezugsgeschäft von der Genossenschaft (bei günstiger Entwicklung von Beschaffungspreisen) erworben haben. (zB Kunstdünger, Pflanzenschutzmitteln, Saatgut, Futtermittel, Treibstoffe und sonstige Artikel aus den Lebensmittelmärkten und Baumärkten)
- Kaufpreisnachzahlungen: für Produkte (zB Getreide, Kartoffel, Holz, Alternativprodukte, Milch, Wein), die von den Mitgliedern an die Genossenschaft geliefert wurden. Vergütungen für zu geringe Übernahmspreise bei späterer günstiger Entwicklung im Absatzgeschäft, und
- Unkostenvergütungen: Rückzahlungen im Leistungsbereich der Genossenschaft. Entweder wurden Leistungen der Mitglieder zu gering vergütet oder von der Genossenschaft für ihre eigenen Leistungen zu hohe Unkostenbeiträge eingehoben.
1409
Der Rückvergütung liegt ein Umsatzvorgang zu Grunde (Liefervertrag) und auch ein genossenschaftsrechtlicher Grund, der für die steuerliche Beurteilung (gewinnmindernder Rabatt bzw. Wareneinsatz oder Gewinnverwendung) maßgeblich ist. Ein entscheidendes Kriterium für die steuerliche Beurteilung (Betriebsausgabe oder Einkommensverwendung) ist, ob die Leistung der Rückvergütung durch die Genossenschaft an die Mitglieder ihren Rechtsgrund aus einem Liefervertrag oder dem Gesellschaftsvertrag abgeleitet. Die Klärung dieser Frage ist schwierig, da der Empfänger der Rückvergütung sowohl Anteilseigner als auch Kunde bzw. Lieferant ist.
1410
Mengenabhängige Rabatte und Lieferantenrabatte aus dem Bezugsgeschäft der Genossenschaft, wie sie auch von anderen Firmen gewährt werden bzw. unabhängig vom Erfolg der Genossenschaft gewährt werden (Fremdvergleichsgrundsatz: auch Nichtmitgliedern) stellen keine Rückvergütungen gemäß § 8 Abs. 3 Z 2 KStG 1988 dar, sondern gewinnmindernde Erlösberichtigungen. Falls ein Rabattanspruch nur Genossenschaftern und nicht allen Kunden (Nichtmitgliedern) zusteht, ist die Auszahlung solcher Vergütungen als verdeckte Ausschüttung zu beurteilen.
Beispiel:
Legt eine Einkaufsgenossenschaft und Verkaufsgenossenschaft vor Beginn des Wirtschaftsjahres fest, dass nur die Mitglieder aus dem Bezugsgeschäft nach Ende des Jahres eine Kaufpreisrückvergütung in Höhe von 1% (2%, 3%) der bezogenen Waren erhalten, stellen diese Beträge Einkommensverwendung dar.
1411
Kaufpreisnachzahlungen für angelieferte Produkte, deren Preise nach Qualitätskriterien gestaffelt werden, sind keine Rückvergütungen gemäß § 8 Abs. 3 Z 2 KStG 1988, sondern gewinnmindernd als Betriebsausgaben (Wareneinsatz) abzugsfähig. Andererseits werden auch Preisabzüge (für Reinigungskosten und Trocknungskosten der Genossenschaft) für mindere Qualität der angelieferten Produkte an den Lieferanten weitergegeben und stellen Qualitätsabschläge dar. Eine spätere Auszahlung von Teilen der festgelegten Übernahmspreise (zB erst bei Weiterverkauf der Ernte oder nach erfolgter Qualitätsbestimmung) stellt keine Rückvergütung dar, wenn diese erfolgsunabhängig ist.
Beispiel 1:
Bei der Anlieferung von Gerste wird der Preis für Futtergerste bezahlt. Falls die Qualitätsanforderungen stimmen und die Gerste an Brauereien weiterverkauft werden kann, wird die Differenz zum Übernahmspreis für die qualitativ höherwertige Braugerste nachbezahlt. Diese Beträge sind keine Rückvergütungen, sondern Betriebsausgaben.
Beispiel 2:
Kaufpreisnachzahlungen an die Mitglieder in Höhe von 5% bis 10% vom üblichen Marktpreis der angelieferten Produkte erscheinen nicht angemessen und halten dem Fremdvergleichsgrundsatz nicht stand. Diese Beträge stellen bei der Genossenschaft Einkommensverwendung dar und sind entsprechend als verdeckte Ausschüttung zu behandeln.
Beispiel 3:
Werden im Zuge der Getreideanlieferung von Lieferanten (Mitglieder und Nichtmitglieder) durch die Genossenschaft generell Anlagenbenützungsgebühren oder Zuschläge bei den Trocknungsgebühren verrechnet, und werden diese eingehobenen Unkostenbeiträge nach Ende des Wirtschaftsjahres nur an die Mitglieder rückvergütet, stellen diese Beträge eine verdeckte Ausschüttung bei den Mitgliedern dar.
1412
Gewinnverteilungen nach Höhe der Genossenschaftsanteile (Geschäftsanteilverzinsung, Dividenden) stellen auf alle Fälle Einkommensverwendung dar (siehe Rz 1414).
1413
Unter bestimmten Voraussetzungen ist es jedoch möglich, dass Kaufpreisrückvergütungen und Kaufpreisnachzahlungen an die Mitglieder bei der Genossenschaft abzugsfähige Betriebsausgaben, entweder als Erlösberichtigungen in Form von Rabatten oder als erhöhten Wareneinsatz, darstellen. Bei den empfangenden Genossenschaftern unterliegen diese Gutschriften folglich nicht der Endbesteuerung von Kapitalerträgen.
Die von den landwirtschaftlichen Genossenschaften eingeräumten Preisvorteile auf die üblichen Marktpreise an ihre Kunden (Mitglieder und Nichtmitglieder)
- für den Ankauf von landwirtschaftlichen Produkten (bei Genossenschaft erhöhte Preise für übernommene Waren von den Landwirten) durch Preisnachzahlungen im Absatzgeschäft der Genossenschaften und
- für den Verkauf von Waren (durch Genossenschaft an ihre Abnehmer zu ermäßigten Preisen) durch Rabattgewährungen im Bezugsgeschäft der Genossenschaften
können entweder unmittelbar beim Warenaustausch (aktive Preispolitik) oder nachträglich nach Abschluss des Wirtschaftsjahres (Rückvergütungen) verrechnet werden. Derartige Preisnachzahlungen und Rabattgewährungen bilden steuerlich abzugsfähige Betriebsausgaben (samt Umsatzsteuerkorrektur), wenn folgende Voraussetzungen erfüllt werden:
- Die Beschlüsse über die Gewährung von Preisvorteilen durch die zuständigen Genossenschaftsorgane müssen im Voraus gefasst werden. Somit können nur solche Vergütungsbeträge abgesetzt werden, die auf Ankäufe und Verkäufe entfallen, die frühestens nach dem Tag der Beschlussfassung getätigt werden.
- Die Beschlüsse müssen gehörig kundgemacht werden (Anschlag auf dem Schwarzen Brett einer jeden Geschäftsstelle oder durch Aussendungen), sodass gewährleistet ist, dass im Zeitpunkt des Umsatzes (Warenaustausches) die Vergütungen, da den Kontrahenten bekannt, einen festen Preisbestandteil bilden.
- Der Preisvorteil muss Genossenschaftsmitgliedern und Nichtmitgliedern in gleicher Höhe gewährt werden, um dem Fremdvergleichsgrundsatz standzuhalten.
- Die Vergütungen dürfen eine angemessene handelsübliche Höhe nicht überschreiten. Als oberste Grenze einer noch zulässigen Vergütung kann die Deckung im Warenbruttogewinn (Differenz zwischen Verkaufspreis und Einstandspreis der betreffenden Ware) angesehen werden. Ausnahmen sind nur in folgenden Fällen vertretbar:
- Zwingender Konkurrenzdruck
- Abverkauf von Ladenhütern
- Bewerbung eines neuen Artikels
- Werbemaßnahme
- Räumungsverkäufe.
- Die Auszahlung der Preisnachzahlungen oder Rabatte ist jeweils spätestens bis Ende des Wirtschaftsjahres durchzuführen, das auf jenes folgt, wofür der Rechtsanspruch besteht, oder die Genossenschaft hat die bis zu diesem Zeitpunkt erfolgten Verständigungen der betroffenen Lieferanten bzw. Kunden nachzuweisen, mit welchen den Empfängern die genaue Höhe ihrer Ansprüche bekanntgegeben wird. Dieser Nachweis kann durch Postbestätigungen, von den Empfängern gefertigte Empfangsbestätigungen oder Listen erbracht werden. Die bloße Verbuchung des Vergütungsbetrages, auch wenn diese auf dem Kontokorrentkonto erfolgt, ersetzt nicht die belegmäßige Verständigung.
- Die Verständigung der Empfänger mittels Belegen, die den im § 11 UStG 1994 enthaltenen Erfordernissen für Rechnungen und Gutschriften entsprechen, ist auch deswegen geboten, weil die Genossenschaften nur bei Vorliegen von umsatzsteuergerechten Belegen berechtigt sind, ihre abziehbaren Vorsteuern um die auf die Preisnachzahlungen entfallenden Umsatzsteuerbeträge zu erhöhen bzw. ihre abzuführende Umsatzsteuer um die auf die Rabatte entfallenden Umsatzsteuerbeträge zu mindern.
- Sollten Preisnachzahlungen bzw. Rabatte bis zum Ende des Wirtschaftsjahres, das dem Wirtschaftsjahr folgt, in dem der Anspruch auf diese Preisvorteile entstanden ist, weder ausbezahlt noch mit den einzelnen Vergütungsberechtigten belegmäßig abgerechnet (unabhängig ob bereits verfügbar) worden sein, sind diese Beträge der Körperschaftsteuer zu unterziehen.
25.4.3.2 Geschäftsanteilverzinsung
1414
Die Geschäftsanteilverzinsung stellt ebenfalls eine Verteilung des Gewinnes an das Genossenschaftsmitglied dar. Sie ist vergleichbar mit einer Dividende, die für Kapitalbindung an der Genossenschaft bezahlt wird und nach Maßgabe der Kapitalbeteiligung dem Mitglied zu Gute kommt. Eine Verzinsung der von den Genossenschaftsmitgliedern gezeichneten und eingezahlten Geschäftsanteile durch die Erwerbsgenossenschaften und Wirtschaftsgenossenschaften stellt auf alle Fälle eine Ausschüttung dar. Die an die Mitglieder bezahlten Zinsen mindern daher nicht den körperschaftsteuerpflichtigen Gewinn der Genossenschaft, unabhängig davon, ob der Beschluss der Genossenschaft vor oder nach dem betreffenden Wirtschaftsjahr getroffen wurde. Der Jahreserfolg der Genossenschaft sowie die Höhe bzw. der Prozentsatz der bezahlten Zinsen sind für die steuerliche Beurteilung ebenfalls irrelevant. Zur körperschaftsteuerlichen Behandlung bei der Genossenschaft und Endbesteuerung von Kapitalerträgen bei den Empfängern siehe Rz 1404 bis 1413.